Ep. 07 – Gespräch mit Gianluca Pandolfo

Shownotes

Welcher Prozess steckt hinter einem fertigen Computerspiel und welche Disziplinen müssen dafür zusammenkommen? Und was hat das Gefühl eines Controllers in der Hand mit einem ansprechend gestalteten Buchcover zu tun? In dieser Episode unterhalten sich Simon Frisch und Gianluca Pandolfo über die Lehre im Bereich Game Development. Gianluca erzählt, wie er einen Raum schafft, in dem Studierende mit ihren individuellen Fähigkeiten, Persönlichkeiten und Vorlieben optimal zusammenarbeiten und wachsen können, und wie er die Studierenden dabei unterstützt, gut im Team zu kommunizieren.

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Digitale Barrierefreiheit: Christiane Hempel Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

**Weiterführende Links: ** https://bauhausgamesfabrik.de/ https://bauhausgamesfabrik.itch.io/ https://www.youtube.com/@BauhausGamesfabrik https://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/medieninformatik/grafische-datenverarbeitung/

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Ep. 06 – Gespräch mit Gianluca Pandolfo

Gianluca Pandolfo – GP

Simon Frisch – SF

SF: Fangen wir an. So, das Mikrofon ist aufgegangen und wir treten auf. Beginnen wir mit ein paar Worten zu den handelnden Figuren, die wir hier für die nächsten fünfundvierzig Minuten zu hören bekommen. Wer ist denn überhaupt hier? Als wer sind wir denn jetzt hier die nächsten fünfundvierzig Minuten in dem Gespräch über Lehre und Lernen? Wir sind ja immer viele, das war mein Gedanke bei dieser Überlegung, als wer wir uns hier vorstellen.

Wir sind ja immer viele, ich z.B. oder wir sind ja immer Kinder von Eltern, Geschwister von Geschwistern, Freunde von Freunden. Wir haben dieses erlebt, waren an jenem Kindergarten, haben Hobbys oder auch keine usw. Aber entscheidend ist, wer sind wir hier jetzt? Ich z.B. bin Dozent und Vizepräsident, Vizepräsident für Lehre und Lernen hier an der Bauhaus-Universität. Als diese beiden interessiere ich mich für Lehre und Lernen. Und als diese beiden bin ich eben hier. Als wer bist Du denn hier, als wer mit wem werde ich denn hier die nächsten fünfundvierzig Minuten sprechen?

GP: Ja, also ich bin Gianluca Pandolfo. Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät Medien, bei der Professur für Grafische Datenverarbeitung und bin hier als Lehrender und als Gründer der Bauhaus Games Fabrik.

SF: Was für Lehrerfahrungen, wie lange lehrst Du eigentlich schon? Fangen wir mal ganz, ja genau, das interessiert mich, das weiß ich gar nicht.

GP: Also ich lehre schon seit 2017 an der Bauhaus-Uni. Ich war früher Tutor an der Professur für Grafische Datenverarbeitung und hab viel mit Blender gemacht und Unity und hab den Studierenden quasi geholfen –

SF: 2017 warst Du Tutor?

GP: Vorher. Vorher.

SF: Und da würdest Du noch nicht als Lehre bezeichnen?

GP: Das würde ich doch tatsächlich auch mit als Lehre bezeichnen. Eigentlich schon seit 2015 ungefähr.

SF: Ah ja, okay.

GP: Genau. Bin hergekommen 2011 und hab erst mit Medieninformatik angefangen und bin dann zur Medienkunst/Mediengestaltung.

SF: Ach so. Ah, okay, okay.

GP: Hab dann meinen Weg wieder zurückgefunden in die Informatik [lacht] Und ja, also mich hat immer, mich haben eigentlich immer beide Seiten fasziniert. Also sowohl aus programmiertechnischer Sicht, aber auch aus künstlerischer Sicht, wie man mit 3D-Programmen gewisse Dinge erzielt, wie man mit Computerspielentwicklungsumgebungen hantiert, wie man in der Lage ist quasi, mit einem Tool am Schluss komplette Welten zu erstellen.

SF: Okay, interessant. Also was hat dich in die Kunst und Gestaltung aus der Informatik heraus, also in die Kunst und Gestaltung hineingezogen zunächst?

GP: Erstens die Freiheit, sich komplett ausdrücken zu können, also seine eigenen Ideen besser zu visualisieren und zu verfolgen.

SF: Was hast Du dann da gemacht? Kunst und und Gestaltung? Was waren die Felder, in denen Du vor allem tätig warst?

GP: Na, ich hab eigentlich fast alle Projekte zu Computerspielprojekten umgewandelt. Und alle Fachmodule immer so ausgerichtet, dass ich Computerspiele machen konnte.

SF: Du hast also die Informatik mitgenommen in die Gestaltung. Du bist ja nicht in die Malerei oder hast gesagt „Ich will jetzt endlich mal sägen!“

GP: Genau, also die Informatik war immer mit Teil dessen.

SF: Die was immer dabei.

GP: Genau. Und damit konnte ich dann halt eben, ja, Stück für Stück immer besser werden in dem, was ich verfolgt habe. Und zwar halt eben, Computerspiele zu entwickeln.

SF: Und was hat dich dann zurück in die Informatik gezogen?

GP: Die Tatsache, dass ich a) mein Wissen dann tatsächlich einsetzen konnte. Aus der Informatik. Und diese Brücke wollte ich unbedingt wieder schlagen zur Fakultät Kunst und Gestaltung bzw. damals Fakultät war ja die Medienkunst/Mediengestaltung noch an der Fakultät Medien angesiedelt. Und die ging ja dann quasi über zur Fakultät Kunst und Gestaltung.

SF: Das heißt, Du bist in die Medienkunst gegangen und weil die Medienkunst in die Fakultät, hab ich sie richtig verstanden? Bist du dann der gefolgt in die Fakultät?

GP: Genau. Als ich angefangen habe, zu studieren, war ja Medienkunst/Mediengestaltung Teil der Fakultät Medien. Und als ich angefangen habe, als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu arbeiten, kam ja der Wechsel in die K & G. Und da hab ich dann gesagt, ja, wir müssen jetzt wieder die Brücke schlagen.

SF: Okay. Und dann bist Du da rein, bist wieder zurück und jetzt hast Du da diese ganzen Fäden usw.

GP: Genau.

SF: Jetzt, was unterrichtest Du alles?

GP: Hauptsächlich unterrichte ich wie man im Team kommuniziert.

SF: Jetzt wollte ich grad sagen, Du machst ja Game, aber jetzt ist es ja eine ganz andere Beschreibung. Ja, erzähl.

