Ep. 08 - Gespräch mit Nathalie Singer

Shownotes

Can you hear while you are listening? Simon Frisch und Nathalie Singer unterhalten sich in dieser Episode über das Radio und so einigem, das damit zusammenhängt. Nathalie Singer teilt ihre Erfahrungen der Listening Praxis: Wie kann man vom Hören lehren und dabei, in der Lehre, zuhören? Was alles kann es bedeuten, zuzuhören? Welches Wissen ist an den Interpretationen des Gehörten beteiligt und wie funktioniert eine Beschreibung der Wahrnehmung ohne vorangestelltes Wissen?

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Digitale Barrierefreiheit: Christiane Hempel Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

Weiterführende Links: Sense.Lab / Die Schule des Hörens www.experimentellesradio.dehttps://www.uni-weimar.de/realsenselab/

www.uni-weimar.de https://www.uni-weimar.de/de/universitaet/lehre/

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

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Ep. 08 – Gespräch mit Natalie Singer

Intro: Zwischen Magie und Handwerk – ein Podcast der Bauhaus-Universität Weimar. Mein Name ist Simon Frisch und ich spreche hier mit Lernenden aus allen Bereichen unserer Universität über Lehre und Lernen, über ihre Erfahrungen und ihre Perspektiven.

Frisch: Das Mikrofon ist aufgegangen und wir treten auf. Beginnen wir damit, uns vorzustellen, die beiden Figuren, die die nächsten fünfundvierzig Minuten hier auftreten.

Wer sind wir überhaupt? Wer sind die Dramatis Persona in diesem Gespräch? Als wer sind wir hier? Ich selbst, Simon Frisch, bin Vizepräsident für Lehre und Lernen und Inhaber der Dozentur für Film- und Medienwissenschaft an der Fakultät Medien hier und interessiere mich in beiden Rollen – und in diesen beiden Rollen bin ich mehr oder weniger auch hier – für Lehre und Lernen. Und ich lehre – ich lerne beim Lehren, so rum. Und weiß immer noch nicht genau, obwohl ich’s seit fünfundzwanzig Jahren mache seit zehn Jahren hier an der Bauhaus-Universität und weiß immer noch nicht genau, was das ist und wie man über Lehre spricht. Und deswegen freue ich mich jetzt auf das Gespräch mit liebe Natalie, als wärst du gekommen?

Singer: Hallo, schön hier zu sein in diesem schönen Studio und mit dir in meiner Sprache zu sprechen – ins Mikrofon und in der akustischen Hörsprache. Ich bin Professorin für Experimentelles Radio und deshalb natürlich mit dem Medium auch vertraut. Und das ist ein Medium, was ich sehr liebe und was ich sehr gerne unterrichte. Vielleicht nicht nur das Medium des Radios oder das Auditive, sondern auch des Zuhörens. Das ist ein Medium, was eben die Kulturtechnik des Zuhörens perfektioniert hat. Das ist vielleicht wichtig zu sagen für mich. Als so eine bin ich da, als eine Zuhörende auch, und auch in der Lehre Zuhörende und Lernende.

Und dann war ich ja auch in der Position, in der du jetzt gerade bist. Ich war ja auch drei Jahre Vizepräsidentin für Studium und Lehre. Und habe mich da natürlich auch besonders vertieft mit Fragen der Lehre beschäftigt. Also was fehlt, was könnte geändert werden, was nicht. Ich habe auch in der Zeit neue Formate versucht zu entwickeln oder entwickelt. Und das ist auch was, was glaube ich, wenn ich über Lehre nachdenke, natürlich mich sehr geprägt hat oder wichtig ist, die Zeit oder die Erfahrungen. Und vielleicht als letztes bin ich auch Mutter von einem im Moment fünfzehnjährigen Sohn, der natürlich – und habe sozusagen das Bildungssystem vor der Universität dadurch hautnah mitbekommen. Und das fließt schon auch ein in Überlegungen übers Lernen und Lernen. Also wie die Studenten, die wir ja dann nach der Schule bekommen, wie die davor schon ausgebildet werden.

Also diese drei Figuren würden heute vielleicht sprechen.

Frisch: Unsere künftigen Lernenden kommen schon mit Erfahrung zu uns und wir sind dann in der Lehre auch mit dieser Erfahrung konfrontiert, müssen damit umgehen und gleichzeitig mit dem, was wir zu lehren haben, oder uns vornehmen zu lehren. Zuhören lehrst du oder auch zu deinem Forschungsgebiet, aber auch zu deinem Lehrgebiet. Wie lehrt man zuhören?

Singer: Ja, das ist was, was ich eigentlich verstärkt – also, ich habe es schon immer gemacht im Unterricht, weil unsere Klangkünstler und Klanggestalter sozusagen über das Zuhören überhaupt komponieren lernen. Also ich komme aus einer Schule, die heißt Music Concrete und Akusmatische Musik, und die wurde in Frankreich in den 50er Jahren gegründet, in der Nachkriegszeit. Und da ist die Aufnahme von Klängen sozusagen die Ausgangsbasis von Komposition. Also nicht Noten, die ich in meinem Kopf erfinde als Komponist oder Sinusgeneratoren, sondern ich nehme im Grunde genommen die Umwelt auf. Und so im Husserlschen Sinne ist es etwas, die Umwelt spricht zu mir, der Klang sagt mir, was er ist oder welche Form er hat, welche Farbe er hat, welche Konstruktion er hat. Und ich lerne als Komponistin diese Klänge erstmal zu sortieren, einzuordnen, zu hören, urteilsfrei, wertefrei zu hören. Weil das ist nicht automatisch gegeben, wenn wir –

Frisch: Du musst mit den Händen aufpassen, weil ich’s grad sehe, weil genau das hört man dann. Da entstehen dann solche Geräusche. Wobei das natürlich ein schönes

Singer: Wenn man sowas hört, dann würde man erstmal denken, sie trinkt. Und man hat dann ein inneres Bild und das sagt sie, da ist Wasser in einem Glas und sie trinkt. Man könnte aber auch überlegen, wie klingt dieses Geräusch, was ich gerade produziert hab, ohne es semantisch zu erklären, ohne zu wissen, was es ist. Und dann würde es vielleicht ein dichtes Geräusch sein oder ein kontinuierliches oder ein abgehacktes oder impulsartiges. Und wir müssen also lernen, überhaupt eine Sprache zu finden um das, was wir hören, zu beschreiben oder darüber reden zu können. Und dann müssen - lernen wir sozusagen erstmal ganz ohne das Wissen, was wir von Welt haben, von Kultur haben, zu hören.

Was hören wir eigentlich als Formen, Farben Strukturen?

Frisch: Ich verstehe. Also es sind Höreindrücke, die wir da irgendwie sammeln, und eigentlich können wir dazu nur stammeln, weil wir im Großen und Ganzen gelernt haben, Objekte mit Objekten zu verbinden oder Klangobjekte mit Klangobjekten zu verbinden. Und jetzt lernen die Leute bei dir im ersten Semester, so stelle ich mir das vor, zuerst einmal die Vorstellungsbilder von den Höreindrücken zu entkoppeln.

Singer: Also das wäre eine Übung, das ist das [unv., 05:40] von Pierre Schaeffer. Und da lernt man eben erstmal wertefrei hören. Das kann man ja auch übertragen auf interkulturellen Austausch. Oder wenn - nehmen wir mal -

Frisch: Inwiefern?

Singer: Mit Menschen, die politisch einer anderen Meinung sind, dass ich sozusagen erstmal lerne, nicht sofort mit meiner Wertung, mit meinem Wissen von dem, was ich denke, was die Person ist, was ich denke, was die Welt dahinten ist oder im Hintergrund ist, nehme ich mal das Radikalbeispiel, das ist ein AfDler. Und ich gehe sofort in mein Klischee, in mein Bild davon und werte das.

Frisch: Ich verstehe.

Singer: Und damit höre ich schon mal anders. Und wenn ich lerne, sozusagen, erstmal nur zu hören, was wird da eigentlich gesagt, was ist das, was wirklich von dieser Person aus gedacht wird oder gefühlt wird und dann lernen – also, wir haben auch sehr viele Übungen in Kommunikation, wo wir vielschichtig lernen zu hören, mit verschiedenen Ohren.

Frisch: Was heißt das?

Singer: Zum Beispiel, was ist die emotionale Aussage, die dieser Mensch vor mir gesagt hat? Was ist die informative Aussage, die dieser Mensch gesagt hat?

