Ep. 14 – Gespräch mit Jonas Böddicker

Shownotes

In und mit einer Bibliothek zu arbeiten besteht nicht nur darin, zu wissen, was eine Signatur ist. Über das manchmal beabsichtigte Verlorengehen und dem Umgang mit der enormen Vielfältigkeit, die volle Bücherregale bieten können, tauschen sich Jonas Böddicker und Simon Frisch u.a. in diesem Gespräch aus. Weshalb kann die Geisteswissenschaft als ein "einsames Geschäft“ bezeichnet werden - und warum muss dem nicht so sein? Weshalb die Strukturierung des Lehrformats die Bildung von Lerngruppen begünstigen oder sogar verlangen kann und warum eine klassische Vorlesung im Gegensatz zum Seminar oftmals für Redebedarf im Anschluss sorgt, sind u.a. Gesprächsthemen dieser Episode.

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Digitale Barrierefreiheit: Christiane Hempel Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

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Ep. 14 — Gespräch mit Jonas Böddicker

Frisch: Dann fangen wir an. Gut, das Mikrofon ist aufgegangen und wir haben uns zusammengefunden, wollen erstmal die Dramatis Personen vorstellen, die hier sprechen. Mein Name ist Simon Frisch, ich bin Vizepräsident für Lehre und Lernen und Dozent an der Bauhaus-Universität, an der Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Aus diesen Perspektiven werde ich hier sprechen, aus diesen Perspektiven interessiere ich mich für die Lehre und aus dieser Perspektive heraus machen wir hier diese Gespräche mit Interesse für die Lehre. Als wer wirst Du denn in diesen 45 Minuten sprechen, lieber Jonas?

Böddicker: Ja, also mein Name ist erstmal Jonas Böttcher. Ich bin erst mal sehr dankbar, hier zu sein. Also das ist das Erste, der ich bin. Vielleicht, ich studiere seit 2018 hier in Weimar, erst Medienkultur im Bachelor, dann Medienwissenschaft im Master. Vorher habe ich auch schon in Karlsruhe studiert, 'n bisschen Informatik hier und da, aber nichts Ausuferndes. Ich bin bisher ehemalige Lehrperson, also ich war schon Schreibtutor für Studierende. Ich hab schon ein Bauhaus-Modul ja an der Bauhaus-Universität gemacht, bestehend aus zwei Seminaren.

Ich mach regelmäßig den Vorkurs der Medienwissenschaft jetzt zwei Jahren, begleite ich den mit und spreche vermutlich aus dieser Perspektive noch so. Genau. Ich bin eine Sache noch, vielleicht Arbeiterkind, deswegen bring ich zu manchen hochschulpolitischen Dingen oder generell zu, ja, zum Thema Universität eine andere Perspektive manchmal mit, glaube ich. Also das, was man so klassische Arbeiterkind —

Frisch: Ja.

Böddicker: — nennt, so, Eltern aus Industriejobs usw. usf. und genau, ja.

Frisch: Arbeiterkind in dem Sinn auch, also es gibt ja auch eine Organisation oder 'n Verein Arbeiterkind. In diesem Sinn, bist Du auch mit denen angeschlossen oder hast Du mit dem was zu tun oder ist das einfach nur der die Bezeichnung, die Du dir…

Böddicker: Nee, das ist so `n Bewusstsein, dass mir jetzt erst im Laufe der letzten, wahrscheinlich, glaub ich, erst im letzten Jahr bewusst geworden ist oder in den letzten zwei Jahren, dass das so ist, weil ich's selber nie als so relevant empfunden hab, aber es immer stärkere Relevanz entfaltet für meine Art und Weise, wie ich über ja, Universität so nachdenke und was da so passiert. Also nicht im negativen Sinne, sondern ja, ganz neutral wertend, wo man herkommt und so.

Frisch: Interessant. Wir kommen ja alle irgendwo her und manchmal spezifizieren wir unsere Perspektive und manchmal nicht, aber die Perspektive Arbeiterkind hat sich ja sogar in Organisationsformen usw. und in dem Begriff, also es ist ja vielleicht auch 'n stehender Begriff, formiert. Du hast dich grad als Lehrender vorgestellt, Du bist aber auch 'n Lernender. Das sind wir irgendwie mehr oder weniger alle, aber als Studierender und noch Studierender im Masterstudiengang. Wie erfährst Du studieren? Das interessiert mich heute mal.

Böddicker: Studieren, das kommt natürlich auf den Studiengang an. Also, das Informatikstudium in Karlsruhe war schon was ganz anderes als das Medienkulturstudium.

Frisch: Das war ein Semester, oder?

Böddicker: Das war ein Semester, aber in diesem einen Semester… Also, man man merkt schon sehr stark die Unterschiede, wenn man diese beiden…

Frisch: Kannst Du die beschreiben, die Unterschiede? An Beispielen.

Böddicker: Ja, also in der Informatik ist es in der Regel in Karlsruhe zumindest so, man weiß schon im ersten Semester, dass man eventuell nur bis zum Dritten kommt, weil da gibt's so `ne große Prüfung, wo es dann heißt, die sollte man, wenn man die besteht, dann geht's weiter. Wenn nicht, dann nicht. So wird's zumindest immer verkauft. So wurd's damals zumindest immer verkauft. Und dass die Strukturen sind natürlich viel stärker auf Vorlesungen getrimmt. Und da hat man klassisch Lineare Algebra 1, Praktische Informatik, Vorlesung zum Programmieren usw. usf. Und hier ist es eher ja, seminareorientiert, also hier kommt man stärker in den Dialog mit den Dozierenden als in diese Frontalunterrichtssituation.

Frisch: Diese Vorlesungen in die Algebra usw., wie hast Du die als Lernender erfahren, ganz konkret? Wie lernt man in solchen Vorlesungen? Das interessiert mich tatsächlich, weil ich, glaub ich, noch nie selber in meinem Studienverlauf mit mathematischen oder naturwissenschaftlichen Vorlesungen in diesem Sinn zu tun hatte. Wie lernt sich das? Erinnerst Du das?

Böddicker: Ja, ja, also das ist sehr interessant, weil ich das in gewissen Sinne immer negativ in Erinnerung behalte, weil ich letztlich an Mathe gescheitert bin, bei diesem Studium. Also es war mir am Ende irgendwie zu viel Mathematik, durch die ich dann nicht durchstiegen hab. Witzigerweise, obwohl ich heute irgendwie sehr großes Interesse auch für mein Studium in der Mathematik sehe. Aber ein - aber was was mir immer stärker klar wird im Vergleich zu dem jetzigen Studium, das ich in der Medienwissenschaft mache, ist, dass man diese Vorlesungen dort, ob's jetzt Informatik ist oder ob's jetzt Mathematik ist und bei Mathematik insbesondere, dass man da niemals alleine lernt. Also es gibt, wenn man da versucht, alleine zu lernen, außer man ist wirklich wirklich sehr, sehr begabt, mathematisch usw., klar. Aber in der Regel ist es so, wenn man da alleine lernt, dann schafft man das nicht wirklich. Man muss sich in Lerngruppen zusammen tun, die Übungsaufgaben alleine durchzuarbeiten, die es da immer gibt, um die zu verstehen und die zu durchsteigen, weil in der Vorlesung sitzt man da mit Millionen Fragezeichen. Und am Ende steht die Zahl, die eulersche Zahl an der Tafel und irgend 'n ellenlanger Rechenweg, der fünfmal durchgestrichen wurde, also weggewischt wurde, weil er so lang ist und die Tafel nicht ausreicht.

