Ep. 09 – Gespräch mit Jan Knöferl

Shownotes

In dieser Episode erzählt Jan Knöferl Simon Frisch von seinen Erfahrungen aus der studentischen Lehre, die er im Gebiet der Medien- und Kulturwissenschaft in Tutorien und dem Vorkurs gesammelt hat. Welche Herangehensweisen der Vermittlung medienwissenschaftlicher Inhalte gibt es und wie kann man diese beschreiben? Inwiefern unterscheidet sich das Erfüllen von Lernzielen beispielsweise von der Germanistik als einer exakten Wissenschaft? Oder ist der Anspruch, Lehrziele zu erfüllen bloß eine Fantasie - aber ist das zwingend etwas Schlechtes?

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Digitale Barrierefreiheit: Christiane Hempel Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

Weiterführende Links: www.uni-weimar.de https://www.uni-weimar.de/de/universitaet/lehre/

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

Transkript anzeigen

Ep. 09 — Gespräch mit Jan Knöferl

Intro: Zwischen Magie und Handwerk – ein Podcast der Bauhaus-Universität Weimar.

Mein Name ist Simon Frisch und ich spreche hier mit Lernenden aus allen Bereichen unserer Universität über Lehre und Lernen, über Ihre Erfahrungen und Ihre Perspektiven.

Frisch: Das Mikrofon ist aufgegangen und wir treten auf. Hier sind auch Vorhänge, von denen habe ich noch nie erzählt. Der Vorhang geht dann immer zu und dahinter verschwindet der Steven Mehlhorn und macht dann die Aufnahme. Hier geht aber das Mikrofon auf und deswegen sind wir zu hören – zu sehen sind wir gar nicht. Beginnen wir mit den Figuren, die in den nächsten 45 Minuten hier auftreten. Wer wir sind, die wir hier sprechen oder als die wir hier sprechen, das ist ja mehr oder weniger auch immer eine Wahl. Wir sind ja immer sehr viele, wir haben viele Titel erworben, wir haben in unserer Biografie viel erlebt, wir sind dieses und jenes und vieles andere auch nicht. Und ich bin selbst hier in diesem Gespräch über Lehre und Lernen, Zwischen Magie und Handwerk, in diesem Podcast, immer Vizepräsident und Dozent.

Ich bin sozusagen zweimal da. Als Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität interessiere ich mich für Lehre und Lernen, drum habe ich für diesen Posten letztlich auch die Hand gehoben. Und als Dozent, als Inhaber der Dozentur für Film- und Medienwissenschaft interessiere ich mich für Lehre und Lernen, weil ich es tue und ich tue es, weil ich mich dafür interessiere. Trotzdem weiß ich gar nicht genau, was das ist, und deswegen führe ich diese Gespräche hier und ich bin gespannt, als wer du dich, lieber Jan, vielleicht darf ich so viel schon sagen, hier vorstellen wirst und auftreten wirst in diesen nächsten 45 Minuten.

Knöferl: Lieber Simon, danke für die Einladung. Genau ich bin Jan, ich bin im dritten Semester von meinem Master in Medienwissenschaft hier an der Bauhaus-Universität. Bin dementsprechend über meine Rolle als Student natürlich auch sehr an Lernen interessiert, aber auch über verschiedene Tätigkeiten, hier z.B. in Weimar in Form des Vorkurses für Erstsemester-Studierende, natürlich auch am Lehren, insbesondere am studentischen Lehren interessiert, das ich schon in meinem Bachelor verschiedene Möglichkeiten hatte auszuführen und dementsprechend freue ich mich mit dir hier auch ein bisschen über studentisches Lehren, generell das Verhältnis von Lehren und Lernen aus einer studentischen Perspektive zu sprechen.

Frisch: Sehr schön. Studentische Lehrerfahrung und studentische Lernerfahrung oder umgekehrt. Also nicht nur Lernerfahrung, sondern auch Lehrerfahrung bringst du mit und die auch schon gleich an zwei Hochschulstandorten. Bachelor hast du gemacht wo?

Knöferl: In Freiburg im Breisgau, Medienkulturwissenschaften hab ich da studiert.

Frisch: Freiburg im Breisgau, wie schön. Freiburg ist eine schöne Stadt. Weimar ist auch eine schöne Stadt?

Knöferl: Das ist auch eine sehr schöne Stadt.

[Beide lachen]

Frisch: Studentische Lehre in Freiburg – vielleicht darf ich dich dazu fragen, wie du… wie deine Lehrerfahrung, also wie kam das zu Stande, dass du Lehrerfahrung im Bachelor gemacht hast?

Knöferl: Das kam relativ zufällig zustande tatsächlich. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes reingerutscht. Nämlich, das war in meinem dritten Bachelorsemester, ich war dort studentische Hilfskraft von der Dozentin, die dort sozusagen die Einführungsvorlesung in die Medienkulturwissenschaft gemacht hat.

Frisch: Wer ist das?

Knöferl: Das ist Professor Doktor Bettina Papenburg, die ist inzwischen nicht mehr in Freiburg, die ist jetzt an der FU in Berlin. Und da kam dann so ein bisschen auch das Interesse auf von den damaligen Erstsemester-Studierenden, vielleicht ein bisschen zugänglichere Perspektiven auf die Texte, die dort gelesen werden, zu bekommen. Das heißt, dass vielleicht jemand aus höheren Semestern mit ihnen über die Texte redet, Perspektiven einbringt wie das letzten Endes an anderen Stellen eingebracht wird. Also, so was fange ich mit McLuhan an, wenn ich überhaupt keine Ahnung habe von diesem Fach, was ich jetzt studiere, was ja bei Medienwissenschaft oft ein großes Problem ist, dass man am Anfang noch nicht so diesen Gegenstand greifen kann.

Und dann habe ich das gemacht, wir haben uns wöchentlich getroffen, es war eher so ein informeller Kreis und das hat sehr gut funktioniert und wurde dann im Jahr darauf, diese Vorlesung findet immer im Wintersemester statt, wurde das dann sozusagen institutionalisiert als ein „richtiges“, was auch immer das heißen mag, Tutorium. Was mit festen Zeiten angeboten wurde, mit festen Abläufen, die immer gleich waren, wo dann eben diese Texte, diese zentralen Texte oder das, was die Freiburger Medienwissenschaft, die ja sehr anders ist als die Weimarer Medienwissenschaft - will ich jetzt mal so sagen - als zentrale Texte dieses Faches auffasst, die dann dort diskutiert wurden, näher gebracht wurden, mit Beispielen nochmal genauer unterfüttert wurden. Das habe ich dann im Jahr darauf nochmal gemacht. Bin dann für meinen Master hierher gekommen und hatte dann eben die Chance auch hier das in einem anderen Format weiterzuführen, jetzt nicht in so einem rigiden Tutorium mit festen Texten, sondern im Kontext des Vorkurses, der für die Studierende der Medienkultur, Architektur, Urbanistik und ich glaube auch Kunst und Gestaltung ist auch noch mit dabei.

Frisch: Ich glaube, die waren da dabei, ja.

Knöferl: Dann eben dort spielerisch in diese neue Welt der Universität einzuführen, in was an anderer Stelle vielleicht als die Praxis der Theorie bezeichnet werden kann, dass wir uns dort unterschiedliche Aufgaben ausgedacht haben, die diese erste Erststudierenden ausführen müssen, mit uns, innerhalb von anderthalb Stunden. Genau das ist so mein Verlauf der studentischen Lehre bis jetzt.