Frisch: Vielschichtig.

Singer: Ja, und was ist das Potenzial, das vielleicht dahintersteckt?

Frisch: Was wäre das Potenzial?

Singer: Zum Beispiel, ich nehme an, wir sind ja beide im Präsidium, also ich war im Präsidium, du bist es jetzt [lacht] Und wir haben ja schon mal kurz darüber gesprochen, dass wir gemerkt haben, dass sehr viel auch an der Kommunikation scheitert, oder dass viele Schwierigkeiten in der Kommunikation liegen. Oft werden ja Sachen verhandelt, die angeblich sachlich sind. Also man streitet um Budget, um Räume, um ich weiß nicht was. Dahinter ist aber eine Möglichkeit zu hören, ob nicht unter dieser Aussage, die jemand gerade trifft, eine Emotion steckt, die mit Angst zu tun hat oder mit einer alten Geschichte oder mit anderen Sachen. Und wenn ich nur mit diesen Ohren höre und mich in diese andere Person reinversetze, dann verstehe ich vielleicht, dass es gar keinen Sinn macht, auf der informativen Ebene zu argumentieren, weil eigentlich dahinter sozusagen ein ganz anderer Grund steckt. Und dann muss ich lernen, erstmal den zu spüren, wahrzunehmen, um vielleicht zusammen mit dem anderen Gesprächspartner auf eine andere Ebene zu gehen und dann dort anzufangen zu suchen. Und so gibt es eben ein Lernen, auch verschiedene Ebenen in der Information oder im Sprechen im gegenseitigen zu identifizieren, sensibel zu werden.

Frisch: Ich verstehe, also man – ich stelle mir jetzt gerade so Übungen vor, wie ich sie aus Shows kenne, da muss man ja manchmal sehr schnell erkennen, was das ist. Was man da sieht, es ist manchmal usw. Und wer gewinnt ist es ist immer der, der gleich Ah, ich weiß schon! Und der, der immer schon weiß, das ist der, der gewinnt. Und jetzt ist es bei dir aber genau umgekehrt.

Singer: Genau.

Frisch: Möglichst lange nicht schon wissen. Ist das so?

Singer: Genau, das ist das ist prozessorientiert und eigentlich schaffen wir im Sprechen und Zuhören erstmal einen Raum gemeinsam, der ein drittes ermöglicht. Und das ist der Punkt, wo die Kreativität stattfinden kann. Und in diesem Feld wissen wir beide nicht, was wir erschaffen werden. Und wenn wir richtig zuhören, und da gibt es übrigens natürlich eine ganz große Theoriemenge, das muss ich dir wahrscheinlich nicht sagen, von Jean-Luc Nancy, Roland Barthes. Also es gibt auch ganz tolle Texte über verschiedene Formen des Zuhörens und auch über die Tiefe des richtigen Zuhörens. Wenn man das erlangt, ist das erstmal eine Energie, die spürt man. Also man kann eine Art kreatives Potenzial oder so eine Art Offenheit im Gespräch fühlen.

Das ist das, was uns Kraft gibt, meistens. Wenn wir sagen, wir hatten eine tolle, auch in der Lehre, Wir hatten ein tolles Plenum heute. Kennst du sicher.

Frisch: Klasse. Ja, Kraft ist da eine Kategorie. Aha.

Singer: Ja. Und so eine Art freies Feld für kreatives Potenzial und da entsteht was, was uns allen Kraft und Stimmung und Schwingung gibt. Ich weiß, es ist schwer zu beschreiben, aber es ist so ein Gefühl, was wir kennen. Wir kennen das, ob wir völlig drained aus `nem Seminar rausgehen und sagen: Oh, war das heute anstrengend, ich musste die alle mitreißen, alle ziehen. Oder ob wir das Gefühl haben, man wusste nicht mehr wer gibt, wer nimmt, wer lernt, wer lehrt. So?

Frisch: Kenne ich. Und kann man das, wie soll ich sagen, kann man das regulieren? Wir sind ja nun Lehrende, das ist ja irgendwie unser Beruf. Widerfährt uns das einfach oder können wir etwas tun dafür? Wie erlebst du das?

Singer: Ja, absolut z.B. also ich hab ja dann eben aus diesen Erfahrungen des Präsidiums heraus, dass vieles in der Kommunikation eigentlich, an Problemen liegt. Und aus der Erfahrung, dass ich diese Übung schon immer kenne, diese Schulen und diese verschieden – heraus, und dass uns das eigentlich fehlt in der Lehre so ein bisschen mehr, dass wir an unserer Kommunikation selbst arbeiten, an unserer Verantwortung auch für die Gesellschaft, auch an unserem Kommunikationsvermögen. Habe ich eben gedacht, warum eigentlich diese Listening School ins Leben rufen. Die ist wie so eine Form- und Farblehre gab, im Bauhaus damals, weißt du, die heute allgemeingültig ist. Warum nicht eine Schule des Hörens, die aber nicht nur für Klangkünstler ist, sondern auch eben für alle in der Uni. Also auch für Architekten und Urbanisten, die gestalten ja unsere Räume, unsere Plätze. Und auch für Geisteswissenschaftler, für Bauingenieure. Und die Idee, diese Basisgrundlagen zu machen eben, hat dazu geführt, dass ich so ein Übungskatalog erschlossen hab.

Und der hilft schon. Also, wenn du den machst. Es gibt Übungen wie die Diaden und Blind Walks und das, was ich dir gerade erzählt hab, dieses „reduzierte Hören“ heißt das, also dieses Hören ohne zu kontextualisieren, ohne zu werten.

Frisch: Also genau das Nicht-Erkennen. Statt Kennen Nicht-Kennen. Also es hat ein bisschen was von „fragendes Hören“ oder so etwas.

Singer: Ja, offenes, erstmal. Und dann diese verschiedenen Ebenen des Hörens. Das sind ja verschiedene Übungen, die ja auf verschiedene Sachen zielen.

Frisch: Was sind Diaden? Entschuldigung.

Singer: Diaden ist eine Übung, die kommt eigentlich eher so aus der Achtsamkeit. Weißt du, wir haben das ja auch mal kennengelernt, gemeinsam.

Frisch: Richtig. Ja, genau.

Singer: Da sitzt du sozusagen nicht gegenüber wie wir, weil wir uns natürlich jetzt angucken und viele Informationen über unsere Blicke und den Körper austauschen. Sondern man ist leicht schräg zueinander versetzt. Und dann gibt es ein ganz strenges Prozedere, dass man erstmal in Stille geht, weil also die Stille – ich würde es nicht Meditation nennen, aber dieses immer wieder still sein ist auch eine Grundvoraussetzung für Zuhören, dass wir erstmal unseren Resonanzkörper, den wir haben als Mensch, leeren. Wie ein Gefäß, damit da überhaupt was rein kann. Dafür müssen wir erstmal ein bisschen –

Frisch: Also die Eigenschwingungen rausnehmen, damit wir…

Singer: Ankommen, den Raum hören. Wer ist da überhaupt neben mir? Was für ein Körper ist da? Was? Mit was kommuniziere ich da überhaupt? Also machen wir erst die Stille und dann als Leiterin dieser Übung stelle ich eine Frage, z.B. Can you hear while listening? Kannst du zuhören, während du hörst? Ja, und dann müssen die, dann muss eine der Personen fünf Minuten darüber nachdenken, reden und wird nicht unterbrochen.

Frisch: Ach so, aber reden? Spricht?

Singer: Ja. Aber ohne Unterbrechung. Und fünf Minuten sind wir nicht gewohnt zu sprechen.

Frisch: Stimmt. Ohne Resonanz, ohne Feedback.

Singer: Ich auch. Und übrigens.

Frisch: Du hast recht. Ich mact das auch die ganze Zeit! Ja, du hast recht. Aber hier –

Singer: Du machst das sehr gut [Beide lachen] Du hörst ganz viel zu. Ich rede ganz viel. Ich bin in der Diade und rede und rede.

Frisch: So soll es sein.

Singer: Und dann dreht es sich um. Dann kommt der andere dran. Und danach reflektieren wir auch überhaupt, wie war denn das zu reden, ohne Feedback? Wie war das, zuzuhören?

Frisch: Ach so! Man reflektiert auch nochmal auf die Situation.