Frisch: Also das muss ja immer Platz auf der Tafel, oder? Mhm.

Böddicker: Genau. Und am Ende steht da die eulersche Zahl und man hat nichts verstanden, weil man hat auch keine Möglichkeit, so schnell mitzuschreiben oder wenn man's versucht, dann hakt es an Verständnis. Deswegen, man braucht irgendwie diese Lerngruppeneinheiten immer.

Frisch: Das heißt, Du fliegst durch diese Vorlesung und dann musst Du, wenn Du wieder gelandet bist, dir Leute suchen, zu sagen, was waren das jetzt?

Böddicker: Genau, ja. Also so so ungefähr läuft Mathematik an der Uni so manch, so habe ich es immer empfunden zumindest. Das, so habe ich's zumindest in Karlsruhe empfunden. Also und ich fand das immer sehr charmant, weil das eine gewisse Form von kollektivem Ausgeliefertsein dieser Theorie mit sich bringt. Man ist irgendwie, jeder ist im selben Boot, weil alle haben ähnliche Fragezeichen im Kopf, die man sich alle versucht zu beantworten, um in diesem Studium weiter existieren zu können. Also, um wirklich die Prüfung zu schaffen, dann am Ende. Um weiter zu studieren zu dürfen, alleine.

Frisch: Wie viele Vorlesungen sind denn da so im Semester, also in der Woche? Ich stell mir das so vor, Du gehst da, stehst also montags geht's los und freitags hast Du wie viele Vorlesungen? Wie sieht da der der Wochenverlauf aus?

Böddicker: Das sind ungefähr vier bis fünf Vorlesungen. Also teils Mathe. Also bei uns waren's zwei Mathevorlesungen und ich glaub, es waren im ersten Semester zwei Informatikvorlesungen. Ja.

Frisch: Und das läuft so, da kommt eine Lehrperson rein in diesen vollen Saal, schreibt dann da die Tafel voll, redet dazu. Dann kommt, weiß ich nicht, ob ihr Gong hattet, in Zürich gab's Gong oder so, in manchen Unis gibt es das, aber jedenfalls da ist die Zeit vorbei. Dann sagen die Danke, alle klopfen, die Person geht wieder raus und das war's. Es gibt oder gibt's Gespräche, wie war das in deiner Erfahrung?

Böddicker: Es gibt auch Rückfragen. Also man kann auch Rückfragen stellen in der Vorlesung.

Frisch: In der Vorlesung selber. Hebt man die Hand und sagt, können Sie noch mal

Bödsicker: Nee, das geht auf jeden Fall. Das geht nicht bei allen Lehrpersonen, aber bei vielen, vor allem in der Mathematik geht das öfters mal. Das Problem ist, man muss erst mal zur Frage kommen. Und dieser Weg zur Frage. Die Frage kann nicht sein, können Sie bitte nochmal von vorne anfangen, weil ich hab da schon was vergessen. Ich hab das irgendwie nicht verstanden usw. Das darf's dann irgendwie nicht sein natürlich. Und ja, auf diesem Abstraktionslevel, die die Mathematik eben bietet, Fragen zu stellen, ist sowieso, das muss man erstmal lernen und das kann man im ersten Semester noch nicht. Das können nur wirklich Leute, die wirklich wirklich so ´n mathematisches Talent eben vielleicht mitbringen oder so, aber ansonsten nicht. Und interessanterweise werden dann auch öfters keine Fragen gestellt. Und es gibt so `ne bestimmte Haltung der, also es gibt manchmal so `ne bestimmte Haltung der Dozierenden, die dann reinkommen. Und die ist in den ersten Semestern zumindest irgendwie immer so ähnlich wie, man denkt immer, das ist Spaß, aber schauen Sie sich um und irgendwie die Plätze neben Ihnen werden leer sein oder Ihr Platz wird leer sein in den in den nächsten Semestern. Also es werden nicht alle durchkommen sozusagen. Diese Haltung gibt's in jeder Vorlesung irgendwie.

Frisch: Okay, also sozusagen wie im wie im Krieg. Ihr seid 'n Bataillon, aber nicht alle erreichen Höhe neun oder so.

Böddicker: Genau, ja, so ungefähr. Also, es werden nicht alle durchkommen, sozusagen.

Frisch: Und so sitzt ihr dann und alle hoffen unter diesem Dauerbeschuss dieser Prüfungen, die auf euch zufliegen, nicht getroffen zu werden.

Böddicker: Genau.

Frisch: Und fühlt sich das wirklich so an? Also ich mein, ich mach jetzt hier so `n martialisches Bild, aber ist das so `ne, ist es Druck? Es hört sich wie Druck an?

Böddicker: Ja, ja, also —

Frisch: Guter Druck oder kein guter Druck?

Böddicker: Es ist extremer Druck für viele. Das ist wahrscheinlich individuell anders, aber für mich war es sehr, sehr, sehr, sehr extremer Druck, vor allem zu wissen, das sind jetzt hier die Prüfungen, die kommen, die eigentlich nur auf eine Prüfung hinauslaufen, nämlich die Qualifizierungsprüfung im dritten Semester. Weil also warum gibt es diese dritte Semesterprüfung zum Beispiel? Ist, also da gibt's einfach 'n Grund, Informatik hat in der Regel keine NCs mehr oder so, also keine Studiengangsvoraussetzungen, sondern die sieben, also da wird dann ausgesiebt mit solchen Prüfungen. Deswegen steht auch in der Regel Mathe am Anfang. Weil an Mathe scheitern die meisten, deswegen steht Mathe am Anfang. Natürlich braucht man auch Mathematik für viele informatische Prozesse usw., deswegen steht's auch am Anfang. Aber empfunden wird's natürlich so, Mathe steht jetzt hier am Anfang als größtes Hindernis. Und ich muss nur den Winter überleben sozusagen.

Frisch: Verstehe.

Böddicker: Dann geht’s schon weiter.

Frisch: Und wer durch diesen Winter kommt, der darf dann auf der Erde leben. Und diese, das könnte auch der Grund sein, dass es Vorlesungen sind, weil da hat man einfach Säle und kann diese Massen an Studieren erstmal bespielen, bis bis man dann diese Prüfungen hat und wenn ausgesiebt ist. Dann gibt's noch mal Seminare oder so was, weißt Du gar nicht. Auf der Seite warst Du nicht.

Böddicker: Es gab 'n Programmierseminar, aber das war jetzt auch nicht so…

Frisch: Aber was ich jetzt ganz interessant find, ist dieses Selbstorganisierte, von dem Du gesprochen hast. Dass alle sich nach der Vorlesung müsst ihr euch zusammentun. Es gibt nicht 'n Seminar oder `ne Übung, wo alle sagen, ja, das machen wir dann später nochmal in der Übung oder so. Das ist einfach nicht nochmal dran organisiert von der Uni her, sondern ihr als Studierende organisiert euch zu diesen Vorlesungen Arbeitsgruppen, Nacharbeiten usw. usw. Das Kollektive entsteht aus der aus der Situation und nicht aus der Struktur.

Böddicker: Schon. Also es gibt schon Übungen. Also es gibt zu jeder Mathevorlesung Übungen. Aber selbst die Übungen sind —

Frisch: Angebote.

