Ep. 10 – Gespräch mit Eva Hornecker

Shownotes

Worin besteht die Verbindung zwischen Feldern wie der Ethnologie und der Anthropologie und der Informatik? In dieser Episode teilt Eva Hornecker ihre Lehransätze und Herangehensweisen zur Vermittlung der Inhalte in der Disziplin der Human-Computer Interaction. Wie Studierende in Gruppenarbeitsprojekten zu Selbständigkeit ermutigt werden können und warum es spannend sein kann, als Hausaufgabe Warteschlangen zu beobachten sind einige wenige der Themen, über die Simon Frisch und Eva Hornecker sprechen.

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Digitale Barrierefreiheit: Christiane Hempel Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

Weiterführende Links: Die Professur: https://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/medieninformatik/human-computer-interaction/lehre/ Liste der Abschlussarbeiten:https://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/medieninformatik/human-computer-interaction/theses/

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

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Intro: Zwischen Magie und Handwerk. Ein Podcast der Bauhaus-Universität Weimar.

Mein Name ist Simon Frisch und ich spreche hier mit Lernenden aus allen Bereichen unserer Universität über Lehre und Lernen, über Ihre Erfahrungen und Ihre Perspektiven.

Frisch: Gut, das Mikrofon geht wieder auf und wir betreten diesen Podcast mit zwei Stimmen. In verschiedenen Rollen. Ich bin in zwei Rollen hier. Simon Frisch, Vizepräsident für Lehre und Lernen und als Dozierender der Bauhaus-Universität Weimar in Film- und Medienwissenschaft und in beiden Funktionen interessiere ich mich sehr für die Lehre. Und ich lehre seit 25 Jahren, seit zehn Jahren hier an der Bauhaus-Universität. Und ich weiß immer noch nicht so genau, was das ist. Und deswegen führe ich diese Gespräche und freue mich jetzt mit dir, Eva, hier zu sprechen.

Als wer bist du denn hier gekommen? Wie können wir dich uns vorstellen für die nächsten 45 Minuten?

Hornecker: Ich habe mich da jetzt nicht so festgelegt. Natürlich, alle kennen mich hier als Professorin und als jemanden, die unterrichtet, aber das hat natürlich auch eine längere Vorgeschichte. Ich habe natürlich meine eigenen Erfahrungen aus dem Studium und habe damals auch in der hochschuldidaktischen Arbeitsstelle als Tutorin gearbeitet, mich damals eigentlich auch schon mit Lehre befasst und habe eine Abschlussarbeit zur Grundlehre der Informatik sogar geschrieben.

Frisch: Okay, schon ein paar Anhaltspunkte Informatik. Grundlehre Informatik, natürlich kennen dich nicht alle Hörerinnen und Hörer, weil wir ja gar nicht wissen, wer alles zuhört. Eva Hornecker, dein Name. Und welche Professur kannst du die nochmal sagen?

Hornecker: Die Professur Human Computer Interaction, auf Deutsch Mensch Computer Interaktion in der Fakultät Medien im Bereich Informatik.

Frisch: Okay, Grundlehre der Informatik hast du erarbeitet, habe ich das richtig verstanden?

Hornecker: Ich habe damals meine Diplomarbeit zwischen der Hochschuldidaktik, Pädagogik, also Erwachsenenbildung und Informatik geschrieben, weil damals die Frage war, wie kann man den Studieneinstieg im ersten Semester erleichtern?

Frisch: Ist ja klasse! Was hast du davon noch alles heute in Verwendung, also in deinem eigenen Unterricht oder was hast du da alles entwickelt? Vielleicht kannst du davon ein bisschen erzählen, das ist spannend.

Hornecker: Gut, das ist natürlich schon eine Weile her. Das betraf dann auch eben zu verstehen, wo sind genau die Knackpunkte, was fällt den Leuten schwierig, was passiert in den Übungssituationen, wie kann man die Übung besser gestalten? Und damals war tatsächlich auch so ein kleines Outcome, dass es dann am Ende des ersten Semesters ein einwöchiges Miniprojekt gab, in dem die Leute halt in Gruppen an einem - gut, natürlich - vergleichsweise kleinen Ding arbeiten, aber mit viel Betreuung und viel Fokus einfach aus dieser Überlegung her, dass das so einen gewissen Sog auch ergibt. Auch, wenn sich die Leute auf so was fokussieren. Und dass natürlich auch die Art der Aufgabe wichtig ist. Und das ist relativ lang weitergeführt worden, so mindestens zehn Jahre habe ich das noch mitgekriegt und dann den Faden verloren. Und dann ist natürlich auch die Studienordnung und alles verändert worden.

Frisch: Wo hast du es denn gemacht?

Hornecker: Das war damals an der TU Darmstadt.

Frisch: TU Darmstadt. Grundlegende - was waren denn die Knackpunkte?

Hornecker: Da wurde die Objektorientierung neu eingeführt. Das waren eben Sachen wie Programmieranfänger versus Leute, die schon Erfahrung haben. Wie kann man das den Programmieranfängern leichter machen, Konzepte nach vorne stellen und eben die Leute, die laut sind und so tun, als könnten sie schon alles, dafür zu sorgen, dass die sich nicht so in den Vordergrund drängen. Aber es war auch viel einfach zu dem, wie macht man die Übung? Alle Details weiß ich natürlich auch nicht mehr.

Frisch: Aber du hast ja inzwischen auch sehr viel Erfahrung trotzdem weiterhin in der Lehre, auch in — Wann war das? Etwa?

Hornecker: Oh Gott. 94 habe ich glaube ich, fertig geworden.

Frisch: Und das wurde noch eine ganze Zeit lang gemacht, zehn Jahre etwa.

Hornecker: Also zumindest dieses Mini Projekt.

Frisch: Ja, da ging es darum, mehr oder weniger gemischte Gruppen in die Informatik einzuführen. Leute, die es schon kannten, Leute, die so getan haben, als ob sie’s konnten und dann Leute, die es noch nicht können, hab ich das richtig verstanden?

Hornecker: Da ging es darum, normalerweise hast du halt deine Hausaufgaben und das verteilt sich so über das Semester. Aber dann die Atmosphäre in der Gruppe, wo alle allen helfen und richtig in `nen Flow kommen. Und vor allen Dingen auch mit einer Aufgabe, die irgendwie Spaß macht. Die haben dann, Das waren oft irgendwelche kleinen Spielchen, wo dann nachher das eine Programm gegen das andere spielen sollte und wo das auch so ein bisschen Event Charakter dann bekam. Also, ich glaub, was bisschen auch Community schafft.