Singer: Ja. Und dann reden wir aber natürlich auch über das, was an Erkenntnis durch diese Frage gewonnen wurde. Und du kannst eigentlich – die Fragen müssen eine bestimmte Art der Formulierung haben. Die muss immer persönlich auf den Menschen ausgerichtet sein, die kann aber auch eure Seminarinhalte beinhalten. Also es kann auch Themen, die du behandeln willst, einleiten.

Frisch: Ich verstehe. Das kann eigentlich fast ein Seminarformat sein.

Singer: Ist es.

Frisch: Ach so, ist es. Ach so, tatsächlich? Ich habe das noch nie gemacht und ich glaube, ich weiß gar nicht, wir haben da was anderes gemacht, aber ist egal.

Singer: Das haben wir nicht gemacht, ja.

Frisch: Und du arbeitest auch in Seminaren so. Du machst eine Seminarsitzung, die geht dann so. Die Leute setzen sich zusammen, aber das ist ein Teil in dem Seminar. Oder gibt es –

Singer: Ich biete ja jetzt außerhalb auch von der Uni diese Kurse des Zuhörens an. Da mache ich dann natürlich so eine Übung nach der anderen und dann immer wieder Theorie dazwischen, bisschen Philosophie des Hörens oder Grundlagen dieser Übungen. Aber wenn ich das in meiner eigenen Lehre mache, dann machen wir das auch mit meinen Mitarbeitern nur noch so, dass wir einen Wechsel zwischen Übungen, Theorie, Praxis haben. Also wir bauen diese Übung überall ständig ein. Die sind dann mal eine halbe Stunde hier, dann machen wir wieder ein normales Gruppenplenum oder arbeiten an Sachen und dann, weißt du? Das ist sozusagen Teil unseres Repertoirs geworden. Wir haben einfach die Lehre ein bisschen verändert.

Frisch: Das ist hochinteressant, ich mache das ja mit Schreiben, ich bin ja immer im verbalschriftlichen Artikulieren, das ist ja irgendwie so der Kern meiner Praxis. Und tatsächlich. Weil es eine Praxis ist, und du ja auch Zuhören, gerade, das haben wir ja jetzt sehr schnell gelernt, ist ja gar nichts Passives im Sinn von Ich mache nichts, dann höre ich schon. Sondern Zuhören ist ja etwas anderes als Passivität. Das ist eine Aktivität, das ist eine Praxis. Und man kann sie nicht nur, man muss sie sogar lernen, wenn ich dich jetzt richtig verstehe. Und es gibt sogar Übungen, also im Seminar sieht das so aus, es kommen immer wieder Praxisanteile mit rein, Praxis des Zuhörens. Kann ich wirklich analogisieren, wie ich das mit Schreiben mache. Immer wieder machen wir kleine Schreibeinheiten, wo wir die Praxis des Schreibens eigentlich dann –

Singer: Genau, also eigentlich könntest du im Sense Lab auch deine Sachen einstellen, weil das ist genau so eine Wahrnehmungsübung, die über Schreiben geht und die aber eben auch versucht, sozusagen eine Praxis, auch der Selbstfindung im Schreiben. Die hast du ja auch wahrscheinlich, dass über dieses regelmäßige Schreiben eine andere Tiefe da in die eigene, in das Schreiben kommt.

Frisch: Genau. Das ist ganz ähnlich. Also ich schreibe auch nicht etwas, was ich schon weiß oder kenne oder sowas, sondern es ist ein reduziertes, wie hast du gerade? Vielleicht auch ein reduziertes Schreiben. Wie analog zum reduzierten Hören, oder auch ein Blind Writing, könnte man auch sagen. Man schreibt einfach mal, um rauszufinden, was man eigentlich schreibt, wenn man schreibt. Also so könnte man es ausdrücken [Beide lachen]

Singer: Und ihr habt doch auch dieses Textelesen, dieses – das hat doch auch so einen Begriff, das fand ich auch toll, das habe ich jetzt von euch gelernt. Das Close Reading.

Frisch: Close Reading, ja.

Singer: Das ist ja auch so eine Praxis.

Frisch: Das ist ja auch dieses ganz Nahe, das könnte man dann auch so sagen. Wir machen auch Close Reading Films, z.B. Wir machen das auch mit Texten, ich mache das auch mit Gegenständen, so könnte man das nennen. Also Close Reading ist ja ein bisschen, ist ja auch, um zur Reduktion zu kommen. So nah, so lange rangehen – ist wie ein wiederkäuendes Lesen eigentlich. Man liest das so lange, bis der Sinn dann durchdrungen ist. Und dann liest man weiter und dann kommen neue Dinge in dem Text zum Vorschein, z.B. sein Klang, seine Gestalt und weiß ich nicht, was alles. Das kann man auch üben. Und dann kann man auch irgendwann vielleicht auch feststellen, welche Affekte und welche Resonanz und welche Emotionen usw. in diesem Hier und Da angesprochen werden durch diesen Text. Der Text liest einen dann eigentlich umgekehrt, also es dreht sich um: Der Text liest mich.

Singer: Genau. Und damit hast du eigentlich genau auch diesen Prozess des Zuhörens beschrieben. Und das ist auch was, was ich – ich mache gerade ein Projekt Listening to the World, wo ich weltweit auch das Zuhören erforsche durch Zuhören. Also was sind Praxissen, die noch oft aus alten, Ancestor Cultures, also aus alten Kulturen kommen, in denen das Zuhören ja noch viel mehr ausschlaggebend war für die Praxis, ja? Auch von Politik und von sozialen Gesellschaftsformaten und -formen. Und da haben wir viel zu lernen, da können wir viel lernen. Und eine Sache ist, dass in den meisten Kulturen das Hören nicht so getrennt ist vom Sehen oder Schreiben. Also wir haben ja diese Sinnestrennung irgendwie vorgenommen.

Und wenn ich sage, ich arbeite übers Zuhören, dann ist eigentlich eine vollsinnliche Wahrnehmung, ganzkörperliche auch mitinkludiert. Und das, was du gerade beim Schreiben erfährst, ist ja eine ähnliche Resonanz oder eine ähnliche Wechselwirkung, die wir über das Zuhören, über diese Übung erreichen. Insofern glaube ich, dass wir die über verschiedene Wahrnehmungsübungen erreichen können, die gleichen Zustände von Kreativität, von offenem Raum, vom prozessorientierten Denken.

Frisch: In der Tat.

Singer: Von Uns-selbst-finden in den Prozessen. Und es ist eigentlich egal, weißt du, ob wir da jetzt übers Schreiben gehen oder übers Malen oder über – das ist die Art, wie wir diese Praxissen und Methoden vollziehen.

Frisch: Kann ich aus der Erfahrung auch bestätigen. Das ist in der Tat so. Also vielleicht hängt zusammen damit, dass in der japanischen traditionellen Kultur zumindest jede Person, jeder Mensch sich einen Weg sucht, eine Kunst, die er oder sie das ganze Leben betreibt. Und nicht alle möglichen. Also jemand macht Ikebana, jemand anderes macht was mit dem Schwert usw. Aber es sind die Regulationsprozesse, Atem usw. organisieren sich dann in einer Praxis. Aber im Grunde könnte man sagen, da vollzieht sich dann Weltdasein eben als atmende Person, die entsteht und vergeht auf diesem oder auf jenem Weg.

Singer: Ja, ja, genau, das ist schön. Ich wusste nicht, dass das in der japanischen Küche schon so verankert ist. Aber ich denke auch, manche sind eben mehr angezogen vom Schreiben oder manche sind eben mehr hörende Personen, manche mehr Sehende. Das habe ich schon das Gefühl. Wenn ich auch Studierende sehe, wenn die kommen. Da gibt es vielleicht eine Prädisposition über welchen Kanal man einfach einen besseren Zugang findet.

Frisch: Ja, kann sein.

Singer: Und das ist doch auch schön so.

Frisch: Du hast von dem Sense Lab und der Listening School gesprochen. Erzähl mir, erzähl uns was darüber.

Singer: Ja, im Grunde genommen ist das eine Plattform, die habe ich jetzt auch mit einer Webseite versehen. Da hat das Lab mir Mittel dafür gegeben, die wird jetzt auch fertig und da will ich bald eigentlich euch alle die, wie du gerade erzählst – die ähnliche Praxis machen, dazu einladen, eure Projekte da auch einzustellen.