Böddicker: Nee, die muss man auch verpflichtend sogar belegen. Aber selbst die Übungen, das sind nicht — das sind halt, also, man kriegt in der Woche immer Aufgaben. Sehr komplexe, sehr viele Aufgaben und die muss man alle abgeben. Das sind so Leistungen, die man erbringen muss. Die muss man nicht alle abgeben, sondern 'n Teil davon im Semester. Und die bespricht man dann in den Übungen. Deswegen muss man da auch hingehen. Aber die bespricht man immer noch auf 'nem auf 'nem Level, das quasi nicht basale Unverständlichkeiten adressiert. Die man dann in solchen Lerngruppen z.B. einfach, also allein um diese Übung zu machen, muss man schon Lerngruppen bilden, teilweise.

Frisch: Die Lerngruppen sind dann aber wirklich selbst organisiert und dafür ist auch Zeit. Und das kenne ich nämlich aus Filmen, dass Naturwissenschaftler-Filme immer so Teams zeigen, die alle miteinander irgendwie was rechnen und machen und tun usw. Und das hast Du so auch erlebt.

Böddicker: Das hab ich so auch erlebt. Also das ist, ich ich kenn's auch aus Geschichten von Freunden, die irgendwie Chemie studieren oder so. Da ist es ähnlich. Und wenn man im Labor zusammen steht, da macht man macht man auch irgendwie, arbeitet man auch irgendwie zusammen stärker und so. Also meine Erfahrung ist, um überhaupt — Aber das ist so n Druck natürlich, der dazu führt. Also es ist jetzt nicht, es ist keine Freiwilligkeit. Also man wird zur Freiwilligkeit gezwungen, könnte man sagen.

Was auch nicht immer angenehm ist, weil ja, weil das eben weil das eben diese verpflichtende Struktur hat, dass man irgendwie darauf zurückgeworfen wird, dass es eben keine andere Möglichkeit gibt, als das zu machen, also als Gruppen zu bilden, also. Und da gibt's dann auch immer eine Person, die das mehr durchsteigt usw. Und dann gibt's auch wieder Gruppendynamik, aber das ist ja wieder was anderes. Aber genau.

Frisch: Okay, total interessant. Wir haben ja hier auch Studiengänge, die die ingenieursorientiert sind oder wir haben ja auch sogar Informatik eben auch. Das kann man hier alles auch studieren. Wir werden sicherlich auch nochmal Gelegenheit haben, mit Lehrenden oder Lernenden aus der hiesigen Universität über diese Studiengänge zu sprechen. Du bist dann aber hier in einen geisteswissenschaftlichen Studiengang in einen geisteswissenschaftlichen Studiengang gewechselt und hast da andere Erfahrungen gemacht. Und ich finde es interessant, den Kontrast zu herauszuarbeiten. Ich sag mal Kontrast, ich glaub, es ist einer, werden wir vielleicht sehen, vielleicht auch keiner.

Böddicker: Ja. Ich fand's erstmal extrem befreiend, diese Seminarstruktur zu erfahren. Also am Anfang, wir haben auch in der Medienkultur haben wir auch eine Ringvorlesung im ersten Semester und im zweiten Semester gibt's auch eine Vorlesung zur Mediengeschichte. Aber das sind trotzdem, also daneben gibt's trotzdem diese Seminarstrukturen, die viel dialogischer orientiert sind, die viel interaktiver orientiert sind. Das empfand ich erst mal als sehr großen Gewinn. Weil es sich eben, weil's eben um irgendwie so eine Art von Partizipation an dem geht, was da besprochen wird.

Also es ist nicht nur, man ist nicht nur quasi, man wird nicht nur die ganze Zeit mit Wissen bombardiert. Und das muss man aufnehmen. Diese klassische Idee von Lernen sozusagen, da ist ein Fakt und den bringe ich mir bei. Dieses Datenlernen sozusagen, das nicht, sondern Verstehen lernen zu organisieren. Der Fakt ist am Ende nicht so relevant. Also das Datum ist am Ende nicht so relevant, sondern was sagt es aus und in welchem Kontext steht es usw.? Das ist viel relevanter. Und das zu verstehen, das war nur, das ist nur in so in solchen Seminarsituationen teilweise eben eben einfacher möglich.

Frisch: Ja, wie ist denn da jetzt deine Erfahrungen in Hinsicht auf dieses selbst organisierte Lernen? Und ja, genau, das wär die Frage.

Böddicker: Ja. Interessanterweise und das ist jetzt auch eher, also eine Perspektive, die ich mir rückblickend sehr viel stelle und jetzt auch mit meinem aktuellen Studium in Verbindung bringe, gibt es eine, also gibt es zwischen, wenn ich das vergleiche mit der Informatik in Karlsruhe z.B., gar nicht mehr diese Tendenz, Arbeitsgruppen oder Gemeinschaften, Kollektive oder so zu gründen, die an eine Aufgabe oder so arbeiten. Also das ist nicht, das nehme ich nicht mehr wahr zumindest. Also es ist vielleicht will niemand mit mir arbeiten, das kann auch sein [beide lachen] aber ich hab zumindest das Gefühl, dass diese Form des Lehrens und Lernens in diesen medienwissenschaftlichen Studiengängen hier in Weimar oft dazu führt, also diese Seminarorientierung oft dazu führt, dass jeder vereinzelt für sich versucht zu verstehen. Und auch wenn man — Und das nicht unbedingt 'n Mentalitätsproblem ist oder so, ne. Also man könnt ja auch sagen, warum bildet ihr eigentlich keine Arbeitsgruppen? Weil am Anfang in den ersten Semestern wird immer gesagt, ja, bildet immer Arbeitsgruppen oder so, klar, von den Dozierenden, die sagen dann immer, bildet Arbeitsgruppen. Das hilft ungemein, bildet Lesergruppen, macht keiner, macht halt keiner. Also —

Frisch: Hast Du Erfahrung mit Versuchen davon oder gibt's noch nicht mal Ansätze dazu? Ich glaub, Du hast vorhin sogar gesagt, es gibt den noch nicht mal einen Ansatz, aber oder keine Tendenz. Hast Du Erfahrungen mit so was? Gibt es Versuche, die dann verebben? Kann man dann so was was beobachten?

Böddicker: Ich hatte schon mal Versuche, ja.

Frisch: Ja. Und wie verläuft? Kannst Du das erzählen, die Erfahrung?

Böddicker: Ja, ja. Also, ich hatte schonmal, sehr abseitig war ich schon mal beteiligt an 'nem Poetry Lesekreis z.B., der sich explizit auch mit der Verbindung zum Studium auseinandergesetzt hat. Wo wir aber nur zwei Studierende waren und —

Frisch: Diese Arbeitsgruppe bestand aus zwei Studierenden.

Böddicker: Diese Arbeitsgruppe bestand aus zwei Studierenden.

Frisch: Ja, gut, aber immerhin. Zwei Immerhin. Setzen sich zusammen und sagen, komm, wir machen mal, ja? Und dann? Und wie?