Frisch: Ah ja, okay. Und Hausaufgaben, du hast jetzt gerade selbstverständlich gesagt, Hausaufgaben über das ganze Semester, das machst du heute noch?

Hornecker: Das ist auch eine der Sachen, die ich aus der Zeit eigentlich mitgebracht habe. Das es eben wichtig, gerade in den Anfangssemestern, auch wenn es darum geht, das Handwerkszeug erst zu lernen, das halt durchgängig zu machen und so diese Last Minuteritis das einfach zu verhindern. Das ist natürlich als Lehrender… sage ich dann oft: Es ist auch nicht meine Aufgabe, nett zu sein und euch das Leben einfach zu machen. Aber es ist einfach unsere Erfahrung, dass wenn die Leute diese Sachen regelmäßig machen, abgeben, Feedback kriegen, lernen sie einfach am Schluss mehr und sind dann nachher in den Klausuren besser. Oder wenn dann am Schluss nochmal was kommt.

Frisch: Ich frage jetzt nochmal anders, lehrst du überhaupt noch in der Informatik? Stelle ich mir das vor, dass ihr dauernd mit Computern arbeitet? Oder wie stelle ich mir das eigentlich vor?

Hornecker: In meinem Fach jetzt weniger. Ich habe nur eine eine relativ leichte Erstsemesterveranstaltung und ansonsten in meinem Schwerpunkt vor allen Dingen.

Frisch: Wie sehen denn dann deine Lehrveranstaltungen aus, wenn du gar nicht so viel Informatik machst? Oder was machst du dann in deine Lehrveranstaltungen, erzähl mal.

Hornecker: Eher Methoden.

Frisch: Methoden, ja, zum Beispiel.

Hornecker: Methoden des benutzerorientierten Designs.

Frisch: Was hast du da z.B. für ein Seminar zuletzt gemacht?

Hornecker: Seminare haben wir ja nicht, wir haben Vorlesungen und Übungen.

Frisch: Vorlesungen und Übungen, okay. Was unterscheidet Vorlesungen von Übungen? Oder was — Vorlesungen kann ich mir vorstellen.

Hornecker: Vorlesungen schon, ja. Aber Übung heißt tatsächlich, dass die Leute dann okay, wir hatten eine Vorlesung darüber, z.B. wie man eine Systemevaluation macht und dann müssen sich die Leute in der Übung überlegen, okay, wir müssen jetzt auch irgendwas evaluieren, wie gehen wir da überhaupt ran. Kriegen dann auch Beratungen und kriegen in späteren Sessions dann auch Feedback da drauf. Und es hängt auch vom Thema ab, was man jetzt in der Übung selber konkret machen kann. Was man zumindest so als Minitask machen kann. In der Erstsemesterveranstaltung, die eher informatisch ist, da habe ich auch etwas, das ist fast so ein Darmstädter Modell, was die Mathematiker damals entwickelt haben. Dass du Präsenzaufgaben in der Übung löst, als kleine Fingerübung. Und dann in der Hausaufgabe zusätzlich nochmal Aufgaben kriegst, die halt komplexer sind. Aber du hast es halt schon mal einmal ein bisschen was gemacht.

Frisch: Das ist alles Mathematik?

Hornecker: Nein, Modellierung ist nicht Mathematik [lacht]

Frisch: Okay, was ist Modellierung?

Hornecker: Da kommt man von Hölzchen auf Stöckchen.

Frisch: Ich will zu jedem Hölzchen und zu jedem Stöckchen, zumindest so ein paar davon.

Hornecker: Es gibt in der Informatik Modellierungsmethoden, um Sachen klar zu beschreiben, um Abläufe klar zu beschreiben oder Zusammenhänge. Zum einen für die Modellierung des Zustands, wie er ist. Also wie sieht eine Firma aus? Was machen die verschiedenen Abteilungen? Wie geht da irgendein Workflow? Wie wird etwas bearbeitet? Das eben eindeutig und grafisch zu beschreiben. Und auf der anderen Seite braucht man später die Modellierung, um zu definieren, was soll das Programm nachher ausführen, wie soll das funktionieren?

Frisch: Interessant. Wie geht ihr da ran, an Modellierung? Das hört sich ja wirklich an wie Design.

Hornecker: Da gibt es einfach eine Reihe von Modellierungsmethoden, die es in der Informatik so seit 70er, 80er, 90ern gibt.

Frisch: Ich sehe dich manchmal mit Modellen, mit so Pappsachen herumlaufen und solche Dinge, und dann denke ich immer, du bist doch eigentlich in der Informatik?

Hornecker: Das ist noch mal was anderes.

Frisch: Erzähl mal davon, was ist — ah, das ist wieder was anderes. Was ist das?

Hornecker: Das sind ganz andere Modelle und das ist mein Forschungsschwerpunkt eigentlich, dieser Übergang zwischen dem Digitalen und dem Analogen oder Physikalischen ist. Computerschnittstellen klingt immer blöd, aber halt etwas, was nicht Computer, Tastatur, Bildschirm, Maus ist. Interessiert andere Arten der Interaktion, andere Repräsentationen. Und deswegen sind viele von den Forschungsarbeiten und auch in der Lehre, die Projekte, da geht es dann immer um die Technologie, die eingebettet ist, aber in realen Objekten z.B. Oder ich glaube, das, was du im Kopf hattest, war das Gebiet Data Physicalisation, was im Moment relativ stark im Kommen ist, so als Zwischenglied fast zwischen Data Visualisation oder Infovis, was ein sehr großes Gebiet ist in der Informatik, also dynamische Grafiken, Informationsvisualisierung und stärker aus dem Design und der Kunst kam dann irgendwann auch, dass man gesehen hat, ah, da gibt es auch viele Leute, die machen Data Sculpture, und dann ist halt die Frage, was kann man damit darstellen, für was ist das gut, welche neuen Qualitäten gibt das? Und das ist auch ein Thema, was jetzt vor allen Dingen in die projektorientierte eingeflossen ist, weniger in die Vorlesung. Das ist bei uns ein bisschen voneinander unterschieden, weil die Vorlesungen, die müssen regelmäßig laufen, die müssen in einem Turnus ablaufen. Da kann ich nicht ständig sagen: Oh, ich habe jetzt ein neues Thema.

