Ep. 15 – Gespräch mit Michael Braun

Shownotes

Wie beschreibe ich, was ich kann? Simon Frisch spricht in dieser Episode mit Michael Braun über die Lehre im Produktdesign. Dabei geht es zum einen über auf den Tischen in der Werkstatt ausgebreitete Modelle und Prototypen, aber auch um theoretische Modelle und in jedem Fall um ein Innehalten im Prozess, um ein Evaluieren und Reflektieren. Dabei bringt Michael Braun den Begriff des Tacit Knowledge mit. Was genau hat dieses durch Erfahrung eingeschriebene Wissen mit Handwerk und auch mit der Lehre zu tun?

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Digitale Barrierefreiheit: Christiane Hempel Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

Weiterführende Links Professur Designtheorie und Designforschung: https://www.uni-weimar.de/de/kunst-und-gestaltung/professuren/designtheorie-und-designforschung/

Transkript anzeigen

Ep. 15 — Gespräch mit Michael Braun

Intro: Zwischen Magie und Handwerk. Ein Podcast der Bauhaus-Universität Weimar. Mein Name ist Simon Frisch und ich spreche hier mit Lehrenden aus allen Bereichen unserer Universität über Lehre und Lernen, über ihre Erfahrungen und ihre Perspektiven.

Simon Frisch: Das Mikrofon geht auf und wieder treten zwei Stimmen auf im Gespräch über Lehre und Lernen. Meine Stimme gehört einer vielfältigen Person. Wir sind ja immer sehr viele Personen, aber diese Stimme wird hier oder ich werde hier sprechen in zwei Rollen. Werd mich hier konzentrieren als Vizepräsident für Lehre und Lernen, Simon Frisch ist mein Name. Und als Inhaber der Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. In diesen beiden Funktionen habe ich beruflich, aber auch intressiert, persönlich interessiert mit Lehre zu tun, mit Lehren und Lernen, seit 25 Jahren etwa in akademischen Kontexten und seit zehn Jahren, seit inzwischen gut zehn Jahren an der Bauhaus-Universität und ich weiß eigentlich immer noch nicht genau, was das ist und deswegen führe ich hier diese Gespräche in diesem Semester zum ersten Mal jede Woche mit einer anderen Person und heute, Micha, mit dir, als wer wirst du denn mit mir sprechen?

Braun: Hallo, Simon. Ich spreche heut mit dir als, ich denke, in erster Linie als Lehrender hier an der Bauhaus-Universität. Ich bin hier wissenschaftlicher Mitarbeiter seit 2018 an der Professur für Designtheorie, Designforschung, an der Fakultät Kunst und Gestaltung. Gleichzeitig bin ich aber auch hier als Promovierender. Da ich hier auch an der Fakultät forsche. Aber ich bin auch Produktdesigner seit über zehn Jahren und arbeite auch praktisch, arbeitete praktisch nach wie vor als Designer, als Produktdesigner im Industriebereich. Und diese Personen sitzen heute dir gegenüber, ja.

Frisch: Okay, fantastisch. Wir haben im Vorfeld, da will ich nochmal drauf zurückkommen, weil ich das so schön fand, wie ich dich jetzt, wie ich dich anspreche, ob ich dich Micha nennen oder wie du genannt wirst und da — Wie wirst du denn alles genannt und in welcher Rolle? Das war ganz interessant, weil du gesagt hast, je nachdem als was.

Braun: Ja.

Frisch: Kannst du das 'n bisschen darlegen, weil das ist —

Braun: Ja, also ich glaube, das ist darauf zurückzuführen, wann werde ich angesprochen oder seit wann werde ich angesprochen? Also ich bin ja seit 2016, 15/16, hier für das Masterstudium. Damals hieß es noch „Nachhaltige Produktkulturen“ und die Personen, die ich da kennengelernt hab, die haben mich alle Mic genannt, also die ersten drei Buchstaben meines Vornamens und Kollegen nennen mich Michael. Familie, Freunde hier in Weimar nennen mich Michi oder Micha. Und ja, deswegen viele unterschiedliche Personen, viele unterschiedliche Namen.

Frisch: Die Namen sprechen jeweils eine andere Person an. Das ist ganz wunderbar. Du bist auch in vielen Personen und Funktionen hier, Lehre und Lernen. Und wenn wir über Lehren und Lernen sprechen. Du hast hier studiert, also warst hier also auch Lernender. Wir haben aber da schon in anderen Gesprächen, sind wir schon drauf gekommen, dass Lernende auch Lehrende sind, weil sie die Lehre mit gestalten usw., weil das Haltungen sind und solche Sachen hatten wir schon. Dann bist du Lehrender inzwischen auch und Forschender.

Braun: Mhm, genau.

Frisch: Und als Forschender — ist eigentlich interessant. Ist Forschen was anderes als Lehren und Lernen oder sind da nur die Prozesse anders getaktet?

Braun: Ist eine sehr spannende Frage. Ich denke, es gibt sehr viele Parallelen, jedoch die Ziele mögen andere sein, könnten andere sein, je nachdem, worin sich diese Forschung oder womit sich diese Forschung beschäftigt. Es ist natürlich eine didaktische Forschung, geht es natürlich auch in dieser Forschung um das Lehren, um das Lernen. Ist es eine Forschung ähnlich, ja, also so, wie bei mir in der Gestaltung, in im Design. Dann gibt es da natürlich auch Fragestellungen, die vielleicht auch technischer oder sozialer oder anderer Natur sind und dennoch inkrementell oder inhaltlich geht es natürlich auch immer eine gewisse Prozessualität. Also vielleicht auch dieses Tacit Knowledge, also Dinge, die man vielleicht jetzt auch gar nicht ad hoc verbal ausdrücken könnte.

Frisch: Kannst Du es noch mal 'n bisschen ausführen? Das ist ja nun so `n bisschen 'n stehender Begriff, aber den kennen nicht alle. Tacit Knowledge?

Braun: Ja, also im Grunde Wissen, dass mit Worten so ad hoc nicht wiedergegeben werden kann, sondern, dass eben so in der Person eingeschrieben ist wie bspw. im Handwerk. Wenn —

Frisch: Da ist das Stichwort. Dazu wollte ich nämlich dich fragen, du forschst ja zum Handwerk.

Braun: Genau.

Frisch: Ausgezeichnet.

Braun: Das hast du natürlich jetzt sehr gut vorbereitet.

Frisch: Vielen Dank. Ja.

[Beide lachen]

Braun: Ja, also in der Handwerklichkeit oder im Handwerk selbst ist ja diese Prozessualität, also dieses Annähern, dieses also nicht nur das Gemachtsein von den Dingen, die wir dann vielleicht jetzt ganz banal in den Geschäften oder in den Läden staunend anschauen mit manchmal auch so einer Fehlerhaftigkeit, sondern eigentlich ist es ja auch wie beim Lehren/Lernen, diese Prozessualität, das, was zumindest mich, aber vermutlich auch viele andere Personen hier an der Universität am meisten interessiert. Und ja, eben. Diese Annäherung erfolgt natürlich im ersten Moment an neues Wissen auch, erst mal sehr rational oftmals. Dinge werden vielleicht über die Bibliothek oder über Lehrveranstaltungen vermittelt. Aber spätestens in dem Moment, wenn es dann selbst zur Anwendung kommt, also insbesondere ja auch bei uns im Projektstudium. Und die Studierenden ja auch in ihrer Freiheit dann selbst ermächtigt werden werden, Fragen zu stellen mit Material, also auch wirklich dann empirisch, explorativ umzugehen. Kommt es dann sehr schnell

auch zu solchen Momenten, dass sie Dinge auch manchmal wie ein Handwerker beschreiben: „Ja, das ist so, weil ich hab’s ja ausprobiert, ich hab’s ja gemacht.“ Und das und das ist dann aber kaum eine ausreichende Beschreibung in dem Moment und dann merkt man schon: Hey, Mensch, ihr seid jetzt schon in so `nem Stand dieses Tacit Knowledge, also dieses eingeschriebene Wissen, dass ihr das schon verkörperlicht, verinnerlicht habt, dass ihr in diesem Prozess drinsteckt. Und das ist eigentlich genau die Intensität, die wir sehr, sehr spannend und ja, befördern wollen.

Frisch: Jetzt hast du grade, ich darf nochmal zurückkommen.

