Ep. 24 – Gespräch mit Jürgen Rösch

Shownotes

Zwischen Magie und Handwerk… und Spaß? In dieser Episode gehen Simon Frisch und Jürgen Rösch der Frage nach intrinsischer Motivation auf den Grund. Wann lerne ich eigentlich (gerne) und warum? Und inwiefern kann man zwischen Spaß und Interesse unterscheiden? Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen einer disziplinierten und eigenständigen Arbeitsweise im Studium und einer Rahmung durch Universität und die Lehrenden?

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Fotografie: Hélène Dal Farra Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

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Episode xy – Gespräch mit Jürgen Rösch

Frisch: Das Mikrofon geht auf und zwei Stimmen treten auf und diese Stimmen gehören Personen und wir müssen kurz ein bisschen charakterisieren, wer die sind, denn sonst kann man an alles mögliche denken. Wir haben viele, viele personae und nicht immer haben wir alle dabei, wenn wir in einer Situation sind. Heute an diesem Mikrofon, diese Stimme, die Ihr oder Sie jetzt hören, gehört Simon Frisch, Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität und Dozent für Film- und Medienwissenschaft. Schon seit über 20 Jahren in der Lehre tätig und mich interessiert, was Lehre ist. Und als diese beiden personae, vielleicht, bin ich da und ich freue mich auf das Gespräch mit Jürgen Rösch. Als wer bist du denn heute alles da?

Rösch: Ja, erstmal Hallo auch an alle. Auch verschiedene Personen, die ich hier mitbringe als Lehrender natürlich, in meiner Funktion als Juniorprofessor hier. Aber auch natürlich als Lernender, ein bisschen auch als Vater von fast schulpflichtigen Kindern, die auch immer lernen wollen. Bin aber auch hier als Fragender, ein bisschen als Suchender, der ganz viele Möglichkeiten in der Lehre sieht, die sich ergeben, die sich auftun und ich mich frage, wie kann ich die nutzen? Wie kann man davon profitieren? Was ist vielleicht aber auch gut? Was muss behalten werden? Und vor allem bin ich auch hier ein bisschen als Beginner, als Anfänger, als Podcast-Neuling. So viele Podcasts habe ich noch nicht aufgenommen. Deshalb freue ich mich, Simon, dass ich mit einem erfahrenen Podcaster hier anfangen kann und starten kann.

Frisch: Ja, Erfahrung hat ja immer die Gefahr, zur Routine zu werden und tatsächlich sind wir da auch schon fast beim Thema „Lehre“. Wer lange lehrt, kann es irgendwann, aber vielleicht verlernt das genau im Können wieder. Allem Anfang, du hast gerade gesagt, allem Anfang wohnt ein Zauber inne.

Rösch: Herman Hesse.

Frisch: Und der Zauber ist natürlich der, dass man im Anfang alle Sinne so wahnsinnig geschärft und offen hat, weil man meint, auf alles achten zu müssen. Und das hat eine unheimliche Gegenwartserfahrung.

Rösch: Und ein bisschen Nervosität.

Frisch: Das ist die Nervosität, richtig. Die Aufregung, richtig? Ja, genau. Die Nervosität, die einen wachsam macht. Die Angst macht einen ja auch wachsam und es ist ja auch immer ein bisschen Angst dabei. Und tatsächlich, es hat eigentlich bei mir nie aufgehört. Wenn ich das noch aufnehmen darf, den Ball, den du mir gerade zugespielt hast. Es ist immer ein bisschen Angst vor der ersten Stunde, wenn das Semester wieder losgeht. Wer sitzt da, wie machen die es? In Welche Richtung läuft es? Wird es gelingen, wird es misslingen? Was immer das ist, was da gelingt oder misslingt.

Rösch: Mir wurde mal gesagt am Anfang, also als ich angefangen habe, auch zu lehren an Universitäten, dass es schwierigste ist, die Ruhe auszuhalten, wenn man da vorne steht, gerade am Anfang des Semesters, gerade vor einem großen Kurs, da steht man und dann... muss man erst mal…

Frisch: Entsetzlich. Ich entsinne, da habe ich eine ganz furchtbare Lehrerfahrung. Eins meiner ersten Seminare. Genau diese. Es waren, glaube ich, 40 Leute da. Das hatte mit vielen Dingen zu tun, auch weil da so viele Studierende in diesen Studiengängen waren. Und ich habe eine Frage gestellt und es wurde still. Oder vielmehr, es war gar nicht laut vorher. Es blieb still und es war still. Und es war still. Und es war still. Und ich habe mich gefühlt wie in diesem Konzert The Wall, glaube ich. Die haben, glaube ich, da so eine Wand hochfahren lassen während in Berlin damals und so fühlte sich das an. Und ich hörte förmlich die Maschine, wie diese Wand. Und irgendwann stand ich da und vor mir die Wand und hinter der Wand die Studierenden. Gefühlt.

Rösch: Hast du es ausgehalten, die Stille?

Frisch: Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich bin jedenfalls. Ich habe sie nicht ausgehalten, hab sie aber irgendwie versucht zu halten. Aber es ging über meine Kräfte. Es war. Und das ist wirklich eine interessante Situation. Plötzlich entstand „die und ich“. Es entstand eine Konfrontation. Und viel später konnte ich das beschreiben, was da passiert ist, als ich nämlich das Aushalten gelernt habe. Also einfach still bleiben reicht nicht, man muss noch was anderes tun. Und das wusste ich damals noch nicht. Ich muss sozusagen… Wie soll ich sagen. Klingt jetzt so poetisch, aber wir haben ja schon mit Hermann Hesse angefangen. Ich muss sozusagen das Wort in den Raum geben und die müssen es aufnehmen können. Ich habe es aber bei mir festgehalten und habe gehofft, jetzt müsst ihr was sagen. Und ich würde es auch heute so beschreiben: Die haben mich alle gefragt: „Aber was denn? Wir wollen dir helfen, aber du bist so unsicher da vorne, dass wir dich jetzt nicht aus dem Konzept bringen wollen!“ Also so könnte man wirklich die Szene beschreiben. Und darin ist diese... In dieser Situation, diese Wand aufgefahren. Und dann habe ich irgendwann jetzt weiß ich alle, ist es interessant, wie wenn man von einem Traum aufwacht. Ich weiß nicht, wie es ausgegangen ist. Ich stehe da heute nicht mehr. Ich kam irgendwie aus dem Raum raus, aber ich weiß nicht mehr wie.

Rösch: Manchmal nachts stehst du noch da... [lacht] Ich finde es nämlich ganz spannend. Das ist gar nicht das, was ich jetzt geplant hatte. Aber da ist ja auch eine gewisse Magie drin, in dieser Stille. Diese auszuhalten und dann zu sehen, was passiert, wenn man eine Aufgabe gibt, wenn man eine Frage reinwirft und dann legen die auf einmal los, sozusagen. Und das ist wieder was, was Lehre auch sein kann.

Frisch: Ja, wenn dann auf einmal wirklich das Wort gefunden wird und aufgenommen wird und dann kommt es mit einer anderen Stimme im Raum. Und dann kommt da was. Und dann kommt es auch irgendwie darauf an. Also, das habe ich auch inzwischen so, ich kann das mit dem Aushalten nicht mehr so gut. Das habe ich auch gemerkt. Also das ist das mit dem Können. Irgendwann konnte ich das mit dem aushalten, da habe ich mich hingestellt, dann war ich im Grunde weg. Und dann habe ich gedacht, ihr seid unter euch, das Thema interessiert euch, jetzt könnt ihr anfangen darüber zu reden. Und tatsächlich habe ich dann gemerkt, dass das, es ist wirklich wie Magie, dass dann plötzlich das Kraftfeld dort ist und die fangen an drüber zu reden, weil es irgendwie sich überträgt. Jetzt fange ich an, viel zu schnell zu sagen, kann auch irgendwas sein, vielleicht auch in einer anderen Richtung und so weiter und so weiter. Wo ich dann auch merke, warum sagen die nie was? Bis ich merke, ich lasse ja gar keine Pause. Also, ich bin ja gar nicht ruhig.