Aber dann gibt es auch Leute, die Nachklausuren machen müssen oder sich das nochmals nachträglich abschließen. Das ist im Studienplan verankert und bei den Projekten da haben wir dann die große Wahl. Wobei, das wird dann oft von den Mitarbeitern auch getrieben, welche genauen Themen da.

Frisch: Okay, die Vorlesungen und Versorgung und Grundwissen im Curriculum, die kehren immer wieder. Mehr oder weniger stelle ich mir vor einen fester Satz an Wissen, was vermittelt und übermittelt wird.

Hornecker: Aber auch Überblickswissen, Methodenwissen, zumindest bei den Sachen, die wir machen. Ich habe eine Methodenvorlesung im Master.

Frisch: Und die hast du einmal geschrieben und du machst sie dann einfach jedes Jahr? Oder wie gehst du damit um?

Hornecker: Die einmal zu schreiben, das ist echt heftig viel Aufwand, weil da ist es nicht unbedingt damit getan, sich irgendein Lehrbuch zur Hand zu nehmen. Da habe ich dann immer nur einzelne Kapitel gefunden, aber war nicht so richtig das, was ich unterrichten wollte, weil ich den Fokus auf qualitative Methoden habe. Und die meisten HCI Lehrbuchbücher, haben da maximal ein, zwei Kapitel und dann kommt sehr viel Quantitatives. Oder eben nur das benutzerorientierte Design.

Frisch: Und wie hast du es dann gemacht? Dann hast du deine eigene Vorlesung da designt, geschrieben, gemacht, gebastelt mit Folien und solchen Sachen? Wie stelle ich mir das vor?

Hornecker: Ja, mit Folien.

Frisch: Hast du auch Frage- und Übungsteile drin oder gibt das alles so?

Hornecker: Ja, es ist immer Vorlesung und Übung.

Frisch: Im selben, also in denselben 90 Minuten?

Hornecker: Nein, die Übung ist eine eigene Veranstaltung, ein Block, aber es gibt auch immer in den Vorlesungsteilen mal, könnte mehr sein. Ist auch nicht immer ganz einfach, sich was einfallen zu lassen. Aber ich versuch dann schon eben immer mal wieder interaktive Momente einzubauen und wenn halt nur irgendwie ein Quiz ist. Wer meint, dass dies die richtige Methode ist? Wer meint, dass das die richtige Methode ist?

Frisch: Ja, so kurz öffnen.

Hornecker: Denkt mal für eine Minute darüber nach.

Frisch: Das ist aber immer riskant. Also das kann ich mir vorstellen, weil was ist, wenn sich auf einmal das Thema wechselt durch die Sachen, auf die die kommen, oder?

Hornecker: Sehr unterschiedlich, meistens… es sind, wenn dann nur sehr vereinzelt Leute, die dann Sachen einbringen, mit denen man nicht rechnet. Dann ist halt manchmal die Frage, was davon kann man jetzt einbinden und was geht zu sehr darüber hinaus, weil ich muss dann natürlich auch aufpassen, dass ich mit der Zeit durchkomme, weil es nutzt ja auch nichts, wenn ich die zweite Hälfte der Vorlesungen nicht mehr schaffe.

Frisch: Ja, genau. Aber machst du gute Erfahrungen? Wird das gut angenommen, dieses kurze Aufmachen oder sagen die Leute, die will ja gleich weiter machen?

Hornecker: Das ist, glaube ich, unterschiedlich. Also ich habe auch schon in diesen Fragebogen vereinzelt dann auch mal Leute, die sagten, das wäre ihnen zu schulisch. Aber andererseits, es ist halt schwer, irgendwas sonst zu machen, ohne gleich mindestens zehn Minuten zu verlieren, in denen man auch wiederum das Risiko hat, dass ich dann irgendwelche Grüppchen über was komplett anderes unterhalten und dann ganz den Faden verlieren. So wie ich es gelernt habe, kann es ausreichen, wirklich nur mal für eine halbe Minute den Modus zu wechseln.

Frisch: Den Modus zu wechseln.

Hornecker: Ja, genau.

Frisch: Und das ist dann eigentlich doch, das bewährt sich dann schon. Kurz mal turn rübergeben und dann wieder nehmen, weil du musst weitermachen, du hast einen Stoff, den du durchgehen willst. Methoden, da hast du einfach eine Fülle an Methoden und die stellst du vor.

Hornecker: Ich gebe Beispiele, teilweise eigene Beispiele, um aus dem Nähkästchen zu plaudern, weil ich glaube, das ist eigentlich immer so das, was am Interessantesten ist und was, glaube ich, am ehesten sogar noch im Gedächtnis hängen bleibt, so die kleinen Sachen aus dem Nähkästchen. Oder wenn man halt aus der Literatur was hat. Wobei genau diese Tipps und Tricks, die sind ja in der Literatur ganz selten drin.

Frisch: Was sind das denn für Tipps und Tricks? Also, in deiner Vorlesung?

Hornecker: Einfach… ich habe zu Beobachtung und Ethnografie auch Session und zu erzählen, ich hab dann auch viel im Museum Beobachtung gemacht, eine Zeit lang. Ich musste mir dann halt überlegen, was ziehe ich an dem Tag an? Und da kann ich nicht in Knallpink dann kommen, so wie ich vielleicht gerade in der Vorlesung stehe, sondern ich mir bewusst irgendwas Dunkles an, mit dem ich im Hintergrund bleiben kann und nicht jemand sagt: Oh, da ist die pinke Frau, die läuft mir die ganze Zeit hinterher.

Frisch: Um zu beobachten. Ich verstehe, was machst du da in solchen Beobachtungen und Ethnografien im HCI Bereich?

Hornecker: Das war vor allen Dingen dazu, zu schauen, wie interagieren Leute mit interaktiven Museumsinstallationen. Was genau machen sie, mit welchen Installationen interagieren sie wie? Oder wie lange? Wie reden sie darüber?

Frisch: Ah, krass.

Hornecker: Um daraus dann auch Erkenntnisse fürs Design zu gewinnen.