Braun: Unbedingt.

Frisch: Was du anfangs am Anfang gesagt hast, mit Gemachtsein in seiner Fehlerhaftigkeit und wir staunen. Das find ich sehr schön. Also, das eine ist das Gemachtsein und dann kommt aber 'n Staunen. Und was meintest du mit Fehlerhaftigkeit? Das wollte ich zuerst nochmal wissen.

Braun: Ja, also da kommen jetzt natürlich sehr viele Dinge zusammen.

Frisch: Ja, ausgezeichnet, dann nehmen wir sie auseinander.

Braun: Genau, ja, unbedingt. Vielleicht fangen wir einfach nochmal an mit dem Verständnis von Handwerk vielleicht. Also, dass das nicht missverstanden.

Frisch: Fangen wir so an, genau, sehr gut.

Braun: Und also, wenn ich von Handwerk spreche oder von dieser Handwerklichkeit, dann spreche ich von den Kernparadigmen, was Handwerk oder Handwerklichkeit eigentlich ausmacht —

Frisch: Und das sind?

Braun: Und deswegen fällt es mir jetzt zumindest auch schon leicht, davon dann auch über Lehre zu sprechen oder das auf andere Dinge zu beziehen.

Frisch: Genau, das heißt ja, der Podcast heißt ja auch „Magie und Handwerk" und insofern ist da der Handwerkbegriff schon 'n bisschen weg vom Zimmermann, Zimmerfrau oder was auch immer da oder den ganzen —

Braun: Absolut.

Frisch: Klassischen Handwerksbetrieben.

Braun: Richtig.

Frisch: Oder Berufen.

Braun: Exakt. Und meine Promotion startete eigentlich damit, mit der Frage, was ist Handwerk eigentlich für mich? Was bedeutet das?

Frisch: Erzähl mal.

Braun: Und ich hab, so wie man's macht, also als erstes versucht man sich ja so `ne Ermächtigung zu so 'nem Thema anzulesen. Oder zu so vielen Informationen anzuhäufen.

Frisch: Gut beschrieben.

Braun: Ja.

Frisch: Das sind Kräfte, die man da irgendwie einsammelt. Das ist ganz gut. Das ist eine Ermächtigung: Und dann darf man.

Braun: Ja, so irgendwie.

Frisch: Also, dann holt man sich eine Mannschaft oder 'n Team oder so und die helfen einem dann alle.

Braun: Ja, so ungefähr.

Frisch: Ja, sehr schön.

Braun: Also, das beobachten wir auch bei unseren Studierenden. Wir versuchen natürlich, dass sie so schnell wie es geht in auch das Machen, also in diese Exploration mit Material zu kommen, ganz gleich welches Thema. Und dennoch beobachten wir, also es gibt so ein Muster, dass viele sich natürlich erst dann Informationen, also ganz explanativ in die Bibliothek gehen, mit Personen sprechen und sich Wissen sozusagen erstmal besorgen auf irgendeine Art und Weise, um das dann anzuwenden, selbst anzuwenden. Und —

Frisch: Material. Also eigentlich schon, da ist, das ist ja schon sehr handwerklich. Man holt sich Werkzeuge, man holt sich Material.

Braun: Absolut.

Frisch: Man holt sich das alles dann und geht man in sein Schreibzimmer —also oder in sein Arbeitszimmer.

Braun: Oder in die Werkstatt.

Frisch: Oder in sein Arbeitszimmer. Und die kann man dann auch Werkstatt nennen, genau. Und da richtet man dann das alles her, was man da vorhat, zu bauen.

Braun: Exakt, ja. Und so ähnlich war es auch eben bei mir in der Dissertation oder am Beginn dieser Forschung. Und dann habe ich schnell festgestellt, nachdem ich auch mit Kollegen gesprochen hab aus anderen Unis, die sich auch mit dem Thema Handwerk, Handwerklichkeit auseinandersetzen, also wie Melanie Kurz bspw., die ja da auch sehr viel publiziert oder auch Publikationen, selbst der Richard Sennett, der auch mal hier bei uns an der Universität war und eben diese ganzen klassischen Werke durchgearbeitet und dann für mich festgestellt nach so einer, ich würd mal sagen, fast schon einer Ordnung von Definition von Handwerk. Also, wie diese vielen, vielen, vielen Personen Handwerk für sich beschreiben, ob's da Muster gibt.

Das hab ich vielleicht fast schon mathematisch gemacht. Aber ich hab’s dann auch semantisch ausgewertet, also geschaut, wo kommt der Begriff in diesen hunderten Publikationen vor? Wie wird er verwendet? Und was ist eigentlich diese Bedeutungsebene in diesen Absätzen? Und das hab ich ganz banal gesammelt, dann gerankt und um dann festzustellen, aus so einer Bandbreite an unterschiedlichsten Publikationen, aus Design, aus Industrie, aus Wirtschaft, aus Soziologie, aus Psychologie und dann festgestellt, dass Prozessualität - Dinge wie - ich hab mir ein paar Synonyme aufgeschrieben, auf einem Sticker, den ich hier vor mir hab.

Frisch: Ja, super.

Braun: Also, mit Prozessualität ist eben diese Interaktion gemeint, Intuition, Spontanität, Empirie, Experiment, Wandelbarkeit usw. Also diese Dinge, das ist etwas, was bei den meisten Autoren und Autoren am meisten mit Handwerk in Verbindung gebracht wird. Und es gibt auch viele andere Dinge, aber dann wird's schon wieder unscharf, weil das kann man dann auch ganz schnell wieder mit Bereiche wie, wenn man's so hart abgrenzen will, technologisch oder in der Produktionsgeschichte mit der Industrie. Dann kann man natürlich auch eine gewisse und das wäre dann Paradigma Nummer zwei, dieses Unikale bzw. eben dieses Unikat, diese Einzelanfertigung, dieses Individuelle. Aber mittlerweile sehen wir auch durch die digitalen Technologien ist ja auch sowas in der Industrie oder auf Industriemaßstab schon möglich. Also da geht man —

Frisch: Das ist ja das Spannende jetzt, wenn ich da kurz?

Braun: Unbedingt.

Frisch: Dass jetzt die Hörerinnen und Hörer nicht das Gefühl haben, dass du klassische Werkstatt, also Hand - im Sinne von, das ist buchstäblich die Hand, sondern du untersuchst Prozesse, die Handwerklichkeit enthalten, die aber in der digitalen industriellen Fertigung vor sich gehen und die du dort auffindest oder wie ein erweiterter Handwerksbegriff, der ja im Grunde in der Tradition des Bauhauses angelegt ist, also Kunst und Handwerk wurde zu Industrie und Handwerk. Und da ist schon diese Idee, dass man industrielle Serienproduktion trotzdem mit dem Handwerksbegriff denken kann und denkt und in digitalen Prozessen stöberst du auch handwerkliche Prozesse auf, von denen du dann sagst, es es reicht nicht da, die elektronischen Prozesse zu beschreiben, sondern es sind auch handwerkliche Vorgänge. Ich verstehe das so ein bisschen so, weil wir hier eben auch, sagen wir mal, wie heißt es, Ebenen oder eben Oberflächenphänomene beobachten können, wo es wo es Interface Situationen gibt, die handwerklich vor sich gehen.

Braun: Absolut.

Frisch: Und da ist es dann gar nicht wichtig, was da für Prozesse im Hintergrund laufen. Und im Grunde können wir das sogar rückprojizieren. Das fand ich eben an dem Ansatz so interessant, dass wir sagen, wir wissen ja auch nicht, was im Holz vor sich geht.

Braun:Na, absolut.

Frisch: In dem Moment, wo der Zimmermann die Säge ansetzt, sägt er eben das Holz auseinander. Aber die eigentlich physikalisch, materiellen Prozesse, von denen wir ja wissen, dass es irgendwie letztlich verschiedene, ja, was weiß ich, da sind ja Teilchen irgendwie in unterschiedlichen, die ja überhaupt zu dieser Materialität und da sind ja Kräfte wirksam, die das Holz zum Holz machen, sagen wir's mal so.

Braun: Absolut, ja.

Frisch: Und wir nennen's dann am Ende „Holz“. Diese Übertragbarkeit find ich tatsächlich faszinierend, weil da kann man wirklich vom Handwerk weiterhin sprechen, auch wenn's nicht mehr Holz ist. Ich mach's jetzt mal sehr schematisch.