GP: Absolut. Also, ich hab festgestellt, klar, die Skills, die man hat, die gibt man gerne weiter. Aber am Ende des Tages basiert alles auf Kommunikation. Wie kommuniziert ein Team miteinander? Wie arbeitet, wie arbeitet ein Team miteinander, ja? Und einfach diese, 'n Stück weit Empathie zu haben, um genau zu erkennen, wie geht's den Menschen im Projekt?

Wie geht's den Menschen, während sie meinen Kurs, mein Projekt besuchen? Und genau gezielt drauf zu achten und auch dann die Studierenden gezielt auf das spätere Leben ein Stück weit vorzubereiten, hab ich dann tatsächlich festgestellt, dass eben dieser Teamgedanke, das Kommunikative, diese ehrliche, offene Kommunikation untereinander stattfinden muss, die maßgebend ist später und prägend auch für das spätere Arbeitsleben, ja.

SF: Jetzt hast Du grad gesagt, dass Du am Ende letztendlich Kommunikation unterrichtest. Was ist es denn am Anfang? Wir haben noch gar kein Topic.

GP [lacht]: Nee, also es ist ja so, dass wenn, also es ist ja 'n interdisziplinäres Projekt, was ich ja jedes Semester anbiete.

SF: Was ist das? Das Topic?

GP: Das ist Computerspiele.

SF: Computerspiele. Ah ja. Das unterrichtest Du.

GP: Mir geht’s – meine Welt dreht sich tagtäglich Computerspiele.

SF: Ja, okay.

GP: Es sieht folgendermaßen aus. Also das ist, das Projekt ist so aufgebaut, dass quasi Studierende der Fakultät Medien und der Fakultät Kunst und Gestaltung halt eben in zwei unterschiedlichen Projekten, die in ein Projekt quasi ineinander einfließen, eben die Möglichkeit haben, zusammenzuarbeiten und sich auszutauschen. Das heißt, wir haben Programmiererinnen, wir haben Gestalterinnen, die lernen sich neu kennen. Und Ziel ist es natürlich, dass innerhalb des Projektes in wenigen Monaten ein kleines Computerspiel entsteht. Und das Schöne dabei ist, dass eben unsere Studierenden von beiden Seiten ihre Skills schon mitbringen.

Das heißt, man muss nicht mit diesen ganzen Grundlagen anfangen, in puncto Gestaltung, Erzählung und Programmierung, die benötigt werden, um Computerspiele entstehen zu lassen. Es geht darum, die Studierenden zu begleiten in dem Prozess. Ihnen von Anfang an eben die Möglichkeit zu bieten, in Teams zusammenzuarbeiten und findet folgendermaßen statt: Also, die bewerben sich. Oder schreiben sich ein. Und zur ersten Sitzung müssen die Studierenden sich vorstellen, haben dafür ein bis zwei Minuten Zeit. Wer bin ich? Was kann ich? Was sind meine Lieblingsspiele? Und welche Idee würde ich gerne in diesem Projekt umsetzen?

SF: Das sagt jede von denen, die dann in dieser Gruppe da dabei sind.

GP: Genau.

SF: Und dann bildest Du Gruppen oder wie stelle ich mir das vor, wie geht es weiter?

GP: Und dann geht es folgendermaßen weiter, ich hör mir alles an, mach mir dazu Notizen und schaue, okay, worin liegen erstmal die gemeinsamen Interessen? Wer hat überambitionierte Ideen, die in diesem kleinen Zeitraum nicht zu realisieren sind?

SF: Ah ja, das vermerkst Du gleich mit.

GP: Das wird alles wird alles gleich mit vermerkt. Also wer ist überambitioniert? Wer hat tatsächlich gar keine Ambitionen oder – also, passiert ja alles. Manche sind auch da, um ihr Handwerk auszuleben, 3D z.B. oder in der Gestaltung, Illustration, die nehmen erst eher die supportende Rolle an. Und wollen auch nicht mit Ideen die Ecke kommen. Und also wie gesagt, wir haben hier einen Pool an Individuen. Die müssen wir dann zusammenbringen.

SF: Wer ist „wir“?

GP: Ich.

SF: Ach so. Das machst Du?

GP: Das mach ich. Und es sieht folgendermaßen aus, stellen sich natürlich alle vor, dass quasi, wenn alle präsentiert haben, werden – haben die Studierenden dann im Anschluss, nachdem ich dann quasi alles vorgestellt hab, wie's im Projekt aussieht –

SF: Was sagst Du denn dann da zum Beispiel? Ja, können wir ruhig konkret machen. Das ist ja das, worum's hier geht.

GP: Okay. Also, ich stelle mich natürlich erst vor, wer ich bin. Was ich alles gemacht habe im Leben. Weise darauf hin, dass das Projekt auch 'n Safespace ist.

SF: Das ist alles die erste Sitzung.

GP: Ist alles die erste Sitzung. Es findet alles in der ersten Sitzung statt.

SF: Okay. Safespace heißt?

GP: Das ist ein Safespace für Diverse. Also ist 'n LGBTQIA+ Safe Space. Das wird klar und ausdrücklich noch mal formuliert. Im Projekt sollen keine Spiele entstehen, die diskriminierend sind in jeglicher Form. Dürfen politisch sein, die Spiele. Aber eben in 'nem gewissen Kontext und gut recherchiert.

Ansonsten bitte ich dann immer um Zurückhaltung. Zeige denen dann, dass eben zum Teil nur drei, vier Monate Entwicklungszeit zur Verfügung stehen. Weil dann das Semester ja naht. Und bis dahin müssen die Computerspiele ja auch in einer Form fertig sein, meistens in 'ner Art Demo. Oder ein Proof of Concept, ein spielbarer Prototyp.

SF: Ja. Da hast Du die Erfahrung, die die aber nicht haben. Oder zum Teil nicht haben oder unterschiedlich, weniger als Du wahrscheinlich.

GP: Genau. Also, es kommt ein –

SF: Du schätzt ein?

GP: Ich schätze ungefähr ein. Da komme ich dann gleich nochmal zu. Ich schätze dann im Laufe der ersten zwei Wochen ein, ist das Projekt realisierbar, ist das Projekt nicht realisierbar?

SF: Das die dann vorstellen?

GP: Das die dann vorstellen. Also, es sieht dann so aus, dass sie dann ungefähr fünfundvierzig, alles am ersten Tag. Wir haben dann etwa fünfundvierzig Minuten, eine Stunde Zeit, sich dann kennenzulernen und auszutauschen.

SF: Wie kommen die Gruppen zustande? Hab ich jetzt irgendwie verpasst, oder?