Frisch: Ah, verstehe. Das stelle ich mir vor, wie: Man stiftet und baut und organisiert Milieus, eigentlich.

Hornecker: Okay, das wären die Gestalter, die das machen, die die Ausstellung gestalten, wobei natürlich die Inhalte auch natürlich.

Frisch: Die Prozesse?

Hornecker: Also das ist eine Mischung aus irgendwie die Atmosphäre, das Milieu, das Räumliche, aber natürlich auch der Content, eine Ausstellung, die schön aussieht, aber wo alle achselzuckend durchgehen und sagen, langweilig, sieht schön aus, aber mehr als ein paar schöne Instagram-Bilder kann man nicht machen.

Frisch: Kommt zu keiner Interaktion. Das wäre eigentlich dann der Punkt.

Hornecker: Oder keine Beschäftigung mit dem Content, also da geht es dann ja auch Wissensvermittlung oder Anregung. Wissensvermittlung klingt wieder so top down.

Frisch: Also es wird gar kein Interesse erregt oder so was. Ich mache ein paar Bildchen und dann schicke ich es den Leuten und sage „ich war da“ und das war's dann. Wohingegen das Interesse am Gegenstand? Das wäre so das, was Leute, die bei dir studieren, lernen. Wie organisieren ich Interesse an…?

Hornecker: Gut, das wäre jetzt eher wieder Design-Seite. Das kommt dann vielleicht in den Projekten stärker. Gerade in dieser Methodenveranstaltung geht es, um die Methoden, zu interviewen, Beobachten, Diary Studies, also alle Methoden, die man anwenden kann, über Benutzer etwas rauszufinden. Oder generell, Menschen.

Frisch: Ach deswegen, das sind wirklich auch Methoden, die es in der Anthropologie und Ethnologie gibt.

Hornecker: Ja, das ist das Witzige an meinem Gebiet. Wir holen uns eigentlich die Methoden von überall her, aber dann halt pragmatisch, weil es geht letztendlich immer darum, etwas rauszufinden, was uns hilft zu verstehen, wie Menschen mit digitaler Technik interagieren, welche Bedürfnisse sie haben oder wie sie auf sie reagieren und sie interpretieren. Da ist eine gewisse Pragmatik. Deswegen ist das auch so ein bunter Blumenstrauss, wo es in den Sozialwissenschaften eben auch Richtungen gibt, die ja nicht miteinander reden und wir dann einfach sagen: Oh ja, das hilft mir dabei, das hilft mir dabei. Ich verwende die Methoden eventuell sogar beide.

Frisch: Ach, ich verstehe. Ah ja, jetzt wird es ein bisschen so… Also, soziale Gebilde, Menschen mit Menschen, aber bei euch sind das Maschinen mit Menschen und das sind trotzdem soziale Gebilde. Deswegen geben die Sozialwissenschaften so viel. Kann ich das so verstehen? Die Anthropologie wird eigentlich über den Menschen hinaus entwickelt und die Maschinen sind auf einmal Partner.

Hornecker: Also soziologische Methoden, psychologische Methoden, aber auch Methoden, die aus Kunst und Gestaltung kommen. Cultural Props sind in der Kunst entwickelt worden.

Frisch: Cultural Props sind?

Hornecker: Päckchen, was man den Leuten mit nach Hause gibt, mit kleinen Aufgaben, die auch zum Teil spielerisch sind und zum Teil Fakten zurückgeben, aber zum Teil auch einfach Inspiration.

Frisch: Also mehr als eine Broschüre oder ein Buch? Es ist einfach ein bisschen schöner, vielfältiger.

Hornecker: Nein, die Leute füllen das ja aus und machen irgendwelche Aufgaben.

Frisch: Ach so, richtig interaktiv ist das Ding? Ja. Okay. Was denn z.B.? Was ist ein Culture Prop? Ich habe gar kein Beispiel im Kopf.

Hornecker: Eine wirklich nette Abschlussarbeit war von Yongbo, wo die Frage war, Memory Objekte, Objekte, die einem die Erinnerungen wecken und herauszufinden, was sind das für Objekte, was macht die dazu? Und er hat dann so einen Kasten gebaut, alles in so einem Harry Potter Look mit einer kompletten Story. Es gibt irgendwie diese schwarzen Männer, die herumgehen und einem das Gedächtnis klauen und du willst dich dagegen schützen. Und hier hast du diesen Aufbau und das Armband, was aber eigentlich nur, wenn man draufdrückte, nur blinkte, aber sonst nichts machte. Aber du musst das halt tragen und drücken und machen und die magischen Feder zum Schreiben und dieses Heft halt alles in diesem altertümlichen Stil. Und dann mussten sie ein Foto von sich mit dem Ding machen, um dann halt eben das, woran sie sich erinnern wollen, was sie nicht vergessen wollen, dann halt quasi zu sichern.

Frisch: Ah, verstehe, Wahnsinn. Und das geht so was in Produktion auch, solche Sachen, ich habe so was glaube ich noch nie gesehen, aber vielleicht bin ich einfach dumm.

Hornecker: Nein, das hat er dann von, ich weiß nicht mehr genau wie viele, zehn Leute hatten das, zwei oder drei gebaut und musste dann halt immer warten, bis sie zurückkamen, bis er an die Nächsten die Hardware weitergeben konnte.

Frisch: Fantastisch.

Hornecker: Es kann auch einfacher sein, es kann auch einfach nur ein Büchlein mit Postkarten sein.

Frisch: Und das sind alles…?

Hornecker: Und fotografiere Objekte.

Frisch: Und das sind alles Interaktionsmodelle, die dann dabei rauskommen, oder wie versteh ich das?

Hornecker: Nein, das ist eine völlig andere Veranstaltung.

Frisch: Okay, erzähl, erklär es mir.

Hornecker: Aber man kriegt etwas darüber raus, wie die Leute denken, was ihnen z.B. daheim wichtig ist und man interviewt sie auch noch in der Regel hinterher dazu. Man hat dann einmal das, was sie aufgeschrieben haben oder fotografiert haben oder gebaut haben, was man analysieren kann und kann das aber zusätzlich auch zur Grundlage für Interviews nehmen. Und kann damit auch auf eine kreativere Art und Weise was rauskriegen, als wenn man jetzt einfach nur ein Interview macht und auch über Situationen, wo man gar nicht dabei sein kann.