Und im Grunde genommen ist es eben diese Idee gewesen, das Europäische Bauhaus hat ja so ein bisschen versucht, Nachhaltigkeit und Ökologie und ökologisches Denken und auch eine neue Form von Lehre zu denken. Und ich war in einer Gruppe eben, „Lehre neu denken“ mit Francis Zeischegg und mit Luise Nerlich von Architektur und noch ein paar Studierende, die – und ein paar… Freischaffende, Lehraufträge, die jetzt nicht mehr da sind. Also, der vom Stamm. Und wir, also vor allem Francis und ich hatten eben beide schon diese Erfahrung mit diesem – ich mit dem Zuhören und sie macht, hat das über die Bildende Kunst gemacht. Und wir haben irgendwie alle das Gefühl gehabt, die Lehre muss sich auch ändern. Also es reicht jetzt nicht einfach nur Klimazahlen zu ändern oder die Häuser zu verändern, sondern wir müssen von innen heraus, wir Menschen, mehr Selbstverantwortung übernehmen.

Und auch, weißt du, wir haben in der Uni gelernt zu denken, zu reflektieren. Wir haben gelernt umzusetzen, wir können wunderbar bauen, Produktdesign machen, Design. Wir können sogar Radiosendungen machen, aber irgendwie gibt es so einen Zwischenteil, was Verantwortung und Herz oder Motivation oder so darin betrifft, was wir irgendwie noch nicht gelöst haben. Das, wo wir uns selbst verantwortlich dafür empfinden, wie unsere Kommunikation läuft, wie unsere Welt – Warum ändert sich das nicht? Obwohl wir alles wissen über den Klimawandel. Und da sind wir dazu gekommen, dass wir, wenn wir die Studierenden und auch die ja der Zukunft ausbilden, die Gesellschaftsforma der Zukunft, dann müssen wir anfangen bei uns.

Bei uns selbst. Bei der Selbstverantwortung, bei der Persönlichkeitsentwicklung auch. Und dann haben wir gedacht, dann wir machen das mit den Tools, die wir sowieso können. Über diese Wahrnehmungsübungen, über diese Tools, die wir mögen auch.

Frisch: Ich wollte gerade fragen, was können wir denn sowieso? Aber jetzt hast du ja schon ein paar Sachen gesagt. „Persönlichkeitsentwicklung“ steht ja in jedem Papier drin, in jedem Rat usw. Da steht immer: die Universität, Persönlichkeitsentwicklung.

Singer: Aber wir tun es ja ganz wenig.

Frisch: Aber wie geht das dann? Ich gehe in den Seminarraum und dann entwickle ich Persönlichkeit. Was tue ich da?

Singer: Nee, aber – Ja, ja, genau. Also z.B. ich habe angefangen, die hierarchischen Strukturen der Lehre auch architektonisch komplett zu verändern. Also wir sitzen nur noch im Kreis, wir haben die Tische weggemacht und wir haben solche Tafeln, falls wir schreiben wollen, weißt du, so Bretter, die man dann schreiben kann.

Frisch: Tatsächlich? Jeder von euch hat ein Brett und kann dann auch machen?

Singer: Ja. Wenn wir Übungen machen und schreiben und sonst.

Frisch: Nicht mehr Blöcke und –

Singer: Und die Lernenden sind Teil des Kreises. Damit ist diese Hierarchie schon mal – außer wir müssen mal was projizieren oder wollen doch mal eine Power Point machen. Und der Kreis ändert schon mal alles. Und der Kreis ist ja auch in allen Geschichten, Kreis um Feuer, also auch in vielen Religionen schon sehr ausschlaggebend. Oder Kreis der Weisen, die Ritter der Tafelrunde. Also du wirst dieses Symbol überall finden, wo es auch um demokratischer oder partizipativere Modelle von Gesellschaftsformen gibt. Und wenn du das machst, verändert sich schon mal wahnsinnig viel. Und wenn du in der Lehre dann auch irgendwie immer wieder diesen Raum öffnest oder diesen Raum fürs Nichtwissen, fürs Scheitern, fürs Partizipative und die Studierenden machen lässt, dann ändert sich das einfach.

Gerade habe ich es extrem ausprobiert mit einem studentischen Lehrformat. Und die machen jetzt ein Theaterstück in Erfurt. Das wird nächste Woche aufgeführt. Und das haben fünf Studenten, die schon weiter sind, geleitet. Und andere Studenten, die sozusagen sich eingeschrieben haben. Und wir waren wirklich nur noch so im Hintergrund. Raumschaffend, weißt du? Wir haben einfach nur geschaut, dass es halt nicht anbrennt oder zu viel wird für die. Und immer wieder dramaturgisch eingegriffen oder inhaltlich mal geholfen oder technisch, aber wir haben eher zugehört, wann brauchen sie uns? Und sonst haben wir sie einfach machen lassen.

Und das ist unglaublich, was ich gelernt hab, daraus zu gucken, wie die andere Generation miteinander umgeht und wie sie das machen. Und die sind natürlich vollkommen partizipativ rangegangen, hatte natürlich irgendwann mal auch seine Schwierigkeiten und Grenzen, wenn es dann an die Arbeitsteilung geht und den Produktionsprozess geht. Aber auch diese Erfahrung - wie weit kannst du gehen oder nicht. Das sind alles z.B. neue oder experimentelle Erfahrungen. Und das heißt eigentlich, dass wir uns als Lehrende immer weiter zurückziehen aus dieser Rolle des Wissenden und des Vorgebenden.

Frisch: Darüber denke ich sehr viel nach, weil in vieler Hinsicht ist ja vieles unseres traditionellen Wissens kommt mir veraltet und eigentlich unbrauchbar vor. Ich habe angefangen, eigentlich habe ich, naja, Mitte des 20. Jahrhunderts mit Schule usw. habe ich angefangen zu lernen, wie das alles ist und wie das alles geht. Da haben mir Kinderbücher auch die Welt erklärt. Das merke ich in letzter Zeit immer häufiger, was Kinderbücher mir erzählt haben, wie das alles ist. Und dann merkt man, das ist alles gar nicht so, dass man in den Laden geht und da Kaffee holt und dies und jenes und einkaufen und danach und so, diese ganze heile normale Welt, diese Normalität, dass sie unter Bedingungen steht usw., fällt mir alles auf, die Bedingungen werden immer nicht mitgenannt, worum es dann eines Tages geht später im Leben und so. Die ganzen Spiele. Da gab es dieses Spiel, das war eigentlich schon vor Donald Trump, so ein Donald Trump-Spiel. „Spiel des Lebens“, hieß das. Weiß ich nicht, ob du das kennst? Ging es nur darum, erfolgreich und so reich wie möglich zu werden.

Singer: Oder Monopoly.

Frisch: Normativ bis zum – ja, beim Monopoly, da gehst du wenigstens bankrott. [Beide lachen] Aber so eben. Und viele Diskussionen brechen gerade auf usw. Und eigentlich ist das in der Tat, mache ich auch die Erfahrung in Seminaren, wenn die Studierenden den Freiraum kriegen und sie das irgendwann merken, dass sie sagen: Ach so, jetzt wirklich unsere Themen? Dann wird das natürlich erst mal ein bisschen unsicher, weil man dann auch merkt: Oh weia, da muss ich jetzt auch viel machen, damit ich da irgendwie weiß, worüber und was ich sprechen muss. Aber in der Tat, die Verantwortung da nehmen und zu sagen, ich gestalte jetzt diese 90 Minuten und nicht, ich gehe da rein, sollen die da vorne doch machen, ich lasse da nachher einen Like da oder nicht, sondern – das sind meine 90 Minuten, und diese 90 Minuten mache ich zu den Besten meines Lebens sozusagen. In diese Verantwortung zu kommen, das ist tatsächlich auch manchmal… habe ich jetzt auch irgendwann mal als Satz in Seminaren eingeführt. Machen Sie diese Sitzung zu den Besten Ihres Leben, sonst – Das ist ja Ihr Leben. Sowas in diese Richtung.

Singer: Genau, das ist ja ihr Leben und ihre Erfahrung. Und ich habe gemerkt, sie lernen besser über Erfahrung machen und über körperliche und sinnliche Erfahrung machen als übers Verstehen nur.

Frisch: Interessant, ja.

