Ep. 25 – Gespräch mit Luise Göbel
Shownotes
Eine Verhaltenswissenschaft von Materialien, so könnte man vielleicht das, was auf dem Gebiet der Werkstoffmechanik passiert, auch beschreiben, überlegt Simon Frisch. Luise Göbel erzählt in dieser Episode von den verschiedenen Aspekten und Einsatzbereichen der Bau- und Umweltwissenschaft. Die Juniorprofessorin beschreibt die anfangs etwas mühseligen, aber unabdinglichen Grundlagen in Bereichen wie Mathematik und Chemie, aber auch die Experimente, zu denen Studierende Klimakammern und Prüftruhen verwenden. Und welche Vor- und Nachteile hat denn eigentlich Beton?
Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.
Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Fotografie: Hélène Dal Farra Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger
Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast
Transkript anzeigen
Gespräch mit Luise Göbel
Frisch: Das Mikrofon ist aufgegangen und zwei Stimmen treten auf. Meine Stimme wird heute aus der Perspektive der Dozentur für Film- und Medienwissenschaft sprechen. Mein Name ist Simon Frisch, Host dieses Podcast und als Vizepräsident für Lehre und Lernen, als der ich mich sehr für unterschiedliche Formen, Formate, über die Philosophie, aber auch den konkreten Alltag und die konkrete Ausgestaltung des Lehrens und auch des damit einhergehenden Lernens interessiere. Und ich habe heute Luise Göbel zu Gast und ich bin sehr gespannt, als wer Sie heute mit mir sprechen werden.
Göbel: Guten Tag, mein Name ist Luise Göbel, ich bin seit Januar 2024 Juniorprofessorin für Werkstoffmechanik und bin heute in dieser Rolle hier. Wobei ich die Frage nach den verschiedenen Rollen sehr interessant finde, weil als Studentin habe ich die Lehrenden oft nur tatsächlich als Dozent:innen wahrgenommen und merke jetzt in dieser neuen Funktion, was doch eigentlich alles dazugehört. Also ich kann das kaum entkoppeln, die Rolle der Lehrenden von der Rolle der Forschenden, von der Rolle der Nachwuchsgruppenleiterin, von der Rolle der Laborverantwortlichen, was da alles dazugehört. Genau.
Frisch: Das ist interessant, das gehört alles zur Lehre, sagen Sie. Also das ist nicht das, was zusätzlich noch auch dazu kommt, sondern es gehört dazu. Können Sie das ein bisschen erläutern?
Göbel: Zum einen beeinflusst das, denke ich, den Inhalt, was ich in diesen anderen Rollen alles erfahre und lerne. Das spielt doch in der Vorbereitung der Lehre eine große Rolle, aber auch von der anderen Seite ganz pragmatisch, das beeinflusst die Zeit, die ich für die Vorbereitung der Lehre habe und vielleicht im Endeffekt sogar die Qualität der Lehre. Wie viele Rollen muss ich denn noch neben der Lehrenden erfüllen?
Frisch: Also die Lehre wird ernährt, aber ist mehr oder weniger auch gefährdet durch die vielen verschiedenen Rollen.
Göbel: Ja, das denke ich, ist eine ganz gute Zusammenfassung.
Frisch: Interessant. Sie unterrichten in der Fakultät B und U. Können Sie es nochmal ausbuchstabieren? Wofür steht B und wofür steht U ganz genau? Wie ist der vollständige Name? Der ist ja noch relativ neu.
Göbel: Genau, seit April, glaube ich, haben wir uns umbenannt in die Fakultät für Bau und Ingenieurwissenschaften. Jetzt habe ich es ganz falsch gesagt. Im April vergangenen Jahres haben wir uns umbenannt in die Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwissenschaften, um auch diesen Aspekt der Umweltingenieurwissenschaften einfach deutlich zu machen, dass das hier an der Universität eine ganz große Rolle spielt.