GP: Also, jeder stellt sich vor. Und die Gruppen, indem ich dann quasi schön ein Bild auf die Leinwand projiziere. Ich mach Musik von Barry White an, um die Stimmung ein bisschen zu lockern um eine Datingatmosphäre zu schaffen. [Lacht]

Und da haben die tatsächlich dann Zeit, sie untereinander auszutauschen und da komme ich jetzt nochmal drauf zurück, warum ich dann verlange, dass die Studierenden dann auch ihre Lieblingsspiele miteinfließen lassen. Bei der Präsentation. Weil ich halt eben da schon 'n gemeinsames Interesse basierend auf die Spiele, die die Studierenden spielen, feststelle. Und da halt eben schon mal kleine Icebreaker, kleine Sympathien schon mal entstehen. Und während sich da ungefähr dreißig Studierende dann tummeln und unterhalten, schau ich immer wieder. Also ich begleite diesen –

SF: Dreißig ist etwa die Größe.

GP: Dreißig ist so die Maximalgröße.

SF: Die bewegen sich dann frei, gehen aufeinenader zu, sagen „Ah, da hab ich ein Spiel, das find ich auch toll.“ Und da ist erstmal so `ne Bewegung im Raum?

GP: Ist erstmal eine Bewegung im Raum. Manche sind sich von Anhieb schon sympathisch oder kennen sich schon und würden gerne noch mit jemand anderem ein Projekt…

SF: Hast Du eine vorgegebene Gruppengrößen?

GP: Ja, also ich sag immer maximal drei.

SF: Okay, dann wissen die schon, okay.

GP: Maximal drei. Oft passiert's dann halt eben, falls eine Person übrig bleibt, dass es dann 'n Vierer-Team wird. Aber nicht mehr, weil eben dann wird's problematisch.

SF: Okay, verstehe. Rund zehn Gruppen entstehen da?

GP: Es entstehen meistens zwischen sechs und sieben Gruppen. Also, es gibt viele Vierer-Teams dann am Ende des Tages, obwohl ich immer sage, Dreier. Aber genau, so zwischen sechs und sieben Gruppen. Das ist so das Übliche.

SF: Also, dann haben die jetzt eine Dreiviertelstunde miteinander Musik gehört. Nee, also halt haben sich –

GP: Nee, nee, also die läuft ganz leise, im Hintergrund läuft das. Nee, und ich schaue dann, beobachte das Ganze.

SF: Ah ja, Du bist dauernd da.

GP: Ich bin die ganze Zeit dabei. Weil es ist wichtig, weil es gibt oft introvertierte Menschen. Es gibt auch oft Menschen, die sich einfach nicht trauen. Die, ja, einfach wir haben das komplette Spektrum da. Sehr extrovertierte Menschen, die sich dann natürlich in den Vordergrund drängen, während eher introvertiertere Menschen oder ängstliche Menschen sich in die Ecke verkriechen und eben nicht die Initiative ergreifen. Die werden auch übersehen zum Teil. Meine Aufgabe ist, da alle mitzunehmen. Und wirklich drauf zu achten, dass also – quasi auf die Menschen zugehen, zu sagen: Wie geht's dir? Gibt's Probleme?

Man merkt auch oft, wenn dann quasi so Teamsbildung sind, dass dann doch die Gesichter verraten dann schon einiges. Und ist schon öfter vorgekommen, dass die dann halt wirklich – Du hast einfach gemerkt: Okay, die Person ist unglücklich gerade. Also auf sie zugehen, fragen: Was ist los? Liegt das daran, leg das hieran? Du kannst gerne mir erzählen. Wenn Du das Gefühl hast, dass Du nicht in dieses Team passt, finden wir eine Lösung. Sehr schwierig.

SF: Gab's auch schon? Gab’s konkret?

GP: Gab’s öfter, ja, ja.

SF: Irgendwie, ich pass da nicht rein und man traut sich nicht, weil die Leute dann denken –

GP: Genau. Passiert, das passiert. Ist auch klar. Also, es sind so viele Bereiche, es sind so viele Studiengänge, die ich da vereine. Und unterschiedliche Menschen, also –

SF: Absolut normal.

GP: Absolut normal. Das ist 'n ganz normaler Prozess, so. Ich sag's mal so, Erfolgsquote, ich würd mal sagen, was Teambildung betrifft, liegt so bei 85%. Es gibt dann immer wieder mal ein Team, nicht jedes Semester, aber es kommt schon öfter mal…

SF: Erfolgsquote ist: die bilden sich und dann moderierst Du noch 'n bisschen nach?

GP: Genau, dann guck ich und dann schau ich. Dann schau ich: Okay, sind da jetzt zwei Illustratoren im Team, wäre vielleicht nicht so gut. Aber manchmal... Merke ich, die Gruppendynamik, ja. Die ist schon so da und die haben so Lust, dann sag ich, okay gut. Wenn dann halt eben zwei Programmiererinnen im Team sind oder zwei Illustratorinnen, dann macht! Hauptsache, ihr fühlt euch wohl im Team.

SF: Geht denn die Mischung immer auf? Ich mein, das würde ja nicht funktionieren, wenn dann drei Illustratorinnen zusammen sind. Wer programmiert dann?

GP: Genau.

SF: Habt ihr immer genug von allen?

GP: Am Schluss tatsächlich, ich bin immer wieder erstaunt, es funktioniert! Weil es gibt auch Mediengestalter*innen, die tatsächlich auch mit Unity, also der Computerspielumgebung, die können auch programmieren. Also die sind bisschen kleine Multitalente, also so Generalisten nennt man die.

SF: Das heißt irgendwie, dieses Überschrift „Game“ zieht mehr oder weniger schon Kompetenzen an, sodass Du dann da… die Sorge hattest Du noch nie?

GP: Ganz am Anfang. Als ich damit angefangen hab.

SF: Ja, erzähl mal. Wie…?

GP: Ich hatte halt eben die Sorge, dass eben dadurch, dass die zum Teil nie ein Spiel, noch nie ein Spiel realisiert haben, war ganz am Anfang, war ich so richtig verbissen. Also, ich hab denen ein Gamedesign-Dokument gegeben. Das mussten die komplett ausfüllen über Seiten. Die mussten schon innerhalb der ersten Wochen wissen, was ist das für eine konkrete Idee, die wir da verfolgen und so. Hat zwar geklappt. Aber es war sehr viel Druck dahinter.

SF: Auf die Studierenden.

GP: Auf die Studierenden.

SF: Und Du auch. Du hattest selber Druck.

GP: Absolut. Und über die Jahre gemerkt: Okay, gewisse Strukturen lockern, auch immer im Austausch nach dem Semester mit den Studierenden, einfach diese Kritik zu akzeptieren, Verbesserungsvorschläge anzunehmen und, also – es ist wie so eine Iterationsschleife, die ich da über die Jahre –

SF: Ja, „Kritik akzeptieren“, Du? Oder die Studierenden?

GP: Ich.

SF: Du? Was für Kritik kriegst Du?