Braun: Nein, ich find das wunderbar, dass du das Thema „Material“ so groß machst und das auch entsprechend ansprichst. Aber ich geh nochmal ganz kurz zurück.

Frisch: Unbedingt.

Braun: Du hast recht. Also, damit die Hörerinnen und Hörer das natürlich auch verstehen, meine meine Forschung zielt oder basiert natürlich in der digitalen Gegenwart auf eben diese entsprechenden Fragen, die sich ergeben durch nämlich diese Veränderung der Produktion, der Praxis der Produktion und damit natürlich durch diese emergenten Werkzeuge, also Robotik, digitalisierte, meinetwegen Werkzeuge, die sich numerisch steuern lassen, über Algorithmen.

Und hier kommt dann natürlich wieder zutage das, was über diese ja, mehreren hundert Jahre Industriegeschichte, wobei so viele Jahre sind's ja gar nicht, aber in dieser Industrialisierung, in dieser Zeit, was in dieser Zeit verdrängt wurde durch eben diese starren standardisierten, zum Teil typisierten Verfahren. Und das ist ja eben diese Prozessualität, die durch diese digitalen Werkzeuge wieder zurückkommen darf.

Und zwar ist es so, dass wir jetzt noch aktuell in der Produktionspraxis sehr standardisiert, sehr typifiziert denken, auch umsetzen und entwickeln. Aber es kommt eben sehr brachial jetzt zurück, zumindest diese, ja, also diese Prozessualität im Sinne des Individualisierten, dieser Mass Customization.

Frisch: Was ist das?

Braun: Diese Einzelanfertigung auf großem Maßstab.

Frisch: Im Industriesektor?

Braun: Im Industriesektor.

Frisch: …wird Einzelanfertigung betrieben.

Braun: Exakt. Make your own, do yourself. Und so weiter. Also diese ja, also diese wirklich Einzelanfertigung, aber dann trotzdem auf Industriemaßstab. Und das war ja früher zumindest, also in der Kernzeit der Industrialisierung unmöglich. Da waren Dinge und deswegen haben wir ja solche, also die sind natürlich, ich sehe das nicht kritisch oder doch schon kritisch, aber nicht negativ. Solche DIN-Normen, die helfen uns natürlich einerseits, Kosteneffizienz zu halten oder gewisse Standards, die auch Qualität oder Sicherheit gewähren. Das hat natürlich Vorteile.

Frisch: Sicherheit auf allen Ebenen. Die Firmen können auch Gussformen einrichten und dann passen die zu allen Prozessen usw.

Braun: Korrekt. Korrekt.

Frisch: Und darauf waren Firmen angewiesen, ja.

Braun: Aber jetzt haben wir natürlich solche Dinge wie 3D-Druck, robotischer 3D-Druck, CNC-Fräse und dort braucht es keine Formen mehr. Sondern da ist das Werkzeug eigentlich formengebend. Deswegen sprechen wir auch bei Robotern oftmals von „Manipulatoren“, also sie manipulieren Material.

Frisch: Also, Hand, also da ist ja die Hand, manus, die Hand wieder drin. Das ist ja das Hand-Werken.

Braun: Genau, ja. Und da ist es dann auch plötzlich in der Wertschöpfung möglich, wieder Einzelanfertigung zu den gleichen Kosten herzustellen. Also, wenn man das jetzt so wirtschaftlich sehen will, aber das will ich gar nicht so stark machen.

Frisch: Muss man ja. Aber doch, Kosten organisieren ja, ob etwas stattfindet oder nicht, weil da die Entscheider sagen, machen wir oder machen wir nicht.

Braun: Exakt, genau. Und wenn man sich die Form oder hat so einen Formbau, weil du es angesprochen hast, anschaut, so eine Form ist ja auch unglaublich preisintensiv in der Entwicklung. Es wird ja über Ingenieure natürlich entwickelt, hergestellt. Und wenn man sich vielleicht, die Hörerinnen und Hörer kennen ja so Kunststoffstühle, so einen Monoblock. Ist ja der meistverkaufte Stuhl der Welt, dieser weiße.

Frisch: Gab es ja auch diesen Film darüber, genau.

Braun: Ja, genau exakt. Und diese Gussform, die ist ja riesig. Die ist ja so groß wie der Tisch, an dem wir sitzen. Und die Entwicklungskosten sind enorm. Und wenn da jetzt jemand kommt und sagt: §Mensch, das ist mir zu rund, ich hätt's gern eckiger!“ Dann kostet dieser Stuhl wahnsinnig viel Geld, weil's eben diese Form dafür braucht.

Frisch: Ah, genau.

Braun: Und der 3D-Druck lässt es zu, dass es eben die gleichen Kosten sind, egal ob hoch aufgelöst mit Ornament oder modernistisch repetitiv ornamental oder glatt. Und ja, und da sehe ich eben in meiner Forschung, so bin ich ja darauf gekommen, die Kernfragen. Also, inwiefern kommt das Handwerkliche nun jetzt wieder zurück in die Produktion und damit natürlich aus Sicht des Gestalters oder des Designers, der ich hier nur mal bin, frag ich mich, wie verändert das die Entwurfsprozesse?

Frisch: Und ich frag mich, wie ändert das die Lehrprozesse? Denn da musst du ja jetzt auf eine Art und Weise Design und Ingenieurdenken usw. unterrichten. Vor vor neuen Parametern, oder? Wie wie gestaltet sich das in der Lehrgestaltung?

Braun: Also, grundsätzlich dadurch, dass wir und so wie du's ja auch beschrieben hast, einerseits Lernende sind. Also, ich sehe auch einen Professor, der vielleicht schon habilitiert hat. Den sehe ich genauso als Lernender wie Lehrender. Weil die, ja, wie soll ich sagen, also diesen Prozess des Lernens ist natürlich auf der einen Seite erstmal dieses Vermitteln meinetwegen von, ja, dann doch schon spezialisiertem Wissen. Das ist dann natürlich fächerübergreifend unterschiedlich. Und auch unterschiedlich wichtig. Also das heißt, das, was natürlich im Ingenieurswesen oder in der Medizin so conditio sine qua no ist, also, dass man gewisse Dinge einfach wissen muss, um eine gewisse Fähigkeit oder auch eine Befähigung zu erlangen, etwas tun zu dürfen.

Das ist im Design natürlich etwas anderes. Sicherlich gibt es dort auch Wissen, das vermittelt werden muss, um bspw., je nach Berufswege dann dort auch an an an die Punkte zu kommen, an die man gerne möchte. Aber im Design ist es ja glücklicherweise unglaublich offen. Fragt man zehn Personen, was ist Design, bekommt man vermutlich zehn unterschiedliche Antworten. Und das ist natürlich spannend. Aber spannender wird's dann auch in dem Moment, wenn man gefragt wird, ja, wie lehrt man denn dann Design, wenn es so unterschiedliche Arten von Verständnissen gibt über Design, von Design?

Frisch: Und? Wie ist die Antwort?

Braun: Die Antwort ist, ja, wie lehrt man das? Also, wir haben ja hier an der Fakultät, wir nennen das ja das Weimarer Modell. Dieses Projektstudium. Und das ist immer sehr spannend, wenn ich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Universitäten oder vielleicht auch nicht aus Unis spreche, sondern auch im Freundeskreis, in der Familie. Was macht ihr denn da eigentlich und wie macht ihr das vor allem? Und spätestens kommt die Frage dann, wenn sie hier bei uns zur Summary, also zu unserer Jahresausstellung sind oder zur studentischen Winterwerkschau und sich diese Dinge anschauen. Und das, was man hier ja anschauen kann, zumindest und ja auch bei uns n der Fakultät Kunst und Gestaltung sind die Werke, die Modelle, die entstehen. Und das, was bei uns sehr stark in der Lehre ist, ist eben das Arbeiten am Modell in der Werkstatt und sicherlich spreche ich jetzt hier auch mit und über und für meine Kollegen. Denn in der, wenn man das so ausdrücken will, Struktur, bin ich ja an der Professur für Designtheorie, Designgeschichte bzw. Designforschung und da sind wir ja eher in der Theorie. Wobei man ja diese Theorie — oder wir wollen das auf gar keinen Fall, diese Theorie als, ja, als Disziplin so mehr oder weniger autark abgrenzt, sondern wir denken Theorie und Praxis umgedreht. Also, wir können weder Theorie ohne Praxis denken, noch kann die Praxis ohne Theorie denken. Und —

Frisch: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich als Theoretiker, letztlich Vertreter einer geisteswissenschaftlichen Disziplin, denke die Theorie als eigene Praxis und insofern kann man die Theorie in die Praxis einreihen, weil wir natürlich auch Praktiken haben. Also, wenn ich jetzt sag, wie Geisteswissenschaftler sozusagen. Wir stellen dann andere Dinge her oder wir bringen, publizieren andere Ergebnisse - wir artikulieren anders. Also, sagen wir mal so unsere unsere Ergebnisse, aber man könnte sagen, Architekten machen Pläne, Designerinnen, Designer bringen Produkte aus anderem Material in die Welt. Aber das Material der Theorie, der geisteswissenschaftlichen Theorie ist eben verbal artikuliert, aber letztlich sind das auch Produkte. Also auf dieser Ebene könnten wir dann wunderbar weiterreden.