Böddicker: Und das ebbt dann irgendwann ab. Also dann hat man irgendwann keine Zeit mehr und so und dann… fließt das aus usw. Und ich hab auch andere — z.B. hab ich ja jetzt vier Jahre lang die Eject gemacht, die Zeitschrift für Medienkultur. Meine Idee bei dieser Zeitschrift war immer zu sagen, wir kommen über die Seminare hinaus ins Gespräch. Über die Themen, die wir sowieso behandeln. Das ist aber nicht so wirklich passiert, also nie wirklich passiert. Da hat man, also, es gab einerseits irgendwie nicht das Interesse zumindest auch, dass das gemacht wird. Und ich glaube nicht, dass das wirklich an 'nem Mentalitätsproblem liegt, wie gesagt. Also es ist nicht so, dass die Studierenden keinen Bock haben dadrauf oder dass die zu faul sind oder so. Sondern, dass das 'n strukturelles Problem ist, einfach von der Art und Weise, wie Universität sich in den Geisteswissenschaften zumindest momentan organisiert und wie diese Seminare z.B. sehr prominent, vielleicht als Lehrformat entdeckt wurden. Vielleicht erstmal strukturell, also es gibt ja in jedem Studiengang z.B. Moodle. Und wie läuft 'n klassisches Seminar in 'nem Semester ab? Man hat 'n Moodle-Raum, da trägt man sich ein und dann kommt jede Woche kommen Texte hochgeladen usw. Das ist schon mal, also die Lehrperson scannt Text ein oder in der Regel haben die den auch im Textfundus schon eingescannt und können die dann immer hochladen.

Frisch: Genau, ja. Und dann sitzt man da in seinem Zimmer und da kommt der Text hereingeladen.

Böddicker: Da kommt er hereingeladen und dann kann ich kann ich den halt lesen zu Hause in meinem Zimmer. Ich hab überhaupt nicht die Notwendigkeit. Also, es gibt keinerlei — bisher hatte ich noch kein Seminar, wo es das Seminar erforderlich gemacht hat, in die Bibliothek z.B. zu gehen, wo man Leute trifft oder so.

Frisch: Ist das so?

Böddicker: Also, das Seminar an sich hat das nicht erforderlich gemacht. Das hat dann am Ende meine Seminararbeit vielleicht erforderlich gemacht. Aber das muss man auch erstmal lernen. Ich kenne viele Studierende, die das teilweise nicht lernen, in die Bibliothek zu gehen deswegen nie in die Bibliothek gehen und dann eher mit Internetquellen hauptsächlich viel arbeiten.

Frisch: Ah ja. Und Wie lernt man, in die Bibliothek zu gehen? Ich bin da völlig bei dir. Die Antwort, da ist doch eine Tür, da geht man rein, ist nix verstanden. In eine Bibliothek geht man nicht durch die Tür. In eine Bibliothek gehen ist etwas ganz anderes, als in den Raum zu betreten. Wie lernt man, eine Bibliothek zu betreten, also als Bibliothek und dann auch darin und damit usw. zu arbeiten, ja. Wie würdest Du das beschreiben?

Böddcker: Das, also momentan funktioniert es nur durch Hörensagen, sage ich jetzt mal.

Frisch: Was meinst Du damit?

Böddicker: Also, wenn ich mich zurückversetze in mein zweites Semester Bachelor. Oder in mein erstes, zweites, drittes Semester Bachelor, z.B. Dann ist es so, ich — es gibt jetzt nicht den großen Grund, in die Bibliothek zu gehen. Weil die Texte hab ich alle, die ich lesen muss. Und um da mitreden zu können in der Lehrveranstaltung muss ich diese Texte halt lesen und dann ist schon mal gut. Aber da gibt's immer wieder Dozierende, die zumindest sagen, gehen Sie mal in die Bib, versuchen Sie mal wild durch die Bib irgendwie durchzugehen. Ich hatte damals meine Filmanalyse zum Beispiel, das ist im ersten Semester 'n Seminar, bei Nicholas Ochsen. Und der hatte mal gesagt, dass es das Beste am Studieren sei oder am an der Theoriearbeit generell, einfach in die Bibliothek zu gehen und nicht das Buch auszuleihen, was man sowieso sucht, sondern alle Regalnachbarn sich mal anzuschauen und dann immer so weiter sich tentativ vorzutasten in der Bibliothek. Und dieses Bild hatte mich zumindest beeindruckt. Deswegen bin ich in die Bibliothek dann.

Frisch: Das hast Du gemacht. Du hast gesagt, das möchte ich jetzt mal wissen, wie das ist.

Böddicker: Das möcht ich jetzt auch mal erleben oder fühlen. Ich möcht diese Begeisterung nachempfinden.

Frisch: Gut, das ist gut. Fühlen, ja. Über Affekte, über die Gefühle.

Böddicker: Und über diese Begeisterung zumindest kam das, ist das vermittelbar.

Frisch: Kam die denn?

Böddicker: Die kam bei mir auf jeden Fall. Deswegen, also ich, ja, also, klar.

Frisch: Aber trotzdem hast Du's nicht dauernd immer wieder gesucht oder bist Du seither begeisterte Bibliothek-Gänger?

Böddicker: Nee, das hat 'n bisschen gedauert natürlich, ne. Also man muss sich auch dann, man muss diese Begeisterung auch erst selber entwickeln, quasi. Auf abseitigen Wegen plötzlich unterwegs zu sein in der Bibliothek. Plötzlich hat man 'n Buch von aus der Kunstgeschichte in der Hand, obwohl man wo ganz anders irgendwie angefangen hat, obwohl man irgendwie sich was, keine Ahnung, zum Thema Kulturtechnik dieses Schreibens grade gesucht hat, ist man plötzlich bei der, ein Stockwerk tiefer, in der Kunstgeschichte unterwegs und das hat irgendwie

Frisch: Das muss man kultivieren, das ist tatsächlich wahr. Also die die Arbeit mit und in der Bibliothek ist nicht einfach nur bereitgestellte Informationen rausholen. Das ist noch mal viel, viel mehr und das zu lernen und zu kultivieren ist tatsächlich 'n Prozess. Das ist nicht einfach da, Klick und dann geht man rein, sondern das sind Sinne, die man öffnen muss, Kräfte, die man mobilisieren muss. Das sind Inspirationen, die man suchen muss, nähren muss usw. usw. Das ist eine echte, ja, das ist eine echte Praxis, Bücher in der Bibliothek zu holen, zu finden, zu suchen und auch da in einen Dialog zu gehen. Das ist zum Teil auch sehr ermüdend.

Ich entsinne mich, vielleicht kann ich da ausmalen, ich entsinne mich an Bibliothekserlebnisse, wo ich dann ganz erschöpft bin, nicht von den vielen Büchern, die ich durch die Gegend getragen habe, was auch der Fall war, sondern auch von den viel zu vielen Vielfältigkeiten. Also ich hab mich teilweise sehr lange in der Bibliothek aufgehalten Das hatte unter anderem damit zu tun, dass ich sehr weit von der Universität weg gewohnt hab. Also das war ein ganz interessant mit diesem Grund. Warum bin ich in die Bibliothek? Da konnte ich also sozusagen zwischen Seminaren, zwischenparken und hab dann eben nun, da ich da mal war und irgendwann völlig übersättigt oder überfressen und dann auch wie so `n Gummiball, der von jedem Regal zum nächsten hupft, hab ich dann am Schluss alle Bücher in den Bitte hier ablegen Stapel gelegt und bin aus der Bibliothek rausgegangen und hatte dann so wie so mein meinen Durchgang. Und da habe ich das erste Mal kapiert, dass Bibliotheksbesuche auch ganz eigene Praktiken sind, die man die man gut organisieren muss.