GP: Jegliche Kritik.

SF: Zum Beispiel?

GP: Zum Beispiel: Du hast uns hier ganz schön dieses Semester gepeitscht.

SF: Ja, was machst Du dann?

GP: Was heißt gepeitscht? Einfach, weil gewisse Deadlines erfüllt werden mussten, um halt eben auf `nem gewissen Level zu kommen, um etwas Vorzeigbares zu haben. Für mich ist halt eben wichtig, dass die Studierenden nach diesem Projekt was Handfestes haben. Also etwas haben, was sie in ihr Portfolio packen können.

SF: Ja, was irgendwie fertig ist, was auf irgend 'nem Level ist.

GP: Irgend 'nem Level etwas Vorzeigbares ist. Was für ihren weiteren Weg einfach wichtig ist. Um dann anzuknüpfen. Um eben zu sagen: Okay, super, wir haben jetzt eine Demo entwickelt, jetzt können wir den nächsten Schritt wagen.

SF: Jetzt sagen die zu Dir: „Du hast jetzt ganz schön gepeitscht und reingedreht“ usw. Sagst Du dann: Okay, ich peitsch euch nicht mehr. Oder wie gehst Du damit jetzt konkret um z.B.?

GP: Nee, da gibt's ja einen offenen Austausch. Warum ist das so passiert? Ja. Warum mussten wir das so machen? Ah ja. Und oft… es ist ja keine schlimme Kritik. Du merkst es ja im Dialog. Es passt schon. Und dennoch haben sie ganz viel Freiheit im Projekt. Also, die haben auch viel Zeit. Also… mit Durchpeitschen ist eher – also, ist in der Vergangenheit oft vorgekommen, dass ich den Studierenden zwei Wochen Zeit gegeben hab, um den nächsten Fortschritt zu präsentieren.

SF: Ja. Und was ist dann passiert?

GP: Und oft ist halt nichts passiert.

SF: Das wollte ich nämlich grade fragen, weil ich kenn das auch, ich mach den Raum sehr weit auf.

GP: Genau.

SF: Und dann passiert aber nichts, am Ende sagen alle: Es war zu wenig Struktur da. Also, ich kenn sogar… ja, kennst Du also auch.

GP: Das kenn ich.

SF: Wie macht man das? Das finde ich wirklich interessant. Wie mache ich diese – also wie induziere ich dieses kontinuierliche Arbeiten am Seminarinhalt, am Projekt oder so, dass die Studierenden gar nicht mehr sagen: Oh, ich muss noch was für`s Seminar machen. Weiß ich jetzt nicht – „gelingen“… Sondern: Ich freu mich schon, wenn ich nachher nach Hause komme, dann mach ich nämlich einfach weiter.

GP: Genau. Also das Wichtigste ist, glaub ich, einfach, dass das Team funktioniert. Die gegenseitige Motivation.

SF: Ja, Du gehst sehr auf Teams. Ja, ja. Bei Dir sind es Teams.

GP: Es ist es ist Teameffort und Teamwork. Wenn das Team nicht funktioniert, scheitert das jeweilige Projekt.

SF: Woher können die das? Ich meine, Teamarbeit ist ja auch nicht das –

GP: Das ist das, was ich denen über das ganze Semester versuche zu mitzuteilen.

SF: Sehr klasse. Wie machst Du das?

GP: Regelmäßige Treffen.

SF: Die… was heißt? Die müssen nachweisen, dass sie sich regelmäßig treffen oder wie geht das? Oder rufst Du die alle immer regelmäßig zusammen?

GP: Nee. Es ist so, also wir kommunizieren oft im Discord Channel. Also Discord ist wie Slack. Das ist 'n Channel, da kannst Du Rubriken erstellen.

SF: „Discord ist wie Slack“, das heißt für mich wie „Es ist wie Klammbumm“.

GP: Es ist wie… Wie soll ich's beschreiben? Es ist…

SF: Ich weiß es wirklich nicht, was es wirklich bedeutet. Da bin ich völlig Analphabet.

GP: Es ist wie 'n Chat. Mit unterschiedlichen Rubriken, die man erstellen kann, indem man sich austauschen kann und hat zudem noch die Möglichkeit halt eben über 'nen Videocall sich kurz zuzuschalten. Also ist 'n nettes Tool. Ist eigentlich für die Gaming Community gedacht.

SF: Total spannend, ganz selbstverständlich.

GP: – sind gerade auch voll im Kommen.

SF: Ganz selbstverständlich und nebenher, das ist euer Seminarraum?

GP: Das ist quasi unser Seminarraum.

SF: Ja, total spannend. Also, Raum der Lehre.

GP: Also, wo nicht öffentliche Daten freigestellt sind. Es geht nur um die Kommunikation, weil das dürfen wir nicht aus DSGVO gründen, weil das amerikanische Server sind. Da geht's nur um den Austausch. Habt ihr Zeit? Wollen wir uns dann treffen? Und so weiter. Aber nie, also da werden keine Daten verarbeitet, sonst –

SF: Das war jetzt gar nicht meine Frage. Genau.

GP: Ja. Aber –

SF: Sondern vielmehr der Raum der Lehre ist hier viel weiter als ich, letztlich doch immer unmittelbar zunächst, also so assoziativ denk ich halt immer an den Seminarraum, den ich mit 'nem Schlüssel aus Metall aufmache. Da seid ihr in ganz anderen Räumen.

GP: Da geht's nur die schnellere Kommunikation, weil wenn ständig E-Mails reinflattern – Es ist wie ein Chat. Man tauscht sich direkt aus.

SF: Okay, aber der ist synchron. E-Mails ist ja eine asynchrone Kommunikation.

GP: Genau. Du siehst, ob die Leute online sind, kannst die anschreiben oder die schreiben dich an, weil man ist ja dann öfter auch online.

SF: Das können die alles selber oder organisierst Du das? Sagst Du, ich will das wissen, wann ihr euch trefft? Also wie stark kindergärtnerisch?

GP: Nein, das nicht. Also es sind erwachsene Menschen, die müssen sich selbst organisieren.

SF: Das ist Deine Setzung.

GP: Absolut.

SF: Was ist, wenn zwei Wochen lang nix passiert? Wie gehst Du damit um?

GP: Na ja, die müssen ja – also mittlerweile findet das wöchentlich statt.

SF: Was findet wöchentlich statt?

GP: Das Projekttreffen findet wöchentlich statt.

SF: Ihr trefft euch wöchentlich?

GP: Also der Work in Process findet jede Woche statt.

SF: Mit dir?

GP: Mit mir natürlich. Nur mit mir.

SF: In 'nem Raum, mit Metallschlüssel aufsperren, da kommt man hin, trägt seinen eigenen Körper dahin…

GP: In einem Raum. Marienstraße 7b. Raum 205 oder 206. Thoska vorhalten.