Rösch: Ja, ganz interessant, weil es ist ja beidseitig die Lehre dann. Es geht in beide Richtungen. Und das war auch, also ich habe mich ja die Podcasts natürlich angehört, größtenteils, die ihr bisher aufgenommen habt. Und ich habe mir überlegt, was ist Magie eigentlich in der Lehre? Also, er heißt ja Zwischen Magie und Handwerk. Und was ist diese Magie? Darüber habe ich irgendwie viel nachgedacht.

Jetzt in Vorbereitung für den Podcast. Und vielleicht noch eine zweite Frage, die ich mir auch gestellt habe, vielleicht ganz interessant. Man macht sich ja Gedanken, wenn man in den Podcast reingeht, natürlich. Auch die Frage, und das war jetzt nicht, dass es bei jedem Podcast bisher so war, aber bei einigen hatte ich das Gefühl, das rauszuhören, dass Lernen, dass es irgendwie Spaß machen muss. Lernen, lehren vor allem nicht mal unbedingt, aber dass es Spaß machen muss. Und darüber habe ich viel nachgedacht, tatsächlich.

Frisch: Das ist sehr schön, dass endlich mal jemand kommt und nach dem Spaß fragt. Nein, sehr schön, tatsächlich, ganz ernsthaft, so, womit? Welches Thema? Magie und Spaß. Magie und Spaß.

Rösch: Ich glaube, durch die Magie kann Spaß entstehen, aber ich glaube, dass man bei der… nicht?

Frisch: Ich glaube nicht. Ich glaube, das sind wirklich verschiedene Register. Und ich finde es wirklich ganz schön, jetzt mal darüber nachzudenken, ob Spaß eine Kategorie ist, die uns was hilft, wenn wir lehren.

Rösch: Sehr interessante Frage. Also, ich glaube nämlich nicht, dass wir Entertainer sind in dem Sinne, dass wir in gewisser Weise das Gleiche anbieten wie Konsum. Und das ist auch der dritte Punkt. Über den ich nachgedacht habe, vielleicht ein bisschen viel für einen Podcast, aber es sind die Themen, die mir durch den Kopf gegangen sind. Hab ein Buch gelesen und es hat im Wesentlichen die These, The Abandoned University, dass die universitäre Lehre disrupiert wird, wie die Medienbranche zum Beispiel. Und als Medienökonom ist das natürlich was, was man vor Augen hat, die Medienbranche. Und da frage ich mich immer, das geht ein bisschen in eine andere Richtung. Also, so ich interpretierte das Buch, aber das ja ein deutlicher Unterschied ist zwischen –

Frisch: Ganz kurz, das ist von wem?

Rösch: Michael Smith heißt der.

Frisch: Michael Smith, okay.

Rösch: Und weil eben, also ich glaube, sowohl, dass Lernen was anderes ist als Konsumieren eben. Und dass es eben immer mit Aufwand verbunden ist, mit Schwierigkeiten verbunden ist, mit Widerständen vielleicht sogar in sich, die man überwinden muss, dass man vielleicht auch eine gewisse Durststrecke erstmal laufen muss, bis man zu einer Erkenntnis kommt. Und da war eben diese Überlegung, dass diese Strecke vielleicht nicht nur Spaß ist, eben. Nicht nur Entertainment, sondern sehr anstrengend sein kann für alle.

Frisch: Ist ein sehr, sehr schöner Gedanke und wir kommen so früh im Gespräch schon drauf, auf so einen schönen Gedanken. Ich denke es, ganz oft sitze ich im Seminar und es entsteht dieses Schweigen und die Leute schauen mich an oder eben gar nicht mehr mich, ihr Handy oder was und so weiter. Und ich habe manchmal den Eindruck, um jetzt mal so eine Situation so ein bisschen murrend zu beschreiben, ich muss gegen die anderen Entertaining, oder nicht die anderen, sondern ich muss gegen Entertaining-Kräfte oder Faktoren oder Institutionen ankämpfen und dann auf der Ebene des Entertainings da ziehen oder zerren. Aber was ich anzubieten habe, ist blood, sweater and tears. Also was ich anzubieten habe, sind aber Gelände, sind Wände, die keine Spaziergänge, da sind keine Pfade eingezeichnet, sind vielleicht morastige Wege, sind mitunter auch widrige Wetter und solche Dinge. Und es sind einfach nicht angelegte Parks, durch die man wunderbar laufen kann. Mitunter ja, aber mitunter auch nicht.

Und ich habe oft das Gefühl, das Bild, nicht das Gefühl, das Bild vom Goethe-Park im Kopf, durch den man so wunderbar wandeln kann. Ist alles sicher, das Gelände ist perfekt und oft ist Lehre auch so. Die Leute müssen sich darauf verlassen können, dass das hier alles wohin läuft, aber sie müssen auch in die Wildnis, auf dem Acker, am Abgrund oder sowas ab und zu mal landen. Oder auch vielleicht muss man sich da immer mehr heranfühlen, wo man dann sagen muss, ich muss jetzt anfangen selber aufzupassen. Also nicht Here we are. Now entertain us. Wie das Nirvana mal gesungen hat. So fühlt sich's aber oft an. Da kommen die rein, setzen sich hin und sagen: Mal schauen, was er heute für eine Show bringt. Ich bringe keine Show. Das finde ich einen guten Gedanken.

Rösch: Also das fand ich auch ganz schön, was du gerade gesagt hast. Man konkurriert ja live im Lehrraum um die Aufmerksamkeit.

Frisch: Richtig, stimmt.

Rösch: Um die Aufmerksamkeit mit sehr leicht zugänglichen, sehr leicht verdaulichen, sehr personalisierten Inhalten auch. Also wie du sagst, die sitzen, machen Social Media, chatten und so weiter. Und das ist ja auch meine Überlegung. Es ist ja was anderes, was wir machen. Und es erfordert Aufwand, Effort der Lehrenden, aber auch der Lernenden, dass man da reingeht. Und ich denke gerade noch über dein Bild nach, über die morastigen, über die matschigen Wege im Goethepark sozusagen.

Frisch: Ah ja, im Goethe Park.

Rösch: Oder was du gerade, dein Bild, das du gerade verwendet hast.

Frisch: Gefällt mir auch.

Rösch: Dass man aus diesem Weg rausgeht, dass man mal einen anderen Weg geht. Und ich überlege gerade, weil ich hatte so eine Bergsteige-Metapher im Kopf auch, dass man den Berg hochgeht und dass das Aufwand ist und dass man dann in gewisser Weise belohnt wird, auch wenn man da oben steht. Auch beim Radfahren, beim Rennradfahren oder so macht man das ja ganz gerne. Man strampelt da den Berg hoch.

Frisch: Schön!

Rösch: Und dann habe ich mir jetzt überlegt, weil ich habe so ein bisschen ein Problem mit dem Bild, sowohl mit dem Berg-Bild, vielleicht auch mit den mit dem morastigen Wegen. Was macht man denn dann oben am Berg? Man geht wieder runter.

Frisch: Aber da habe ich gerade drüber nachgedacht, das stimmt schon. Aber man hat natürlich eine Übersicht und man kennt jetzt diesen Berg und man bewegt sich über diesen Berg das zweite Mal schon ein bisschen und so weiter. Geübter. Man fängt an, auch in sich aufzunehmen, diese Bewegung und den nächsten Berg, weil man ja nicht nur hoch läuft, sondern währenddessen ja auch die ganzen Muskeln und so weiter und so weiter bewegt und trainiert. Und wenn man das oft macht, geht man sehr leicht auf einen Berg. Also, das ist auch tatsächlich eine Kompetenz, die ich inzwischen jetzt, sagen wir mal, in meinem Bereich, was ja eine theoretische Wissenschaft vor allem ist, aber eben auch Filme anschauen, wo ich auch inzwischen wieder eine Wertschätzung dafür habe, dass das Anfängerinnen und Anfänger sind, wo ich merke, das, was ich kann, kann man nicht einfach, sondern das habe ich mir erworben. Und das muss ich mir aber erinnern, dass man das erwerben muss.