Frisch: Das sind heuristische Praktiken, also Forschungspraktiken auf eine gewisse Art. Du hast vorhin vielleicht passt die Frage hier.

Hornecker: Aber wir reden mehr über die Forschung als über die Lehre.

Frisch: Ja, ich komme gerade. Das kam jetzt natürlich aus der Vorlesung, weil das wahrscheinlich Inhalte der Vorlesung sind. Projekte, hast du gesagt, machen vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Übungen machst du selber?

Hornecker: Also ich halte die Vorlesungen und ich bin im Hintergrund natürlich auch sonst überall dabei. Bei den Übungen ist es unterschiedlich. Im Bachelor haben wir Tutoren, die noch mitgehen, da bin ich meistens bei den Übungen nicht dabei. Das ist natürlich auch einfacher, dass dann zumindest Leute, die Veranstaltungen schon gemacht haben oder eine ähnliche Veranstaltung hatten, das betreuen können. Im Master bin ich bei den Übungen, da muss ich immer dabei sein, einfach auch. Und da muss ich auch oft noch zusätzlich Mitarbeiter, Promoventen manchmal miteinschleusen, wenn wir bis zu fünfzig Leute im Master haben und dann vierzehn Gruppen im Raum sitzen. Das ist alles in Gruppenarbeit. Aber dann müssen wir durchgehen und uns deren Ideen anschauen und denen Feedback geben. Und bei vierzehn Leuten sind die anderthalb Stunden halt rum, nachdem ich mit sechs Leuten gesprochen habe, mit sechs Gruppen.

Frisch: Die arbeiten alle mit… Wie sieht so eine Übung aus, die bekommen eine Aufgabe oder die finden selber eine oder wie gehst du da ran? Also, erste Sitzung.

Hornecker: Im Master ist das dann ganz oft, es gibt halt die Vorlesungen, in der die Methoden vorgestellt werden. Das Übungsblatt wird vorher veröffentlicht, dass die Leute sich das zumindest anschauen können.

Frisch: Was steht da drauf?

Hornecker: Idealerweise auch schon etwas vorbereiten, z.B. jetzt in der einen Masterveranstaltung ein bestimmtes Thema, zu dem sie Interviews machen sollen. Sie müssen in die nächste Übung kommen mit einem ersten Interviewleitfaden, mit einer Sammlung von Fragen. Damit sie, wenn wir rum gehen, was da ist in den ersten zehn Minuten, machen leider nicht alle, aber zumindest man kann sich die Gruppen kümmern, die schon vorgearbeitet haben. Dann geben wir denen schon mal Feedback und sagen, diese Frage ist aber ein bisschen uneindeutig und hier fragst du drei Sachen auf einmal. Dann ist halt klar, die Antwort ist meistens nur auf genau eine Sache und du kriegst erst, wenn du dir das Audio anhörst, merkst du, dass du nur die Hälfte der Antwort hast. Also stell hier einzelne Fragen oder das ist eine Leading Question, die zu sehr gefärbt ist, wo die Leute denken, du willst die Antwort so und so, könnt ihr euch eine neutralere Formulierung überlegen, wie würde die denn aussehen? Also dass man die Leute da versucht, in die richtige Richtung zu stupsen, aber möglichst ohne Dinge vorzugeben. Das ist halt immer so die Balance, die man halten muss, die Leute einerseits in die richtige Richtung zu stupsen, aber so, dass sie die Arbeit selber machen und ihnen nicht vorzugeben, was die richtige Antwort ist, wie es aussehen soll.

Frisch: Damit die nicht abgeben an dich.

Hornecker: Ja, das ist manchmal, es gibt manchmal Leute, die sind sehr geschickt darin, einem die Sachen aus der Nase zu ziehen, wo man dann hinterher denkt, so, jetzt habe ich eigentlich viel zu viel gesagt.

Frisch: Diese ganzen Fragen, die die vorbereiten, das haben die dann zu Hause gemacht und einfach aufgeschrieben, die haben noch keine Erfahrungen damit gesammelt, sondern die bringen die dann bis zum nächsten Mal mit. Die, die es nicht gemacht haben, von denen du vorhin gesprochen hast, die machen es dann vor Ort.

Hornecker: Die machen es dann vor Ort, zu denen kommen wir dann vielleicht nach der ersten halben Stunde, da sollte dann schon ein bisschen was da sein. Die anderen, die haben wahrscheinlich auch nur jeweils einzeln gebrainstormt und schmeißen das dann zusammen. Aber dann kann man ja schon mal erstes Feedback geben und die anderen – spätestens gegen Ende der Übung – haben die dann wenigstens einen Grundstock. Und natürlich sind sie auch selber in der Verantwortung, wenn wir sagen, sie sollen sich vorbereiten und sie kommen unvorbereitet, dann zucke ich auch manchmal mit den Schultern und sage mir, dann kann ich dir auch nicht helfen.

Frisch: Du hast vorhin gesagt, wir sind nicht dazu da, das Leben einfach zu machen. Das wäre so eine Stelle, ne? Da wäre das so eine Verantwortung als Lehrperson, die ganze Zeit diese Balance zu fahren, zwischen ich betreue und gleichzeitig aber entziehe ich auch die Betreuung, und das in einem guten Verhältnis. Was machst du da für Erfahrungen? Woher weißt du, wann du was machen musst?

Hornecker: Na gut, wenn die Leute nichts gemacht haben, nicht vorbereitet sind, das kriegt man eigentlich sehr schnell mit.

Frisch: Wie gehst du damit um, weil das ist ja wirklich etwas, was wir alle dauernd immer wieder lösen müssen.

Hornecker: Da bin ich tatsächlich viel härter geworden als früher. Natürlich, wenn einem Jahr für Jahr es dann immer wieder irgendwelche Pappenheimer gibt, verliert man dann auch irgendwann schon mal die Geduld. Dann muss man manchmal auch aufpassen, die können ja nichts dafür, dass sie die zehnten sind, die das machen. [Beide lachen] Das sind ja neue Leute.

Frisch: Ach so, ja! Es sind ja selbst die ersten. Ja, verstehe, guter Punkt. Und da reflektierst du dann immer wieder, das wäre eine Kompetenz als Lehrperson, aus der Erfahrung heraus zu sagen, mir passiert es zum ersten Mal, dem passiert es zum - mir passiert es zum zehnten Mal, dem zum ersten Mal, so rum.