Frisch: Ausgezeichnet, ganz besonders interessiert mich dieses Zustandekommen dieses ersten Formats. Das ist so ein bisschen… kann man ja so einen Ursprungsmythos oder so was, ein erstes Gespinst… Ich habe jetzt gehört, dass du unterschieden hast zwischen „danach ein richtiges Tutorium“, und dieses Nicht-richtige-Tutorium, daran bin ich jetzt schon sehr interessiert. Wahrscheinlich ist vieles davon unbewusst gelaufen usw. Vielleicht auch ungeplant, aber das zu erzählen ist jetzt wirklich interessant.

Das war sehr informell. Zeiten müsste ihr irgendwie gehabt haben, ihr seid euch ja nicht zufällig begegnet und habt angefangen darüber zu sprechen. Erzähl mal, wie habt ihr euch da organisiert und wie vielleicht auch so ein bisschen den Verlauf erinnern? Das finde ich wirklich spannend.

Knöferl: Also es Es gab sozusagen ein erstes Treffen, es gab eine erste E-Mail, die dann damals von Bettina rausgeschickt wurde, dass das jetzt angeboten wird. Das war eine wirklich undankbare Uhrzeit, also es war freitags, of all - also, von allen Tagen ausgerechnet der Freitag, ich glaube, von 18 bis 20 Uhr.

Frisch: Ach. Freitagabend… okay.

Knöferl: Genau.

Frisch: Okay, es gibt den Montagmorgen und den Freitagabend. Das sind die schönsten Zeiten. [Beide lachen]

Knöferl: Am Anfang waren noch kamen schon einige. Ich würde sagen, es waren zwanzig Leute am Anfang da, das erstmal so zu sehen. Und wir hatten keinen so richtigen Ablauf. Wir wussten noch nicht so richtig, was wir miteinander anfangen sollen.

Frisch: Erzähl mal von dem ersten Mal! Wie war das genau?

Knöferl: Man muss das so sagen, ich war im dritten Semester. Ich war zwei Semester älter.

Frisch: Auch neu.

Knöferl: Wenn ich jetzt zurückblicke, wusste ich auch nicht viel mehr als die Leute aus dem ersten Semester.

Frisch: Super, das ist ja toll: Muss man mehr wissen? Die Fragen sind alle drin, erzähl.

Knöferl: Und die kamen dann so langsam an, und ich war total aufgeregt, weil ich wusste jetzt natürlich - Das ist ja auch so eine gewisse Dynamik, die auch direkt herrscht. Das war nämlich auch noch im Uniraum. Das war nicht irgendwie in einem Café oder in einer Kneipe oder in einem autonomen Zentrum oder irgend sowas, sondern das war eben direkt in einem Uniraum. Und damit hast du ja auch schon so eine Art räumliche Anordnung, die auch - vorne steht jemand, von dem wird jetzt erwartet, diese Person weiß etwas. Und diese Person vermittelt uns jetzt etwas. Und da war ich schon - da hatte ich ein gewisses Unbehagen mit auch. Deswegen wollte ich dann - dachte: Okay, vielleicht Stuhlkreis, generell irgendwie einfach im Raum verteilen oder sowas.

Frisch: Das war der erste Ansatz. Der Raum. Es muss ein Raum hergestellt -

Knöferl: In der Medienwissenschaft würde ich sagen es muss was mit dem Dispositiv… gemacht werden.

Frisch: Ja, genau.

Knöferl: Und das haben wir auch versucht, aber da kommt man dann an und ist so: Ja, und ich habe ja auch schon diese Texte gelesen und ich habe diese Ideen über Raumanordnungen und so was. Die Erstsemester wiederum ja gar nicht. Die kommen noch aus der Schule, für die ist das nichts anderes - also für die ist das, wie Lehren und Lernen funktioniert. Ich sitze hier, vielleicht habe ich sogar noch eine Sitzordnung oder so. Das gibt es ja an der Uni gar nicht mehr. Wäre lustig wenn, aber -

Frisch: Könnten wir mal probieren. Aber gut, ja, erzähl weiter.

Knöferl: Ja, könnte lustig werden. Und dann wussten die auch nicht so: „Sollen wir jetzt hier hinstellen?" Also haben auch Rückfragen gestellt tatsächlich. Ich war so: „Verteilt euch mal im Raum.“ Und dann war es natürlich so: „Ist das okay, wenn wir hier stehen?" - Na klar, macht doch einfach, was ihr wollt.

Frisch: Guck an, toll.

Knöferl: Das heißt, man musste trotzdem irgendwie so ein bisschen… Es hat so eine gewisse Notwendigkeit gab, trotzdem irgendetwas zu lenken auch vielleicht. Und das haben wir dann so gemacht - das ist, wenn man Freiburger Medienkulturwissenschaftsleute fragt: Was habt ihr denn im ersten Semester gemacht? Dann sagen die zwei Dinge: Wir haben Film gemacht und Lesefragen beantwortet. Und dieses Lesefragenformat heißt: Es werden Lesefragen im Vorfeld vorbereitet von der Dozentin, mit denen dieser Text angegangen werden soll, der jetzt gelesen wird. Also, z.B. bei McLuhan ist dann McLuhan legendärer Text Das Medium ist die Botschaft, ist die erste Lesefrage: Was meint McLuhan, wenn er sagt: Das Medium ist die Botschaft? Und das ist dann quasi eine die beantwortet werden soll und auch diskutiert wird und dann in einer Endabgabe auch verschriftlicht werden soll. Dann haben wir gesagt: Okay, wir kommen hier zusammen und wir besprechen einfach mal diese Fragen.

Was heißt diese Frage überhaupt? Was ist mit dieser Frage impliziert? Also auch erstmal, bevor wir an die Antwort gehen, uns überhaupt erst mal angucken, was das für eine Art Frage, die hier gestellt wird. Was impliziert diese Frage vielleicht auch?

Frisch: Du hast die Fragen von der Dozentin bekommen.

Knöferl: Genau, die bekommen aber alle.

Frisch: Und das war schon mal ein Setting?

Knöferl: Das ein Setting, mit dem man hat sehr gut arbeiten konnte. Und dann war es natürlich auch so, dann habe ich die gefragt, was erinnert euch das? Fällt euch vielleicht irgendwas ein? Dann konnten die Beispiele teilen.

Frisch: Wie war das dann genau? Du hast eine Frage gestellt, dann melden die sich gleich, jeder will was sagen?

Knöferl: Nee!

Frisch [lacht]: Nee, genau! Wie ist es denn in echt?

Knöferl: Es war die, diese klassische Stille erstmal, in der dann um Worte gerungen wird von der Person, die die Frage gestellt hat und umformuliert hat. Ich wusste natürlich auch noch nicht so richtig, ich meine das allererste Mal, dass ich das gemacht habe.

Frisch: Natürlich, das war bei mir genauso, auch wenn es nicht im Studium, sondern erst danach war. Aber deswegen interessiert es uns ja auch alle. Wie hast du es gemacht, dass die Leute reden? Also haben die von selber? Ich meine, das ist ein bisschen niedrigschwelliger wahrscheinlich als wenn da jetzt irgendwie

Knöferl: Ich glaube, ich habe irgendwann angefangen, vielleicht auch kurz, um von dem McLuhan-Beispiel wegzukommen. Es gab dann später einen Text, in dem es dann um Zeichentheorie geht. Und da habe ich dann angefangen, über Videospiele zu reden. Also was passiert, also was um alles in der Welt hat - wo ist der Bezug davon, dass ich A drücke und eine Figur springt? Also das hat ja wirklich gar nichts miteinander zu tun. Und dann haben die angefangen, Beispiele zu sammeln. Also z.B. auch eine meinte dann: Was um alles in der Welt bedeutet es, dass mir ein Beitrag gefällt, wenn ich auf eine Stelle auf meinem Handy drücke.