Also, wenn ich sage: „Komm doch einfach rauf auf den Berg, das ist doch nicht so schwer“, weil ich schon lauter Filme angeschaut habe und so weiter und viele Texte gelesen habe, sage das steht doch drin, lies es doch einfach. Darf ich nicht vergessen, dass ich mir ja die Kräfte, also die Muskeln oder was auch immer organisiert habe, mit denen mir es gelingt, diesen Berg zu ersteigen. Wohingegen die anderen sagen: „Oh Gott, also mein Fuß lernt gerade dieses Gelände hier kennen und wie kann ich denn hier stehen? Was ist trittfest, was nicht?“ Und so weiter. Und ich sehe das schon. Also ich bin jetzt kein Kletterer, aber durch einen Film komme ich mehr oder weniger, da lege ich die Hand hin, hier gucke ich hin, jetzt weiß ich schon.

Und so weiter und so weiter. Und ich kann dann irgendwie folgen. Und die anderen sagen, ja, ich fand das doof, dass der Typ so gemein war. Und natürlich die vordergründige Hand. Und dann eben zu wissen, zu sagen: Das lohnt sich, hier weiterzugehen und weiterzugehen. Man hat also eine Übersicht und man entwickelt Kräfte und kann dann Berge besteigen.

Rösch: Also ganz spannend, weil ich habe über das Bild mit dem Berg eben nachgedacht und habe mir gedacht, das ist eigentlich eine schöne Metapher. Und eben auch mit Technologie, da wollen wir auch noch drüber reden, könnt ihr auch mit dem E-Bike hochfahren. Aber jetzt, was du gerade erklärt hast, und das finde ich ganz schön, weil das war auch so das, was ich mir überlegt habe. Eigentlich geht es ja mehr darum, Fähigkeiten zu entwickeln. Und nicht mal Fähigkeiten, sondern Möglichkeiten aufzutun, Möglichkeiten zu zeigen. Und das ist ja eine Sache. Ich habe eben auch über diesen Magiebegriff in der Lehre nachgedacht.

Wie wird da Magie draus? Wie wird aus so was Alltäglichem für uns, wie wird da Magie? Und ich glaube, die Magie entsteht dadurch, dass – oder wenn man jetzt annimmt, dass nicht jeder Studierende, jede Studierende genau weiß, was sie wollen, und dass wir ihnen einfach nur das Wissen geben, weil die wollen eine bestimmte Sache machen und wir bilden sie genau für diese eine Sache aus und dieses Wissen geben wir ihnen. Sondern wenn wir uns vorstellen, dass wir Möglichkeiten schaffen, dass wir Möglichkeiten-Räume aufgeben, dass wir was zeigen, was sie davor vielleicht nicht wussten, was wir vielleicht auch gar nicht wussten. Auch dieser Serendipity Gedanke, dass man sozusagen in was reinstolpert, ohne dass man das so speziell gesucht hat, ohne dass man wusste, dass man genau das sucht. Und dafür muss man natürlich Wege gehen, dafür muss man stolpern können, dafür muss einen jemand dazu bringen, Wege zu gehen, wie du es gerade beschrieben hast, die man vielleicht typischerweise nicht gehen würde.

Wege zu gehen, die vielleicht unangenehm sind, die vielleicht sogar schwer sind. Eben so eine Bergbesteigung dann auch. Und dass man da durch muss, den Text zu lesen, wie du gerade gesagt hast, den Text, den hätten die vielleicht nie gelesen, hätten wir nicht gelesen, wenn uns nicht irgendjemand dazu gezwungen hätte, mal diesen Text zu lesen. Und dann auf einmal entdecken wir was in dem Text, womit wir nicht gerechnet haben, womit wir auch nicht gerechnet haben. Vielleicht würde ich jetzt zumindest bei mir traf das schon oft zu, auch ich kann immer nur für mich reden, nicht für alle anderen.

Frisch: Aber das teile ich.

Rösch: Dass man was entdeckt, was man davor vielleicht gar nicht wusste, dass man das Studium begonnen hat mit einer Vorstellung, aber auf dem Weg wo ganz anders rauskommt. Und das ist, finde ich, das Spannende. Also nicht nur ein Guide, der den genauen Weg beschreibt von A nach B, sondern der einem sagt: Komm, wir machen uns auf den Weg und wir entwickeln den Weg dabei sozusagen.

Frisch: Das ist ziemlich interessant, weil mich das an eine Studiensituation erinnert. Da haben wir Filmanalyse betrieben und dann haben wir eine Szene immer wieder angeguckt und so weiter. Und irgendwann ging es darum, aber warum soll ich das alles wissen und so und so. Und da haben so Studierende gefragt. Ich selbst saß da nur am Rande, also ich entsinne mich da als Beobachter der Situation und der Dozent hat immer gesagt: Naja, weil ich dann sehen kann, wie es gemacht ist und weil ich dann was über Hollywood herausfinde und so weiter. Und das irgendwann kam so: Aber warum? Warum? Wie das manchmal bei kleinen Kindern ist. Mal schauen, er reagiert immer. Das Wort warum macht immer eine Kommunikation. Das ist ja bei Kindern, die wollen ja gar nicht wissen, warum. Die sagen: Warum? Weil der Apfel halt reif geworden ist. Warum? Dann fällt er vom Baum. Warum? Wo du sagst: Hörst du mir überhaupt zu oder geht es einfach nur ums nächste Warum?

Rösch: Ja, ich kenn’s!

Frisch: Und das hatte so was davon. Und gleichzeitig hat dann irgendwann der Dozent gesagt: Naja, das muss natürlich am Ende jeder selber wissen, warum er hier Filmwissenschaft oder Kulturpädagogik war das in dem Fall, studiert oder sich mit Sachen beschäftigt.

Ich fand, du hast es gerade anders gefasst und das gefällt mir eigentlich sehr gut zu sagen: Nein, wir wissen es nicht selber. Und das ist teilweise Aufgabe von uns Lehrenden, eigentlich die Leute oder uns alle mit den Themen der Welt zu verbinden, weil wir es noch nicht wissen. Und das ist interessant. Wir können es zum Teil einfach noch nicht wissen, weil wir zum Teil die Fähigkeiten und die Kräfte noch nicht haben, das zu wissen.

Deswegen kommen viele Studierende eben doch da rein. Sie sagen zwar nicht Here we are. Now entertain us. Aber sie sagen: Welche Texte sollen wir lesen? Und da habe ich auch schon mal ein bisschen zu früh gesagt, Sie müssen fragen: „Welche Texte wollen wir lesen?“ Das ist aber nicht ganz richtig. Wir müssen auch den Leuten sagen, was zu tun ist und dann nach einiger Zeit, um jetzt auf den Berg wieder zurückzukommen, dann können die auf einmal sagen: Mich interessieren andere Berge oder ich will mal da lang gehen oder ich will mal was ausprobieren.