Hornecker: Aber man darf dann zumindest nicht wütend werden?

Frisch: Wirst du wütend?

Hornecker: Hinterher. [Beide lachen]

Frisch: Zuhause. Zuhause beiß ich in mein Kissen. So mache ich das auch. Das Leben einfach machen, finde ich hochinteressant, weil wir auch in einem Gespräch mit einem Studierenden, der hatte so ein bisschen dargestellt, dass ihm das Studium manchmal ein bisschen überversorgt vorkommt und es ihn das eher hemmt als inspiriert. Finde ich interessant als Herausforderung, weil ich da auch viel darüber nachdenke. Und das ist immer schwierig, das auszudrücken, wie man da Lehre gestaltet zwischen Angebot, Versorgung und gleichzeitig eben auch eigentlich eine Öffnung eines Raums, in dem Studierende dann auch alleingelassen auf eine Art sind über eine bestimmte Dauer, die dann auch frustriert vielleicht bis bis zur Überwindung der Frustration, dann auf einmal irgendwas losgeht. Noch einmal zurück zu dieser Lehrveranstaltung mit diesen Fragebögen. Ihr entwickelt dann dieses Interviewformat oder diese Fragebögen, so ist es doch, ihr entwickelt da ein Interview, das ist Gegenstand der gesamten Übung, oder ist es nur ein Teil zu Beginn dieser Übung?

Hornecker: Das ist in dem Fall Teil einer Hausaufgabe eines Assignments, was wir zumindest bei der, bei anderen nicht so viele Sessions, aber das ist relativ am Anfang, wo wir das wirklich so eingeplant haben. Wir haben eine Session, wo wir mit ihnen über ihre Interviewleitfäden reden. Und dann fangen sie mit den Interviews an und dann haben sie eine weitere Session, wo sie mit den ersten Transkripten kommen und wir uns dann mit ihnen halt überlegen, wie kann man das jetzt analysieren. Hier nehmt ganz viele bunte Stifte mit, habt das auf Papier, dann kann man alles schon um sich umbreiten, dann sieht man mehr als ein Transkript auf einmal, anders als am Laptop. Oder auf dem Tablet. Und wir helfen denen dann. Und geben eben auch Feedback. Hier siehst du nicht, da ist irgendwas Interessantes.

Frisch: Was machen die mit den bunten Stiften?

Hornecker: Unterstreichen.

Frisch: Und zwar, welche Farbe was?

Hornecker: Welche Farbe was bedeutet ist völlig… Einfach nur eine Farbe für ein Thema, etwas, was wiederholt auftaucht und möglichst auch über verschiedene Leute hinweg.

Frisch: Also visualisiert sich dann in dem Interview auf einmal so Themenfelder, die sich farblich voneinander unterscheiden lassen. Ist das dann eine Visualisierung? Wär das dann schon so was?

Hornecker: Nee, das ist eine Annotation.

Frisch: Und was passiert dann danach?

Hornecker: Irgendwann reichen sie dann einen Report ein, einen Bericht mit ihrer Analyse und daraufhin gibt es nochmal Punkte und eben schriftliches Feedback.

Frisch: Jetzt ist noch die Frage, wer wird da eigentlich interviewt und worüber?

Hornecker: Die Aufgabe brauche ich jetzt nicht unbedingt hier.

Frisch: Als Beispiel? Was könnte so eine Aufgabe sein?

Hornecker: Die Aufgaben könnte z.B. sein, warum Leute - wie Leute ihre Kleidung wählen, warum sie bestimmte Kleidungsstücke mögen. Also wir haben für diese Fingerübung eigentlich möglichst bewusst auch Sachen genommen, wo es wirklich leicht ist, Leute zu finden. Wir haben ja auch noch viele Internationals, d.h. die Sprachbarriere zu eng gefasst ist, wäre schwierig. Wo man Leute jederzeit interviewen kann, die Wahrscheinlichkeit relativ groß ist, Leute zu finden und bewusst Themen, die ziemlich ergebnisoffen sind und auch vorderdrücklich mit Informatik und Technik erst mal nichts zu tun haben, weil es sollen wirklich Fingerübungen sein.

Frisch: Und worum geht es in diesen Fingerübungen? Es geht darum, Prozesse zu erfahren und zu analysieren oder zu realisieren. Sind das die Ziele?

Hornecker: Das einmal durchgemacht zu haben, hands on learning.

Frisch: Wo finden die Leute die Leute?

Hornecker: In ihrem Bekanntenkreis in der Regel. Also wenn du die Methode nicht wenigstens einmal einem kleinen Beispiel angesetzt hast, hast du Schwierigkeiten, was Größeres zu machen.

Frisch: Was wäre denn was Größeres?

Hornecker: Und am Schluss des Semesters, wenn wir mit allem durch sind, dann kriegen sie halt nochmal eine individuelle Aufgabe, das ist in meinen Masterveranstaltungen immer so, dass sich dann ein Thema selber suchen müssen und dazu halt eben mit den Methoden, die wir unterrichtet haben, entscheiden müssen, was ist die angewandte, die angemessene Methode, aber auch argumentieren müssen, warum habe ich diese Methode und nicht andere verwendet. Und dann selber eine Studie entwickeln, durchführen, analysieren und berichten. Zu dem Zeitpunkt kriegen sie nur ganz am Anfang sehr kurzes Feedback zu ihrem Thema und ganz groben Plan. Okay, du willst zwanzig Leute interviewen, ist das nicht ein bisschen viel dafür, dass du das dann irgendwie in drei Wochen runterwuppen musst.

Frisch: Ach ja, okay. Ja.

Hornecker: Oder das Thema ist aber ein bisschen schwierig. Wie findest du da überhaupt Leute, die du interviewen kannst? Da sind sie dann ziemlich auf sich alleine gestellt. Aber dadurch, dass sie halt vorher in der Gruppe all diese anderen Aufgaben machen mussten und mit all den verschiedenen Methoden schon mal etwas gemacht haben, haben sie ja Vorerfahrung.

Frisch: Was gibt es noch für Methoden? Habe ich das jetzt richtig verstanden? Das ist eine Hausaufgabe in der Übung, und dann gibt es eine zweite. Wie viele Hausaufgaben gibt es pro Übung, etwa?