SF: Da schleppen sich alle hin.

GP: Genau.

SF: Thoska davorhalten, genau. Richtig. Richtig in dem Fall, ja.

GP: Alle rein. Jeder, also alle bringen ihr Laptop mit. Und zeigen dann den Zwischenstand.

SF: Und dann sind alle dran?

GP: Dann sind die alle dran. Und alle müssen dabei sein und alle müssen zuhören und alle müssen sich anschauen, was die anderen gemacht haben. Dann gibt's Kritik meinerseits eben oder halt eben keine Kritik. Falls alles sehr gut läuft.

SF: Ja. Ah, okay. Also Kritik heißt, sehr gut oder nicht gut?

GP: Es geht darum, wie kann man jetzt das Spiel verbessern? Dinge, die mir auffallen, Dinge, die den Studierenden in der Gruppe auffallen. Es kommen ja auch oft Zwischenfragen und so.

SF: Wie lang habt ihr da Zeit? Neunzig Minuten, oder?

GP: Na ja, so lange, wie wir Zeit brauchen.

SF: Tatsächlich?

GP: Ja, natürlich.

SF: Wie organisiert sich das? Aber wenn ihr das wöchentlich macht –

GP: Ich reservier den Raum für drei Stunden.

SF: Ah ja, okay. Und das Seminar selber umfasst…? Das ist ein Projekt mit vier Stunden wahrscheinlich, oder? Was ist das für ein Modul?

GP: Das ist ein Projektmodul.

SF: Ein Projektmodul, okay. Das hat acht Stunden, oder?

GP: Das sind insgesamt 16 SWS.

SF: 16 SWS, ja.

GP: Ja. Und das schlüsselt sich dann halt eben auf in individuelle Konsultation für jedes Team. Unabhängig jetzt vom Projekttreffen.

SF: Und dann gibt's dieses einwöchige Projekt, das für drei Stunden.

GP: Weekly Meeting, um quasi das Work in Progress zu zeigen.

SF: Okay. Weil das Gamedesign ist sehr zeitaufwendig, stell ich mir vor.

GP: Also Gamedevelopment.

SF: Entschuldigung.

GP: Genau, weil wenn wir mit Gamedesign anfangen würden, würde kein einziges Spiel realisiert werden.

SF: Ich meinte Development.

GP: Genau. Game Development ist sehr zeitintensiv. Und es hängt stark davon ab, welche Idee verwirklicht werden soll. Also es ist klar, dass Du kein Rollenspiel in drei, vier Monaten auf die Beine stellst. Weil das erfordert so viel Inhalt.

SF: Das treibst Du denen von Anfang an aus. Du sagst denen gleich, was ist möglich...

GP: Um jetzt nochmal drauf zurückzukommen.

SF: Kommen wir nochmal darauf zurück.

GP: Wir noch mal rein auf die Struktur.

SF: Wir gehen noch mal zum ersten Tag.

GP: Eben nachdem quasi sich dann alle Teams geformt haben, gebe ich den jeweiligen Gruppen eine Woche Zeit, um die Idee auszuarbeiten, wo findet das Spiel statt? Wer ist in diesem Spiel involviert? Worum geht's, ne? Eine kleine Synops, damit die so generell eine Grundidee haben.

SF: Was heißt „Wo findet das Spiel statt?“

GP: Also im Spiel. Also wo findet das –

SF: Die Welt.

GP: Diese Welt statt.

SF: Wer ist involviert? Auch Figuren?

GP: Figuren. Kurze Backgroundstory zu der Geschichte, die sie womöglich erzählen wollen.

SF: Nach einer Woche, fragst Du das alles ab?

GP: Natürlich. Das muss dann da sein. Das muss nach einer Woche, Grundidee muss da sein. Und auch ein Moodboard anfertigen.

SF: Was ist ein Moodboard?

GP: Ein Moodboard ist eine Ansammlung von Bildern. Wie könnte das Spiel jetzt aussehen? Also welche Grafiken, wie die Charaktere, die Mood.

SF: Ah, mood.

GP: Die Mood einfangen, welchen grafischen Stil würdet ihr gerne nehmen für euer Spiel? Weil ich dann auch da nochmal sehen kann, okay, die Idee ist zu groß. Ihr denkt in Blockbuster Format. Der visuelle Stil ist – je nachdem, wer im Team ist, kann man ja auch abschätzen so, okay, die Person hat ja gezeigt mit ihrem Portfolio: Ich kann diesen Stil.

SF: Das Portfolio siehst Du wann? Bei der Bewerbung?

GP: Bei der Bewerbung.

SF: Ah, Du wählst aus.

GP: Meistens kommen alle rein. Also fast alle kommen rein.

SF: Aber Du hast durch die Bewerbung, hast Du schon mal ein erstes Profil?

GP: Ja, ein kleines Motivation schreiben. Ich will ja wissen, warum sie Computerspiele machen wollen. Und ich will auch etwas sehen. Weil das muss ja irgendwie eine Symbiose ergeben.

SF: Ja, ja. Da hast Du schon mal die ersten Profile.

GP: Genau. Aber es wird nicht so…

SF: Nee, versteh ich schon.

GP: Nicht so Aussortiert.

SF: Moodboard?

GP: Moodboard eben. Genau.

SF: Nach einer Woche ist das Moodboard da, die Figuren, die Welt.

GP: Die Figuren, die Welt. Worum geht es in dem Spiel? Was sind die Ziele usw.

SF: M-hm. Ziele heißt?

GP: Was motiviert den Spieler überhaupt, dieses Spiel zu spielen?

SF: Ach so, ja klar.

GP: Oder die Spielerin. Und dann geht's ans Eingemachte. Denn dann, nach dieser Woche haben die zwei Wochen Zeit um den ersten spielbaren Prototypen –

SF: What?! Das geht? Zwei Wochen erstmal spielbar?

GP: Mhm. Das geht. Das geht. Ist 'n kleiner spielbarer Prototyp. Mit ersten…

SF: Was ist das zum Beispiel?

GP: Es kann, also es sieht nach nichts aus. Es muss aber spielbar sein. Also die Idee, die Sie quasi entwickelt haben, natürlich gibt's da auch wieder eine Kritik, die muss mit einfließen in den Prozess, sonst –

SF: Das heißt, in den zwei Wochen gibt's mittendrin noch eine Woche, in der schonmal ein erstes – und dann nach zwei Wochen sagst du erstmal: So, erstes Level?