Rösch: Du hast was ganz interessantes gesagt, Entschuldigung, wenn ich kurz unterbreche, weil du hast gesagt, wir müssen, wir müssen denen was anbieten. Jetzt ist es so, ich habe mehrere Gespräche auch in Vorbereitung jetzt geführt, z.B. einer Kollegin, der Maxi auch gesprochen. Die hat gesagt, die hat beschrieben, wir können uns ja frei aussuchen, was wir studieren. Das kostet noch nicht mal wahnsinnig viel zu studieren. Das heißt, das ist schon eine frei, also weniger der Zwang, das zu lernen. Aber wenn man sich für den Studiengang entscheidet, dann bieten eben verschiedene Dozentinnen und Dozenten bieten dann verschiedene Wege an und dann muss man – Also ich glaube, da sehe ich jetzt dieses Muss weniger als dieses „wir müssen die nehmen“, sondern wir bieten Wege an. Wir bieten Wege an, die man gehen kann. Und ich glaube, dass – ich mache auch viel mit Formeln immer. Ich zwinge die zu rechnen und viele wollen nicht rechnen. Und ich sage, es hat aber einen Grund. Also, ich möchte das aus einem Grund mit euch machen. Ich möchte euch eine Methode zeigen. Ich möchte euch die Denkweise beschreiben und ich nehme die mit auf einen Weg. Der gefällt nicht jedem, nicht jeder. Muss auch nicht, meiner Meinung nach. Aber manchmal hat man ja dann diese Momente. Also, als Student erinnere ich mich daran, dann sitzt man in so einem Seminar, man versteht nicht alles, oder in der Vorlesung. Man macht mit, aber man merkt, da steckt irgendwas drin, da interessiert mich was, ich weiß aber noch nicht ganz genau, was es ist. Und da ist dann so, das ist für mich Serendipity, könnte man sagen.

Ist aber auch ein magischer Moment, oder? Weil man was geschaffen hat, wo man sagt, hätte ich jetzt gar nicht mit gerechnet. Und jetzt sitze ich hier und rechne Formeln aus und irgendwie denke ich, da steckt was drin und ich möchte wissen, was ist das?

Frisch: Was ist da eigentlich drin? Das finde ich total gut. Das ist vielleicht die Magie und deswegen, vielleicht gibt es das Wort Serendipity eigentlich. Oder das Konzept ist so populär geworden, weil wir vielleicht die Prozesse des Magischen verlernt haben, also auszuhalten oder sowas wie die Stille im Raum, weil wir ja oft sagen: Ihr braucht es, damit dann um-zu. Also wir haben so wahnsinnig viel um-zu. Also, so könnte man es korrelieren, dass man sagt, vielleicht hängt das mit so einer Um-zu-Erfahrung dazu, was muss ich studieren, damit ich dann? Aber was du gerade beschrieben hast, hört sich für mich eher nach oder habe ich jetzt so verstanden, dass du in einen Prozess reinkommst, in dem dich was interessiert. Wo du gar nicht weißt, was dich daran interessiert und wo das hinführt, sondern es ist einfach, es ist so ein frei fliegendes Interesse, was aus der Gegenwart heraus sich speist und nicht hin auf einen Zweck, auf eine Zukunft, auf „das wird mal mein Werkzeug“ und so weiter. Und das ist möglicherweise eine Art und Weise einer Selbsterfahrung, die was mit großem Gegenwartserfahrung zu tun hat und gleichzeitig aber auch eine Selbsttätigkeit aller möglichen Kräfte, die jetzt im Errechnen der Formel oder was immer das dann ist, sich auf einmal so zeigt oder entfalten darf.

Rösch: Also, ganz, ganz interessant, wenn ich so höre, wie du das gehört hast, was ich gesagt habe, sozusagen, es kann beides sein. Also es kann eine ganz klare Um-zu-Ausbildung, sage ich jetzt mal, sein. Vermittlung von Skills, Vermittlung von Fähigkeiten, die ganz konkreten Nutzen haben, die man auch ganz konkret einsetzen kann. Das ist aber, glaube ich, nicht alles. Das ist das Handwerk sozusagen, wenn man jetzt in diesem Podcast bleiben würde.

Frisch: Ach, schön.

Rösch: Und ich glaube, das ist auch notwendig. Ich glaube, ich denke jetzt gerade live darüber nach, sozusagen, was du gerade gesagt hast. Und ich glaube, dass es schon ein ganz, ganz wichtiger Teil ist, oder diese Um-zu-Ausbildung auch, dass man was lernt, was auch nützlich. Also, es darf ja auch nützlich sein, dass man was lernt, was man anwenden kann unter Umständen, das wohin führt. Das ist ja ein Weg, den wir gehen. Das ist der Weg, den du beschrieben hast. Aber da gibt es eben noch dieses zweite Element, dass dabei Dinge dabei sind, die man entdeckt, die über diese Nützlichkeit hinausgehen. Und ich glaube, das ist das Entscheidende dann, oder? Also ich glaube, nur das Nützliche oder nur das Magische, das wäre so beides. Das eine ist so ein Selbsterfahrungstrip, das andere eine Berufsausbildung, sage ich mal, die ich auch durchlaufen bin. Deshalb kann ich da vom Fach sozusagen sprechen. Und wenn man das eben zusammenbringt, das ist ganz interessant, das muss nicht getrennt sein, oder? Würdest du das auch so sehen?

Frisch: Absolut, da bin ich völlig bei dir. Das eine wollte ich nicht ausschließen, indem ich das andere profiliert habe, weil wie kommt man denn auf den Weg? Also, das Schwierigste ist tatsächlich, seinen täglichen Spaziergang zu machen, wenn man das gar nicht machen muss. Man geht einmal um den Block oder man geht einmal irgendwohin, aber man geht ja gar nicht wohin, sondern man geht einmal rum. Man geht so rum. Und das ist dann so eine Praxis, die ist ja eigentlich dazu da. Aber ich habe jetzt gerade zum Beispiel ans Reiten gedacht. Also es gibt ja Leute, die reiten aus, die reiten ja auch nicht wohin. Aber man kann. Und da würde ich es, glaube ich, zusammenbringen, wenn das eben nicht der Selbstzweck ist. Und dann sind wir nämlich in der Lehre, dann sind wir auch, glaube ich, in der Universität, wo wir immer auch mit Bildung und Ausbildung zu tun haben und nicht nur einfach ein tätig sein, sonst sind wir im Kloster oder so. Also so ein tätig vor sich hin sein und dann irgendwie eine Praxis zu finden, die eigentlich immer nur in sich selbst ist. Das geht dann in Richtung Zen oder so. Aber hier sind wir ja in der Lehre und es geht darum, Kompetenzen, Fähigkeiten und sowas zu entwickeln. Und wenn ich jetzt, da habe ich jetzt gerade dran denken müssen, wie ich reite in die Stadt und dann kann es trotzdem passieren, dass ich im Reiten nicht mehr auf dem Weg in die Stadt bin, sondern das Reiten genieße. Und trotzdem komme ich dann aber in der Stadt an.

Rösch: Genau, genau. Es kann beides sein. Also finde ich ganz interessant, wie sich unser Gespräch so entwickelt hat. Wir entdecken ja auch, oder ich habe gesagt, ich komme auch als Fragender, als Neugieriger. Und ich habe, ich denke die ganze Zeit drüber nach. Angenommen, das ist jetzt so, wie wir das jetzt gerade analysiert haben, welche Rolle spielt dann Technologie? Also, diesen Gedanken nochmal aufgreifen, wie geht es eigentlich weiter? Weil da stecken ja unglaublich viele Möglichkeiten drin.

Frisch: Was genauer noch… zwei, drei Sätze mehr, was unter Technologie dir vorschwebt? Also, Technologien, Werkzeuge oder Technologien? Oder Technologien in der Lehre?

Rösch: Dass Wissen zugänglicher ist, als es jemals zuvor war, aufbereitet. Es gibt alles Wissen der Welt ist zugänglich für dich. Du müsstest nicht an die Universität kommen, um bestimmte Sachen zu lernen. Du könntest mehr oder weniger frei zugänglich alles machen.

Frisch: Das ist ziemlich gut. Passt auch zu, ich weiß nicht, ob wir da schon mal, denke ich auch sehr viel drüber nach. Was ist eigentlich mit den vielen Bibliotheken, die über herumstehen, schon länger, davor, jetzt mit dem Internet, da könnte man ja warum gehen denn die Leute überhaupt noch an die Universitäten? Jetzt könnte man sagen, wir stellen lauter Online-Kurse her und danach machen wir die Uni zu und wir sind unseren Job los oder wir haben frei oder was weiß ich. Weil ja unsere ganzen Lehrformate, die sind einmal formatiert und jetzt sind sie da an die Bauhaus-Uni, das ist eine Website und in der gibt es Kurse und dann kann man sich durchklicken und das sind Selbstlernkurse gibt es ja.