Braun: Und genau das ist es eben, was dann bei uns eben diese Lehre in dem Projektstudium ausmacht. Das heißt, diese Mischung aus einerseits natürlich theoretischen methodischen Aspekten und gleichzeitig eben diese praktischen, explorativen Prozesse, die dann über die Kollegen in den Projekten dann vermittelt werden. Und es geht ja auch nicht nur um dann eben dieses Vermitteln, sondern ja dann auch um das Verstehen. Und das Verstehen findet bei uns —

Frisch: Sehr gut.

Braun: — dann eben auch experimentell statt. Das heißt, wenn wir Themen, die ja immer frei gewählt werden, also d.h., wenn man bei uns dann ins Modulhandbuch schaut, dann sieht man natürlich dann die Beschreibungen von den Lehrveranstaltungen, die dann gewisse Bereiche abdecken. Abdecken sollen, egal ob jetzt Design Management, Industriedesign, Material und Umwelt oder solche Dinge. Aber die thematischen Schwerpunkte werden ja bei uns pro Semester immer neu ausgehandelt.

Frisch: Das ist interessant, ins Modulhandbuch kann ja jeder schauen. Die sind ja veröffentlicht und jeder der Hörerinnen und Hörer kann sagen, ah, schau ich mir mal an, was da so steht. Man versteht's nicht so ohne Weiteres, weil eben das alles nicht so konkret ist, weil die Themen immer jeweils konkret neu gewählt werden, aber es sind eben Behälter für bestimmte Ausrichtungen, für bestimmte Lehrveranstaltungen, die curricular vorgesehen sind.

Das ist sehr schön, weil wir machen wir da weiter, weil da waren wir vorhin in diesem Punkt Tacit Knowledge und Dinge wie ein Handwerker oder eine Handwerkerin beschreiben. Genau dieses, wo jetzt der Verstehensprozess, also auf der einen Seite das Erlernen, die Fertigkeit und das Verstehen. Wo Tacit Knowledge, das ist ja erstmal, das versteht man ja vielleicht nicht, was man kann, aber man kann's, ohne es zu verstehen und das andere ist dann: Wie beschreibe ich, was ich kann?

Braun: Genau.

Frisch: Und da sind wir ja eigentlich auch beim Kern des Anliegens dieses Podcasts, weil wir alle lehren können, aber wir verstehen's eigentlich gar nicht.

[Braun lacht]

Frisch: Wir wissen vieles auch gar nicht von dem, was wir können. Aber genau, wie geht ihr da im Design vor? Bitte gern weiter.

Braun: Ja, klar. Also genau, also nach der Vermittlung und diesem Anwenden kommt dann ja auch logischerweise das Analysieren. Und das ist nämlich auch das dann, was den Kern dann unserer Professur, bzw. ich würde mal sagen, in der grundständigen Lehre den Kern unserer Arbeit ausmacht. Wir motivieren die Studierenden dazu, ihre Designprozesse, diese Entwicklung zu analysieren, zu reflektieren, zu evaluieren, aber auch gleichzeitig weiterzugeben. Und —

Frisch: Und wie geschieht dieses Weitergeben?

Braun: Dieses Weitergeben, ja, also ich zitiere jetzt unseren Kollegen, Andreas Mühlenberend, der ist der Professor für Industriedesign hier an der Bauhaus-Universität und der sagt immer: Each one teach one.

Frisch: Ah! Wir sind alle Lernende - wir sind alle Lehrende!

Braun: Exakt. Genau. Und spätestens dann, wenn, also wir haben natürlich unterschiedliche Formate, so wie wir unser Wissen weitergeben wollen. Egal, ob das jetzt Seminare sind, die eben sehr intensiv sind, die sehr auf Dialoge aus sind, auf Diskussionen.

Frisch: Geben wir Wissen immer weiter, nur wenn wir's wollen?

Braun: Nein.

Frisch: Ja?

Braun: Nein, natürlich nicht.

Frisch: Ich glaub auch, ja!

[Beide lachen]

Braun: Und deswegen, dieses Each one teach one, also d.h. spätestens dann, wenn wir jetzt unser Seminartreffen beenden oder wir uns dann zwischen Tür und Angel treffen. Das ist auch etwas, was mir sehr, sehr gefehlt hat während der Pandemiezeit. Also diese Tür und Angel Gespräche oder draußen auf dem Campus während eines Kaffees oder in der Mensa. Und in dem Moment, wenn dann die Studierenden vielleicht irgendwas vielleicht noch nicht ganz verstanden haben oder vielleicht grad nicht zugehört haben oder mit dem Kopf vielleicht noch in 'nem anderen Gedanken hängen geblieben sind und dann ging's schon weiter.

Dann versuchen wir das auch zu motivieren durch Kolloquien bspw. Oder eben dann durch diese Gespräche zwischendurch, dass man sich dann einfach darüber nochmal unterhält, hey sag mal, hast du das jetzt verstanden? Was hat 'n der da Komisches gesagt und findest du das eigentlich auch so?

Und ich find's immer schade, dass wir für sowas viel zu wenig Zeit haben. Also, durch Forschung, durch Lehre usw. nehmen wir uns natürlich Zeit dafür, auch mit den Studierenden viel darüber zu reden, also nicht nur das - über diese Inhalte, die wir diskutieren in den Seminaren, aber dann auch nochmal, wie es dann letztendlich auch gelehrt wurde. Also, es wird ja evaluiert, das natürlich auch schon sehr strukturiert, wie an allen Hochschulen, aber dann mit den Studierenden tatsächlich dann auch nochmal darüber zu sprechen, die Themen. Sind die denn überhaupt noch, also bei manchen Kollegen, die dann ja auch schon viele, viele Jahre hier bei uns sind und an der Universität oder auch an anderen Universitäten. Und dann vielleicht auch, das kennt man ja, also dieses Klischee von dem Professor, der seine 20 Jahre alten Folien rausholt und dann ist das halt in teilweise, das hab ich ja auch eingangs erwähnt, in manchen Fachbereichen dann auch wichtig, dass das dann auch erstmal unverändert bleibt, weil's einfach Kammern gibt, die das einfordern, dass man das weiß, ne.

Frisch: Es gibt Systeme, die die das verlangen, dann manche dieser Folien und Vorlesungen sind auch historisch interessant. Das hat man also damals gedacht usw. Das mir, dazu fällt mir was ein, was jetzt natürlich irgendwie diese Folien [unv., 26:12] und 'n bisschen kritisch sieht, dass in der Uni Bonn war das tatsächlich, mein Schwiegervater hatte einen Ziehsohn, der geflüchtet aus Ghana ursprünglich kam und der hat da eben Agrarwissenschaft studiert und meldete sich in der Vorlesung, wo es darum ging, die Profitabilität der Boden zu erhöhen usw. und meldete sich und sagte, ist das noch unser Anliegen? Ist das noch unsere Gegenwart? Und dann war die Vorlesung kurz irritiert. Und der Professor hat ihn dann nachher noch angesprochen, dann kommen Sie nochmal mit in meinem Büro und hat gesagt, Sie haben da, Sie treffen da einen Punkt. Das das ist interessant, darüber zu reden, aber im Moment die Lehrbücher und der Kanon des Diskurses gibt es gerade gar nicht anders her, aber Sie haben völlig recht, wir müssen da völlig umdenken.