Mein Lieblingsbeispiel in dem Fall ist ja der Play- und der Pause-Button. Was hat dieses quergelegte Dreieck in irgendeiner Weise zu tun mit „Etwas läuft“? Spannenderweise sieht man dieses Dreieck ja nur, wenn etwas pausiert. Um quasi die Möglichkeit zu haben, weiterzudrücken. Man hat gemerkt, es gibt Zugänge, die funktionieren viel, viel besser als andere. Und ich habe dann so relativ schnell gemerkt: Es bringt gar nichts, wenn ich versuche, hier zunächst mal über reine Textarbeit ranzugehen. Ich bin immer noch der großen Überzeugung, dass das zentralste ist, dass es hinkommen sollte, gerade mit Erstemestern, dass sie am Ende aus dieser Veranstaltung hinauskommen und sich über die Zentralität von genauer Textlektüre im Klaren sind. Aber um dahin zu kommen, muss man über ein paar Steine erstmal stolpern, nicht springen, sondern stolpern.

Frisch: Sehr gut.

Knöferl: Und dann war für mich irgendwann klar: Die Aufgabe, die ich hier einnehme, ist nicht – also gerade in der studentischen Lehre im Sinne von Tutorien – ist nicht, irgendwie nicht, denen nochmal den Text zu erklären. Das können Dozierende machen. Ich bringe denen lustige Beispiele mit. Ich versuch, die zu affizieren, vielleicht. Eine Sitzung, die kam dann später Das ist vielleicht okay, wenn ich jetzt quasi schon den Sprung mache, die war dann ein Jahr später. Da ging's, und das ist auch etwas, was z.B. mich immer schon total interessiert hat, noch bevor ich das quasi studiert habe: Wie kommt eigentlich so was wie Musikgeschmack zu Stande? Oder Filmgeschmack? Warum finde ich diesen Film gut und die andere Person ihn nicht? Obwohl wir doch eigentlich irgendwie, keine Ahnung, von den gleichen Orten kommen. Und dann gab es da einen Text von einem amerikanischen Kulturwissenschaftler. Ich weiß gerade gar nicht mehr genau wer das war, aber es ist doch relativ egal. Und was ich dann gemacht habe ist, ich habe denen gesagt: Okay, wir räumen jetzt mal alle Tische an die Seite.

Frisch: Das war schon das zweite Mal, da bist du ganz anders reingegangen.

Knöferl: Genau, das zweite Mal, ah, halt. da gab es gar keinen Tisch. Das war nämlich online, war das Corona Semester. Das kam nochmal dazu. Aber ich habe denen gesagt, okay, wir machen jetzt mal alle unsere Kameras aus. Dann habe ich im Vorfeld ein fünfminütiges DJ Set aufgenommen mit Songs, die halt ineinander übergehen. Und ich habe denen gesagt: Macht doch mal das Licht bei euch im Zimmer aus, macht die Kamera aus und tanzt einfach mal ein bisschen dazu. Und achtet mal so ein bisschen darauf: Okay, aber mit dem Song hab ich jetzt nicht so Lust irgendwie mitzutanzen? Wie tanze ich zu dem Song im Vergleich zu dem anderen? Und dann sammeln wir mal.

Und davon ausgehend konnte man diesen Text unglaublich gut erklären. Dann haben diese ganzen – da wurde dann viel mit Foucault und Deleuze usw. Also Leute, die teilweise sehr… also, für Erstsemester überhaupt nicht zugänglich sind. Und dann wurde das auf einmal greifbar. Das war, glaube ich, für mich der Switch-Punkt, an dem ich so für mich gemerkt habe: Okay, Lehre in diesem Kontext kommt viel über so eine Affizierung über Beispiele, die sie vielleicht schon kennen, aber noch nicht so kennen. Es macht dann schon einen Unterschied, ob ich diesen Song auf dem Weg Uni höre oder jetzt in der Uni selber unter diesen Fragen.

Frisch: Ja, genau. Das ist interessant. Na klar, das ist natürlich auch bei Filmen, weil du auch von Filmgeschmack usw. unter dieser Bedingung oder unter jener Bedingungen. Manche Filme haben einfach keine Chance, sich zu entfalten morgens um zehn im Seminar. Zum Beispiel 50er Jahre Horrorfilme sehen dann aus wie lächerliche Wichte, aber die hat man natürlich um Mitternacht im Kino gesehen und musste nachher noch heim. Und zwar durch eine Welt - man hatte kein Handy und gar nichts. Aber solche Geschichten. Ja, okay. Das heißt aber, jetzt bringst du die Musik unter eine andere Bedingung als auf dem Weg zur - usw. und wie ist dann die Erfahrung? Wie war das Feedback?

Knöferl: Also die fanden das mega cool. Man dazu auch sagen, ich glaube, das kommt jetzt noch ergänzend zu dem, was du gerade meintest mit „Dieser Weg nach Hause“ z.B. dann auch. Das war zu einem Zeitpunkt, das war Anfang Januar 2021, also wirklich Horrorphase Corona. Ich weiß jetzt leider nicht, wie das in Thüringen war. In Baden Württemberg war das so, dass nach 20 Uhr niemand mehr aus dem Haus durfte.

Frisch: Ja, im Sinne auch so. Wir hatten einen Hund zu der Zeit, darum habe ich es Erfahrungswissen war dann anders, wir durften uns bewegen. Aber ja, ich glaube, es gab starke Ausgangssperren.

Knöferl: Das war dann eben auch so, dass dieses Tutorat auch wieder, es war Mittwoch, es von 18 bis 20 Uhr ging und danach durften sie nicht raus. Aber was wir dann quasi geboten haben in dieser einen Seminarsitzung, war ein Moment, in dem man quasi unter wissenschaftlichen Bedingungen tanzen durfte. Dementsprechend war das dann auch für alle Beteiligten eine fast schon eine Form von Katharsis. Aber es kam sehr gut an. Und ich glaube, auch unabhängig von dieser Rahmung, dieser gesamt-realitären Rahmung durch die Coronakrise zu diesem Zeitpunkt.

Frisch: Das ist interessant, weil das ist ein Format, das stelle ich mir im Seminarraum in Präsenz schwieriger vor, also, dass du ein Seminar hast. Alle sind in dem Seminarraum zusammen, können sich aber partiell abschalten und dann privat werden und dann tanzen. Das wäre, glaube ich, ein anderer zu sagen: Ja, wir verdunkeln jetzt von mir aus, oder weiß ich nicht was. Und dann machst du im Seminarraum das Licht aus und alle sollen jetzt tanzen. Du hast eine völlig andere Situation natürlich, weil du plötzlich eine soziale Situation hast. Das ist ja spannend. Das heißt, hier hat diese Digitalität ein ganz eigenes Format und bietet auch eine Möglichkeit an, die da wirklich etwas eröffnet. Also auch ein echtes Potenzial.

Knöferl: Vor allem auch, ich glaube auch durch diese direkte Rahmung: Macht einfach die Kamera aus. Niemand muss euch sehen. Konzentriert euch mal auf euch selber.

Frisch: Genau. Das musste ich nie sagen. Ich musste immer sagen: Macht mal die Kamera an. Das fand ich ganz interessant schon in der ersten — Aber gut, ich bin da ein bisschen ambivalent, aber den Diskurs müsste man nicht aufmachen, ob man sich immer zeigen muss oder so. Das heißt, da ist was populärwissenschaftliches und du hast durchaus zu verstehen gegeben, wir haben an der Uni keine Angst davor, das muss hier nicht alles mühsam sein und ernst und streng und Hand ans Kinn und so, sondern: wir erforschen Dinge.