Hornecker: Wir haben nur alle zwei bis drei Wochen eigentlich etwas, ich glaube, das sind vier Hausaufgaben.

Frisch: Also eins ist ein Interview, was anderes kann sein?

Hornecker: Eins ist Beobachtung.

Frisch: Wie sieht so was aus, zum Beispiel? Man geht ins Museum?

Hornecker: Da schicken wir sie los und sie sollen einfach irgendwo Warteschlangen beobachten, weil die findest du überall. Dann denken sie anscheinend am Anfang, das wäre langweilig, aber zumindest die besseren Gruppen stellen dann schnell fest: Oh, passiert eigentlich ziemlich viel.

Frisch: Sagt ihr zu denen, ihr müsst mindestens zwanzig Minuten da stehen oder wie macht ihr das?

Hornecker: Ja, da soll dann tatsächlich jeder aus der Gruppe für fünfzehn Minuten irgendwo beobachten, alle halt an denselbem Ort, aber möglichst zu unterschiedlichen Zeiten und Protokolle führen.

Frisch: Protokoll – schriftlich. Also es wird verbalschriftlich festgehalten.

Hornecker: Und in manchen Übungen zeigen wir auch nochmal Beispiele. Bei manchen geben so ein bisschen so ein Meta-Dings. Hier, Gruppen haben dies gemacht, andere Gruppen haben so gearbeitet. Das ist sehr unterschiedlich.

Frisch: Beispiele, zeigt dir Filme oder was zeigt dir da? Ach, Arbeitsproben, Ergebnisse aus anderen.

Hornecker: Ja, manche haben dann irgendwo ein Sketch gemacht von der Situation, wo es interessant ist, so verschiedene nebeneinander zu sehen.

Frisch: Also es gibt unterschiedliche Protokollsysteme, die die Leute auch erfinden oder muss das verbalisiert sein?

Hornecker: Beides.

Frisch: Okay. Ah ja, okay, verstehe.

Hornecker: Das ist auch.

Frisch: Jetzt haben wir zwei Übungen. Was gibt es noch für Hausaufgaben? Ich will, dass du merkst, ich will jedes Stöckchen haben.

[Beide lachen.]

Hornecker: Ohje!

Frisch: Zum Beispiel. Was habt ihr noch für eine Hausaufgabe gemacht?

Hornecker: Das wäre - Ich komme auf eine andere Veranstaltung.

Frisch: Ja, genau. Andere Veranstaltungen.

Hornecker: Ich habe noch die andere Masterveranstaltung. Da sollen sie an einer Stelle Ideen für eben so ein verkörpertes Interface entwickeln, wo wir sie wirklich durch so einen kreativen Prozess ein bisschen zerren und quälen, weil sie erstmal mindestens zehn Ideen in der Gruppe entwickeln sollen. Weil ich aus der Kreativitätsforschung und aus der eigenen Erfahrung mit Brainstorming & Co-Design in Gruppen weiß, die ersten zwei Ideen sind meistens langweilig. Man muss die Leute pushen, bis was Besseres kommt und deswegen versuchen wir das auch mit unseren Leuten durchzuziehen, damit die sich nicht an den ersten Gedanken klammern, der ihnen kommt. Das ist auch etwas, was die meisten als sehr verunsichernd empfinden, weil man in der Informatik eigentlich immer lernt, es gibt eine richtige Antwort und so diesen Möglichkeitsspielraum.

Frisch: Wie machst du das, dass du die Ideen verwirfst, ohne demotivieren?

Hornecker: Das ist nicht immer ganz einfach. Manchmal gibt es auch schonmal Gruppen, wo man sich die zehn Ideen anschaut und dann sagt: Die sind alle sowas von simpel. Da kann man nachher kein großes Konzept für erstellen. Geht nochmal in eine zweite Iteration.

Frisch: Die Leute gehen dann nach Hause weinen und kommen nie mehr.

Hornecker: An dem Punkt sind sie dann mit der Veranstaltung schon so weit, dass sie eigentlich nicht, meistens nicht mehr zurück können. Da sind schon welche, die dann manchmal ziemlich mit den Zähnen beißen. Aber andererseits haben wir auch vorher gesagt, wir arbeiten auch kreativ. Und es geht auch darum, euch mal aus eurer Komfortzone raus zu bewegen und am Schluss müssen sie dann halt ein Konzept entwickeln und ein Videoprototypen. Dann sind dann auch wieder Methoden, die eben in der HCI verwendet werden, mit denen sie dann eine Berührung kriegen.

Frisch: Macht dir das Freude?

Hornecker: Das macht Spaß.

Frisch: Oh, das glaube ich.

Hornecker: Und dann machen wir eben auch Sachen, dass wir uns ein paar von den Videos raussuchen, meistens die eher besseren oder vielleicht etwas aus dem Mittelfeld. Und die dann auch in der Übung diskutieren und fragen, was fandet ihr gut an dem, was könnte man verbessern? Und da nimmt man natürlich nicht die, die jetzt wirklich schlecht waren. Also das kann man halt eben auch nicht machen. Man will die Leute ja nicht durch den Kakao ziehen.

Frisch: Ja, genau. Und dann geht das immer so weiter, ein Motivierungs- und Selektionsprozess, stelle ich mir vor. Und alle haben immer mehr Freude daran, sich wirklich anzustrengen.

Hornecker: Und bei den Videos, die Leute sind stolz, wenn ihr Video gezeigt wird oder sie finden es total spannend zu sehen, was die anderen gemacht haben.

Frisch: Hast du dir das alles überlegt oder machst du das einfach aus der Freude am Lernen heraus?

Hornecker: Ja, Teile irgendwo mal aufgegriffen.

Frisch: Wo zum Beispiel? Wo lernt man lehren eigentlich?

Hornecker: Oh, Beispiele?

Frisch: Deine Lehrerin, deine Lehrer, also Professoren, Dozentinnen?

Hornecker: Jetzt weniger aus meinem Studium, weil das war ein reines Informatikstudium. Da sind eher diese Geschichte mit den regelmäßigen Übungen, was wir im Bachelor auch durchziehen.

Frisch: Ah ja.

Hornecker: Ist das eher so im Master? Also, die Berührung mit dem projektorientierten Studium. Ich habe in Bremen promoviert, da war das ziemlich groß.

Frisch: Das projektorientierte Studium?