Und natürlich, wir haben da Pfadabhängigkeiten, also Harald Weltzer nennt das immer Pfadabhängigkeiten. Also insofern, das ist schon 'n Punkt, über den wir ja jetzt grade, also jetzt hier im Frühjahr 2024 denkt ja, denken alle Universitäten auch darüber nach, Transformation müssen wir, was ist mit unserem Wissen und so und so. Und jetzt ist das natürlich schon interessant hinsichtlich zweier, dieser trotzdem, dieser beiden Aspekte, Tacit Knowledge, das ist, glaub ich, auch 'n Wissen, wir finden das, also ist ja eigentlich sehr positiv konnotiert.

Gleichzeitig ist das auch 'n behäbiges Wissen. Weil das unser Verhaltens- und Haltungswissen. Und eigentlich auch das, was wir normal finden. Und aus der Normalität geschubst zu werden, also, lernen heißt ja auch, es verändert sich was. Ich muss Kräfte mobilisieren, die ich nicht habe. Ich muss Kräfte neu, also trainieren usw. Es ist eine Art Gym irgendwie vielleicht.

Und dann irgendwann hab ich diese Kräfte und irgendwann merk ich's nicht mehr und find's wieder normal. Das heißt, Tacit Knowledge ist vielleicht eben auch etwas, was ich erwerben muss und das gehört auch zum Lernprozess, aber auch zum Lehrprozess. Und ich hab mich jetzt gefragt, während, also es steht in den Büchern und wir reden darüber, aber wir lernen ja nicht nur durch das gesprochene oder geschriebene Wort. Also, nicht nur durch verbalisierte, denn das wiederum müssen wir auch erst lernen, das, was wir wissen, zu verbalisieren in der Weise, dass es zu dem passt, was wir wissen.

Braun: Mhm. Das ist sehr spannend, was du sagst und sehr schön. Darüber hab ich auch nachgedacht in der Vorbereitung auf den Podcast, weil ich hab mich die ganze Zeit gefragt, ja, jetzt sprichst du vielleicht an, dass Lehren und Lernen etwas mit der Prozessualität des Handwerks zu tun hat. Aber wie kriegt man das denn zusammen? Und dann hab ich über unterschiedliche Wörter nachgedacht, wo ja das Wort „Hand“ drinsteckt. Weil wenn wir über etwas sprechen, wie es sich zugetragen hat, dann redet man auch von „abhandeln“ oder man redet von „Handeln" im Allgemeinen oder „handhaben“ oder wenn wir jetzt über Themen reden, dann, wenn wir uns vielleicht einigen wollen, dann dann reden wir vielleicht auch über „verhandeln". Und das finde ich eben sehr, sehr spannend, dass eben dieses häufige Vorkommen von diesem Wortstamm „Hand" in verschiedenen Wörtern natürlich darauf zurückzuführen ist, also, insbesondere dann jetzt hier bei uns in der deutschen Sprache, dass es eben in der Etymologie der Herkunft, also etwas irgendwie mit dem Körper zusammenhängen muss oder zu tun haben muss. Und das ist ja eben das, was du eventuell meinst, also dieses etwas, was wir verbal ja nicht ausdrücken können, dass wir das eben hier in diesen Zusammenhang bringen können. Also das heißt, Werkzeuge in die Hand geben, meint natürlich dann auch in dem Moment einerseits, ja, dann doch schon irgendwie, wenn wir es beschreiben können, „hier hast du das Werkzeug", egal ob das jetzt das klassisch handwerkliche Werkzeug der Hammer ist oder ob das eine Methode ist, etwas, sich Wissen anzueignen oder Wissen vielleicht weiterzugeben, exakt. Und da sehe ich diese Verbindung. Also diese starke Verbindung zwischen diesem Prozess. Und auch diese, das soll ja nicht so glatt klingen, aber dieses Risiko und diese zum Teil dünne Eis, auf dem man sich ja dann auch aufhält. Und da hab ich 'n schönes Zitat gefunden. Von David Pye. Der war Prof an dem Royal College of Art und der beschreibt, das ist auch so ein Buch, ich glaube jeder, der sich mit Handwerk, Handwerklichkeit auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich dieses Buch.

Frisch: Sagst du es nochmal?

Braun: The Nature of Art and Workmanship heißt das. Und er schreibt, ich hab's mal übersetzt, dass er Handwerk sieht als eine Arbeit mit einem Apparat oder das bedeutet das für ihn, bei der die Qualität des Ergebnisses nicht im Voraus festgelegt ist, sondern vom Urteilsvermögen. Also, da sind wir vielleicht auch wieder beim Tacit Knowledge. Von der Geschicklichkeit, die ist vielleicht noch mehr Tacit Knowledge.

Frisch: Die ist es.

Braun: Und die Sorgfalt. Also, welche Qualität habe ich als Anspruch oder erwarte ich oder wird erwartet von mir? Und das find ich sehr, sehr spannend, insbesondere auch in Bezug nehmend auf das, was du vorhin gesagt hattest, mit dem Holz. Also, weil es gibt ja Dinge, die können wir vielleicht durch Sorgfalt oder durch Urteilsvermögen vielleicht auch schon miteinbeziehen in den Prozess, aber dann gibt es wie beim Holz oder bei einer Studentin oder einem Studenten eine Art und Weise, die wir nicht erwarten, egal ob positiv oder negativ.

Frisch: Ja, genau.

Braun: Und diese Kontextualität, also ich nenn's mal Lerntypen. Wie nehme ich Wissen wahr? Wie nehme ich Wissen auf? Wie geh ich in den Diskurs? Bin ich extrovertiert? Bin ich introvertiert? Und so weiter. Das erfordert natürlich dann vom Handwerker, vom handwerkenden Lehrenden, das Urteilsvermögen, in dieser Situation damit umzugehen. Genau wie, wenn ich als Schreiner mit einer Säge plötzlich auf ein Astloch treffe, wo ich es nicht erwartet hab. [Lacht] Das klingt jetzt dieses sehr direkt übertragen, sollte es nicht sein. Lehre ist natürlich auch sehr komplex. Und aber ich glaube, das macht das sehr —

Frisch: Nein, ich find den Vergleich super.

Braun: Sehr spannend im Vergleich, ja.

Frisch: Ganz genau, also ich find den Vergleich super. Ich hab jetzt so verschiedene Sachen nebenher notiert. Also einmal dass das von der Handmetapher her das Begreifen und der Begriff, das ist ja inzwischen fast eine Binse, also dass man weiß, dass man mit der Hand Dinge begreift, aber der Begriff und das Begreifen eigentlich gar nicht mehr mit der Hand konnotiert wird. Und gleichzeitig ist aber, wir hatten in 'nem anderen Podcast, glaube ich, auch schon mal über Deleuze gesprochen, der sagt, man stellt Begriffe her, die tauglich sind, um wie Werkzeuge oder was, eine bestimmte Zeit lang 'n bestimmtes Problem damit zu lösen oder bestimmte Fragen zu antworten und die Begriffe müssen eben gut gearbeitet sein. Also sind wie so Werkzeugstücke, die eine gute Qualität haben und die müssen auch begreifbar sein und mit den Begriffen muss man Dinge begreifen können usw. Um nicht nur zu verstehen, sondern eigentlich auch eine bestimmte Praxis.

Also, das Verstehen hat dann hat dann noch einen anderen Bereich als irgendwie eine geistige, der Welt entzogenen Sphäre, sondern es ist wirklich 'n weltliches Hantieren. Was auch die Philosophie dann betreibt. Also die Philosophie ist dann im Grunde eine Praxis. Und hier finde ich interessant jetzt zwischen Verstehen, Begreifen den Begriff oder die Praxis, den Prozess des Übens noch hinzuzufügen. Wo man dann also begreifen und verstehen gar nicht so stark, sondern üben ist ja was anderes, das ist eine andere Form des Handelns und gleichzeitig aber auch ein lernendes Handeln. Üben ist ja auch ein lernendes Handeln. Und wenn ich jetzt dann sag, okay, Material, da würde ich als Geisteswissenschaftler jetzt sagen, wie du gerade diese Prozesse des Verfertigens beschrieben hast, so nehme ich auch Schreiben wahr.