Rösch: Gibt es ja. Solche Konzepte gibt es. Ed-Tech Plattformen.

Frisch: Also. Richtig, gibt es, ja. Also, da muss jetzt natürlich schon ein Grund sein, in die Stadt zu reiten, damit man dieses Pferd nimmt und so weiter und dann Kurs für Kurs macht. Da ist glaube ich schon das Ziel ein Ziel. Also, das ist ja so, der Weg ist das Ziel, aber auch das Ziel ist das Ziel und dann macht man sich auf den Weg zum Ziel an der Stelle. Also, ich glaube, worüber ich gerade spreche, ist die Motivation oder auch die Relevanz, das zu tun. Und in der Lehre, die wir an der Universität gestalten, spielt, glaube ich, die Beziehung als soziale Interaktion, wir jetzt hier im Raum nochmal eine große Rolle, die zu einer Motivation führt, die weniger, also für eine Bildung, für einen Bildungsweg oder für einen Ausbildungsweg, der weniger zweckgetrieben ist. Weil, also was ganz interessant ist oder was mir dazu mal eingefallen es gibt in dem Buch Der Ekel von Sartre eine Figur, das ist der Autodidakt. Und der eine geht immer in die Bibliothek und holt sich die Bücher, die er braucht, weil er halt irgendwie da was studiert und macht und so weiter und er verfolgt was.

Das heißt, diese Bücher werden zusammengestellt in Hinsicht auf einen Pfad, der existiert, ein Interessenspfad, ein Zweckpfad, was auch immer. Also der Ritt in die Stadt. Der andere, der Autodidakt, der liest ein Buch nach dem anderen, und zwar fängt er bei A an, also alphabetisch. Und vielleicht ist es der Unterschied zur Universität, das Wissen ist da, aber wer zieht jetzt Pfade ein? Wer sagt in welche Stadt und was mache ich dann in der Stadt? Was brauche ich da, was hole ich da? Und so weiter und so weiter. Sind das vielleicht Profilierungslinien? Und da ist es schon so, dass ich oft in vielen Gesprächen sind wir immer wieder draufgekommen, dass für bestimmte Bildungswege und für bestimmte Lehrzusammenhänge eben doch die Beziehung nicht nur zu den Lehrenden, sondern auch zu den Mitlernenden oder so weiter, zu den Dozierenden und so weiter in irgendeiner Weise eine Rolle spielt.

Rösch: Super spannend. Also weil erstmal ist es ja, können wir sagen, auch good news, also das Wissen ist zugänglich, jeder kann das wissen, kann darauf zugreifen. Bei uns ist es ja anders mit Studiengebühren, aber in den USA ist es unter Umständen sehr schwer, eine universitäre Ausbildung zu bekommen, wenn die Studiengebühren sehr hoch sind. Deshalb kann man sagen, das ist ja erstmal auch fair, dass das Wissen geteilt wird. Aber ich sehe auch bei dir, dass es eben, und das ist dieser Anfangsgedanke, den ich hatte oder den ich schon angesprochen hatte, dass es ja noch was anderes ist als zu konsumieren, als eine Serie zu binge watchen, dann da reinzugehen. Und das fand ich ganz interessant, was du gesagt hast, weil ich bin sehr großer Homeoffice-Fan. Ich denke, dass Homeoffice eine der besten Arten ist zu arbeiten. Aber alles, was vom Aber kommt immer! [Beide lachen] Aber das, was du gerade gesagt hast, was die Lehre ausmacht, dann ist auch was Soziales, ein Commitment in gewisser Weise, ein Self-Commitment, dass es sehr schwer ist, sich selbst so einen Vertrag mit sich selbst zu schließen oder eine Vereinbarung mit sich selber zu schließen. Ich lerne jetzt die Programmiersprache zum Beispiel. Ich gehe da jetzt rein.

Frisch: Das ist nämlich eine Zumutung, den Leuten zu sagen: Wieso, du kannst doch jederzeit, ist doch gar kein Problem?

Rösch: Es gibt genügend, die können das, glaube ich. Es gibt Autodidakten.

Frisch: Ja, das gibt es natürlich. Also, ich entsinne mich, dass ich Spanisch gelernt habe, das war nach meinem Zivildienst, da hatte ich noch Zeit, vier Wochen glaube ich, waren das. Und ich hatte die Zeit, diese vier Wochen mir einzuräumen. Und das hat damals 800 Mark gekostet. Das war für mich relativ viel Geld. In vier Wochen ist ja auch heute noch viel Geld, nur dass es Mark nicht mehr gibt, aber es ist ja immer noch viel Geld. Und da hatte die Frau, die es gemacht hatte, die hatte nur um 8 Uhr morgens Zeit, weil das gerade in dem Zeitraum und so und so und so. Dann habe ich diese €800 ihr bezahlt und bin jeden Morgen dahin.

Und was mich getrieben hat war, das muss sich jetzt lohnen. Sie hat immer da weitergemacht, wo ich am nächsten Tag war. Dann habe ich den ganzen Tag Spanisch gelernt. Und da habe ich so eine Erfahrung daher, weil ich gedacht habe, ich muss so weit wie möglich in dieses Buch, ich muss für mein Geld so viel wie möglich kriegen. Sie hätte mit mir auch in der ersten Lektion rumgekrepelt, wenn ich da nie auf einen Ast gekommen wäre. Was ich damit erzählen will, ist, dass ich bei der Gelegenheit gelernt habe, wie eben intrinsische Motivation entstehen kann. Wobei ich sagen muss, sie war wirklich durch den Geldbetrag bei mir motiviert.

Rösch: Witzig, da gibt es in der Ökonomie ein Effort Paradoxon, heißt das, bisschen der Ikea-Effekt auch, dass wenn du Sachen selber machst und noch irgendwie Aufwand investieren musst, dann erscheinen dir die wertvoller. Und die Ökonomie, du weißt ja, denken ja, dass wir alle sehr rational handeln. Und als rational handelnder Mensch würde ich natürlich jeden Aufwand eigentlich vermeiden, oder ich gehe immer den Weg des geringsten Widerstandes. Deshalb, deshalb dieses Paradoxon, dass wir Wert unter Umständen auch Dingen zu weisen, die aufwendig sind sozusagen, wo man sich durchkämpfen muss, wo man vielleicht der Rückbezug zum Anfang auch wieder mit dem Spaß, wo der Spaß entsteht, wenn man Aufwand betreibt, wenn man bereit ist zu investieren sozusagen. Und nicht den einfachsten Weg geht.

Frisch: Das ist interessant.

Rösch: Sondern Aufwand betreibt, was du jetzt gerade auch gesagt hast. Du hast dich halt also der Wert ist für dich, du hast gesagt, das ist mir sehr viel wert, 800 Mark, dafür hätte ich x andere Sachen machen können. Das ist ein hoher Wert, um dass das wertvoll ist, muss ich da jetzt richtig, muss ich richtig Gas geben, da muss ich jetzt richtig reingehen und dann möchte ich auch Spanisch können danach.

Frisch: Ja, und genauso war es. Und dann habe ich den Wert auf der anderen Seite abgebildet. Also ich habe ihn sozusagen dann hergestellt. Ich musste ihn richtig…

Rösch: Reinarbeiten. Break even.

Frisch: Aber das ist interessant. Ja, genau, dass das ein Paradox ist. Widersprüche entstehen ja immer in Hinsicht auf eine bestimmte Logik. Aber wenn man dann muss man vielleicht die Logik nochmal anders fassen, um zu verstehen, was da los ist und darüber nachzudenken. Das finde ich interessant. Also weil wir da jetzt wieder beim Spaß ankommen. Möglicherweise muss man Spaß durch Freude ersetzen oder vielleicht was ganz anderes oder Erfüllung, Glück oder sowas in der Richtung. Oder Gelingen oder was auch immer. Und dann kommt man zu was anderem, Spaß. Aber das kommt natürlich auch immer darauf an, was die Leute unter Spaß verstehen.