Singer: Und das Verstehen kommt natürlich hinzu. Also ich glaube, wenn man es mischt, ist es am besten. Dann entsteht so eine Tiefe im Verstehen über die Erfahrung und gleichzeitig hat man aber auch noch eine Kontextualisierung durch die Theorie, die vielleicht auch die Erfahrung wieder vertieft. Das ist dann so eine Wechselseitigkeit, die da stattfindet. Und Verantwortung würde dann aber auch heißen, dass wir natürlich schon noch in diesem Raum viel reflektieren müssen, wie war das jetzt? 90 Minuten diese Veranstaltung zu machen. Wo sind Sie an ihre Grenze gekommen? Wo hatten Sie Sachen nicht erwartet, nicht gesehen? Wir sind jetzt z.B. in dem Projekt auch an Krisen gekommen.

Frisch: Ah, erzähl mal.

Singer: Ja, also weil ich hatte eine Theaterkompanie, eine professionelle, auch eingeladen als Lehrauftrag. Und die sollten auch jetzt bei den Proben dabei sein und als Kompanie. Und die sind natürlich gewohnt, dann die Regie zu machen und das Ganze in die Hand zu nehmen. Und das hatte ich auch so ein bisschen als Absicherung herum, weil das ja ein echtes Theater ist in Erfurt, was ein echtes Publikum hat und das muss natürlich klappen. Und dann hatte ich die da sozusagen mit drin im Konzept und dann ging das aber so im Rahmen im Laufe des Jahres immer mehr auseinander zwischen dem Theater, zwischen deren Stil oder Schreibform und dem, was die Studierenden wollen. Und irgendwann wollten die das Ganze übernehmen. Hatten aber irgendwie nicht ganz sich getraut, dann auch das diesen erwachsenen Regisseuren, Theatermachern sozusagen auch so mitzuteilen.

Und dann gab es zwei Parallelskripte und dann war ich plötzlich da und musste diese Feuerwehr spielen, um zu gucken, wie wir da jetzt rauskommen. Und das haben wir irgendwie geschafft, aber das war schon eine richtige Krise. Und da war natürlich ein Punkt, wo das für die sehr schwierig war, diese Verantwortung zu übernehmen. Dann auch sozusagen jemanden –

Frisch: Für die Studierenden?

Singer: Ja, da abzusagen. Also, da merke ich, da sind dann so Sachen, wo dann der ganze Rahmen, ja, Produktion, Geldgeber, alles, was dafür notwendig ist, dass dieser Raum, für die da ist, dass dieses Haus steht, manchmal dann so abgeblendet wird.

Frisch: Genau.

Singer: Wie Kinder, wir kennen das ja auch, die das als selbstredend sehen, dass es ein Kühlschrank zu Hause gibt, der immer voll ist und die Betten gemacht werden.

Frisch: Drum denken wir, früher war alles einfach, weil wir einfach nicht mitgekriegt haben, wer uns da alles abgenommen hat. Und jetzt stehen wir da und machen‘s und sagen: Warum ging das früher eigentlich? Ja, weil da war ja… ich finde das ganz interessant, du verwendest das Bild von dem Haus auch in der Tat. Ich erlebe das auch. Also als Lehrender, als Lehrperson ist es doch ein großer Teil meiner Aufgabe und auch Arbeit, Kraft dafür aufzuwenden, einen Raum herzustellen und zu halten. Und der muss sicher sein, aber anders als Safe Spaces oder wie die jetzt alle, also, wie man das konnotiert, sondern der muss sicher sein, dahingehend – naja, vielleicht so ähnlich wie in einem Safe Space, aber er muss – die Leute dürfen, müssen darin die Freiheit haben, sich überall hinzubewegen, ohne dass sie sich verletzen. Sie müssen nicht dafür Sorge tragen, ob ihnen was passiert, dafür sorge ich.

Und dann können Sie plötzlich lernen. Und dann sind Sie eigentlich in der Lage, zu entwickeln und zu machen und zu tun usw., weil Sie merken, weil ich dann irgendwann sage: Halt, stopp, Vorsicht ab hier! Und darauf müssen sie sich verlassen, im Sinn auch: Das müssen sie auch abgeben. Genau so, also diese ganze schöne Kindheitssituation eben in so einem Safe - Drum machen wir ja auch weiterhin Workshops und Fortbildungen und solche Dinge, weil wir dann wieder in solchen Settings uns wieder befinden.

Singer: Und da bin ich auch an meine Grenzen gekommen, wo ich nicht mehr wusste, wie weit kann ich da jetzt gehen. Also ich habe vielleicht dann zu stark eingefordert, dass sie da wirklich verantwortlich wie `ne Erw-, wie ein Lehrender da jetzt agieren. Ja, und das haben sie vielleicht - das ist vielleicht einfach zu früh, das einzufordern, weißt du? Aber ich hatte das Gefühl, das müssen die schon selber sagen. Das kann jetzt nicht an Mama abgegeben werden, diesen unangenehmen Schritt zu tun. Und dann das Gesicht von zerfallenden Profis zu sehen, wenn sie ausgeladen werden.

Frisch: Die waren sehr enttäuscht auch, oder?

Singer: Ja, natürlich. Und das war so ein Schritt, aber dann im Nachhinein dachte ich, okay, da habe ich vielleicht auch zu viel erwartet. So war ich vielleicht zu streng. [Lacht] Und vielleicht ist es da wichtig zu verstehen, dass du es halt machen musst, weil du halt der Raumgeber bist. Aber du kennst es ja auch vom Präsidium. Ich habe ja auch durchs Präsidium viel gelernt. Früher haben wir immer gesagt, die Fakultät gibt mir das nicht oder das Präsidium macht das nicht.

Weißt du, wir haben ja immer Tendenz, die Verantwortung nach oben abzugeben. Alle Menschen. Und wenn du dann selber plötzlich nur vier Menschen bist und über diese ganzen Entscheidungen fällst und merkst, wie alle wieder projizieren und sagen, warum macht denn das Präsidium nicht oder so. Und merkst, das sind nur vier Menschen, die auch Stimmungen haben oder Zwänge, Zeitzwänge oder Sachen.

Frisch: Auch nicht immer einen Plan.

Singer: Auch nicht immer einen Plan haben, dann merkst du plötzlich - ich hab das ganz stark danach gelernt. Es gibt nichts wie irgendwas außerhalb, wo du die Verantwortung abgibst. Sie ist immer bei uns als Menschen oder als Gruppe oder als Gefüge. Und das hat bei mir ganz stark Klick gemacht, irgendwie. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aus der Erfahrung heraus, nochmal so eine andere Sicht auf dein eigenes Raumumfeld zu haben.

Frisch: Absolut, einen ganz anderen Blick auf die Universität. Ich habe ja schon mal gedacht, jeder Angehörige der Universität sollte mal Vizepräsident für ein paar Tage sein. Es ist wirklich einfach, also ich meine, es ist Perspektivwechsel. Und Perspektivwechsel tut so gut, weil es den Horizont natürlich vervielfältigt. Es gibt gar nicht nur einen Horizont, sondern jeder Horizont ist auf einer anderen Höhe. Das kann man ja auch relativ schnell nachvollziehen. Tatsächlich ist dieses, das habe ich, glaube ich, doch eher als Lehrender gelernt schon, dieses, die Verantwortung in mich selber zurückzuziehen. Und zwar habe ich es eigentlich in der Prekariatszeit gelernt, die ich jetzt mal so nennen möchte. Also diese Zeit, wo man - was heißt „man“? Also, Promotion schon habe, aber sagen wir mal noch keine Anstellung, aber damals habe ich gar nicht gewusst, ob „noch“ überhaupt oder eben einfach keine. Es war eben einfach keine.

Aber Lehraufträge und diese Lehraufträge, die habe ich irgendwie sehr ernst genommen. Eine ganze Zeit lang habe ich sie mehr oder weniger erfüllt, formal, bis ich irgendwann mal wütend darüber war, dass ich nur bezahlt werde, sobald ich den Klassenraum betrete, und danach irgendwie nicht mehr. Und dann habe ich solche Formen angefangen, wie ich ab dem Moment, wo ich bezahlt werde, also ich bereite nicht mehr vor und nicht mehr nach, sondern fange dann an da drin. Das war zwar ein Trotz, aber Trotz war an der Stelle irgendwie Benzin, das mir dann irgendwie plötzlich Kraft gegeben hat, Formate auszuprobieren, Fragen zu stellen an einen Text, den ich nicht kannte, weil ich das Seminar ja nicht – ich sollte was übernehmen von irgendwas. Und dann habe ich eben gefragt, was in dem Text steht, und plötzlich hat das funktioniert, und das hat sehr gut funktioniert, weil die Fragen waren alle echt, da waren keine Suggestivfragen, nicht "Der hat’s ja eh gelesen“, obwohl die Studierenden es nicht wussten, dass ich den Text gar nicht kannte.