Also ich schreibe nicht meine Gedanken auf, sondern ich stelle einen Text her. Und das ist tatsächlich 'n Prozess, das Staunenden immer wieder mit Geschicklichkeit, Sorgfalt usw. diesen Text zu fertigen, ähnlich wie Deleuze das für Begriffe macht. Und das - da kann ich dann sein Schreiben lernt man auch durch üben, durch Lesen und durch Schreiben nämlich, indem ich mein Material, die Wörter oder die verbale Sprache kennenlerne, ähnlich wie das Holz. Das Holz lerne ich dadurch kennen, indem ich mit ihm hantiere. Die Wörter und das verbalschriftliche Artikulieren lern ich kennen, indem ich es dauernd mache.

Und irgendwann tue ich es und auch mein Reden, mein Denken ist eigentlich auch Tacit Knowledge. Die Art und Weise, wie ich denke und rede und schreibe und spreche, das tue ich eigentlich auf eine unbewusste Art und Weise. Sonst könnte ich eigentlich überhaupt jetzt gar nicht so, sagen wir mal, mehr oder weniger flüssig. Ich red immer doch sehr stammelnd letztlich auch, sagt man mir immer wieder. Aber letztlich diesen Denkprozess betreiben, wenn ich dauernd rekurrieren würde und immer wieder mich selber dabei beobachte. Und gleichzeitig aber, mir ist da was eingefallen, ich hatte einen Vortrag, wo es ja um - also, wenn wir jetzt beim Herstellen sind, wir lernen, Dinge herstellen und bringen die einander bei, also Weltverhältnisse zu organisieren vielleicht, die zeit-, raum-, materialförmig sind.

Da hatte ich einen Vortrag in der Fortbildung von einem Theologen, aus Paderborn war der, glaub ich, Paderborn und Bielefeld, weiß ich jetzt nicht mehr genau. Der über Lehre sprach und der sagte, ihm sagt die Genesis immer mehr, also aus der Bibel die Genesis. Und ihm sei nämlich aufgefallen, weiß nicht, ob er's persönlich war oder — er hat jedenfalls uns drauf aufmerksam gemacht, dass es in der Schöpfungsgeschichte, im allerersten Kapitel der Bibel diese Geschichte gibt, wo Gott die Welt schafft. Das ist ja nun, wir wissen's, aber ich sag's trotzdem nochmal.

[Braun lacht]

Frisch: Weil es eben auch 'n Schaffensvorgang ist, wo er Welt als Welt macht, also sozusagen, er macht aus der Welt eine Welt oder er macht die Welt. Und da, das ist der Punkt, es gibt immer den Punkt, wo er sagt: Und Gott sah, dass es gut war. Und darauf hat er aufmerksam gemacht, da hatte ich noch nie dran gedacht, dass Gott immer Phasen hat in dieser Bibelgeschichte, in dieser Genesis, wo er innehält und erstmal schaut. Und dann findet er's gut und macht dann weiter.

Braun: Und wertet.

Frisch: Und er wertet irgendwie. Er hat eine er hat eine Reflexionsphase in diesem Schöpfungsprozess. Das heißt, man kann auch sagen, also man kann das auch so verstehen, dass der Plan von vornherein gar nicht, sondern es ist echt 'n Weltverhältnis und es ist dauernd ein Gegenüber. Es ist wie dieses: Ah, ein Astloch. Da muss ich was anders machen und so und so. Oh, das Wort passt nicht usw. Dann schaut man es wieder an und sagt: Oh, das ist gut. Nächster Schritt usw. usw.

Braun: Ja, absolut. Insbesondere ja auch im Verhältnis zu den Fragen, die wir uns ja aktuell stellen. Also nicht nur in den gesellschaftlichen Veränderungen, sondern auch natürlich die, ja, damit politisch verwobenen Fragen, die der Nachhaltigkeit.

Und das sind dann natürlich Dinge, auf die viele Personen gar keine Antwort wissen. Sogar die, die vielleicht an den wichtigen Positionen in der Politik stehen, um darauf jetzt Fragen zu haben. Und ich denke, genau dieses Werten und dieses Sich-Fragen, dieses Reflektieren in dem Moment, weil es ja eben vielleicht, vielleicht gibt es Muster, vielleicht gibt es Dinge, die man damit vergleichen kann aus der Vergangenheit, wo man daraus gelernt hat usw. Aber diese Fragen stellen sich irgendwie auch immer neu und werden immer neu verhandelt oder abgehandelt. Und —

Frisch: Und da kommt auch das Prozessuale dann…

Braun: Exakt.

Frisch: …ein, wo man sich in dem Prozess begibt und in dem Prozess dieses Beobachtende, Sorgfältige, wo dann Geschicklichkeit dazukommt usw., aber man lernt währenddessen auch das kennen, worum es geht usw. Wo auch ein übendes Begreifen auch. Und wo man, das finde ich ganz interessant, weil das, weil man da in dem Prozess geht und wo man Prozess und Planung miteinander vereint eigentlich. So hab ich das verstanden.

Braun: Ja, richtig. Genau so ist es. Also, bei uns in der Lehre, darf man vielleicht auch nicht als einen zu großen Leuchtturm sehen. Also, dieses Projektstudium, dieses Weimarer Modell, das ist natürlich für uns etwas sehr, sehr Besonderes, aber das soll ja nicht bedeuten, dass das andere Disziplinen gar nicht machen. Also, es gibt natürlich auch Bauingenieure und Ingenieure, die am Material arbeiten, die Modelle erstellen, die natürlich dieses Wissen aus der meinetwegen Stochastik, aus der Mathematik usw. auch anwenden, insbesondere dann, wenn's Statikfragen geht.

Und dann werden dort ja natürlich auch Modelle gebaut und dann in dem Moment, das finde ich immer ganz fantastisch, ich weiß jetzt aber auch gar nicht, welche Hochschule das ist, über Instagram folge ich einigen Unis und finde immer ganz spannend, was sie für Projekte posten, was da so gerade passiert, insbesondere dann auch so lustige Studienprojekte, die dann auch Spaß machen zuzuschauen. Und da gibt's eine Uni, ich weiß nicht, ob es das MIT ist oder die ETH und da bauen Studierende des Ingenieurwesens zum Beginn des Semesters Tragwerkskonstruktionen. Und dann kommt der Prof, das ist 'n Riesenspektakel, wird die ganze Uni eingeladen und dann, wer die meisten Bücher trägt, also diese kleine Brücke, die dann zwischen zwei Säulen gebaut wird. Das wird, glaube ich, auch so ganz unterschiedlich, aus so Spießen, aus Zahnstochern, aus solchen kleinen Dingen, die man auch im Haushalt hat, gebaut. Und dann wird eben geschaut oder reflektiert im Nachhinein, warum hat das nicht funktioniert und warum hat das besonders gut funktioniert? Also d.h. ohne dass am Anfang konkret vermittelt wird, so funktioniert 'n gutes Tragwerk, wird erst mal jeder losgeschickt. Und jeder baut erst mal aus seinen oder ihren Gedanken heraus diese perfekte Brücke oder dieses überspannende Irgendetwas und danach wird das reflektiert. Und genau dieses Werten, das dann stattfindet, das ist ja genau auch das, was bei uns hier an der Fakultät bzw. bei uns im Studiengang Produktdesign gelebt wird. Also d.h., so früh wie es geht, soll es in die Werkstatt gehen, soll es Modelle geben und der Modellbegriff ist ja auch sehr stark diskutiert. Es gibt ja auch unterschiedliche Formen von Modellen. Egal ob Materialmodell, Funktionsmodell, sogar Demonstrator oder Prototypen, das sind ja alles unterschiedliche Qualitäten im, ich würde mal sagen, im Prozess. Also, einen Demonstrator hat man nicht gleich am Anfang, sondern da ist es oftmals eher so ein dimensionales Modell oder 'n Materialmodell oder 'n Vormodell. Vielleicht funktioniert das auch noch gar nicht.

Aber vielleicht ist es in dem Moment des Prozesses wichtig und deswegen iteriert das. Das sind Zwischen Iterationen oder Aproximation oder also diese schrittweisen Zwischenergebnisse, diese Milestones oder wie man das auch immer nennen will. Diese Momente sind für uns in der Designtheorie die spannendsten. Weil dann liegt etwas auf dem Tisch. Der Tisch ist voll mit ganz viel bunten Perlen oder ganz viel kleinen Modellen.