Rösch: Ganz interessant, weil ich glaube, ich habe ja dieses aus dem Podcast, also ich weiß gar nicht, ich beziehe mich nicht auf eine spezielle Folge, aber ich hatte das im Kopf irgendwie. Ich hatte so diese Frage im Kopf, muss es denn Spaß machen? Aber das ist wahrscheinlich die falsche Frage.

Frisch: Nee, die Frage finde ich genau richtig.

Rösch: Oder was ist Spaß, muss man dann noch fragen.

Frisch: In vielen Gesprächen über Lehre und auch überhaupt, also auch in der Lehrplanung und so weiter, auch Universität und so weiter, kommt immer wieder der Spaß als Faktor mit rein. Und ich finde es wunderbar, dass du heute danach fragst, weil mir war Hinsicht auf Spaß, fand ich schon immer ein bisschen merkwürdig.

Rösch: Ich will jetzt übrigens gar nicht, wir strahlen ja aus. Ich will jetzt gar nicht so rüberkommen, dass ich sage, dass Lehre kein –

Frisch: Spaßbremse!

Rösch: Es darf keinen Spaß machen, es muss alles ganz ernst sein.

Frisch: Wir drehen das um.

Rösch: Genau so ist es. Jetzt stehe ich da, der versteht keinen Spaß und bei dem möchte ich aber nicht hin. Nee, ich glaube, so ist es gar nicht. Aber darum ging es mir nicht, sondern um das Verständnis sozusagen.

Frisch: Ich glaube, dass an der Stelle, also es ist natürlich eine bestimmte Vorstellung von Spaß. Und ich glaube, dass man hier vielleicht auch, also in der Ästhetik gibt es die Unterscheidung zwischen gefällig und schön. Und das Schöne hat was Tieferes, was Ernsthafteres. Oder was heißt ernsthafter, aber jedenfalls, damit ist was anderes gemeint als „gefällig“. Gefällig kostet mich keine Kraft, das gefällt mir sowieso, das findet mich da, wo ich bin, schmeckt mir alles gut. Aber es weckt bei mir überhaupt gar kein Interesse. Das Gefällige lässt mich in Ruhe schlafen, was ja manchmal auch sehr schön ist. Aber Lehre und Universität, glaube ich, hat was mit „wecken“ zu tun. Und Spaß könnte sein, weckt auf eine andere Art als Interesse, zum Beispiel. Also ich würde anstelle von Spaß immer Interesse setzen. Fällt mir gerade jetzt auch wieder ein, dass ich das auch, glaube ich, schon mal so irgendwo gewendet habe, vielleicht nicht im Podcast. Also bei mir ist das präzisere Wort das Interesse. Und ich glaube, das ist das, was uns auch in der Welt hält. Das Interesse, nicht der Spaß. Das ist nicht Spaß. Also ich verstehe eigentlich auch gar nicht so richtig, was Spaß ist.

Rösch: Das ist ein interessanter Satz, kann ich dich jetzt zitieren?

Frisch: Bitte, ja. Natürlich, unbedingt. Interesse ist, glaube ich, was anderes. Und das, es gibt so, warum stehe ich morgen früh wieder auf? Worauf freue ich mich heute Abend, wenn ich: Ah toll, und morgen kann ich weitermachen. Das ist nicht Spaß, das ist Pinocchio, das ist die Eselsinsel. Ich weiß nicht, kennst du das? Also das wäre jetzt so die Gegenassoziation zu Interesse, wenn ich sagen würde, da geht der auf diese Kinderinsel und dann haben die da die ganze Zeit Spaß. Das wäre der Spaß, den wir gerade ins Kritikfeuer nehmen.

Rösch: Ja, genau. Und ich hatte noch den Spaß im Sinne von Entertainment auch noch im Kopf. Also das ja auch. Also dieser Spaß-Begriff wahrscheinlich, den wir so salopp verwenden, dass der wahrscheinlich das Schwierige ist. Also ich könnte mir vorstellen, dass Lernen nicht deshalb irgendwie Spaß macht, weil es einfach ist. Also es wäre noch so eine andere Spaß-Definition, dass man sagt, Spaß ist einfach. Ich weiß nicht, ob wir jetzt Ärger mit Spaßforschern bekommen, wenn wir hier so frei Spaß definieren, wie es uns gerade gefällt und rumdrehen. Aber das Lernen, also dass der Spaß sozusagen, oder wenn ich jetzt diesen Spaß-Begriff trotzdem nochmal nehme. Dass Lernen nicht deshalb Spaß macht, weil es einfach ist, sozusagen, weil ich das perfekt oder einen kleinen Happen bekomme und serviert bekomme und dann freue ich mich, also Entertainment-mäßig, sondern weil es herausfordernd ist und weil ich dadurch, hast du es gerade gesagt, mit den neuen Welten öffnen, neue Wege gehen, neue Möglichkeiten, neue Fähigkeiten entstehen. Das kann ja auch eine Art von Spaß sein, sozusagen, weil ich dadurch Sachen machen kann, die ich vielleicht wirklich möchte und die mich wirklich interessieren.

Frisch: Jetzt fällt mir was ein, was, glaube ich, am Spaß vorbeigeht und den nochmal übersteigt. Und was wir gerade versucht haben, also was gelingende Lehre wahrscheinlich leistet, ist, dass die Leute merken, du bist gemeint, also im Sinn von: du bist ja wirklich gemeint. Und das ist, glaube ich, auch eine Erfahrung mit der Wand oder der Ruhe, die im Raum entsteht. Wollen die jetzt wirklich wissen, was ich dazu sage? Können die denn mit mir was anfangen? Und das hat so eine ganz humanistische Wendung auf einmal. Aber da kommt ja letztlich auch das Bildungssystem, wie wir es hier in Deutschland noch haben, her, aus einem humanistischen Gedanken. Und vielleicht ist er darin auch, findet er da doch zu was, dass es uns allen gelingen muss, dass wir das Gefühl haben oder dass wir auch das Verständnis haben, dass wir gemeint sind, hier jetzt in diesem Konzert, dass wir hier miteinander an der Universität bilden. Und deswegen ist diese Beziehungsarbeit immer noch eine, die über das Technologische, das es immer schon gegeben hat, ja schon im gedruckten Buch und so, hinausgeht. Also, diese Beziehung, wo man im Sozialgefüge merkt, „ich bin das hier jetzt“ und ich bin auch gemeint und ihr fragt mich was und dann sage ich das und dann fangen wir an, darüber zu reden, wie ich das meine, was ich da sage, weil ich weiß es ja meistens eigentlich selber nicht.

Rösch: Genau. Das ist ein bisschen – schön, mein Gedanke, den ich hatte, sozusagen zum Ausdruck gebracht auch, weil du hast ja gerade gesagt, wir brauchen die Dozentinnen, Dozenten, die Lehrenden eigentlich gar nicht mit der Technologie, aber ich glaube, und ich habe dann gesagt, ja, ich bin gerne im Homeoffice und so, passt ganz gut, ne, dass ich glaube, dass da eben der Lehrperson, den Lehrenden eine große Aufgabe zukommt. Also, ich glaube, dass man in einem Raum ist, dass man was zeigt. Dass man zeigt, ich habe den Text gelesen, dann zum Beispiel oder zeigt, ich bin diesen Weg schon gegangen, ich weiß, wie das funktioniert beim Rechnen jetzt zum Beispiel. Oder sowas. Und jetzt hast nämlich du was gesagt, das war jetzt mein Gedanke, den ich so dabei hatte. Und du hast jetzt noch gesagt, dass du gemeint bist damit, also dass es jemand für dich macht und jemand zeigt dir das, je nachdem, wie viele drin sitzen, aber trotzdem ist es spezifisch und nicht an ein x beliebiges Publikum gerichtet, sozusagen.