Frisch: Genau, Bau- und Umweltingenieurwissenschaften, das ist also ein Plural. Das ist interessant und das ist schön. Jetzt haben wir es mal ausbuchstabiert und wenn jetzt noch jemand sagt, ich weiß immer noch nicht genau, ist es jetzt Plural oder nicht, oder ist es Umwelt oder so weiter? Aber es wird oft abgekürzt in Bau und Umwelt, oder?
Göbel: Genau, das hat sich einfach im Sprachgebrauch so durchgesetzt.
Frisch: Bau- und Umweltingenieurwissenschaften. Und Sie selber unterrichten im Baustoffingenieurwissenschaft. Kein Plural ohne S, hat mir Frau Osburg extra noch mal gesagt.
Göbel: Genau, das ist richtig. Das machen viele falsch, gerade mit dem S. Wobei ich tatsächlich nicht nur in dem Studiengang unterrichte, sondern auch noch Wahlmodule für alle Studiengänge der Fakultät anbiete. Dadurch sind dann auch Studierende aus anderen Studiengängen bei mir.
Frisch: Sehr ingenieurwissenschaftlich orientiert, glaube ich. Wir haben in einigen Podcasts jetzt schon Geisteswissenschaftler, Geisteswissenschaftlerinnen, Künstler, Künstlerinnen gehabt. Ingenieurwissenschaft ist sicherlich eine Perspektive, die nicht nur in dieser Fakultät ist, aber die eine Perspektive ist, die wahrscheinlich auch eine eigene Lehre, wie jede Disziplin eine eigene Lehre hat. Wie würden Sie beschreiben, was ist das Besondere an der Lehre in den Umweltingenieurs-, Bau- und Umweltingenieurwissenschaft oder insbesondere in den Studiengängen an Ihrer Fakultät?
Göbel: Ich denke, dass es – ich fange noch mal ganz kurz an. Ja. Also ich denke, die Ingenieurwissenschaften generell sind sehr geprägt von Technik, einem technischen Verständnis und von sehr konkreten Aufgabenstellungen, die wir zu lösen haben. Das prägt tatsächlich die Lehre vom ersten Semester an. Also wir beschäftigen uns nicht immer mit dem großen Ganzen, sondern oft erstmal geht es darum, wie ganz bestimmte mathematische Probleme, physikalische, chemische Probleme zu lösen sind, welche Methoden wir dafür haben. Das würde ich so als Charakteristikum erstmal herausarbeiten. Und im Laufe des Studiums wird das dann sicherlich erweitert, dass man wirklich dann auch mehr Faktoren einbeziehen kann und auch höhere Überlegungen treffen kann, wie sich bestimmte Entscheidungen, die man dann treffen muss, auch auswirken.
Frisch: Also ich verstehe es so, dass man am Anfang erstmal relativ viel Input hat.
Göbel: Auf jeden Fall. Genau.
Frisch: Wie äußert sich das konkret? Also was ist das Lehrformat, was bei Ihnen dominiert?
Göbel: Ich würde es fast schon als „schulisch“ bezeichnen, der Beginn eines Ingenieurstudiums. Also ganz klassische Fächer sind da auf dem Stundenplan, wie Mathematik, Chemie, Physik. Alles, was man tatsächlich so aus der Schule kennt. Wobei das natürlich sehr schnell erweitert geht und in höhere Sphären springt. Und das Ganze ist auch in einem sehr schulischen Lehrformat unterwegs. Also wir haben, also, soweit ich mich noch erinnere an meine Bachelorzeit, vor allem Vorlesungen, die dann gepaart sind mit Übungen. Es sind auch oft Belege anzufertigen. Es sind oft Belege anzufertigen, quasi wie im Sinne von Hausaufgaben. Das ist aber für mich, denke ich, unerlässlich, weil die Lehrenden müssen irgendwie ein Feedback bekommen bei so vielen Studierenden, wie weit die sind und was tatsächlich mitbekommen wurde.
Frisch: Wie funktioniert das mit den Belegen? Das sind Hausaufgaben, die man macht. Also habe ich das richtig verstanden?