Knöferl: Ich glaube auch, das ist auch etwas, was ich jetzt gerade auch in Bezug auf Erstsemester-Studierende ganz besonders gemerkt habe, ist diese - ich glaube, um jetzt vielleicht auch schon mal so eine große Universalthese These aufzumachen -

Frisch: Ja, gerne. Super.

Knöferl: Was für mich gute Lehre ausmacht - ich glaube, gegen Ende kann sich das oder im Verlauf des Studiums kann das ein bisschen weniger Relevanz bekommen oder weniger gewichtet sein. Aber ich glaube, gerade am Anfang ist es unglaublich wichtig, so etwas wie Neugier anzuregen und zu entfernen aus diesem Gedanken von „Es gibt einfach Leute die sind neugierig, und es gibt Leute, die sind weniger neugierig“, sondern ich glaube, ich würde sagen, dass Neugier auch eine Form der Praxis ist, die man durchaus erlernen kann. Und ich glaube, dass es in der Medienwissenschaft ganz besonders gleichzeitig wichtig ist, genau diese Neugierde irgendwie zu vermitteln, also das zu lehren. Und auf der anderen Seite, einfach ist das dafür, wie prädestiniert ist eigentlich eine Form der Neugier zu entwickeln.

Also, ich erinnere mich an Momente, es gibt Texte oder Beschreibungen, also gerade hier in Weimar, wo dann ja sehr nah an eben irgendwie auch direkt an dem Material gearbeitet wird. Wenn man dann diese Texte z.B. von Bernhard Siegert über die Tür liest und sich dann auf einmal denkt: Wow! Also das ist ja der Wahnsinn. Also so dieses völlig mondäne Objekt, das so viel macht die ganze Zeit im beiden Sinne des Wortes.

Frisch: Du meinst mondän? Profan, weltlicher Gegenstand?

Knöferl: Völlig ,völlig egal. Es scheint total egal zu sein.

Frisch: Tür? - Gehe ich durch. Und auf einmal ist da ein Aufsatz, mehrere Seiten lang und was da alles…

Knöferl: Und dann ist es auch einmal unterschiedlich, durch was für eine Tür ich durchlaufe oder was für Türen es zu spezifischen historischen Zeitpunkten an spezifischen Orten gibt. Oder auch z.B. ja, auch dieses - das ist das Beispiel, das ich gerade eben meinte, mit einfach zu tanzen auf unterschiedliche Musik und direkt zu merken: Oh, da irgendwie widerstrebt sich gerade irgendwie was, auf irgend so einen Partyschlager zu tanzen und danach kommt ein Indie Rock Song und auf einmal ich wieder total dabei oder sowas.

Frisch: Okay, jetzt ist aber interessant, und jetzt, wenn ich das verbinde, dann ist es eigentlich so, was wir an der Uni leisten, ist die Neugier, auf dem Partyschlager oder auf den… Also, da eine Tanzform dazu zu finden und nicht den Rocksong, auf den ich eh schon immer getanzt habe, immer zu sagen: Was mache ich an der Uni? Da tanz ich weiter Rock, sondern zu sagen: Wie gehe ich eigentlich auf die Blasmusik von Samstagabend ab, wenn ich - die ich eigentlich ablehne, wie kann ich neugierig werden auf etwas, was mit mir gar keine Resonanz hat?

Knöferl: Oder ich glaube, weniger im Sinne von, Neugier auf etwas zu polen, was mich vielleicht direkt nicht interessiert, sondern das auch. Also so vielleicht auch mal quasi zu sagen: So da gibt es Dinge, die ich eigentlich alltäglich, stark gesagt, ablehnen würde. In denen sich aber dennoch so viel mir offenbart, wenn ich eben diese neugierige Linse der Medienwissenschaft aufziehe, z.B. Aber auch, eben zu sagen: Okay, es gibt vielleicht auch Dinge, die euch schon interessieren. Zum Beispiel, keine Ahnung, Leute die hobbymäßig gerne Fußball gucken gehen. Was ja dann auch oftmals so: „Haha, das…“ - Intellektuell nicht so super anspruchsvoll oder so was.

Frisch: Ach, ist es wieder? In meiner Studienzeit haben alle Professoren sich dauernd über die Bundesliga unterhalten. Das war total angesagt.

Knöferl: Ich weiß nicht, wie es auf Professorenebene ist, aber auf dem Studierendenebene würde ich sagen, ist Fussball nicht so da. Leider. [Lacht] Oder keine Ahnung, Fussball gucken. Filme ist ein offensichtliches Beispiel, aber auch dann so Sachen wie z.B. DJ Sets. Also auflegen oder sowas. Und man dann sagt: Okay, das ist nicht einfach was, was dir aus einem alltäglichen Kontext einfach Freude bereitet, sondern das ist ein riesiger Medienverbund, wo unfassbar viele Dinge gleichzeitig passieren, unfassbar viele Operationen relevant werden, unfassbar viele kulturelle Phänomene daran greifbar sind, untersuchungswürdig sind. Und ich glaube, das ist dann halt eben auch einfach diese Neugierde zunächst erstmal einfacher fällt, wenn man halt irgendwie schon einen Bezug dazu hat, na klar, aber die dann noch so ein bisschen weiterzudrehen, weiter zu pushen, darüber hinaus zu kommen, einfach zu sagen, ja, wenn ich diesen Song spiele gehe, alle Hände hoch, sondern dass da noch viel mehr passiert.

Frisch: Und jetzt sagen die Leute immer, das höre ich ja immer, ich mache ja viel Filmwissenschaft, ich bin ja im Kern Filmwissenschaft. Und dann höre ich immer, da geht einem aber durch die Wissenschaft der Spaß am Film verloren. Was würdest du dazu sagen?

Knöferl: Ich finde das… Das ist auch ein Punkt, den ich immer wieder zu hören bekomme. Ich habe in vielen WGs schon gewohnt, wo ich dann natürlich auch mit Leuten zusammen gewohnt habe, die jetzt nicht unbedingt eine Geisteswissenschaft studieren oder so. Das Argument kommt ja auch oft in unterschiedliche Richtung. „Mir gefällt dieser Film gerade nur, weil ich diesen wissenschaftlichen Blick habe“ oder andersrum: „Ich kann diesen Film nicht gut finden, weil ich diesen wissenschaftlichen Blick habe.“

Wenn man dann einen Film wie Beau travail oder sowas von Clair Denis guckt, das ist ein langsamer, sehr leiser Film irgendwie, und dann: Das kann man jetzt auch noch gut finden, wenn man da irgendwie schon die ganze, wenn man dreitausend Filmanalyse Tools gleichzeitig Kopf hat laufen lassen.

Frisch: Spezialistenfilme sozusagen, so akademische Interessefilme. Das ist ja grauenhaft. Aber ja, ja, es ist natürlich schade.

Knöferl: Ich bemerke bei mir, ich weiß nicht, wie man das universalisieren kann, aber ich denke, dass das zu einem gewissen Grad möglich ist. Zum Beispiel ist es so ein Film wie Transformers. Was ja oft…

Frisch: Dann sagt man: Unterhaltung. Die unterhalten, die Filme. Und die anderen sind…

Knöferl: Die Kulturindustrie ist… usw. Aber selbst wenn - ich jetzt diesen, ich genieße diesen Film erst, seitdem ich wissenschaftlich Filme gucken kann, sozusagen.