Frisch: Also eine Art Bühne irgendwie, es gibt was zu sehen?

Braun: Exakt. Und anhand dieser Modelle werten wir dann bzw. die Studierenden sollen es idealerweise selbst tun. Also wir treten da ja nicht als autokratische Person auf, die sagen, das ist gut, das ist schlecht, nein. Also wir gehen in den Diskurs und und versuchen, zu verstehen und das ist unser Anliegen, die Person, die diesen Entwurf, dieses Modell entwickelt hat, nach einer Haltung zu fragen: Fandest du das jetzt gut? Findest du das schlecht? Warum findest du das gut? Warum findest du das schlecht? Wie würdest du weitergehen? Was sind die Aussichten?

Und dann in das Gespräch zu gehen und dann entwickelt sich in diesem Gespräch anhand der Modelle, anhand des Materials, der Erkenntnisse dann eigentlich auch schon, ja, die Fragestellung „Wie geht es weiter?“ Wie wird es weiterentwickelt? Wie wird es angewendet? Und so weiter.

Frisch: Finde ich grad ganz spannend, den Modellbegriff, weil ich glaub, dass der in der Lehre eine große, eine im Prozess der Lehre eine große Rolle spielen kann, wenn man sagt „Modell für" oder „Modell von". Das eine Mal, da hattest du vorhin gesagt, wie beschreibe ich eigentlich das, was ich da gemacht hab? Das heißt, ich mache in irgendeiner Weise 'n Modell davon, das kann unterschiedlich artikuliert sein, das kann verbal artikuliert sein, dann sind wir beim Beschreiben, aber es kann auch irgendwie 'n Ding sein, was das Veranschaulicht in irgend Weise nachvollziehbar macht.

Braun [lacht]: Handhabbar macht.

Frisch: Handhabbar macht, genau. Sichtbar handhabbar macht oder so was. Dann ist ein Modell von etwas, so kann man sagen. Und wenn's ein Modell für ist, dann ist es was, dem ich folgen kann, wo ich sag, das machen wir jetzt künftig immer so. Oder das kann also das kann ein Modell bildend oder so was sein. Das heißt also, Modell ist eine Qualität von einem Ding. Das ein Ding bekommen kann. Dass ich sag: Ich nehme mir das zum Modell. Das Modell weiß vorher vielleicht überhaupt gar nicht, also, wenn’s ein Ding ist, weiß es ja vielleicht sowieso gar nichts, aber ich meine jetzt im übertragenen Sinn. Das Modell weiß vielleicht gar nicht, dass es 'n Modell sein kann, dass es jemals 'n Modell ist, sondern ich verwandle durch den Kontext, also durch meinen Prozess, in den ich es einspeise, ein Ding in ein Modell für etwas oder von etwas.

Braun: Genau.

Frisch: Und das ist, dann sind wir ja mehr oder weniger schon mitten in der Lehre, denn ich glaub Modelle sind ja eigentlich Lehrgegenstände, an denen sich was zeigt. Etwas, was geschehen ist oder was geschehen soll.

Braun: Ich geb dir Recht. [Frisch lacht] Also absolut. Vielleicht braucht's auch nochmal diese kleine Klärung, aber vielleicht ist es auch schon den Hörerinnen und Hörern klar, Modell soll, natürlich habe ich jetzt über den Tisch und dass das da alles drauf liegt gesprochen, aber die Modelle können natürlich auch nicht physisch sein.

Frisch: Ah, genau.

Braun: Also, es gibt natürlich auch Prozesse, die entworfen werden können, auch von den Studierenden, so wie auch in der Lehre. Das hat mich in dem Moment, als du gerade begonnen hast, zu sprechen über eben diese Modelle oder über, ob diese Lehre funktioniert, nicht funktioniert, wie intensiv ist sie, welche Qualitäten hat sie usw., daran erinnert, dass es ja aber auch bei uns in der Lehre Modelle gibt, vielleicht auch Methoden —

Frisch: Genau.

Braun: — Die wir zeigen, die wir anwenden, die wir auch weitergeben möchten. Egal, ob jetzt im Bereich des Universal Designs, also wo Objekte idealerweise für jede Person funktional hilfreich sind, in unterschiedlichen Qualitäten. Ganz gleich, welcher körperlichen Verfassung ich bin, in welchem Alter, welcher Herkunft. Also, insbesondere dann, wenn wir über Notation sprechen, also über das Interface, aber auch die Methoden. Also, es gibt ja diese klassischen Designprozesse oder dieses Design Thinking. Es gibt Social Design, da gibt's unterschiedliche Methoden.

Also, da darum geht's natürlich schon. Bei uns in der Lehre sind wir aber jedes Mal auch neu wieder, stehen wir vor der sehr Herausforderung. Wie vermitteln wir eben dann in der jeweilig gegebenen Zeit das jeweilige Thema mit für an die Studierenden. Mit anderen Lehrenden zusammen. Was auch sehr, sehr spannend ist. Also wir haben mit 'nem Kollegen, dem Thomas Pearce in den vergangenen zwei Semestern verschaltete Module angeboten und das war sehr, sehr schön.

Frisch: Was sind verschaltete Module?

Braun: Also, das ist jetzt so ein abstrakter Begriff, den ich jetzt spontan gewählt hab.

Frisch: Ja, ja, beschreib mal.

Braun: Damit meine ich eigentlich nur, dass wir ein Wissenschaftsmodul und ein Projektmodul miteinander kombiniert haben und dass das mehr oder weniger obligatorisch war, dass man eben beide Module belegen muss, wenn man eins davon haben möchte. Oder belegen möchte und dadurch hatten wir eben automatisch die theoretische Reflexion bei uns im Wissenschaftsmodul von dieser praktisch empirischen Projektarbeit und das war sehr, sehr schön —

Frisch: Ich verstehe. Also, diese Veranstaltung gehörte zu…

Braun: Exakt.

Frisch: …praktischen Veranstaltungen und die praktische zu theoretischen. Und ich hatte jetzt verschalt, okay, ich hatte verschaltet verstanden, aber vielleicht, weil wie ich das mal gemacht hatte mit sich durchquerenden Modulen, sodass die Module sich phasenweise begegnet sind, aber aber nicht konsequent miteinander verbunden waren.

Braun: Ja. Also, so war es bei uns auch. Wir haben das in Blockveranstaltungen gemacht, also dann in den jeweiligen, ich würd mal sagen, Phasen des Entwurfs und Entwicklungsprozesses im Projekt. Und dann eben immer reflektiert, in diesen jeweiligen Stadien, die vielleicht in dem Moment immer dann, also, nach oben andocken, wo man dann tatsächlich dann schon erste Zwischenergebnisse hat und so. Aber ja, zurück zur Lehre vielleicht. Also, wie geht man damit und also es ist tatsächlich so, vor jedem Semester habe ich Lampenfieber. Das wird auch nicht weggehen.

Frisch: Richtig.

Braun: Das ist einfach so.

Frisch: Kenn ich auch. Genau so.

Braun: Und ich glaube, das ist wichtig. Einerseits finde ich das auch schön, dass man sich da auch immer outet, dass man das auch mal sagt, weil die Studierenden haben sicherlich auch manchmal das Gefühl, die Personen sind vielleicht unnahbar, aber es soll gar nicht so sein. Also, wir sind auch, wir versuchen, auf Augenhöhe mit den Studierenden in die Lehre zu gehen. Das genauso wie aber auch in der Forschung logischerweise und aber da auch zu zeigen, dass wir nicht auf alles eine Antwort haben, dass wir sie brauchen, um auch Antworten zu finden auf gewisse Fragen, die wir uns stellen. Insbesondere ja bei diesen Themen, die wir ganz kurz vorhin angeschnitten haben, auf die es jetzt auch grade in der Politik noch keine richtigen Antworten gibt oder noch keine Antworten im Allgemeinen, weil sie noch gar nicht erprobt waren, um sie vielleicht auch anwenden zu können Mit all den Konsequenzen, die es dann mit sich bringt, ohne da jetzt konkrete zu nennen.