GP: Na ja, ja, so ungefähr. Also, es sieht folgendermaßen aus –

SF: Also nicht Level vom Spiel, sondern wir haben den ersten –

GP: Genau, wir haben einen ersten spielbaren Prototypen, um herauszufinden, keine Ahnung. Gewisse Mechaniken, wenn's jetzt ein, sagen wir mal, es ist 'n Rätselspiel, puzzlebasiert. Ja, dass da irgendwelche Sachen liegen und man die irgendwie zusammenfügen muss. Dafür halt eben Prototypen zu erstellen, um zu schauen, sind wir in der Lage, diese Idee umzusetzen überhaupt? Und wenn das gelingt, geht's weiter. Und dann ist es quasi Trial and Error.

SF: Das heißt?

GP: Woche für Woche wird der Zwischenstand präsentiert und es wird immer dran rumgefeilt und rumgetüftelt.

SF: Aber wir bleiben dann aufm Weg. Da wird dann nicht aus dem Jump and Scare – oder wie heißt das?

GP: Ja, Jump and Run.

SF: Jump and Run, genau.

GP: Aus 'nem Jump and Run Spiel –

SF: Da wird dann nicht ausm Puzzlespiel ein Jump and Run. Da sagst du: Nee, Leute, jetzt…

GP: Die müssen, also es sei denn, eine gewisse Sturheit ist da, dann…

SF: Du sagt das schon?

GP: Könnte es ab und zu mal passieren, dass –

SF: Wer mich knackt, der knackt mich. Das ist schon, da bist Du offen?

GP: Ja, ich mein, letztendlich, sie bekommen von mir die Kritik, was sie dran ändern könnten, was gut wäre, was geändert werden sollte in allen Bereichen. Da hab ich halt, ja, kommt's halt auch mal öfter vor, dass 'n Team da einfach nicht zuhört. [Simon lacht] Aber ist auch völlig in Ordnung, weil es ist einfach eine Erfahrung, die die machen. Es ist einfach eine Erfahrung, die die machen oder machen müssen.

SF: Guter Punkt. Das heißt dann, Du schaust dann zu und das geht und dann sagst Du: Ich garantier – ich trag euch jetzt nicht zum – Sondern: Am Ende, Summary oder was und es funktioniert halt nicht so gut jetzt. Das kann eine Erfahrung sein.

GP: Es gibt auch kein Blaming.

SF: Ja, okay, klar.

GP: Also das ist ja klar.

SF: Aber es gibt kein „Ich nehm's euch aus der Hand, mach's fertig“ und dann –

GP: Nein, nein. Das wird nicht gemacht. Ich würde es wirklich gerne, bei manchen Projekten bin ich wirklich so: Oh mein Gott, ich will jetzt hier Hand anlegen! Hab's auch öfter mal gemacht, aber dann merk ich, okay, ich gerate da auch unter Zeitdruck, weil auch viele andere Dinge anstehen. Und da bist Du dann in dem Moment dann richtig so: Ich würde am liebsten alles nehmen und alles selbst machen. Weil es ist, liegt auf der Hand. Es ist doch so einfach, es kann doch nicht sein. Aber davon muss man sich 'n Stück weit abgrenzen, weil sonst nimmst Du den Studierenden am Schluss diese Erfahrung. Dieser Moment am Ende des Semesters bei der Vorstellung, also wirklich [lacht] dann – da kommen die dann. Und sagen: Hätten wir doch jetzt.

SF: Und dann haben sie was gelernt.

GP: Und dann haben sie was gelernt.

SF: Das find ich jetzt ganz interessant, weil das 'n sehr allgemeines Ding ist, grade in Kreativen oder in so, wo man seine eigenen Themen auch so mit drin hat. Ich entsinne mich, als ein Prof von der Universität, wo ich selber studiert hab, also von der Uni Hildesheim, der sagte, wir haben viele Filmprojekte gemacht, also mit so Video. Wir hatten damals so – Und haben wir viele, viele Filmprojekte gemacht und er hat gesagt: Ich mach jetzt nicht mehr - da war da irgendwie Mitte fünfzig geworden - ich mach jetzt nicht mehr mit den Studierenden die Projekte, die mich selber interessieren. Ich mach die Projekte, die mich selber interessieren, selber. Und mit den Studierenden mach ich Seminare. Da kann ich viel besser loslassen. Und das ist eigentlich der Effekt, dass man nicht zu stark. Und das ist eigentlich irgendwie eine Form von Kunst, oder? Es muss einen interessieren. Und gleichzeitig muss man aber eigentlich einen Raum zur Verfügung stellen und nicht so sehr ein Thema.

GP: Nein.

SF: Und darin müssen die Studierenden dann sich realisieren.

GP: Genau. Das Thema ist ja frei wählbar. In diesem Code of Conduct Rahmen. Also wir müssen schon drauf achten, dass das nicht in, also nicht ausartet.

SF: Code of Conduct?

GP: Der halt eben besagt, keine diskriminierenden Inhalte usw.

SF: Verstehe.

GP: Freiheit zu haben, Zeit zu haben, um Ideen zu verwirklichen. Mich interessiert ja jedes Projekt. Ich würde ja wirklich bei jedem Projekt leidenschaftlich gerne mitmachen. Aber das geht nicht.

SF: Verbietest Du Dir?

GP: Verbiete ich mir, weil –

SF: Du hast die Erfahrung schonmal gemacht? Entschuldigung, wenn ich kurz eine Klammer, weil das hatte mich wirklich interessiert. Wie ging das vor sich? Wie bist Du da reingegangen in deren Projekt? Das hat ja 'n bisschen was wie Anzug anziehen und sich einmorphen in oder so, stelle ich mir gerade vor [lacht]

GP: Findet alles im Austausch statt. Also es ist –

SF: Ah, okay. Du bringst dich in den Austausch rein, sagst: Mach's doch so, mach's doch so, komm, dann nimmst Du jetzt noch zwei Figuren und dann wird's gut, oder so was? Wie stelle ich mir das vor?

GP: Ich muss ja simultan auf alles achten. Das Game Feel, also wie fühlt sich dieses Spiel gerade an? Wie würde es jemand, der das jetzt nicht kennt und – also, wir kennen ja die komplette Struktur. Ich weiß ja, worum es in dem bestimmten Spiel geht. Aber wie consumer-freundlich ist das, ja? Also, wenn jetzt jemand kommt, muss ich wissen, okay, Altersgruppe sechs bis, keine Ahnung, achtzig, neunzig. Wie würde die Person dieses Spiel wahrnehmen? Oder ich sag auch, für welche Zielgruppe ist dieses Spiel denn? Oder wollt ihr, dass dieses Spiel geeignet ist? Und dann versuche ich mich natürlich irgendwie 'n bisschen in die Lage zu versetzen so: Ich kenne das jetzt alles nicht und komme her und wie fühlt sich dieses Spiel an? Wenn ich 'n Controller in der Hand habe oder mit Maus und Tastatur? Wie fühlt sich dieses Spiel an? Ist es kohärent? Ist es visuell ansprechend? Auch aus grafischer Sicht.