Und gleichzeitig habe ich mir dann von denen einen Text erklären lassen und das hat irgendwie, didaktisch ist das aufgegangen. Vielleicht auch, weil ich da das Standing schon hatte usw. Und gleichzeitig war es so, dass ich dann aus diesem Trotz heraus und aus diesem Verhalten heraus gemerkt habe, ich muss das machen. Nicht die anderen, ich kann nicht anfangen zu sagen, das System, und die müssten mich mehr bezahlen usw., und eigentlich Sauerei! und so. Sondern ich habe eben gedacht, naja, jetzt habe ich eine Umgangsweise gefunden, ich werde bezahlt für von bis, und das ist das System. Wenn das System etwas anderes will, dann kann es ja mit mir sprechen. Weiß ich nicht, ob das System mit mir spricht [Beide lachen] Aber jedenfalls habe ich gewusst, wenn du weißt, was du machst, und wenn du es entscheidest, dann kriegst du deine eigenen Räume. Und so ging das stückweit –

Singer: Und du warst produktiv.

Frisch: Und bei der Gelegenheit –

Singer: Das ist dann sofort die Resonanz, die eintritt, wenn man Verantwortung übernimmt und positiv an so eine Problematik rangeht. Man kriegt sogar noch ein Geschenk, eine neue Methode, eine neue Methodik, neue Erfahrung, die für alle erfrischend ist.

Frisch: Und am Ende ist es ganz einfach: Man muss nur die Verantwortung für die Situation nehmen, in der man da gerade ist, und tatsächlich kann man dann handeln.

Singer: Und merken, dass man eben eigentlich die Realität gestaltet und dass wir das alle tun. Und in jedem Projekt, in dem wir neu zusammenfinden, tun wir das. Und deshalb finde ich das bis heute, nach 16Jahren, aufregend, jedes Mal ins Semester zu gehen und zu gucken, wer ist die neue Gruppe? Was sind wir für ein hybrides Gefüge? Was werden wir schaffen, was werden wir nicht schaffen? Wo sind vielleicht bei uns aber auch Widerstände oder Schwierigkeiten? Wie werden wir damit umgehen? Ein Semester lang als Familie da. [Lacht]

Frisch: Ganz genau, das ist schön. Das sind so Part Time Families, die man über ein Semester fast bildet. Also man wird richtig eine kleine Gemeinschaft. Und tatsächlich, Lehren hat sehr viel mit Beziehung zu tun, man gestaltet eine Beziehung über einen Zeitraum. Das macht eigentlich, ist die ganze Universität ein riesiges Beziehungsgefüge. Und das ist auch eine Erfahrung, die hast du wahrscheinlich gemacht, die mache ich jetzt auch als Vizepräsident, dass sehr viel an der Gestaltung von Beziehungen hängt. Ich mache das aber auch tatsächlich gerne. Und in der Kommunikation liegen nicht nur die Probleme, da liegen auch die Lösungen. Das ist eben so schön daran, dass wirklich ganz viel mit, wer ist da, wie sprechen wir miteinander, und wenn wir als die, die da jetzt sind, diesen dritten Raum, von dem du so schön gesprochen hast, bilden, dann können wir beide in diesen Raum auch treten und uns in dem bewegen, und keiner drückt dem anderen seinen Raum auf oder so was in der Art.

Singer: Aber mir fehlt so ein bisschen in der Selbstverwaltung oder sagen wir mal, auf der politischen Ebene innerhalb der Hochschule das, was ich jetzt in der Lehre so schön erlebe, ja? Oder mit meinen Mitarbeitern auch oder Studierenden. Also ich habe oft das Gefühl, in unseren Gremien fehlt dieser Raum. Und man sagt ja oft, wir haben ja gar keine Zeit dafür. Wir müssen so viel abarbeiten im Senat oder in der Fakultätsrat oder so. Und dann streiten wir eher oder diese negative Stimmung ist da ganz oft da und ich mache da voll mit. Die nimmt die Verantwortung nicht von mir weg. Ich fange dann auch an zu argumentieren und eng zu werden.

Frisch: Ich kenne das auch, ja.

Singer: Aber irgendwie, wenn da so ein Raum wäre, wo wir eigentlich über unsere Ängste reden würden, was uns vielleicht wo wir Angst haben, uns wird da jetzt was weggenommen oder wir kriegen was nicht oder so. Und wir reden darüber, was es für uns bedeuten würde und dann würden die anderen vielleicht viel besser verstehen, warum jemand jetzt aggressiv reagiert oder was nicht will oder und wir reden aber nicht darüber. Wir reden nicht über diese Ebene und streiten einfach ewig weiter. Und das kann sich ja manchmal über Jahre ziehen. Konflikte, die niemals auf der tieferen Ebene besprochen oder der Raum da war, sie sich anzuschauen. Das fände ich schon schön, wenn wir das schaffen könnten, das auch in diese politische Ebene, sagen wir mal, der Uni zu bringen. Ich glaube, wir haben das alle in unseren in unseren kleinen Bereichen kreiert.

Frisch: Wir haben viele funktionierende Beziehungen an der Uni.

Singer: Absolut.

Singer: Aber es gibt so Bereiche, wo auch zwischen Gewährleistung und Präsidium oder Fakultäten und Präsidium ist ja manchmal wie so eine Art Verspannung, wenn du einen Körper siehst oder keine Kommunikation oder kein Wissen darüber. Also ich hatte auch so eine Dankbarkeit für den Gewährleistungsbereich, als ich plötzlich gemerkt habe, was da im Hintergrund eigentlich das Ganze ständig macht. Auch mit den Problemen, aber auch, dass es da ist, das sehen wir ja vorher gar nicht. Keiner weiß das.

Frisch: Wir gehen in den Raum rein und sagen wozu brauchen wir Hausmeister? Es ist doch sauber.

Singer: Wir wissen nicht, dass wir eine Leber und eine Niere haben, die uns die ganze Zeit –

Frisch: So ist es. Die ganzen Organe. Und tatsächlich wird alles bereit. Ganz zum Schluss treten wir in den Seminarraum und benutzen ihn einfach. Und dann gehen wir wieder raus und danach kommen wieder alle anderen Kräfte und machen und verwalten usw.

Singer: Und das war auch so was, wo ich dachte, ja, warum weg? Also wir müssen, wie du sagst, jeder sollte mal zwei Wochen Vize sein. Wenn jeder mal in die Rolle des anderen schlüpft und sieht einfach, wie wir zusammenhängen und wie viel Dankbarkeit wir uns jeweils gegenüber an den Tag bringen sollten dafür, dass wir existieren. Die können ja auch ohne uns Lehrende nicht. Manchmal ist es auch so, dass die, die nie lehren, auch nicht verstehen, was wir durchmachen. Oder was unsere Probleme oder Sachen sind, weil sie noch nie gelehrt haben mit so einer Gruppe.

Frisch: Das ist in der Tat – Ist auch eine Erfahrung in diesen Gesprächen jetzt, wir Lehrenden haben ein Wissen, für das wir noch gar keine Sprache haben. Und für die ist eigentlich, wenn ich – das kann ich aus diesen Gesprächen heraus jetzt schon wirklich nochmal als gehobene Erfahrung nehmen, Herausgehobene – das ist wirklich ein bisher noch unschätzbares Wissen, das wir alle haben.

Es ist so etwas wie eine Magie oder eine Fähigkeit oder wie man solche Sachen nennt, die wir uns erworben haben in der langjährigen Erfahrung. Aber es ist eine echte, ja, man kann es auch Kompetenz nennen, wenn es nicht so abgedroschen klingen würde, aber es ist ein echtes tiefes Erfahrungswissen, wie es so Weise, wie man das denen zuschreibt. Deswegen nenne ich das auch „Zwischen Magie und Handwerk“. Das kann man erlernen wie ein Handwerk, aber wenn es gelingt, also Magie hat ja auch Handwerk, also alles hat eine Praxis. Aber die gelingende Lehre, die haben wir aus der Erfahrung, die haben wir eigentlich noch gar nicht alle bewusst. Wir sind alle hochkompetente Menschen, das ist wirklich das, was ich in jedem Gespräch erlebe, nicht nur in den Podcast, sondern überhaupt, die große Sorgfalt auf ihren Beruf legen und die das auch gerne machen und die sich darum auch sorgen und die auch wissen, was Scheitern ist und die auch wissen, was gelingen ist und die auch intuitiv das alles können. Und das ist ganz, ganz schwer, das erstens aufzuschreiben, zu formalisieren, zu standardisieren, zu übertragen, von anderen zu übernehmen usw. Man kann, ähnlich wie Schauspieler, wie Artistinnen und Artisten, man kann nicht einfach die Rolle übernehmen, einspringen und dann dasselbe machen. Es ist ein ganz komplexes Feld, aber wir können da alle was.