Hornecker: Ja, die hatten aber ein komplettes Jahr, das war ja noch im Diplom. Da war das dann ziemlich normal, dass die im ersten Semester noch gar nichts auf die Reihe gekriegt haben und in alle Richtungen. Und dann im zweiten Semester eigentlich erst alles zusammen kam. Das ist jetzt mit der Trennung zwischen Bachelor und Master, hat man die Zeit gar nicht mehr.

Also da war ich nicht in der Lehre involviert, aber meine Kollegen halt, deswegen habe ich da einiges mitgekriegt und immer mal wieder aufgeschnappt und irgendwo mal zu Besuch gewesen. Und mal eine Woche irgendwo mitgeschwommen, wo ich auch durchaus in der Lehrveranstaltung dann vielleicht als Gast mit saß. Irgendwo mal Co-Lecturer gewesen. Und teilweise auch wirklich überlegen, diese Sachen, wie man das mit den Interviews macht, wo wir halt auch einfach lange überlegt haben, wie kann man das auch so schrittchenweise machen, dass man die Leute schon ein bisschen an der Hand nimmt und an wesentlichen Stellen Feedback gibt. Weil jetzt zu sagen, hier macht den Interview Leitfaden und ihr kriegt kein Feedback, ist halt auch schwierig, weil dann haben die Leute eventuell die falschen Fragen gestellt und man würde sie dann abstrafen.

Frisch: Weil das Ergebnis dann immer schiefer wird. Und dann sagt man am Schluss auch, das Ergebnis ist schon vorher…

Hornecker: Aber andererseits, zu oft macht halt auch keinen Sinn, bzw.kriegen wir auch gar nicht hin, weil es ist wirklich, das sind mit vierzehn und mehr Gruppen, da sind wir dann zu dritt bis viert und es geht bis zur letzten Sekunde und am Schluss bist du völlig atemlos. Das ist super. anstrengend.

Frisch: Ja, das kann ich mir vorstellen. Das mit dem dauernden Feedback. Das ist wirklich eine große Herausforderung. Ich finde es gerade interessant, wie du beschrieben hast, wie dein Wissen über Lehre sich zusammensetzt. Das ist ja ein sehr individuelles Wissen einfach. So wie du lehrst, lehrst nur du. Wer bei dir lernt, lernt bei dir lernen lernen. Deine Lehrveranstaltung ist einfach deine. Das kann man nicht bei jemand anderes lernen? Jetzt mal, wenn man es sehr fein macht?

Hornecker: Wahrscheinlich, ja.

Frisch: ich glaube, das ist so.

Hornecker: Von den Inhalten… sicherlich gibt es nicht so viele Leute, die das jetzt genau dieselben Sachen machen würden. Und sicherlich auch von den Methoden, ist meistens ziemlich aufwendig. Das krieg ich natürlich auch als Feedback, dass die Leute sagen, es ist einiges schon ziemlich aufwendig. Aber ich kriege auch oft das Feedback, dass Leute sagen, da habe ich eigentlich sehr viel gelernt.

Frisch: Sehr viel gelernt, sehr, sehr schön. Jetzt frage ich mich natürlich die ganze Zeit: Und wann kommt die Informatik? [Beide lachen] Wir haben jetzt gar nicht mehr so viel Zeit, aber so viel Zeit muss sein.

Hornecker: Ja, ich bin ja eher in dem Schnittstellen Bereich, wo es dann am Ende darum geht, okay, bei der Methodenveranstaltung ist natürlich: Hier, ihr lernt die Methoden und wenn ihr dann ein Projekt macht und da zum Beispiel eine Studie machen müsst, zu wissen, was ihr designen wollt oder zu evaluieren, was ihr designed habt, dann braucht ihr auf einmal diese Methoden. Oder wenn ihr in die Abschlussarbeit kommt.

Frisch: Das heißt, es kommt im Studium schon noch die Informatik, wo man wirklich rechnen und Programmieren lernt. Unterrichtest du das auch?

Hornecker: Das ist nicht unbedingt bei mir.

Frisch: Ach, nicht unbedingt bei dir, aber in dem Studiengang.

Hornecker: Und im Master haben wir Leute, die kommen ja auch mit dem Vorstudium rein, wo sie eben die Technik schon zumindest grundlegend beherrschen. Und in den Projekten ist es dann natürlich gemischter, da gibt’s dann Projekte, die sind eben rein methodenorientiert, wo es mehr um Wir entwickeln dann am Schluss Konzepte basierend von unseren Interviews und andere, die kreativer gestalterischer sind und am Schluss vielleicht eine Installation bauen und die evaluieren.

Frisch: Ja, ja, verstehe. Also das Informatische sind mehr oder weniger Fähigkeiten oder Kompetenzen, die eingebracht werden in aber Prozessen, die, wie ich jetzt gelernt habe, eigentlich vor allem kreative Prozesse sind, ständige Kreativitätsprozesse, in denen man Ideen entwickelt. Ich habe jetzt auch gehört, ganz viel wird für einen Papierkorb produziert. Man macht, man macht, man macht. Und das ist ja wirklich was, was auch auf das Leben vorbereitet, dass man einfach sagt, das gehört dazu. Und eigentlich ist das auch schön, dass man Sachen auch wegschmeißt, dass man das positiv empfindet. Ein großer Teil von dem, was du auch — Du ermutigst irgendwie auf eine Art und Weise, Dinge auch loszulassen wieder.

Hornecker: Hoffe ich zumindest. Und die Informatik natürlich schon ihren Stellenwert hat, weil das ist ja eingebettet in ein Studium, wo die Leute auch wiederum Technik entwickeln.

Frisch: Ah, Technik entwickeln, das doch vielleicht, weil sie Maschinen entwickeln, Programme. Programme, die dann Schnittstellen bilden zwischen Objekten usw., wie wir vorhin z.B. im Museum gesagt hatten, das war so ein Anwendungsbereich.

Ausgezeichnet. Die Zeit ist uns leider davon gelaufen, aber es war total interessant, hab vielen Dank, liebe Eva.

Hornecker: Danke.

Outro: Das war Zwischen Magie und Handwerk. Ein Podcast über Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar. Neue Folgen erscheinen wöchentlich auf allen gängigen Podcast Plattformen. Abonniere den Podcast, keine weitere Folge zu verpassen.

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