Und so ist es bei uns in der Lehre natürlich auch. Und das macht Spaß. Und das das bringt's natürlich dann auch wieder zurück zum Handwerk, also dieses Risiko von David Pye, von dem er gesprochen hat. Weil es kann ja auch mal nach hinten losgehen. Es kann ja auch mal sein, grade in diesem Projektstudium, dass man versucht, etwas vielleicht dann auch empirisch oder mit Material im Digitalen, z.B. stellen wir uns jedes Mal die Frage, hey Mensch, funktionieren denn diese Modelle, die wir jetzt seit Jahren physisch am Modell praktizieren, im Digitalen genauso? Also, wenn’s plötzlich Nicht-Materielle — Also, klar, jetzt kann man natürlich sehr weit zurückgehen und sagen, na ja, etwas Digitales ist ja auch irgendwo auf einer Festplatte gespeichert, selbst wenn's in der Cloud ist, ist es irgendwie auch physisch und hat natürlich auch Konsequenzen wie riesige Serverräume, wo dann ja auch letztendlich digitales Material gespeichert wird. So ganz digital ist es ja dann auch nicht. Aber, wenn wir —

Frisch: Sehr interessant.

Braun: Einen Entwurf sehen, der eben jetzt nicht als Modell vor uns steht, den wir körperlichen können, sondern wenn wir ihn einfach als Rendering sehen, als visuelle Darstellung auf einem Bildschirm, braucht es natürlich andere Methoden, es für sich zu erschließen, zu verstehen, als wenn man es natürlich handwerklich baut. Und genau diese Fragen stellen wir uns gemeinsam mit Studierenden. Also, wir begehen uns einfach, wir haben natürlich dann manchmal schon vorbereitete Antworten, wäre auch schlimm, wenn nicht. Oder reden von der Best Practice oder vom State of the Art und so. Aber wenn man's dann konkret hier anwendet, dann braucht's die Studierenden. Die uns dann diese Antworten vielleicht geben und zeigen und dann dadurch ja auch die Lehre lenken mit den Impulsen und das finden wir sehr wichtig und sehr schön. Und das macht's dann auch intensiv. Denn in dem Moment, wenn sich die Studierenden auch mit einbringen können mit ihren Themen, egal, ob das jetzt tatsächlich dann schon inhaltlicher Natur ist oder anhand von diesen vielleicht Vorgaben, die sich dann in den Modulkatalogen dann vom Semesterbeginn an schon vorkonfektionieren, sag ich mal. Aber in dem Moment wird's dann eben sehr, sehr spannend und schön, weil es dann eben diese intrinsische Motivation in den Studierenden auflodern lässt.

Also, das Thema Transformation hast du angesprochen. Da gibt es bei uns an der Fakultät und im Studiengang sehr viele Projekte bspw., die sehr materialbezogen sind. Also, wenn wir über Nachhaltigkeit in der in der Produktkultur sprechen, meinetwegen ja sehr bemüht sind solche Themen wie Verpackungen. Oder allgemein in der Produktion Material, das vielleicht auch Verbrauchsgut ist, also nicht dauerhaft wie ein Möbel bei uns verweilen, sondern etwas, was verbraucht wird und wenn das natürlich aus Material hergestellt wird, das nicht recycelbar ist, Methode cradle to cradle von Michael Baumgart, also etwas von der Wiege zur Wiege hergestellt wird, also wie die Früchte am Baum, so beschreibt er's, Überproduktion, total bunt, total viel, viel zu viel Völlerei. Fällt aber aufn Boden, auch wenn's nicht genutzt wird, wird es wieder zur Erde, wird dann wieder zu einer Frucht im nächsten Frühjahr, im Sommer.

Frisch: Kreisläufe.

Braun: Kreisläufe.

Frisch: Also, ich würde sogar sagen, selbst Möbel werden verbraucht, aber in anderen Zeiträumen.

Braun: Ja. Leider mittlerweile schon. Ja. Und das Schöne daran ist, dass es ja dann auch unterschiedliche Lehrende gibt. Und Profis, Theoretiker, Praktiker, die dann sagen, ja, cradle to cradle ist die Antwort schlechthin und andere sagen wieder, nein, das kann nicht sein. Und was sagt man dann in dem Moment als Lehrender? Dann sagt man: Hey, les mal das Buch von Michael Baumgart, Cradle to Cradle. Und dann liest man vielleicht Harald Weltzer und er sagt dann: Hey Transformation und —

Frisch: Und was denn jetzt?

Braun: Und was denn jetzt?

Frisch? Aber da sind wir und das ist eigentlich ganz schön, die Zeit rennt uns auch 'n bisschen davon, aber nee, tatsächlich die Zeit ist uns davongelaufen.

Braun: Ja, ja.

Frisch: Ich darf das vielleicht alles, was wir nicht, ich darf das - ich will’s nicht runterbrechen, aber was wir grade aufgestoßen haben in diesem Gespräch, ist das Prozessuale. Und die ganze Universität und die Lehre, also das Lampenfieber hab ich ja deswegen, weil es jedes Mal neu ist. Und ich hab mich lange gefragt, wann hört das auf und ich kann's endlich? Bis ich gelernt habe, dass das ist es, dass es nicht aufhört und das Lampenfieber zu nehmen und darin liegt das Können der Lehre, in dem Prozess zu sein und eben nicht aufzuhören, im Prozess zu sein. Und ich glaub, dass das Besondere an der Universität ist, also viele, viele Institutionen, viele, viele Phänomene haben das auch, viele. ber die die die Universität als Prozess wahrzunehmen, ist, glaube ich, eine sehr hilfreiche Perspektive, weil wir dann mal aus manchen Problemen, die wir meinen, wir hätten sie oder sowas rauskommen und gleichzeitig ist das ja das Beglückende daran, dass wir wirklich junge Leute und alte Leute und mittelalte Leute und Leute aus verschiedenen auch letztlich Statusgruppen, aber auch in gewisser Weise sind wir doch einigermaßen diverser Haufen, wenn wir alle reinnehmen, die an einer Universität beteiligt sind, also wenn wir morgens das Licht anmachen und abends das Licht wieder ausmachen, alle mit reindenken. Dann sind wir doch 'n ziemlich diverser Haufen —

Braun: Das stimmt.

Frisch: Der ständig im Prozess ist und dieses Prozessuale ist, glaube ich, das Faszinierende und Lebendige und das zu kultivieren, bewusst zu kultivieren, könnte eine sehr, sehr schöne Perspektive sein. Ich glaub, das macht uns Lehrende auch so glücklich, dass wir diesen Prozess erleben, wenn wir uns auf die Lehre und auf den Prozess einlassen, oder?

Braun: Absolut. Also, ich stimme dir zu. Das war wahrscheinlich schon 'n Schlusswort, oder? Ich will das — [lacht]

Frisch: Du darfst dir, du darfst das Schlusswort, also du darfst dazu noch was sagen, aber natürlich, ich hab ja grad gesagt, die Zeit ist —

Braun: Ja, ja, eben deswegen. Ja, schade, es macht so viel Spaß.

Frisch: Sehr schade, ja.

Braun: Aber eigentlich, genau, als letzter Satz, also das, was eben dann Spaß macht, diese unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen zu sehen, aufzuzeigen, zu diskutieren mit den Studierenden und dann aber zu sehen, wie sich daraus eine Haltung entwickelt von den Studierenden, ne. Also das heißt, es gibt hier kein Richtig oder Falsch, was wir sagen. „Das ist richtig, das ist falsch.“ Nein, wir zeigen auf, wir öffnen Türen, wir zeigen Wege, wir gehen vielleicht 'n Stück mit. Aber dann zu sehen, wenn die Studierenden eine eigene Haltung, ein eigenes künstlerisches Werk, ja, also, eine einen eigenen Anspruch entwickeln oder thematisch sich irgendwo festbeißen und dort vielleicht so ein kleiner Profi, um dort so ein zum Profi zu werden, dann, glaube ich, ist die Lehre schön. Dann ist die Lehre erfolgreich gewesen, vielleicht für uns oder für mich, ja.

Frisch: Ausgezeichnet, lieber Micha, lieber Michael, lieber Mick, ich danke dir für das schöne Gespräch.

Braun: Ich danke dir, lieber Simon.

Outro: Das war Zwischen Magie und Handwerk, ein Podcast über Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar. Neue Folgen erscheinen wöchentlich auf allen gängigen Podcast Plattformen. Abonniere den Podcast, keine weitere Folge zu verpassen.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.