Auf der einen Seite ist Öffnung, gleichzeitig aber auch die Disziplin, nicht plötzlich alle Regale ausräumen zu wollen oder auch dann so `ne Bulimie zu kriegen. Ich wusste das eines Tages alles gelesen, aber ich fang bei A an, bei Sartris so `ne Figur in in in der Ekel. Das ist der Autodidakt, der liest die Bibliothek und der geht rein und macht das von "A bis" und also ist inzwischen bei Buchstabe C oder D und der ist da immer da und der der liest eben so. Und ich find die Figur, die die ich fand die früher irgendwie blöd usw. Ich find sie inzwischen ganz interessant, weil sie mir durch meine Erfahrung an der Universität viel über Lehren und und und Praxis der Theorie usw. lernen. Dieser Mensch hat eine Praxis der Theorie, die irgendwie eigenartig, die eigen nach 'ner eigenartigen Kategorie, wirklich Kategorie eigener Art, aber auch befremdend vielleicht für Leute, die akademische Praxis gelernt haben. Das ist es ja keine akademische Praxis, einfach nur die Bücher von A bis Z lesen.

Aber ein performativer Ansatz ist auf jeden Fall. Auf jeden Fall finde ich das ganz interessant, dass die Praxis der Bibliothek als — also, Bibliothek und Studium als Praxis zu verbinden und zu denken, da ja Bibliotheken selber auch über die eigene Praxis und über die eigene Verfasstheit usw. sehr viel drüber nachdenken, was sie eigentlich sein müssen und ob sie einfach Bücher zur Verfügung stellen. Oder eben, Du sagst ja aus `m Internet, das sind ja auch oft bibliothekarisch verfügbare oder zur Verfügung gestellte Inhalte, die also über Datenbanken und Datensätze usw. sich da herstellen. Der Grund, in die Bibliothek zu gehen, der Grund, lesen zu müssen, der Grund, versorgt zu sein, versorgt zu werden usw., der Grund, sich in Arbeitsgruppen zu organisieren, Du hast vorhin einen Grund aufgerufen, nach diesen Gründen würde ich gerne mal fragen, was für Gründe entstehen oder Begründungen oder auch vielleicht Druckverhältnisse, vielleicht sind das ja auch Gründe, um sich in diese oder jene Richtung im Studium zu bewegen. Wie würdest Du es beschreiben aus deiner Erfahrung hier in den Geisteswissenschaften?

Böddicker: Puh. Also… was an erster Stelle immer irgendwie steht, ist ein eigenes Interesse, überhaupt das zu tun.

Frisch: Aha, genau.

Böddicker: Das muss sich ausbilden quasi. Es ist nicht so, dass ich ich hab keine — Es ist nicht so wie in der Informatik z.B. Ich hab keine Matheaufgabe und muss die jetzt nächste Woche abgeben, weil das ist gehört zum Schein usw. Deswegen muss ich mich jetzt organisieren. Diese Form von Druck gibt es nicht, sondern es gibt eine einen intrinsischen Druck eigentlich, der sich entwickelt, weil ich irgendwo was nicht verstanden habe, weil plötzlich eine Frage aufgekommen ist. Ich hab irgend 'n, ich lese Seminartexte und dann kommt plötzlich eine Frage auf oder ich bin überhaupt nicht einverstanden mit dem, was da steht.

Und dann entwickelt sich plötzlich irgendwie ein Interesse daran, dem, also ein intrinsisches Interesse daran von mir aus, dem nachzugehen. Und das muss entstehen, so `ne Art eigene Forschungsbegeisterung könnte man das auch nennen. Das klingt immer son bisschen pathetisch, aber —

Frisch: Nee, finde ich.

Böddicker: Genau, so eine Art eigene Forschungsbegeisterung, die muss da sein, damit ich in die Bibliothek gehe. Weil… Studieren ist an sich zumindest in dieser geisteswissenschaftlichen Disziplin 'n sehr einsames Geschäft. Das muss man immer irgendwie verstehen, glaube ich. Und Bibliothek, in die Bibliothek zu gehen, kann man auf zwei Arten. Man kann entweder in die Bibliothek gehen und hat… und ist von der Kälte der Buchrücken erschlagen, könnte man sagen. Ja. Und man ist erst mal, man ist dort allein, vollkommen allein. Ja. Und das das klingt ideal, ne? Man in der Bibliothek soll ja auch Ruhe herrschen, alle wollen sich konzentrieren usw. Man ist irgendwie, das ist so einsam. Ja. Aber die bibliothekare Praxis, sag ich jetzt mal, ist nicht allein. Man ist nicht allein. Man ist nämlichlernen, mit den Autor*innen zusammen dort zu sein sozusagen, könnte man sagen. Also man muss irgendwie, das ist eine Art Kollektiv, die nicht so funktioniert wie ich bin Face to Face mit jemandem irgendwie in 'ner Gruppe und unterhalte mich mit dem, sondern ich bin jetzt hier gerade mit Kant auf 'ner Reise und der erzählt mir jetzt die ganze Zeit was und ich stoß mich die ganze Zeit davon ab. Und man, also die wirkliche bibliothekare Praxis, die dann auch aus so `ner intrinsischen Motivation heraus entsteht, die ist tatsächlich nicht einsam. Obwohl man alleine in der Bibliothek ist.

Frisch: Du bist nicht mehr mit lebenden Menschen zusammen. Also ganz anders als in der Informatik, wo ihr dann zusammen, hey, hier die Aufgabe, pass mal auf, treffen wir uns nachher fünf. Dann sitzt ihr da zu dritt, zu viert und dann macht ihr gemeinsam diese, dann spielt ihr dieses wie so ein Team. Das ist so wie ihr spielt das Spiel, die Aufgabe und ihr. Und wenn ihr 'n gutes Team seid, dann gewinnt ihr.

Böddicker: Genau. Und das muss man erst lernen. Also das kann, das ist nicht, also wenn man einfach in die Bibliothek geschickt wird, man hat ja auch Führungen usw. Die sind jetzt, die sind auch die sind auch gut usw. durch die Bibliothek, aber das sind ja erst mal kühle Führungen. Also, man sieht dann, ist wie eine, wie wenn man im Museum eine Führung hat, dann steht man vorm Gemälde und einem wird ja was erzählt und dann sieht man das Gemälde und man geht dann zum nächsten usw. und geht dann alles einmal durch, ne Ja. Und und hat so einen kühlen Überblick über alles. Aber was es heißt, sich zehn Minuten lang auf so ein Gemälde zu starren und immer wieder irgendwas Neues zu entdecken, das ist ja auch eine andere Form von Rezeption im Museum z.B. Und darauf darauf muss man sich einlassen, das muss man erst lernen. Und dann ist es kein wirklich einsames Geschäft mehr, auch wenn viele Aspekte der Geisteswissenschaft weiterhin einsam bleiben. Und das Problem ist, oder was ich als Problem zumindest wahrnehme, ist dieses Zurückgeworfensein auf PDFs z.B.

Frisch: Das das erlebst Du als Problem.

Böddicker: Genau, ich bin zu Hause. Ich bin überhaupt, also ich bin zu Hause und hab einen und für die für die für die nächste Woche muss ich einen einen Text lesen und das ist jetzt, hab ich jetzt im PDF zur Verfügung gestellt bekommen vom Dozierenden. Je nachdem, wie's eingescannt ist, ist irgendwie vorne noch das Cover mit drauf oder nicht von dem Buch. Oder vielleicht manchmal sind die Texte auch so eingescannt, dass nicht mal mehr der Autor drauf ist. Und dann bin ich irgendwie auf so `ne Form von Einsamkeit zurückgeworfen, die… wo sich das nicht entwickelt wie in der Bibliothek zumindest. Also, so war zumindest meine meine Empfindung.