Frisch: Stimmt, das ist nämlich spezifisch, ja. Und das kann man natürlich mit so einem. Das kann man mit einem Buch eigentlich schon nicht machen, das spreadet irgendwie zu weit auf den Rahmen. Aber dieses spezifische, dass man den Response immer hat, weil dann kann der andere jetzt auch mal zeigen, jetzt habe ich was gezeigt, jetzt zeig doch du mal und jetzt zeig du und jetzt zeig du, du bist wirklich gemeint. So, das hat man beim Lesen eines Buchs, kann ja sein. Was, das soll mich interessieren? Ich weiß nicht, die Erfahrung kennst du wahrscheinlich auch, dass man was liest und denkt, jetzt versucht er hier mir eine Relevanz ans Bein zu knoten. Nee, echt nicht. Und dann hört man wieder auf zu lesen.

Rösch: Manchmal muss man auch drüber nach 150 Seiten merkt man auf einmal, wow, jetzt.

Frisch: Kommt wieder der Berg. Das ist beim Lesen schon eine Beziehungsarbeit.

Rösch: Das ist ganz interessant. Du hast gerade Spanisch gesagt, ich mache gerade mal wieder Duolingo. Ich weiß nicht, ob du es benutzt oder ob… Und macht ja Spaß und ist ein einfacher Zugang irgendwie zum Vokabellernen und man macht was. Man macht das in kurzen kleinen Happen, finde ich nicht schlecht, macht mir tatsächlich Spaß und freut mich auch, dass man Inhalte so leicht zugänglich macht.

Frisch: Ich finde es auch wunderbar, wenn dann eine Sprache dabei rauskommt. Ich habe ein Jahr lang versucht, Japanisch mit Duolingo zu lernen. Und um ehrlich zu sein, es hat mir Spaß gemacht, aber Japanisch kam nicht dabei raus. Und dann habe ich es wieder gelassen. Also vielleicht bin ich auch mehr der Typ, also das ist natürlich wahrscheinlich…

Rösch: Irgendwann muss man mal mit jemandem reden oder sprechen.

Frisch: Irgendwann muss man auch die Vokabeln, also das ist nicht die Art, wie ich Vokabeln lerne, ist, da habe ich so Kärtchen und ich bretter die völlig langweilig mit den Kärtchen durch und alle, die ich fünfmal kann oder so, ich hab da so ein Regiment mir gebaut, ich kann da viel besser mit so ein bisschen so Bandagen, mit so harten Bandagen, mit Karteikästen. Dann habe ich immer so ein Päckchen genommen und dann musste ich das fünfmal ohne Zögern können und so, dann konnte ich es nach irgendwann. Ich habe mit Duolingo keine Sprache gelernt, das ist mir zu gamifiziert. Also für meinen Lerntyp offenbar.

Rösch: Ja, aber es schließt auch wieder, das schließt sich aus, dass man das persönliche Lernen und dieses technologiebasierte Lernen, weil, also auch, weil du hast gerade gesagt, fand ich ganz interessant den Gedanken, ist ja nicht anders als ein Buch. Also, ein YouTube Video ist ja nicht anders als ein Buch. Bloß das eine erzählt dir jemand, das andere liest man. Jetzt so rausgehört. Sehr steile These, die ich so nicht ganz vertrete. [Beide lachen]

Frisch: Das habe ich so nicht gemeint, dass es dasselbe ist. Ich habe nur gesagt, es gab immer auch schon Technologien, die über die persönliche.

Rösch: Genau, aber es hat ja nie nur gereicht, nur in die Vorlesung zu gehen.

Frisch: Stimmt.

Rösch: Und es hat nur gereicht, doch, also Sartre, der Ekel, der Autodidakt. Es gibt Autodidakten, die lesen die Bücher und es passt alles.

Frisch: Aber der hat ja einfach nur von A bis Z gelesen.

Rösch: Der wusste alles am Ende.

Frisch: Da bin ich nicht sicher. Was steht in einem Lexikon? Das ist eigentlich interessant. Lexikon lesen, das ist immer ganz merkwürdig. Also, ich hatte früher noch so ein Meyers Lexikon, das irgendwie über 5 Meter auf dem so groß ist, mit so einem Goldschnitt. Und um ehrlich zu sein, da hat mich ein Thema interessiert, so ein bisschen wie heute mit Wikipedia, wo man den Hyperlink hat. Das hatte ich auch. Hyperlinks sind ja immer so kleine Pfeile und die kann man dann verbinden. Nur muss man diesen Hyperlink eben selber gehen, zum anderen Buch gehen, das aus dem Regal rausholen, dann ausblättern und dann sind da wieder Hyperlinks, dann kompiliert man es und im Grunde macht man dann schon einen eigenen Text. Also, so ein Lexikon ist ja eigentlich überhaupt gar kein Text, ist so ein Konglomerat. Sondern man muss seinen Text da selber reinziehen. Da gibt es diesen schönen Roman, Der Mensch erscheint im Holozän von Max Frisch, der irgendwann anfängt, lauter Sachen aus dem Lexikon auszuschneiden und an die Wand zu kleben und dann so eine Karte macht, wie in so einem Paranoia Film. Und dann merkt er, hinten drauf ist ja auch noch was Interessantes, dann muss er nochmal ausschneiden, wieder umdrehen und so ist er in so einem ständigen Palimpsest, Überschreibungsdrehprozess. Und ich glaube, dass dieser Autodidakt einfach von A bis Z, also wie ein Lexikon durchliest, was ich eine super Performance finde. Und irgendwas bleibt dann ja dann auch hängen. Und vielleicht ist man ja auch so ein Kamm, der das eine Haar mitnimmt und das andere durchlässt und dann hat man irgendwas damit gemacht. Das weiß ich nicht. Ich habe noch nie ein Lexikon durchgelesen.

Rösch: Das kann auch Spaß machen unter Umständen. Also je nach Präferenzen.

Frisch: Also, richtiger Spaß, also im Sinn von man lacht dabei und findet es lustig.

Rösch: Wenn man ein neues Wort entdeckt hat.

Frisch: Der performative Prozess ist wahrscheinlich auch lustig daran. Und eben, vielleicht bleibt da ja auch was hängen.

Rösch: Genau, so ein bisschen. Das war auch meine Anfangsfrage, weil ich gesagt habe, so ein bisschen Suchender, Fragender und sowas. Und du hast ja gefragt, was meinst du mit Technologie? Und ich habe ja gesagt, ein bisschen die Zugänglichkeit des Wissens, habe ich ja gesagt. Und auch die Möglichkeit, dass ich, wenn ich in der Bahn sitze, schnell paar Vokabeln lerne oder sowas und hab mein Vokabelheft ja gar nicht dabei. Also man hat immer alles verfügbar, man kann zu jeder Zeit das auch machen. Und da ist sozusagen für mich schon die große Frage, Magie, Handwerk wieder.

Darum geht es ja hier auch. Ich glaube nämlich, dass die Technologie uns sowohl bei der Magie als auch beim Handwerk helfen kann. Also beim Handwerk glaube ich, ohne Frage. Bestimmte Wissensvermittlung, glaube ich, kann man online machen, die kriegt man gut hin. Aber natürlich entsteht auch eine gewisse Magie, wenn man eben vor Ort ist, wenn man miteinander lernt, wenn man jemandem zusieht, sozusagen, wenn man im Raum ist.

Frisch: Jetzt hast du gerade eine schöne Formulierung da reingebracht oder noch einen schönen Aspekt eben, als Suchender oder Fragender. Und das Wissen allein reicht nicht. Ich muss eine Frage haben. Also, in Delphi, die Pythia, ChatGPT redet nicht mit mir, wenn ich nicht eine Frage stelle.

Rösch: Wenn ich nichts wissen möchte.

Frisch: Wenn ich es gar nicht wissen möchte, also ich will, genau, ich will nicht wissen, also kriege ich kein Wissen. Was hätten sie gern? Kein Bier. Wenn ich ins Restaurant gehe und nichts davon will, dann kriege ich natürlich auch nichts zu essen. Wir haben alles da. Was wollen Sie denn? Ich muss nach was fragen.