Also, viel Ästhetik, viel Programmierung, viel, also dieses Feintuning, dieses Feingefühl muss mit allen seinen Facetten muss halt die ganze Zeit da sein, um halt eben dieses Gesamtbild zu sehen. Wie sieht dieses Spiel am Ende des Semesters aus? Wie schaff ich es, die Studierenden da weitestgehend zu unterstützen als Mentor in eine Richtung zu bringen, die das Spiel für andere Menschen, die das Spiel spielen sollen, dafür sind ja, werden ja diese Spiele gemacht, erfahrbar machen.

SF: Gehen alles so ran? Ich mein, das find ich wirklich einen ziemlich interessanten Punkt, dieses Wie fühlt sich das an oder dieses Game Feeling. Das ist ja wirklich zentral. Also das hör ich jetzt wirklich schon als sehr zentrales Moment draus. Das finde ich interessant, also ich bin ja selber in den theoretischen Praktiken unterwegs und wir machen verbal, also verbalartikulierte Texte, sei es schriftlich oder mündlich, aber insbesondere immer verbalschriftliche Produkte oder so stellen wir her. Wir schreiben vor allem. Und dieses Schreiben ist tatsächlich, kann ich jetzt wirklich reindenken, dass, wie fühlt sich der Text an, spielt eigentlich eine sehr große Rolle, manchmal mehr als: Stimmt das, was da drinsteht? Das Stimmen von der Stimmung her zu denken und dann wieder vom, wie fühlt sich's an? Hat das eine Stimmigkeit von der Stimmung her, das gehört ja sehr stark zum Schreiben dazu und letztlich machst Du das jetzt für die Spiele. Ist das was Besonderes oder gehört das einfach beim Game Development dazu? Steht das in jedem Handbuch Seite eins, Kapitel eins.

GP: Game Feeling.

SF: Game Feeling, sagen alle? Alles andere ist wurscht?

GP: Game Feeling ist essenziell. Game Feel, Game Loop, in sich Geschlossenes. Also ein in sich geschlossenes, also geschlossener, fertiger Rahmen beschreibt der Game Loop an sich.

SF: Und was ist der Game Loop?

GP: Dass Du vom Starten der Applikation bis hin zum Ende. Dass das Spiel in sich rund ist –

SF: Kohärenz.

GP: Dass eine Kohärenz da ist, dass ich dann wieder, das ist so quasi…

SF: Das heißt nicht, alles ist Heia popeia, aber es muss, es darf halt auch der blanke Horror sein, Hauptsache er ist es, auf eine kohärente Weise.

GP: Genau. Kann alles sein. Und Game Feel ist halt eben die tragende Komponente. Die entscheidet, gewisse Sachen entscheiden in den ersten Sekunden, Minuten, ob Du dieses Spiel überhaupt weiterspielen möchtest. Warum spiel ich das? Warum sitz ich denn hier? Warum muss ich das jetzt spielen? Das muss dich abholen. Das muss 'n gewisses Gefühl vermitteln. Das muss dich belohnen. Das muss dich ja reintragen und Du musst… das ist ja wie beim Buch.

SF: Kann man das benennen? Hast Du da Erfahrung, dass Du sagst, was z.B. Interesse erzeugt?

GP: Ja, also klar, Ästhetik.

SF: Ästhetik, ja.

GP: Auf der einen Seite, Sound ist auch sehr wichtig. Und die Steuerung an sich.

SF: Die Steuerung selber? Also, wie ich –

GP: Ja, weil wenn ich z.B. –

SF: Wie das Fahrgefühl beim Auto, oder?

GP: Genau. Angenommen, es ist ja auch beim Product Design so oder Du hast 'n schönes Buch in der Hand. Also Du fasst doch gerne 'n Buch an, was –

SF: Das zu meiner Stimmung passt.

GP: Erstens 'n schönes Cover. Dann, wie fühlt sich das Buch an? Und dasselbe haste ja letztendlich bei, auch beim, keine Ahnung, Du kaufst dir 'n iPhone und dann wirkt plötzlich diese Hülle. Das Packaging spielt ja auch eine ganz große Rolle. Ja, und beim Spiel. Wie kommst Du da dran?

SF: Ist es genauso.

GP: Sobald Du quasi ins Spiel kommst und es schon ruckelig und frickelig wird, allein schon im Menü. Das Menü, was aufgeht. Also ich rede jetzt nicht von der Marketingseite her, weil das ist ja noch mal anderes, aber –

SF: Sondern die Welt –

GP: Aber ich starte das Spiel und ich sehe vor mir ein ansprechendes Bild. Und dort muss ich mich halt durchnavigieren als Allererstes, weil ich muss ja irgendwie in das Spiel reinkommen.

SF: Das heißt, ich gestalte als Game Developer einen Lebensraum oder einen Lebensabschnittsraum, wo man sagt, ich lade Leute ein, die eine Zeit lang darin damit ihres Lebens verbringen wollen. In dieser Welt. Das ist regelrecht eine Welt, die ich da anbiete.

GP: Du bietest eine Welt an, Du bietest eine Geschichte an. Ich fokussiere mich auf Spiele, die inhaltlich wertvoll sind. Sein sollen. Künstlerisch wertvoll, Anspruch haben.

SF: Nur, um das zu ergänzen, das ist ja mit allem so. Das ist, 'n Buch muss auch so geschrieben sein, 'n Film muss auch so sein, Wirtshaus muss so sein, Urlaubsort muss so sein.

GP: Es gibt gewisse Sachen.

SF: Immer so, wo man sagt, hier bin ich gern mal länger, also fahr ich hin. Und so muss, das muss auch 'n Spiel leisten.

GP: Ja.

SF: Was ist inhaltlich wertvoll?

GP: Persönliche Geschichten, die erzählt werden können, verrückte Geschichten. Alles, was einen Mehrwert schafft.

SF: Was ist ein Mehrwert beim Spiel?

GP: Wenn Du das Gefühl hast, dass wenn Du das Spiel gespielt hast, dass am Ende Du das Gefühl hast, dass Du Deine Zeit nicht verschwendet hast. Das ist sehr wichtig für mich.

SF: Gibt es viele Spiele, die dieses Gefühl – Gibt es

GP: Es gibt extrem viele Spiele, die dich, also aufm Mass Consumer Market, die dich stimulieren.

SF: Ah, okay, stimulieren.

GP: Die stimulieren dich konstant, schaffen eine gewisse Abhängigkeit. Ja, das ist bei kompetitiven Spielen oder wenn's in eine Richtung geht mit Belohnungssysteme wie Loot Boxen, ja. Ist ja auch grade so, also war und ist ein Thema.