Frisch: Das finde ich total interessant und ich kann das auch sehr gut nachvollziehen. Also, Bibliothek, Du liest, Du bist da, liest Kant, stößt auf einen Begriff, sagst: Warte mal. Legst das Buch hin, gehst darüber, holst noch 'n anderen, der kann jetzt helfen. Was weiß ich, mir fällt jetzt kein Begriff ein. Bleiben wir mal beim Abstrakten. Du holst da, blätterst rein, sag mal, da Schopenhauer ist da nicht auch und da blätterst rein, fällt dir ein, warte mal, dann irgend 'n Japaner oder weiß ich nicht, dann denkt, ist von 'nem Bild die Rede, kenne ich nicht. Dann kommst Du, neben dem Kunstband steht wieder was übern Barock oder was anderes und dann fällt dir ein, Deleuze hat doch was über, warte mal und dann kommst Du zur Falte und gehst rüber zu den, der hat das Buch geschrieben, die Falte übern Barock und dann fällt dir ein, dass dass dass man auch Papier faltet, plötzlich bist Du bei den Gestaltern. Auf einmal hast Du 'n kleines Team vor dir liegen an lauter Leuten, die dein Thema und dein Interesse spielen.

Also das ist, insofern finde ich das, das passt sehr gut, was ich manchmal in den ersten Semestern auch sag, dass ich sag, im Grunde, wenn ihr 'n Thema habt, dann spielt ihr den Text oder ihr spielt dieses Thema durch und ihr versucht letztlich da zu 'nem den Text gut zu Ende zu bringen. Das ist wie so `n — und da dafür stellt man 'n Team zusammen, an der Stelle hilft mir der Kant, an der Stelle der Deleuze und und so und so und so. Und die nehmen dann den Ball, spielen dann eine Zeit lang weiter und so und so und dann: Tor, Text, fertig, eins zu null. Und das ist natürlich nicht das ganze Spiel, aber wenigstens 'n Tor. Und das kann man tatsächlich vergleichen oder man ist auf einer Tour, ist ja egal, welches innere Bild man dann nimmt, Bergsteiger und die schwierige Stelle, die machen wir jetzt gemeinsam. Halt Du mal hier, Gilles, da drüben da drüben spannt der Kant und dann krieg ich diese Brücke und jetzt gehe ich da rüber. Und dann haben mir die beiden geholfen.

Dann sind wir schon 'n Schritt weiter. Die Jungs können bleiben, also man kann auch eine Heldenreise sein oder was auch immer. Aber da sind nie Menschen dabei, aber diese ganzen Bücher auf einmal. Und jetzt dieses PDF, das ist ja fast, also ich finde es, es ist ganz schön, diese Einsamkeit, weil das innere Bild, das da entsteht, ist ja, als würdest Du 'n Betreuer geschickt kriegen, der jetzt einfach eine halbe Stunde bei dir ist. Aber mehr kommen nicht.

Böddicker: Nein, genau, ja.

Frisch: Ist das so?

Böddicker: Ja, ja, ja, ungefähr. Ungefähr so, weil in der Bibliothek habe ich ja jederzeit die Möglichkeit, wie Du's ja grade auch gesagt hast, woanders hinzugehen. Oder ich kann ja auch von, ich bin jetzt bei Kant, mit Kant grad am inneren diskutieren, sag ich jetzt mal. Und dann sehe ich aber aber dann bin ich ja nur mit diesem einen Kant beschäftigt und dann ist da aber noch 'n Kant. Da ist noch 'n Buch von Kant und das das ist das kann ich mir auch holen usw. oder ich kann auch ja dann rüber zu zu Deleuze usw. Und das geht dann mit der PDF nicht. Die hast Du dann runtergeladen. Idealerweise hast Du sie in einem Ordner, wo die vielleicht, wo noch die alten PDFs von den letzten Wochen drin sind. Die hast Du auch dann schon gelesen und das ist immer so ein tröpfchenweise, das kommt jetzt rein und das liest man und dann beschäftigt, also beschäftigt man sich nur mit diesem Text, ohne die Möglichkeit zu haben, irgendwen anders dazu zuziehen sozusagen. Jetzt könnte man vielleicht —

Frisch: Wie? Oder?

Böddicker: Außer das Internet.

Frisch: Wollte ich grad sagen, jetzt könnte man ja sagen, aber in der Bibliothek bist Du doch eigentlich viel beschränkter. Du kannst eben, jetzt kommt das Internet oder der Ordner, wo schon lauter PDFs drin sind, aber das empfindest Du gar nicht so.?Du hast da nicht einen Ordner voller Teamplayer. Nee, tatsächlich, aber scheint ja so zu —

Böddicker: Ja, aber die Ordner Das ist ja das ist ja der Witz. Die Ordner sind ja quasi, die sind ja fertig. Also da sind, ich hab Ordner mit vielen PDFs drin z.B. Da steht dann drauf, hier geht’s um die Kulturtechnik des Zählens, so. Dann sind da Texte zur Kulturtechnik des Zählens drin. Und, aber der ist ja fertig. Der ist der ist beendet quasi dieser Ordner. Das ist wie so eine abgeschlossenes abgeschlossene Akte sozusagen.. Also in diesem Sinne hat also diese — das, vielleicht hat das auch eher was Archivarisches, also das, was mein Ordner da auf dem —

Frisch: Wollte ich grad fragen, was macht den fertig? Was schließt den ab?

Böddicker: Genau, das ist das ist einfach diese, das ist quasi, da wandert ja immer nur 'n Text in diesen Ordner, den ich schon gelesen oder den ich gelesen hab und den ich lese.

Frisch: Und Du stellst dich nicht —

Böddicker: Da sind lauter Texte drin, die ich gelesen hab.

Frisch: Also 'n Ordner mit Stürmern.

Böddicker: Genau, die —

Frisch: Dann der andere ist 'n Ordner mit Abwehr, der dritte ist 'n Ordner mit Torwarten und Du machst den Ordner auf und hast lauter Torwarte. Damit kann kein Mensch spielen.

Böddicker: Ja, genau. So ungefähr. Und das das ist viel, also ich sag nicht, dass das unmöglich ist oder so, aber es ist viel komplizierter, in diesen dieses Dialogische zu kommen, was ich in der Bibliothek habe.

Frisch: Ja, also ich verstehe das.

Böddicker: Die Bibliothek ist meiner Ansicht nach, man ist da deswegen nicht alleine, weil das also oder vielleicht ist es auch deswegen anstrengend. Weil ist es auch deswegen anstrengend. Weil das die ganze Zeit so eine Form von Dialog ist, weil das so eine soziale Situation plötzlich fast schon ist.

Frisch: Mit was?

Böddicker: Mit der man da gerät, mit den mit den Büchern.

Frisch: In der Bibliothek.

Böddicker: Genau. Und das ist deswegen so anstrengend. Also ich bin zumindest öfters auch mal angestrengt von größeren sozialen Events oder so. Dann ist das plötzlich auch so ein großes soziales Event, weil überall irgend 'n Autor oder auch eine Autorin plötzlich aufploppt und was zu sagen hat.