Frisch: Also genau so rum. Die Angst vor dem Kulturindustrieprodukt imprägnierst du durch das akademische Interesse? - Ich kenne das, ja. [Lacht]

Knöferl: Ich finde es total aufregend. Also, wenn sich… diese Filme plötzlich, die zeigen sich ja einfach nochmal anders. Ich finde das ist ja gerade eigentlich das Spannende. Ich kann nicht dieses Gefühl teilen, auch einen Film zu gucken und einfach das Interesse daran zu verlieren, weil ich irgendwie die ganze Zeit schon so versuche, irgendwie… oder ein Album zu hören und dann: Da versuchen sie jetzt auf dieses Genre der… usw. zu rekurrieren. Ich finde das, aus meiner Perspektive, habe ich durch diese unterschiedlichen Zugangsweisen nochmal unterschiedliche Arten und Weisen Kunstwerke oder generell Konsumptionsmittel zu schätzen zu lernen, vielleicht.

Frisch: Die Wissenschaft macht also das Erlebnis des Gegenstandes, mit dem man sich beschäftigt, intensiver und vielleicht auch tiefer und differenzierter, reicher, vielfältiger usw. Das könnte dann auch Aufgabe der Lehre sein. Anstatt in der Lehre darauf abzustellen, die Welt zu erobern und dann in Schubladen, dann letztlich zu domestizieren und darüber zu verfügen. Es geht eigentlich eher darum, dass, wie sagt ein Kollege immer, wir eröffnen, genau, Jörg Paulus sagt das immer, mit dem haben wir sogar schon gesprochen, der sagt immer: Uns geht es eigentlich darum, die Fragen dauernd zu vervielfältigen. Das werden sie schnell merken. Das ist am Anfang auch frustrierend, dass aus jeder Frage eine neue Frage kommt, aber dass dieses Fragen eine Haltung ist, die möglicherweise auch etwas mit Neugier zu tun hat. Wo man sagt, wir lernen die Kunst des Fragens, um ständig in dem Weltkontakt oder in den Kontakt mit den Dingen, mit denen wir uns beschäftigt, in den Dialog zu treten, indem wir selber eigentlich die Oberhand verlieren. Die Kunst des Fragens wäre dann das, was wir also die ganze Zeit lernen, weil uns durch das Fragen dauernd alles neu erscheint. Also wir beantworten gar nicht, wir bekleben nicht, wir kategorisieren nicht, wir sortieren und ordnen nicht. Das wäre eine falsche Vorstellung. Aber ich glaube, dahinter, hinter dieser Vorstellung steckt dann die Angst, dass man sagt, wenn ich den ganzen Film beantwortet habe, dann ist er ja tot. Was ja stimmt, man kann ja Filme töten, man kann alles töten. Bber man kann eben auch Belebungsvor-, Lehre ist möglicherweise ein Belebungsvorgang.

Knöferl: Um jetzt ein bisschen wissenschaftliches Posertum mit reinzutun. Es gibt bei Roland Barthes eine Textstelle, wo er sagt, sobald - entweder ist es ein Text oder ein Werk. Jetzt blamiere ich mich ein bisschen. Sobald da quasi eine finale Bedeutung versehen wird, ist es vorbei. Also, so: ab da ist da nichts mehr zu holen. Und ich glaube, genau davor muss man zurückschrecken. Ich glaube, das ist quasi die Aufgabe einer praktischen Neugier vielleicht auch. Wie ich finde, dass es aus dem Satz von Jörg Paulus sehr gut herauskommt. Also, sozusagen einfach weiter Fragen stellen. Eine Antwort ist temporär. Die kann aber durch quasi das Drehen von bestimmten Schrauben in der Argumentation nochmal gelockert werden. Und in diesem konstanten Fragen Stellen, auch Mittel der… Also Ich glaube das ist ja auch das, weswegen geisteswissenschaftliche Konzepte immer wieder weiter konzeptualisiert werden, neu bearbeitet werden, neu formiert werden müssen, dass neue Fragen letzten Endes möglich sind. Und damit eine Neugier nicht einfach, oder ein - Es kann ja nichts ausgeforscht sein.

Frisch: Ja, das ist aber - bei Faust ist es ja gleich im Mono, da ist ja in der Eröffnung das große Leiden. Warum werde ich nie fertig?

Knöferl: Aber ich weiß nicht… Ist das denn so ein großes Leiden, sozusagen nie fertig zu werden?

Frisch: Bei Faust habe ich es so empfunden.

Knöferl: Der geht ja dann auch `nen Deal mit dem Teufel ein.

Frisch: Wo das hinführt, siehst du.

[Beide lachen]

Knöferl: Wo das hinführt, ist dann die andere Frage. Aber ich glaube, vielleicht ist das auch noch eine weitere Aufgabe von Lehre, denn gerade die Angst davor zunehmen, die Angst zu nehmen vor, möglicherweise, also vor dieser ganzen, dieser ganzen Angst von poststrukturalistischer Analyse, es gibt keine Bedeutung mehr, davor die Angst zu nehmen.

Frisch: Das ist interessant. Es geht Angst und Affizierung. Eigentlich hochinteressant. Wir reden hier über Lehre und holen die Konzepte der Angst und der Affizierung raus. Ich wollte jetzt nochmal ein bisschen zurückführen, aber wir können an dem Thema dranbleiben, aber du hast ja noch mehr Lehrfahrungen gemacht. Jetzt, wie ich das richtig verstanden habe, sind wir im Erfahrungssetting noch in Freiburg, jetzt in der mittlerweile organisierten Seminarform, wenn ich das richtig verstanden habe. Und dann hast du gesagt - und das ist vorlesungsgebunden, da hast du schon Fragen drin und so und so. Und dann hast du hier im Vorkurs, hier in Weimar, im Vorkurs Lehre gemacht und ein Tutorium gemacht und das sei ganz anders gewesen, so habe ich das verstanden. Kannst du die Andersartigkeit beschreiben und auch deine Erfahrungen in dem Vorkurs?

Knöferl: Also der Vorkurs sah folgendermaßen aus: Also im Vorkurs, das ist, ich weiß gar nicht so ganz genau, es ist ja in der Bauhaus-Tradition verankert. Im frühen Bauhaus müssen die auch schon alle schon den Vorkurs machen.

Frisch: Ja, ganz genau, da ist die Inspiration ein bisschen her. Wir haben das in der Medienwissenschaft eingeführt, oder in der Medienkultur Erstsemester eingeführt als Reminiszenz darauf, in dem Bauhaus Jubiläumsjahr 2018, da haben wir es das erste Mal gemacht und haben gesagt, wir machen jetzt auch Vorkurs. Die Architektur macht das schon immer. Das ist bei denen so ein Ankommen, die machen das sogar so, oder ich weiß nicht, ob sie es konsequent immer so machen, aber immer wieder und häufiger habe ich jedenfalls davon schon gehört, dass sie sich zeichnend von Belvedere herab oder von irgendeinem Rand Weimars an, in die Stadt hineinbegeben, bis sie dann über die zwei Wochen hinein mit verschiedenen Aufgaben in die Stadt reinkommen. Also vielleicht habe ich es jetzt auch - aber so eine Form gab es wohl mal. Bei uns war eben so, Medienkultur, wir haben auch eine Praxis, war eben Werkstatt, Vorkurs, Material und so und so, und wir haben die Praxis der Theorie und so kam der Vorkurs zustande. Wie waren deine Erfahrungen im Fokus?