Singer: Ja, und wir wertschätzen manchmal nicht, wie viel Energie das auch bedeutet, so was zu machen, so was zu machen, so was gut zu machen.

Frisch: Richtig.

Singer: Weil Drittmittel, Forschung ist wichtig, wie viel Gelder reinkommen, wie so und so. Aber eben diese Magie, ja, also wie viel Liebe und Fürsorge und Aufmerksamkeit das braucht, diese Magie jeden Tag neu erstellen zu können oder machen zu können. Diese Präsenz, die uns abverlangt, auch da weiter gut drin zu sein, die sollten wir auch würdigen und der Platz und Raum geben und uns auch pflegen, damit wir das weitermachen können. Also wenn wir Burnout sind und kaputt, weil wir in dieser Spirale des Mehr und Kapitalismus und was auch immer uns kaputt macht, was mir manchmal passiert, dann kann ich auch nicht mehr präsent Lehrender und Magier sein. Dann verliere ich das. Und ich kriege das sofort als Echo zurück. Ich spüre das sofort.

Also das ist unmittelbar da. Und da merke ich dann auch, ja, vielleicht sollten wir unsere Strukturen auch ein bisschen mehr darauf ausrichten in der Uni, auf die Menschen zu achten, die hier diese Magie machen. Und vielleicht auch dieser Lehre eben Wert geben. Und damals war das durch den „Tag der Lehre“ den Wunsch – nicht nur „Tag der Wissenschaft“ – sondern auch dieses Feld, was wir alle machen, mehr zu würdigen.

Frisch: Das entsinne ich auch. Das war ja auch eine große Begeisterung damals. Dieser“ Tag der Lehre“ war ganz großartig, weil er genau diese Aufmerksamkeit erzeugt hat. In den Strukturen entstehen ja jetzt solche Dinge. Es gibt inzwischen auch Förder-, fast so ein Pendant, die Stihl, glaube ich, oder? Innovation, Hochschullehre, richtig? Da gibt es ja inzwischen riesige Fonds usw. Natürlich ist das alles noch, das meine ich, die Projekte sind alle noch schwer zu beschreiben, weil wir das, was wir können, das ist in der Forschung natürlich schon viel länger, da hat man mehr Erfahrung. Da hat man eine eigene Sprache dafür erfunden und kann jetzt die Jurys letztlich auch damit betrauen, Projekte auszuwählen.

Bei uns ist das ja noch ziemlich schwierig. Ist mir jedes Mal schwergefallen, als es die ersten Ausschreibungen, „Innovationen der Hochschullehre“ usw. gab, habe ich immer gedacht, ich habe natürlich gelingende Seminare, ich habe Seminare, die sind großartig, aber ich kann überhaupt nicht…

Singer: …beschreiben.

Frisch: …eine Prosa dafür finden, dass eine Jury weiß, dass es sich lohnt, Mittel einzusetzen. Und ganz abgesehen hatte ich dann auch, das darf man jetzt aber gar nicht sagen, aber ich hatte auch so das Gefühl, gib mir einfach diesen Raum, den es an der Uni eh gibt, wenn die Studierenden kommen, dann können wir diese Lehre schon machen. Also eigentlich ist Lehre auch nicht immer teuer.

Singer: Nee, gar nicht. Und das war bei Sense Lab auch so schön, weil diese Bewerbung fürs „Neue Eruropäische Bauhaus“ hat ja als Hochschule dann nicht geklappt. Und viele Projekte kosteten wahnsinnig viel, weil es neue Gebäude waren, neues Bauen, nachhaltiges Bauen. Und das Sense Lab, das ist ja nicht teuer. Das sind ja nur das sind nur Menschen, die mit Methoden arbeiten und die für sich entdeckt haben. Und vielleicht könnte das ein schöner, weiterer ein weiteres Projekt aus deinem Podcast und dem Sense Lab werden. Dass das Sense Lab und dein Podcast vielleicht so eine Art Experimentierfeld für neue Methoden, des Lehrens und Lernens, die mehr übers Wahrnehmen und vielleicht über die Selbstpersönlichkeitsentwicklung oder wie man es nennen will, funktionieren. Oder? Das könnte doch interessant sein.

Und dass wir vielleicht versuchen, also, ich hab's in meinem Forschungsfreisemester angefangen und bin nicht fertig geworden, so ein Buch zu schreiben. Also ein Buch wo ich die Listening Practice wie so eine Art Rezeptbuch auch aufschreibe und weitergebe an alle Lehrenden, weil diese Übung könntet ihr alle machen und integrieren. Also es reicht ja, dass ich sie euch einmal zeige oder zwei oder dreimal und dann wäre die Idee ja, dass das jeder integriert. Und vielleicht würde ich von deinen Schreibübungen Sachen übernehmen.

Frisch: Dass man eine Art Labor, Fabrik, Werkstatt oder sowas bildet, in denen man also, wo man sich natürlich auch begegnen kann, so ähnlich wie jetzt hier in diesem Raum, und miteinander Podcast macht oder eine andere Sense Lab…

Singer: Und sich austauscht oder versucht, das auch mal zu formulieren und verschiedene Rezeptbücher zu schreiben und sich auszutauschen und das gegenseitig beizubringen und dadurch auch unseren Spaß an der Lehre zu erweitern, weil wir neue Methoden lernen.

Frisch: Richtig, so ist es, ja.

Singer: Und ausprobieren.

Frisch: Das macht ja auch unheimlich Spaß, zu begegnen. Wir haben ja auch schon gemeinsam gelehrt usw. Und wo man dann wirklich in den Perspektivenwechsel auf einmal zu zweit ist, da schon im Dialog. Das ist für die Studierenden am Anfang etwas schwierig, warum schauen da zwei Augen, warum reden da zwei Positionen, und auf einmal geht aber für die Studierenden ein Raum auf, der dann der dritte ist, weil die ja schon zwei Perspektiven sind, und dann hat man nicht dieses „Ich muss da zuhören“, man ist gar nicht mehr so stark angeschlossen. Ich habe das immer als sehr sehr inspirierend erlebt.

Singer: Also da bin ich ja Fan von der interdisziplinären Lehre, mit den Bauhausmodule und so zu versuchen, Räumen schaffen, wo wir uns auch zwischen den Fakultäten und Disziplinen treffen und voneinander lernen und die Studierende auch aus verschiedenen Disziplinen zusammenkommen. Also es ist schwierig. Wir wissen`s es ja, es ist mehr Arbeit manchmal als weniger. Es braucht viel Kommunikation und so, aber ich finde das immer noch weiterhin absolut essenziell.

Frisch: Es ist mehr Arbeit auch, weil es nicht gewohnt ist. Also wir haben noch keine Routinen darin, das ist alle andere Lehre. Lehre ist immer viel Arbeit, Lehre ist immer Arbeit, und das andere ist eben routiniert und wir nehmen es hin, weil wir uns daran gewöhnt haben, das Ungewohnte fühlt sich manchmal als mehr Arbeit an. Ich glaube nicht, dass es schwerer ist als die Lehre, an die wir uns gewöhnt haben. Es ist einfach nur die Umgewöhnung und die fehlenden Routinen, die es uns scheinbar schwer machen. Ich glaub, man kann sich daran gewöhnen, und ganz abgesehen davon mache ich auch die Erfahrung, dass das Beglückende an gelingender Lehre, und oft ist dieses Austausch, mehrperspektivisches Format, wir haben es vorhin beschrieben, in diesem Raum, der entsteht, in dem dann die Leute, wenn sie merken, wir können hier ja wirklich mitarbeiten, dann ist diese beglückende Lehre eigentlich so ein Kraftfeld, aus dem man dann selbst auch wieder bekräftigt hervorgeht.