Frisch: Das war ja meine Erfahrung, vorhin, dass irgendwann hatte ich das Gefühl, Ruhe jetzt, Schluss, also wie so ein E.T.A. Hoffmann, der dann von tausend brausenden Stimmen irgendwann nur noch fliehen kann. Ich finde das, ich kann das wirklich verstehen, ich weiß nur gar nicht, was ich daran verstehe. Das deswegen interessiert mich das so, dass in der Bibliothek eine andere soziale Situation entsteht, die auf eine eigenartige, also jetzt haben wir schon brausende Stimme und so, die gar nicht so einsam ist. Und ich find trotzdem noch, also oder ich will noch 'n trotzdem nochmal vielleicht nochmal 'n bisschen schieben, aber bei der Einsamkeit bleiben. Dieses geisteswissenschaftliche Studieren, das hat auch mal eine Kollegin gesagt aus aus Zürich, die sagte, das muss man auch wissen und muss im Studium auch sagen, dass dieses Geisteswissenschaftliche, das war eine Filmwissenschaftlerin, die sagte, promovieren ist eine einsame Tätigkeit, z.B. Und das stimmt ja nicht für alle Fächer, aber es stimmt auf jeden Fall in der Geisteswissenschaft.

Auf jeden Fall teile ich zumindest diese diese Aussage, dass es Phasen einer radikalen Einsamkeit gibt in dieser in der geisteswissenschaftlichen Tätigkeit. Geisteswissenschaftliche Praxis ist eine sehr groß, phasenweise sehr große, einsame Praxis oder zumindest eine, die mit der Kategorie der der Einsamkeit verbindbar ist. Das heißt aber nicht, dass sie schlecht ist, sie ist aber einsam. Das ist eben einfach so. Und das klingt auch son bisschen so, die Einsamkeitserfahrung in deinem Studium, also der Geisterwissenschaft und medienwissenschaftlichen Studium, die kannst Du auch, hast Du auch erfahren über das PDF hinaus?

Böddicker: Ja, ja, auf jeden Fall. Also jede Hausarbeit, jede Projektarbeit, die man schreibt, die schreibt man für sich selbst. Die schreibt man alleine, die schreibt man einsam. Ich hab so häufig versucht, mal so in so einen Textaustausch zu kommen, z.B.

Frisch: Ja, wie geht das?

Böddicker: Das ist nie gelungen. Also nie wirklich langfristig auch gelungen, ne. Also, dass man sich gegenseitig die Hausarbeit mal schickt, bevor sie man sie dann abgibt oder so weiter und man liest und so. Und das ist nie… Das scheitert irgendwie irgendwo dran. Aber man kann's auch nie so wirklich — Das ist irgend ’n… ich weiß nicht was, was man nicht ganz so…

Frisch: Welche Praxis kann das finden? Jetzt sind wir so `n bisschen beim, finde ich sehr schön, Schreiben ist 'n einsames Geschäft, Schreiben ist 'n mühsames Geschäft, Schreiben ist 'n zeitintensives Geschäft. Darüber sollte man sich keine Illusionen machen. Ich hab in 'nem in einer Podcastfolge auch schon mit, da ging's auch schon darum, dass man sei, dass Sie gesagt haben, dass wir gesagt haben, hätten wir gesagt, ah, das interessiert mich das Lehren und ich hätte jetzt alle angeschrieben, schreib doch mal bitte 'n 45 Minuten Text, dann hätte ich wahrscheinlich kaum Rücklauf bekommen und das ganze Projekt wär schon gestorben, weil wir die Zeit letztlich gar nicht nehmen und finden, weil wir den Ort nicht gründen, an dem wir diese 45 Minuten verbringen. Dieser Podcast hingegen, den wir jetzt hier irgendwann jetzt hierher gestellt haben, ist schon, kann ich auch sagen, mit der Gründung dieses Ortes haben wir haben wir hab ich viel — oder haben viele Menschen dazu beigetragen, diesen Ort zu gründen, an dem wir jetzt diese 45 Minuten uns mit Lehre und Lernen beschäftigen können. Also, meine Frage, das zu übertragen, geht in diese Richtung oder mein Gedanke, wir gründen Orte, an denen Schreiben und Austausch über Geschriebenes stattfindet. Und hier hab ich eine Erfahrung tatsächlich, die fand ich 'n bisschen kurios, aber aber aber ich hab's nie vergessen, 'n Freund von mir, der lud mich ein, ich will dir meine Diplomarbeit vorlesen. Da hab ich gedacht, gib's die mir halt, ich les sie nochmal. Und dann hat er gesagt, nee, wird das ganz so machen. Und im Nachhinein haben wir so gemacht morgens, er hat gesagt, ich leg dir Zigaretten hin und damals hab ich noch geraucht und einen Kaffee und dann gibt's noch Kuchen und so und so. Und ich les sie dir vor und wir reden dann darüber. Nimm dir mal den Tag frei, so. Und so haben wir's gemacht. Der hat mir seine ganze Diplomarbeit den ganzen Tag über vorgelesen. Mittagessen gab's dann noch und so und so. Das war dann sein Deal. Diese Diplomarbeit habe ich erstens nie vergessen. Das war eine sehr schöne Arbeit über den Kurator Harald Seemann by the way, den ich bei der Gelegenheit 'n bisschen genauer kennengelernt hab, der in den Siebzigern eine documenta kuratiert hatte und so. Und gleichzeitig war das wirklich eine Praxis, bei der ich erfahren hab, dass Lesen- und Zeit- und Raumorganisation zusammengehören. Und das Geisteswissenschaftliche braucht einen Ort, braucht einen Raum, braucht eine Zeit und hat auch eine körperliche Dimension. Deswegen reden wir auch immer von der Praxis der Theorie. Und die Organisation dieser Praxis, die muss natürlich die Kenntnis der Kräfte des Schreibens und Lesens beinhalten, um überhaupt diese Praxis in Raum-Zeit-Ressourcen zu organisieren.

Möglicherweise hängt das mit der Einsamkeitserfahrung zusammen, dass wir dafür nicht in erster Linie Kompetenz und Bewusstsein ausbilden. Da könnten wir ja 'n anderes Bewusstsein haben und dass wir sagen, na klar, so was muss man vorlesen. So könnte ja auch sagen, dass einem das gar nicht kurios vorkommt. Aber es kommt nach wie vor, kommt es mir kurios vor. Und dann sag ich, ich hab hier 'n Text geschrieben. Ich schick ihn dir nicht, sondern ich — Wir organisieren, wir treffen uns, verabreden uns, machen eine Zeit aus und verbringen dann gemeinsam mit dem Text.

Böddicker: Ja. Nur ein, also ein Aspekt, der oder der mir immer in den Sinn kommt, wenn man wenn man darüber redet, Orte zu gründen und Formate zu finden, wie man das hinbekommt oder wie man — Oder ich sag mal, wie man eventuell z.B. Oder ich fang anders an. Also, Geisteswissenschaft, haben wir ja jetzt schon rausgestellt, ist 'n einsames Geschäft, sage ich mal. Das muss es aber, also ich glaube, das basiert auf einer falschen Annahme. Das Geisteswissenschaft muss kein einsames Geschäft sein und es gibt auch kollektive Phasen von Geisteswissenschaft. Und es gibt auch, das war so schön, als im letzten Jahr, ich glaub, das war im letzten Jahr die Besetzung des Hauptgebäudes der Bauhaus-Universität stattgefunden hat. Da war am Ende von ihrem, von dem Statement der Besetzer*innen stand, bildet Meuten.