Knöferl: Ich hatte dann eine Station sozusagen, wo dann im Verlauf von diesen zwei Wochen immer wieder durchmischte Gruppen ankamen, also aus Architektur, Urbanistik und Medienkultur, einige aus Kunst und Gestaltung. Und wir denen für anderthalb bis zwei Stunden eine Aufgabe gegeben haben. Diese Aufgabe bestand darin, das ist hier um die Ecke, das ist bei der Bauhaus Factory gewesen, dass wir sozusagen einen Ort hatten, wo, wenn man sich vor den hinstellt hat man wirklich gar keine Ahnung was der einem eigentlich sagen soll: Was ist hier? - Keine Ahnung. Und wir dann überlegt haben, was ist das für ein Gebäude? Und wir dann quasi überlegt haben, wie können wir den Leuten, die hier sind Methoden beibringen, wie sie sich so einem Raum erschließen. Und haben die da Kleingruppen aufgeteilt, sie sollten das Haus umgehen und Spuren sammeln, d.h. sich die Briefkästen angucken: Was stehen da für Namen? Was für auch materielle Veränderungen gibt es an dem Haus, was liegt hier z.B. rum, hier liegen ganz viele Zigaretten, das heißt, hier passiert das und das. Da hinten ist ein Briefkasten, der irgendwie alleine steht. Was hat das zu bedeuten?

Und haben denen dann die Aufgabe gegeben, also ganz am Anfang, erstmal auch dieses Haus zu versuchen auszumessen, aber ohne Metermaß, also, dass wir denen quasi gesagt haben, okay versucht euch, eigene Einheiten auszudenken, mit denen ihr dieses Haus auch erschließen könnt, damit auch zum Beispiel diese Kontingenz auch von Medien des Messens oder so was näher zu bringen. Also, dass das Metermaß einfach eine auch durch Körpertechniken abgeleitete Form ist, die wir aber auch durch andere Formen des Messens jetzt nicht zwingend ersetzen können, aber auf jeden Fall damit, das schon mal aufzuzeigen. Natürlich spielt da auch Zeichentheorie oder auch dieses Konzept der Spur eine Rolle. Haben sie dann auch gebeten, sich danach eine Geschichte auszudenken, darüber, aus diesen Spuren, die sie gesammelt haben.

Spannenderweise, und das fand ich eine ganz interessante Beobachtung - auf die Beobachtung komme ich gleich zurück. Ich glaube erstmal, um das abzugrenzen, von dieser vorlesungsgebundenen Form der Lehre, wonach du ja gefragt hast. Es war eine Form der Lehre, die viel, viel dynamischer und viel mehr auch Reaktionsfähigkeit von beiden Seiten verlangt hat.

Es gab Gruppen, die konnten mit diesen Aufgaben so viel anfangen, haben so viel gefunden, haben sich tolle Sachen ausgedacht. Es gab Gruppen, die waren völlig überfordert damit und man dann jeweils immer auch gucken musste, wie reagiert man da jetzt darauf. Jede Gruppenkonstellation funktioniert anders, dadurch, dass es ja auch immer wieder andere Gruppen waren. Wenn ich über ein Semester lang eine Gruppe habe, weiß ich irgendwann ungefähr, wie ich die krieg. Oder weiß, auf wen ich mich verlassen kann vielleicht auch, dass die Person vielleicht auch was sagt, wenn man vielleicht mal in die Richtung guckt oder so. Da war das aber so, dass wir die ganze Zeit auch so Gruppengefüge nochmal neu irgendwie lesen mussten, nochmal schauen mussten: Okay, wie können wir da jetzt ein bisschen nochmal was anregen, keine Ahnung, wenn es ans Messen geht, sagen: "Ah, guck mal, da hinten liegt ein Stock, vielleicht könnten wir damit was machen“, ganz plump gesagt. Also sowas. Oder auch rumlaufen und mal so: Oh, was liegt denn hier auf dem Boden? Wieder gehen!

Frisch: Das hast du so induziert als Lehrperson. Ah okay, das war ein bisschen deine Aufgabe.

Knöferl: Genau, wir waren drei Lehrende, eine Person aus der Architektur, eine Person aus der Urbanistik war noch dabei, und wir dann ein bisschen versucht haben, die dann noch anzuleiten.

Frisch [lacht]: O-ho, ein Stock, wer weiß, was man damit machen kann!

Knöferl: Am Anfang war das unfassbar unbeholfen. Was ist denn mit diesen Briefkästen?

Und irgendwann hat man dann so ein bisschen auch so, dadurch, dass wir diesen Ort irgendwann in- und auswendig konnten, aber die trotzdem teilweise Dinge gefunden haben, die wir nicht gesehen haben. Es gab auch total lustige Momente, wo die dann quasi gesagt haben, wir messen das jetzt nicht aus, wir messen die Zeit, wie lange es braucht, dass wir als Gruppe um dieses Gebäude rennen. So Sachen, wo man sich dann auch als Lehrender plötzlich: Ah ja, Mensch, stimmt! Warum nicht mal so machen? Und ich glaube, dieses konstante Aushandlungsverhältnis, das dann da bestand und das viel schneller passiert ist. Wo ich auch glaube, dass das in quasi wöchentlich, immer gleiche Gruppe, gleicher Raum ablaufende ist das ähnlich. Aber es hat das quasi nochmal in seiner Dynamik, in was für eine Geschwindigkeit das haben kann, wie das auch teilweise sich irgendwie selbst ausbremst, hat das nochmal sehr sehr stark gemacht, dass auch das ein Aspekt von Lehre ist, dieses Aushandlungsverhältnis zwischen Lehren, also beide Seiten letzten Endes, des Lehrens und des Lernens.

Frisch: Ja, das dann so immer hin und her wechselt zwischen den Akteuren, das ist dann ein ganz eigenes Ding. Das finde ich alles sehr interessant. Jetzt habe ich mich gerade gefragt, ich habe ein bisschen mitgeschrieben, was dann für eine Evaluationssituation daraus wird. Also, wie können die Lernenden beurteilen, was sie gelernt haben und wie sie das gelernt haben und wie ihr das gelehrt habt usw. Ich habe gerade gehört von dem Messen und dieser Situation. Es geht um Urteilen, um Unterscheiden, letztlich auch Kombinieren auf eine Art, Ansammeln und Rechnen, das wäre dieser Teil des Messens. Dann hattet ihr Spuren, da geht es um Finden, da geht es um so etwas wie Lesen, also auch Erkennen, Beziehen usw. und dann geht es Erzählen. Und da werden dann Erzählungen daraus. Das hat ja eine regelrechte Verlaufsform. Ist ja hochinteressant, weil Prozesse Phasen sind, die man unterscheiden und benennen und eigentlich spielt ihr da im Grunde ein Spiel mit so Sachen.

Wann kommt diese oder wie setzt es diese Reflexion ein, zu sagen: Aha, das habe ich jetzt! So gehe ich auch an Texte heran usw. Das kann ich ja dann alles übertragen. Das ist ja wie so ein Modus oder wie so ein Muster. Wie seid ihr damit umgegangen?

Knöferl: Wir hatten am Ende, wir hatten dann ja quasi die Aufgabe: Konzipiert eine Geschichte, in Sechsergruppen. Und dann hatten wir eben Kaffee vorbereitet und am Ende dieser zwei Stunden sassen wir dann alle in grosser Runde zusammen, haben Kaffee getrunken, die haben ihre Geschichten erzählt und wir hatten sie dann eben auch schon darum gebeten, irgendwie zu versuchen, darüber zu reflektieren, wie sie aus den gefundenen Spuren oder auch aus diesem Vorgang des Messens diese Geschichte konzipiert haben. Und wir dann auch direkt Nachfragen gestellt haben wie sie z.B. auf den Schluss gekommen sind, dann auch relativ direkt öfters auch versucht haben, es klar zu benennen, wenn es Schwierigkeiten gab, also im Sinne von: „Ja, das hat einfach passiert. Keine Ahnung, haben wir halt einfach so gemacht.“ So gemacht, dass wir dann gesagt haben: Okay, aber möglicherweise ist ja auch diese… diese nicht direkt menschliche Bezugnahme von verschiedenem Material, das da rumliegt, auch ausschlaggebend in diesem Sinne. Wir haben dann eben so eine Reflexionsrunde am Ende gemacht, wo wir denen auch nochmal grob erklärt haben, was so unsere Idee war, von dem, was man hier macht. Wo ich persönlich auch sagen würde, ich glaube, das kann man eleganter lösen.