Singer: Ja. Und wenn der andere Lehrende gerade übernimmt, und wir dürfen als Lehrende mal zuhören, wie andere es machen, ist ja auch wunderschön, es ist einfach so bereichernd.

Frisch: Wie? ich noch, dass ich am Anfang, als ich das erste Mal gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen gelehrt hatte, war ich ein bisschen befangen. Auf einmal war ich nicht mehr so frei allein im Raum. Das Schöne an der Lehre ist ja diese frei, die Seminartür zu, ab jetzt bin ich frei. Das ist ja wirklich toll, dass das immer noch so ist, und es muss eigentlich unbedingt erhalten bleiben, denn eigentlich ist das ja auch meine Verantwortung. Ich kann ja nur den Raum halten, wir kennen das alle. Wenn man gemeinsam einen Liegestuhl aufbaut oder ein Zelt, dann klappt es immer nie, weil die Stange dann völlig an der falschen Stelle ist, alles bricht zusammen. Und diesen Raum herzustellen, dann zu bespielen und zu halten und dem anderen nicht dauernd verstehen zu geben. Also das mag ich schon auch so, dass ich weiß, ich weiß schon, wo es hinläuft, aber ich will es jetzt nicht besprechen müssen. Und plötzlich muss man es besprechen. Es war am Anfang gar nicht so ohne Weiteres.

Singer: Oder man wird beobachtet. Es gibt auch so eine Eitelkeit oder so einen Stolz, der sagt: Oh, hoffentlich mache ich es jetzt gut.

Frisch: Natürlich.

Singer: Ja, so, ne. Aber das gehört ja auch gerade dazu, dass wir glaube ich, auch diese Angst vom Scheitern und vom Ausprobieren eben…

Frisch: Ja, richtig.

Singer: Dass wir die verlieren müssen. Wir sind ja auch alle so deutsch-perfektionistisch, man darf nicht scheitern. Das ist ja das Schlimmste überhaupt, zu scheitern. Und ich glaube, ich habe ja auch „Experimentelles Radio“ im Titel meiner Professur, also ein Experiment ohne Scheitern geht nicht. Und das kann natürlich auch so sein, dass wir dann in der Lehre mal zu spüren bekommen, dass vielleicht das nicht alles, dass man es auch anders machen könnte oder so.

Frisch: Wenn wir lernen, mit scheitern weitermachen zu können, also dass man einfach sagt: Jetzt sind wir gescheitert, beschreiben wir doch mal, was passiert ist oder was wir als nächstes machen oder so. Es geht ja meistens um den Anschluss, also dass man einfach weiß, wie es weitergeht.

Singer: Ja, und dass man einfach lernt aus dem Scheitern und das als eine Art positives Feedback begreift und nicht als ein Frakasso, ja? Also so, jetzt ist alles aus und dann deprimiert nach Hause geht, sondern zu überlegen, was kann daraus entstehen. So wie bei deinem Beispiel finde ich es sehr schön wie, ich gehe jetzt rein und fange das Lehren erst an, wenn ich dafür bezahlt werde und plötzlich entsteht was.

Frisch: Plötzlich entsteht was.

Singer: Dann entsteht was, was ganz Neues.

Frisch: Wie ist es eigentlich mit dem Radio? Wir haben jetzt noch – ah, ein paar Minuten haben wir aber trotzdem. Du hast ein eigenes Radio Studio?

Singer: Wir haben sogar zwei.

Frisch: Jetzt habt ihr zwei.

Singer: Ja, weil wir haben eine neue Professur für „Akustische Ökologie und Sound Studies“ über die Tenure Track Programm bekommen, Kerstin Ergenzinger, die ist jetzt da und die brauchte ja auch einen Raum. Und das Studio in der B11 unten kennst du ja von früher. Das Kellerstudio ist ja abgerissen. Also wurde sozusagen unser altes Kellerstudio und ihr neuer Raum zusammengelegt. Und jetzt haben wir zwei Studios in der M5, ein Radiostudio und unten eher ein experimentelles Labor, aber auch akustisch isoliert mit Scheibe, wo man aufnehmen kann und so.

Frisch: Wird da auch gesendet?

Singer: Gesendet wird oben.

Frisch: Da wird oben gesendet.

Singer: Aber inzwischen können die von überall senden, die senden durch die Coronazeit haben wir jetzt auch unabhängige Server und Leitungen. Das heißt, wir können von draußen senden, vom Wohnzimmer, von der Küche. Also, Senden ist ja zum Glück so niederschwellig. Und nicht kostspielig, einfach, das ist ja das Tolle am Radio.

Frisch: Das stimmt, das ist wirklich toll. Ihr habt da, ihr habt dann eigentlich ein leichtes Medium undgleichzeitig aber wiederum ein Schweres, weil natürlich sehr viel Technik erstmal installiert wird. Und ich finde das schon ziemlich toll, das Wissen übrigens auch gar nicht alle, dass die Bauhaus-Universität ein eigenes Radiostudio hat. Das finde ich interessant, dass es immer noch nicht alle wissen. Aber ein richtig vollartiges Radio.

Singer: Wir haben einen Sender, BauhausFM. Einen eigenen Sender, auf der Frequenz von Lotte. Aber wir können das für irgendwelche Events ständig für uns buchen. Ja, also die ganze Uni. Wenn wir irgendwie eine spannende Veranstaltung oder irgendwas übertragen wollen im Internet und im Raum, auch jetzt vielleicht für „Demokratie stärken“, kann das eigentlich jeder machen. Wir wollen auch zu dieser „Demokratie stärken“ machen wir jetzt ein Projekt auch und wollen auch Aktionen machen. Und eines wird auch, ein Sendeformat aufzubauen, wo vielleicht die ganzen Aktivitäten der anderen mit Sprachrohr bekommt, über den Sender. Weil ein Sender ist halt praktisch schon zum Kommunizieren [Lacht]

Frisch: Absolut, Sender ist ein ganz tolles Kommunikationsformat und ist auch eine schöne Ästhetik. Also ich finde Sender, Senden von der Ästhetik her auch so interessant, weil wir hier nehmen ja jetzt auf, also in dem Moment, wo man es hört, ist es natürlich abrufbar, aber in dem Moment, wo wir sprechen, nehmen wir eigentlich noch auf, und es geht noch gar nicht raus. Ich finde, es fühlt sich anders an als an einem offenen Mikrofon mit rotem Licht im Raum, wo man weiß, die hören das jetzt wirklich jetzt alle. Es ist raus in der Welt und schon gehört, hier könnte man ja immer nochmal schneiden oder sowas.

Singer: Es ist zeitgleich, es ist Übertragung von Räumen in andere Räume, und es überwindet Zeitraum im Grunde.

Frisch: Ohne zu wissen, was die machen, die da zuhören. Das ist ja gar keine Interaktion, das ist beim Senden so eigenartig.

Singer: Es ist so eine Magie immer noch, oder?

Frisch: Ich finde das auch immer noch.

Singer: Es bleibt eine Magie. Also auch nach Jahren des Lehrens finde ich das immer noch eines der magischsten Dinge überhaupt. Auch wenn ich jetzt in der Welt umeinander bin und den Einfluss des Radios auch auf, ja, weltweit beobachte, was das bedeutet hat, auch für den Widerstand in Kulturen, für die Kommunikation während Diktaturen herrschten und so. Und es ist einfach ein magisches Instrument wegen seiner kleinen, einfachen Technologie und seiner Wirksamkeit.

Frisch: Seiner Reichweite.

Singer: Seiner Reichweite auch. Und auch, weil die Stimme einen nochmal ganz anders direkt trifft und berührt. Es ist ein ganz unmittelbares, intimes Medium.

Und das kriegen wir durch diese vielen Radio Storys, die wir sammeln, weltweit gespiegelt. Das es einfach wirklich ein magisches Medium ist.

Frisch: Ein magisches Medium, sehr schön. Wir sind mit unserer Zeit am Ende. Vielen Dank, liebe Natalie, für das schöne Gespräch.

Singer: Ja, danke Dir, hat sehr viel Spaß gemacht.

Outro: Das war: Zwischen Magie und Handwerk – ein Podcast über Lehre und Lernen an der Bauhausuniversität Weimar. Neue Folgen erscheinen wöchentlich auf allen gängigen Podcast Plattformen. Abonniere den Podcast, keine weitere Folge zu verpassen!

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