Frisch: Ja, Meuten, ja, schön.

Böddicker: Und das gibt es im geisteswissenschaftlichen, kann es im Geisteswissenschaftlichen, glaube ich, auch geben. Und wo ich schon mal, wo ich, glaube ich, am Anfang drauf so ein bisschen schon mal drauf angespielt hatte, war diese Unterscheidung zwischen Seminar und Vorlesung, z.B. Das Seminar ist ja radikal partizipativ. Da geht's drum, wir diskutieren gemeinsam über einen Text oder über ein Thema und wir tauschen uns aus. Und idealerweise stellt man sich dann irgendwie vor, dass alle gleichberechtigt in diesem Seminar sind oder alle auf der gleichen Stufe stehen, was immer eine gewisse Form von Illusion ist, weil da trotzdem eine Lehrperson immer steht.

Und auf der anderen Seite hat man so ein totalitäres Vorlesungssystem, was darauf ausgelegt ist, ich erzähle jetzt hier 90 Minuten lang und ihr müsst zuhören und alle eure Anmerkungen für euch belassen, bestenfalls. Und ich glaube, man muss stärker — man darf nicht zu sehr der Verführung des Seminars erlegen erliegen manchmal.

Frisch: Was meinst Du?

Böddicker: Man darf nicht zu sehr die die der Verführung des Seminars erlegen deswegen, weil das dann dazu führt, dass das ganze Gesprächige in dieses Seminar läuft. Aber dann sich über die Seminare hinaus nicht mehr ausgetauscht wird, teilweise. Also die Struktur ist manchmal schon so angelegt, wir powern uns in unseren Seminaren so stark aus, indem wir drüber diskutieren usw. oder auch zuhören, diese starke soziale Interaktion eingehen, während wir dann eben quasi an 'ner Hausarbeit sitzen und irgendwie meinen ,nicht mehr artikulieren können oder manchmal nicht mehr so ganz wissen, wohin geht die Reise jetzt eigentlich mit dieser Arbeit.

Und ich kann niemandem davon erzählen, weil ich irgendwie die Ahnung hab, es interessiert sowieso niemanden. Und natürlich könnte ich jetzt sagen, ich erzähl's trotzdem irgendwem und das ist auch immer gut, würd ich jedem empfehlen.

Frisch: Unbedingt. Einfach mal drüber reden. Aber wo gründet sich dieser Ort? Ich… um jetzt den Anschluss zu der Informatik nochmal den Bogen herzustellen. Da haben sich Gruppen gegründet, wie Du am Anfang berichtet hattest, weil es sie nicht, sie wurden nicht zur Verfügung gestellt, sie wurden nicht angeboten. In die Bibliothek gehe ich, wenn ich nicht das PDF angeboten bekomme. Also die Angebotsstruktur ist irgendwie mit einer guten Absicht zeitigt sie an diesen Stellen Verkümmerungen im Arbeitsprozess oder so was. Also das könnte man jetzt so schlussfolgern, dass man sagt, ja, ihr wart ja schon im Seminar, warum soll ich mich jetzt noch mal zusammensetzen? Und schon findet diese Form der Meuterei oder der Meutenbildung schon gar nicht mehr statt.

Man könnte natürlich sagen, Seminare sind die Meuten zu den Vorlesungen. Da ist auch 'n bisschen was, also man kann Seminare wirklich meutenförmig machen. Ich mach das manchmal auch ganz gerne, wird auch nicht immer von Studierenden gut angenommen, weil die dann sagen, ich hätt gern mehr Struktur, mehr Vorgabe, was sollen hier eigentlich sein? Und da will ich nochmal kurz relativieren, Totalitarität der Vorlesung. Die Vorlesung ist auch eine Entlastungs-, also ein entlastendes Format. Ich muss nicht anmerken, nicht „ich darf nicht“, ich muss auch nicht. Also das heißt, ich muss auch nicht teilnehmen, der andere macht die Arbeit.

Das kann man in zwei Richtungen lesen, je nachdem, mit welcher Bedürfnisstruktur man sich an ein Format begibt. Der Kuchen ist mir natürlich zu süß, wenn ich gerne eine Packung Chips hätte, aber da das ist dann nicht der Fehler vom Kuchen, sondern das ist dann das Zusammentreffen von 'ner bestimmten Bedürfnisstruktur mit 'nem bestimmten Format.

Böddicker: Genau.

Frisch: Aber die Vorlesung hat eben auch diese entlastenden Strukturen, die aber in 'nem in 'nem anderen Bedürfnisverhältnis als, ich darf hier nix sagen, empfunden werden können.

Böddicker: Ja, aber auch, das ist, ich darf nichts sagen, führt letztlich bei diesen dieser Form des —Also, wenn ich… Also, natürlich kann eine kann Seminar auch eine eine Meuterei sein und irgendwie so meutenbildend sein. Aber dann kommt genau das, dass man, dass plötzlich Studierende auftauchen, die sich Struktur wünschen. Und das liegt, glaub ich, daran, dass es zu dem Seminar gar keine Vorlesung gibt. Also es gibt gar keine Vorlesung, zu dem das Seminar eine Meuterei bilden könnte sozusagen.

Frisch: Das ist gut. Also es ist gar keine Meuterei.

Böddicker: Deswegen so in diese Stille gezwungen zu sein, in der Vorlesung, hat ein nach der Vorlesung extremes Potenzial, sich auszutauschen, weil plötzlich - weil dann will ich auch loswerden, was mich da gestört hat. Also er hat die ganze die die Person da vorne hat die ganze Zeit irgend 'n Blödsinn geredet.

Frisch: Ausgezeichnet.

Böddicker: Und jetzt muss ich das mal loswerden bei meinen Kommilitonen und wir müssen jetzt mal darüber reden. Und dann, das hab ich zumindest so wahrgenommen, wenn's da mal Ringvorlesung gab, dann gab's im Anschluss deutlich stärkeres Diskussionspotenzial zumindest unter den Studierenden. Deswegen würde ich auch, man muss sich da vielleicht, also ich stell's mir als ich stell's mir auch unangenehm vor, immer Vorlesungen zu halten als dozierende Person, weil man natürlich in diesen, ich ich bin jetzt plötzlich der Meister und erzähl irgendwas oder so in dieses.

Frisch: In den Modus muss man verantwortungsvoll gehen und das dann erfüllen.

Böddicker: Und das aushalten, sozusagen. Dieses…

Frisch: Kein Feedback kriegen.

Böddicker: Ja. Und auch, genau, kein Feedback geben und auch kein Feedback einfordern in diesem Seminar in diesem…

Frisch: Nee, nicht geben, sondern auch nicht kriegen. Also ob man aufm richtigen Weg ist, keine Ahnung, man sendet ja nur. Das ist ja so `n bisschen wie hier in dem Podcast. Ob die Leute es interessiert, kriegen wir ja gar nicht mit. Wir reden aber trotzdem. Aber ich find's interessant und ich könnt hier noch stundenlang mit dir weiterreden. Ich würd jetzt dann noch anschließen usw. Sehr, sehr inspirierend, aber die Zeit ist leider vorbei. Ich danke dir für das schöne Gespräch, Jonas.

Böddicker: Ich danke dir.

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