Frisch: Ja, inwiefern? Ich finde es auch gut. Man kann ja nicht nur erzählen, was alles gut gelungen ist, sondern man muss ja auch sagen: Da war es anders. Das ist ja nur Teil.

Knöferl: Ich glaube, weil das wäre genau das, so am Ende den Deckel draufmachen. „Das ist, was wir euch hier beigebracht haben. Das merkt ihr euch jetzt, dass das nämlich so ist.“

Frisch [lacht]: Dass es so ist!

Knöferl: Dann könnt ihr das auch in anderen Gruppen erzählen: Das ist das, was ihr hier gelernt habt, weil wir euch gesagt haben, dass ihr das hier gelernt habt. Und ich glaube genau, da sollte es nämlich nicht sein.

Frisch: Aha, interessant, ganz wichtiger Punkt, spitze.

Knöferl: Ich glaube, ich finde auch z.B. das Formulieren von Lernzielen schwierig, to say the least. Man kann sich schon einen groben Plan machen, um was es geht. Und man sollte auch in irgendeiner Weise eine Art Rahmung haben, um was es gehen kann. Aber was letzten Endes glaube ich, es ist ja genau, genauso wie Autor*innen nicht fähig sind, darüber zu entscheiden, was letztlich mit deren Text passiert, ist auch eine Lehrperson nicht in voller Kontrolle darüber, was gelernt wird.

Frisch: Guter Vergleich, ja.

Knöferl: Und ich glaube, es ist viel, viel wichtiger genau das einzuholen, nicht quasi abzufragen: Habt ihr das jetzt gelernt? Super, weiter geht’s! Sondern so: Was genau habt ihr jetzt hier gelernt? Dann gar nicht mal am Ende noch so ein Fünf-Minüter, wie wir das gemacht haben, darüber schwingen: Ja, und hier geht's darum und das ist total wichtig und das ist für euch wichtig, deswegen und für euch wichtig, deswegen und für euch wichtig deswegen, und damit macht man genau diese Schubladenbeantwortung, die du vorhin schon mal angesprochen hattest. Sondern ich glaube, es geht viel spezifischer um auch den Überschuss an Lerneffekten.

Also das, was man niemals hätte denken oder erwarten können, was gelernt wird. Und dass das vielleicht in so Feedbackkonzepten stärker gemacht werden sollte. Im Sinne von - da geht es dann ja auch - womit haben wir uns als Lernende wohlgefühlt? Wo könnte man nochmal anpassen usw.? Aber ich glaube, es ist genauso wichtig, danach zu fragen: Was sind diese Sachen? Die wissen ja selber nicht, was sie gelernt haben, wovon die Lehrperson nicht hätte ausgehen können. Aber das nochmal irgendwie herauszufinden. Ich habe jetzt keine konkrete Idee, wie man das präzise machen könnte. Ich glaube, das wäre das, was für mich sich als unglaublich produktiv erweisen könnte und sollte am Ende, dieser Überschusslerneffekt.

Frisch: Ich glaube, das kann ich jetzt schon sagen, dass ich doch jetzt schon die Erfahrung mache, dass es in diesen Gesprächen genau darum immer auch geht. In Gespräch mache ich wirklich die Erfahrung, dass es eine Vorstellung von der Lehre gibt, und dann gibt es eine Erfahrung von Lehre, und dann gibt es auch ein Wissen von der Lehre, das sich Gespräch für Gespräch erst zeigt, was ich so auch noch gar nicht hatte, weil wir hier etwas verbalisieren manchmal oder weil wir jetzt an dieser Stelle auch etwas verbalisieren müssten, wofür wir eigentlich noch gar keine Worte hätten.

Hier kommen wir gerade in dem Bereich Lernziele und dann natürlich, du kannst Ziel verfehlt oder getroffen. Das ist aber eine Fantasie beim Lehren, das ist auch eine Fantasie in Kunst, beim Film, das ist eine Fantasie - Da macht man zwei Register auf, das eine Register ist der Plan, das andere ist der aufgegangene Plan, den man darüber legen kann und die Abweichungen vom Plan usw. Das ist irgendeine Fantasie über was, die in der Lehre so eine große Rolle gar nicht spielt – in vielen Gesprächen, nicht nur im Podcast – merke ich immer wieder: Dieser kalkulierte Überschuss - also es ist irgendetwas kalkuliert, aber es ist auch irgendwie etwas, was entsteht, weil ich nämlich und dem man dann folgt, diese reaktiven Situationen usw., ich finde das wirklich hochinteressant, dass Lehre eine Art ist, einen Raum zu öffnen. Es hat viel damit zu tun. Und ich selber habe die Erfahrung gemacht mit einem Seminar, von dem ich genau weiß, was rauskommen soll und wo ich mir überlegt habe: Dann lernen wir das und dann lernen wir das. Dieses Seminar ist gescheitert.

Und jetzt kann man sagen: Was ist Scheitern? Scheitern ist: Es gibt keine Mitarbeit, es gibt kein Interesse, es entsteht kein Lauf, es entsteht kein Miteinander usw. usw. Also so war die Erfahrung, die ich dann irgendwann „Scheitern“ genannt habe, also die Teilnahme. Und da habe ich viel darüber nachgedacht, wie ist das eigentlich mit dem Teilnehmen? Und ich glaube, ich hatte gar keine Teile die man da nehmen kann oder, wenn man das Wort direkt eins zu eins nimmt, sondern da war so ein fertiges Ganzes, und da konnte man sagen, iss, aber es ist noch nicht mal besonders - Wo findet der Stoffwechselprozess, die Anverwandlung usw.? Für Verwandlung war keine Luft, es sollte ja alles werden, wie ich mir das ausgedacht habe. Und ich merke das auch in kleinen Momenten des Lehrens, wenn ich eine Frage stelle, und die Antwort gibt es schon. Also quasi so eine Wissensfrage oder so, wenn ich sage, na, wann war denn? Und wer war usw., in dem Moment sinkt, also kann ich förmlich sehen, wie das Seminar herabsinkt und dann zu einer glatten Fläche wird, und alle, die vorher noch Wellen waren, sind einfach weg. Und das sind die suggestiven Fragen. Die suggestiven Fragen sind richtige Killer. Das ist ein bisschen wie ein suggestives Seminar. Ich weiß schon, was ihr am Ende wissen müsst. Ich glaube aber, dass es Fächer gibt und insbesondere bei uns in der Geisteswissenschaft oder in diesen Ästhetischen und so weiter, da müssen wir ganz anders kalkulieren und ganz anders machen. Ich habe jetzt schon von allen Seminaren - Quatsch, Seminare! Sind ja kleine Seminare hier auch. In allen [Podcast] Gesprächen die Erfahrung immer, dass es in allen Fächern eine Rolle spielt.