SF: Ich weiß nicht, was –

GP: Glücksspiel letztendlich. Glücksspiel für –

SF: Was heißt? Loot Boxen?

GP: Man kann sich im Spiel für, also man kauft sich eine digitale Währung. Und diese digitale Währung nutzt man, um sich so kleine Mystery Boxen zu kaufen. Oder wie Sammelheftchen oder bzw. wie Pokémon Karten. Man weiß nicht, was drin ist und man hofft darauf, die krasseste Karte zu ziehen oder kosmetische Items, die dann deinen Character im Spiel besser aussehen lassen und so.

SF: Also ganz primitive... Also sagen wir mal, so sehr, sehr basale…

GP: Genau.

SF: Glücksmomente, die man eigentlich letztlich nur reiht, einen nachm anderen. Genau. Und dieser selbe Reiz und das ist eigentlich dieses Suchtcharakter.

GP: Und jetzt komplett abzugrenzen. Weil hier geht's darum, an unserer Uni halt eben schon eine gewisse Qualität entstehen zu lassen. Künstlerisch wertvolle Spiele. Sei es grafisch, sei es aber auch inhaltlich, das alles so zu kombinieren, dass die Spiele müssen ja auch nicht stundenlang gehen. Die Spiele können von mir aus fünf Minuten gehen.

SF: Das hab ich bei dir zum ersten Mal gehört, spiele die wie so ein kleines Gedicht, wie ein Heiko oder was. Man spielt das und dann ist wieder gut, so zwischenrein.

GP: Macht einen nachdenklich am Ende des Tages. Oder regt zum Nachdenken an, ja. Das sind so die Formen, die mich komplett faszinieren. Wie schaff ich es in kurzer Zeit, ohne die Person, die das spielt, zu überfordern, ein Gefühl zu vermitteln, nachdem es gespielt wurde, eine Message zu hinterlassen, die offen zum zu interpretieren ist. Also, das geht gar nicht drum –

SF: Das Spiel bekommt dann so was, was Literatur, literarische Gattung in der Germanistik usw. erforscht. Und dann fängt man an, Gattungen zu untersuchen. Da gibt's ja dann den Witz, die kurze Form, die lange Form, die soundso Form, die Prosa Form, die gebundene Form, Epos usw. Dieses ganze Fächerspektrum geht ja dann für dich auf. Wir reden jetzt schon sehr lange, es ist absolut faszinierend diese Welt. Hast Du schon mal gemacht oder träumst Du davon epische Dimensionen von Spielen, sodass man, wie könnte so was aussehen?

GP: Epische Dimensionen?

SF: Dass man sagt, man arbeitet mal vier Semester lang an einem Spiel.

GP: Ah, das wär super.

SF: „Wär“ ist der Konjunktiv, das haben wir noch nicht.

GP: Das haben wir noch nicht. Das geht leider noch nicht.

SF: Was bräuchte es? Jetzt einfach mal hier so erstes sammelndes Stammeln.

GP: Also letztendlich bräuchte es einen Studiengang.

SF: Es bräuchte einen Studiengang Game Development?

GP: Genau.

SF: Wo man im Grunde Semester für Semester an einem Spiel arbeiten könnte, oder wie?

GP: Die, also letztendlich geht's darum, dass laut Prüfungsordnung irgendwie, letztendlich geht's nur Prüfungsordnungen. Die dann eben den Studierenden die Möglichkeit bieten über mehrere Semester, dieses Projekt. Wir haben das Problem bei der Kunst und Gestaltung, also bei Medien-, Kunstmediengestaltung z.B. Dass man das Projekt nur zweimal besuchen darf im Bachelor. Und man ja dann sich hier natürlich auch 'n bisschen umschauen muss und umorientieren kann. Also, es ist nicht vorgesehen, dass man…

SF: Also einen Studiengang Game Development wäre so was wie da –

GP: Das wär ein Traum natürlich.

SF: Da macht jetzt jemand eine Fantasywelt mit einem Plurifiguralen usw.

GP: Nein. Das schafft man auch nicht in vier Semestern.

SF: Schafft man auch nicht in vier Semestern.

GP: Nein, nein, nein.

SF: Das ist wie, wenn man einen Film dreht.

GP: Nee. Wichtig ist, wir haben hier alles an der Universität.

SF: Wir haben alles? Wir könnten’s machen?

GP: Wir haben alles.

SF: Wenn sich jetzt zehn Leute finden, die sagen, ich geh jetzt raus, Urlaubsemester oder keine Ahnung, ich studiere einfach länger.

GP: Wir haben alle da.

SF: Ich hab jetzt zwei Jahre, komm Gianluca. Ich mach jetzt 'n Film, ich mach jetzt… Karl Marx, Das Kapital als Game. Band I.

GP [lacht]: Also, Computerspielentwicklung, je nach Umfang, ist natürlich ein langwieriger Prozess. Also, wir reden hier dran, also wenn Du wirklich ein Spiel erstellen möchtest, das dauert Jahre. Es ist eher so Initialzünder, der Kickstarter. Also quasi so der… die Zündkerze. Um eben: a) Wir haben alles da. Wir haben alle Studiengänge hier.

SF: Welche? Sag.

GP: Wir haben Visuelle Kommunikation, wir haben Medienkunst/Mediengestaltung, wir haben Human Computer Interaction, wir haben Computer Science for Digital Media, wir haben Informatik, Medieninformatik ist noch da, Media Architecture. Wir haben, was haben wir noch? Ab und zu kommen ein, zwei Produktdesigner*innen.

SF: Das erlebst Du in der Gruppe.

GP: Das erlebe ich in der Gruppe.

SF: Das heißt, da kommen Akteurinnen und Akteure aus diesen Studiengängen in deine Gameseminare zusammen und Du erlebst, so kann man ein Studium machen. Das heißt, die Idee wäre, man könnte aus diesen verschiedenen Leuten oder irgendwie da eine Kombination machen von dem, was da ist. Man bindet und bündelt das zusammen zu einer Gaming Entwicklung.

GP: Genau.

SF: Und dann könnte man sagen, man hätte einen vierjährigen, zweijährigen Master von mir aus oder dreijährigen Master. Und am Ende haben die ein Game gemacht.

GP: Genau.

SF: Und dann kommt aufs Zeugnis drauf „Game Development“ und gut ist. Das ist die Vision.

GP: Das wär schön. Das wär schön.

SF: Na, ausgezeichnet, da haben wir doch eine wunderbare Vision zum Abschluss dieses ganz fantastischen Gesprächs.

GP: Danke.

SF: Ich hab wahnsinnig viel gelernt. Ich dank dir sehr, Gianluca, für dieses schöne Gespräch.

GP: Schön, dass ich hier sein durfte.

SF: Danke dir.

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