Und ich glaube, dass das ein Aspekt ist. Vielleicht reden wir in den Universitäten zu viel von Antworten und Wissen als von Fragen. Möglicherweise helfen wir einander, die richtigen Fragen zu stellen.

Rösch: Die natürlich umgekehrt wieder eine Menge Wissen unter Umständen erfordern. Eine gute Frage.

Frisch: Richtig. Genau so ist es. Wie kann man eine Frage stellen, wenn man gar nichts weiß? Geht eigentlich gar nicht. Das geht eigentlich erst, wo geht sowas los eigentlich? Das ist wie so ein Puls, der dann durchs Leben schlägt.

Rösch: Wie bekomme ich Leute, jetzt als Lehrender mal gefragt, wie bekomme ich Leute dahin, dass die die Fragen stellen, die ChatGPT dann vielleicht beantwortet kann? Wär ja in Ordnung, ja.

Frisch: Was sind eure Fragen? Das ist eigentlich gut. So müsste man eigentlich anfangen. Vielleicht geht dann auch keine Wand auf, dann herrscht auch keine Ruhe im Raum. Allerdings nicht: Gibt es noch Fragen? Das ist ja immer der Abschließer. Gibt es noch Fragen?

Rösch: Sonst noch was?

Frisch: Darf’s sonst noch was sein?

Rösch: Alles klar jetzt, oder? Ich habe jetzt eineinhalb Stunden geredet, jetzt müsste alles klar sein. Oder hat noch jemand eine Frage? Nein? Gut, gehe ich. Man muss, glaube ich, so ein bisschen auch eben in die Richtung gehen, das, was du gerade gesagt hast, dass man manchmal muss man vielleicht, jetzt habe ich gerade das Müssen und Zwang in Frage gestellt, aber vielleicht muss man ab und zu mal gezwungen werden, den Text zu lesen oder dazu gebracht werden, den Text zu lesen, dazu gebracht werden, eine Methode zu lernen, dazu gebracht werden, mal ein paar Paper zu lesen auch, dass man versteht, um was geht es da überhaupt und was sind überhaupt die Fragen, die die Paper stellen, dass ich eine gute Frage stellen kann, zum Beispiel.

Frisch: In der Filmanalyse mache ich das oft, dass wir eine Szene anschauen und dann sagen, was habt ihr jetzt gesehen? Und dann sagen alle, was sie gesehen haben. Also, beim ersten Mal hat man irgendwas gesehen, zeige ich es zum zweiten Mal. Was habt ihr jetzt gesehen? Dann fällt nochmal ein Schatten und nochmal was auf. Dann zeige ich es zum dritten Mal. Was habt ihr jetzt gesehen? Nichts mehr.

Dann wirkt es so wie, wir haben jetzt alles gesehen, dann zeige ich es aber noch ein viertes Mal und dann nochmal ein fünftes Mal. Immer noch nichts. Dann ein sechstes Mal. Dann beim siebten Mal: Ah, ich habe das vorhin jetzt auf… achtes Mal. So, das würde zu dem passen. Also dieses Performative, vielleicht doch der Autodidakt, der von A bis Z liest und dann vielleicht irgendwann sagt: Okay, jetzt habe ich einen Pfad, ich lese nochmal und nochmal und nochmal. Man braucht immer wieder dieses auf dem Weg sein. Und dann entsteht vielleicht auf dem Weg mit dem Reiten, auf dem Weg in die Stadt, vielleicht entsteht eine neue Stadt oder was anderes. Oder ich gehe doch ins Dorf oder so, aber ohne die Stadt gehe ich eigentlich auch nicht auf den Weg. Oder man sagt reit doch mal aus! Wo soll ich hinreiten? Schau, mach das mal drei Tage lang. Vielleicht kommst du auf irgendeine Idee.

Rösch: Da muss ich jetzt nochmal an Technologie denken im weitesten Sinne, wie wir es jetzt gerade hier verwenden, einfach als Buzzword. Dadurch kannst du natürlich viel individuellere Wege unter Umständen gehen und dir Sachen individueller auch beibringen.

Frisch: Weil du Fragen entwickelst. Könnte man so sagen.

Rösch: Genau. Vielleicht könnte dann die Person des Lernens auch der Kurator, der Guide sein, der Coach, dich da durchzuführen. Das ist natürlich schon spannend, wenn man dann auch sagt, also das eine ist, man sagt: Du musst jetzt das lernen. Also, ich benutze mal wieder „müssen“ und diesen Text lesen. Und wenn man dann von einem Ausgangspunkt ausgeht und jetzt kann es so weitergehen und jetzt könnte es in die Richtung gehen, jetzt könnte es in die Richtung gehen. Das wäre ein bisschen ein anderer Ansatz dann.

Frisch: Das Müssen ist aber interessant. Für einen bestimmten Moment braucht man das Müssen, damit man die Frage nicht stellen muss, warum, sondern das sagt jetzt mein Dozent. Das ist ja dann hilfreich. Und das ist ja auch das Setting vom Autodidakten in Der Ekel, der sagt, ich muss von A bis Z lesen. Dieses Setting hat er. Und dann muss er sich nie mehr fragen, warum soll ich das nächste Buch auch noch lesen? Sondern da ist eine –

Rösch: Das hat er sich ja nicht selber ausgesucht, sozusagen. Muss er ja, er kann nicht anders.

Frisch: Genau. Er hat das sozusagen in einem Vertrag hinterlegt, so könnte man sagen, mit sich selbst, an der Stelle. Und dann kommt das Müssen. Und aus dem Müssen heraus dickt sich irgendwas an, entsteht irgendwas.

Rösch: So ein Self-Commitment, dass ich mich selber dazu bringe. Ja, ich setze mich hin und ich lese jetzt von A bis Z alles durch.

Frisch: So ist da die Konstruktion. Genau. Und deswegen muss er… aber er könnte natürlich jederzeit aufhören, weil er hat niemand im Rücken, der zu mach jetzt mal. Und da sind wir Dozierende vielleicht manchmal Moderatoren, die dann eben sagen können, den Text musst du jetzt lesen.

Rösch: Ja gut, wir können nichts machen, wenn keine intrinsische Motivation da ist. Also, wenn es nichts fällt, dann ist es egal. Aber wir können schon dazu beitragen, eine extrinsische Motivation aufzubauen, einen Grund zu geben, warum man das lesen könnte. Und wenn es ist, das ist das Konzept dieser Vorlesung oder dieser Übung, dieses Seminars und wir gucken uns das zusammen an.

Frisch: Dieses Commitment muss man haben und wer das Commitment aufgibt, die müssen wir dann auch gehen lassen. Und das ist ja dann auch okay. So viel Rahmen ist da.

Rösch: Aber das ist ja das Schöne, man kann ja wählen, was man studieren will und man kann ja auch gucken, passt es dann zu mir und was finde ich da in dem Studium? Also deshalb kann man das zum gewissen Grad wahrscheinlich erwarten, wie du sagst, dieses, diesen Müssen-Teil dann auch machen.

Frisch. Auch Einfordern, bisschen. Wie ist es, die Zeit wäre jetzt vorbei. Haben wir noch was Wichtiges vergessen?

Rösch: Ich glaube, das Thema kann man noch weiterführen.

Frisch: Das stimmt immer.

Rösch: Ich guck grad auf meine Zettel, was ich mir, ich habe mir so ein paar Stichpunkte notiert und so weiter. Aber ich fand es ganz was ich super spannend fand, ist dieses Thema, dass wir Spaß so auseinandergenommen haben sozusagen und gesagt haben, wo entsteht der eigentlich?

Was ist das eigentlich? Und das finde ich, war für mich, was ich mir erhofft hatte, was ich gesucht habe, sozusagen da eine Diskussion mit dir drüber zu führen.

Frisch: Ein annäherndes Und. Lieber Jürgen, ich danke dir für das schöne Gespräch.

Rösch: Danke schön. Gerne wieder.

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