Aber bei uns vielleicht besonders, weil wir Neugier und Fragen, das ist eigentlich das, was wir - das ist eigentlich unsere Praxis. Aber ich frage mich, wie geht das eigentlich, wenn man - Das ist jetzt in Mathematik oder mit Formeln usw., wo man einfach sagt: Das ist das, was du am Ende können muss. Ich kann mir aber vorstellen, dass es über die Verabredung funktioniert, dass alle, die kommen, über diese Verabredung da auch reingehen. Und dann ist es auch wie beim Spracherwerb usw. usw. Das mag ich z.B. beim Sprachenlernen total gerne, dass ich einfach reingehe und im Grunde nicht mitarbeiten muss, sondern nur das machen muss, was die da mir sagen, und die Sprache nach vier Wochen mehr oder weniger schon mal stammeln kann. Wie automatisch! Und ich glaube, dass man da Felder unterscheiden kann, in denen sich Lehre bewegt oder verhalten muss.

Hast du Erfahrungen mit so… wie soll man sagen? Mit solchen anderen Formaten? Alle Erfahrungen, die du bisher geschildert hast, kommen aus diesem geisteswissenschaftlich Theoretischen, aus diesem Beteiligen und Anregen und Fragen Induzierten. Aber hast du als Lernende Erfahrung mit Fächern, die Wissenseinheiten sehr deutlich vorformulieren und die da eine Formatierung haben?

Knöferl: Ich habe zwei Erfahrungen. Die eine ist tatsächlich aus der Geisteswissenschaft, die andere nicht. Ich hatte ja im Nebenfach deutsche Literatur studiert, und da gibt es dann im zweiten Semester verpflichtend die Freiburger Horror-Vorlesung „Grundzüge der Gattungspoetik“. Das hört man ja immer wieder aus den Naturwissenschaften, dass es Vorlesungen gibt, die so gigantische Durchfallquoten haben. Die beste Note ist eine 3,3. Und das ist quasi das Äquivalent der Germanistik. Das ist quasi eigentlich was ist Drama, was ist Lyrik und was ist Prosa. Darum geht es und das muss man rigide genau lernen. Und da wird dann am Ende eine Klausur gegeben und da wird bis ins kleinste Detail geguckt, dass genau das da steht, was in der Klausurvorlage steht. Und daran wird dann die Note gemessen.

Frisch: Also die beiden Register, also die Muster, wo das ausgefüllte Muster über dem anderen mit wenigen Abweichungen passen muss oder möglichst wenig oder keiner?

Knöferl: Genau und in meinem ganzen Studium habe ich, glaube ich, für nichts mehr gelernt als für diese Klausur und ich hatte am Ende eine 3,7.

Frisch: Und das war eine der besseren Noten? Also in dem Fall ja, wie ein Jura oder so was, ausgezeichnet, sehr gut.

Knöferl: Ich habe danach mal erfahren, es gab eine 1,3.

Frisch: Seit es die gibt?

Knöferl: Nein, nein, nein, in dem Jahr.

Frisch [lacht]: Okay!

Knöferl: Aber die haben uns am Anfang der Vorlesung haben die uns erzählt, also stellen Sie sich schon mal drauf ein, eine 1,0 ist quasi fast unmöglich - ist ja schon einfach ein völlig komischer Move finde ich, irgendwie am Anfang schon zu kommunizieren. Und die meinen auch so: Ja, wenn das jemand bekommt, dann schlagen wir die Person direkt für ein Stipendium vor usw. Und das… okay, komischer Anreiz.

Frisch: Erstes Semester.

Knöferl: Zweites. Gattungslehre. Im ersten Semester macht man mittelalterliche Literatur, da muss man noch Mittelhochdeutsch lernen, das auch so ähnlich, aber da war es irgendwie nicht so. Da hatte man mehr Freiraum. Das spannende ist, in dieser Klausur muss man Texte analysieren und interpretieren. Und trotzdem gibt es dann wie im Deutsch LK, gibt es dann quasi ein Muster, das erfüllt sein muss. Und das war für mich eine ganz komische Erfahrung.

Frisch: Paradigma des Musters, des Messens, des Präzisen und so weiter, Wissenschaftsparadigma?

Knöferl: Das ist auch etwas, das ich so - Ich weiß, dass es in anderen geisteswissenschaftlichen Fächern auch manchmal gibt, aber so habe ich das danach auch nicht mehr erlebt, sondern mehr über so ein Lernen, das mehr auf diesen Überschuss aus ist. Das war bei dieser Vorlesung überhaupt nicht so.

Frisch: Herrlich, ganz ganz spannend. Ich will das gar nicht bewerten. Die Zeit läuft aber auch davon, aber wie siehst du es heute? Wie lebst du heute mit dieser Vorlesung? Was macht die in dir? Nährt die dich noch oder musst du sie loswerden? Musst du sie rausschwitzen?

Kann ja sein. Wie blickst du von heute auf diese Erfahrung und wann greifst du darauf zurück? Wann bringt sie dich zum Stolpern?

Knöferl: Ich habe nur gute Erinnerungen an diese Vorlesung tatsächlich. Auch wenn es war ein schöner Sommer, wenn die Vorlesung fertig war, konnte man halt abends rausgehen, die Sonne hat geschienen. Das ist das. Aber nichtsdestotrotz habe ich quasi viele Sachen aus dieser Vorlesung noch präsent. Also auf jeden Fall. Ich habe nur oft Schwierigkeiten, sie in irgendeiner Weise so zu verwenden, dass sie mich irgendwie weiter wegbringen als das, was dort vermittelt wurde.

Also gerade in Bezug auf so Sachen wie Lyrik oder so was. Ich kann inzwischen Ich kann immer noch vormoderne Gedichte sehen und weiß, okay, das ist das Versmass oder das ist ein Alexandriner oder sowas usw. Das ist noch da, aber mehr als das bringt es mir leider gerade nicht. Ich glaube, das ist das, was ich dann oft so auch bedauernswert finde, weil ich Literaturwissenschaft z.B. ein unglaublich spannendes Feld finde, dem ich gerne mehr machen würde. Ich dann aber oft merke, so wie mir das damals vermittelt wurde, habe ich aktuell gar nicht die Möglichkeit oder müsste mir quasi das anders nochmal lernen, ums produktiv anzuwenden. Deswegen auf der einen Seite war eine richtig romantische Vorlesung halt irgendwie auch. -

Frisch: Was meinst du mit romantisch?

Knöferl: Man konnte die total gut romantisieren, also im Bezug auf… man musste dafür jede Woche mehrere Gedichte lesen oder ein Drama lesen oder sowas. Und man saß halt anderthalb Stunden im Raum und es ging nur Literatur. Das ist schon irgendwie total so: das heißt es, Literatur zu studieren, das war halt das, aber der anderen Seite bedauere ich so ein bisschen, dass nicht mehr danach geguckt wurde, wobei das dann ja auch eine Frage ist, die man im Verlauf des Studiums dann näher angeht, wie man quasi diese Konzepte genauer ausschöpfen kann vielleicht auch. Aber gewisse Dinge aus dieser Vorlesung wurden dann danach nie wieder zu irgendeiner Art und Weise ausschöpfbar gebraucht.

Frisch: Das ist eine Erkenntnis, mit der du jetzt im Grunde weitere Fragen entwickeln könntest und dann die Vorlesung wieder fruchtbar machen. Insofern ist es doch ein Acker, an dem du etwas anbauen kannst oder ein Stück Beet oder sowas in der Art. Ja sehr schön, die Zeit ist leider vorbei, aber das war ja auch ein sehr schöner Schluss, hat mir gut gefallen. Vielen Dank, lieber Jan, für das schöne Gespräch!

Knöferl: Vielen Dank für die Einladung!

Outro: Das war Zwischen Magie und Handwerk – ein Podcast über Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar. Neue Folgen erscheinen wöchentlich auf allen gängigen Podcast Plattformen. Abonniere den Podcast, keine weitere Folge zu verpassen.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.