Göbel: Genau, ja. Die kriegt man je nach Fach wöchentlich, monatlich oder in größeren Abständen und muss sie tatsächlich individuell lösen. Oft ist das so verschlüsselt über die Matrikelnummer, dass man auch nicht abschreiben kann und dass dann jeder seine fünf bis zehn Aufgaben da lösen muss. Oft verbunden jetzt mit Rechenaufgaben, würde ich jetzt mal sagen, sind diese klassischen Belege auch in der in Fächern wie der technischen Mechanik. Das sind dann wirklich Rechenaufgaben.
Frisch: Das sind Rechenaufgaben, die dienen dazu, dass die Studierenden wirklich jetzt, sagen wir mal wöchentlich, das anwenden, was sie da in den Vorlesungen hören. Damit man dann nicht sagt, Sitzung für Sitzung, naja gut, das mache ich dann in den Semesterferien, ich setze mich jetzt rein, schreibe ein bisschen mit oder daddele am Handy rum, dann habe ich die Vorlesung. Am Ende gibt es wahrscheinlich eine Klausur, oder?
Göbel: Ganz genau, genau.
Frisch: Und dann gibt es diese Idee, dass die Studierenden durch die Belege aktiv werden. Verstehe ich das richtig und wie prüfen Sie es? Ich stelle mir jetzt vor, eine große Vorlesung und dann kriegen sie jede Woche unendlich viele Belege.
Göbel: Genau. Da gibt es dann ein Team von Lehrenden. Also so ein großes Modul wird zwar von einer Lehrperson geleitet, es wird aber immer unterstützt von wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen und dann wird dann im Kollektiv geprüft. Stellenweise zu meiner Zeit wurden auch Hiwis eingesetzt. Heute sagt man studentische oder wissenschaftliche Assistenzen. Genau, so läuft das, immer eine Gruppenarbeit.
Frisch: Und die bearbeiten dann die Belege und so wird man dieser Flut von Feedback-Erfordernis Herr. Also das muss man schaffen. Interessant, ja, sehr gut. Aha, und dann bleiben die. Das heißt, die Vorlesung hat eigentlich auch einen dialogischen Part. Die klassische Vorlesung ist ja, ich gehe wieder raus und hat jemand gehört oder nicht, ist mir egal. Aber Sie binden da diesen dialogischen Feedback Part ein. Die Leute geben auch noch was ab.
Göbel: Genau. Wobei das dann eher im Übungsformat, glaube ich, der Fall ist. Also die Vorlesungen, zumindest zu meiner Zeit, waren dadurch noch sehr klassisch, dass die Lehrperson geredet hat. Sicherlich wurde dann auch immer mal das Publikum einbezogen, aber das war eher so randständig der Fall. Und in den Übungen ist dann wirklich der direkte Dialog gefragt und auch erfordert. In der Vorlesung war es tatsächlich in dem Sinne wahrscheinlich eingeplant, sondern die Vorlesung kann auch stattfinden ohne Dialog.
Frisch: Ah ja, okay. Also doch noch klassisch die Vorlesung und dazu dann die Übung und da ist ein Feedbackformat. Einübung. Drum heißt es Übung, es ist kein Seminar, oder?
Göbel: Ich würde tatsächlich als Übung bezeichnen. Also es wird geübt, was in der Vorlesung schon mal theoretisch dargestellt wurde und dann werden an verschiedenen Aufgaben wird das geübt. Also auch das, ja, eher wieder, da sind wir wieder beim Handwerklichen, es wird mit Taschenrechner, kariertem Papier, ganz klassisch, werden dann die Übungsaufgaben gelöst.
Frisch: Und das ist ein Handwerk, was man natürlich können muss, um dann später in den ingenieurwissenschaftlichen Perspektiven eben sich bewegen zu können. Also Fragen zu Werkstoffmechanik oder Baustoffingenieurwissenschaft bearbeiten zu können.
Göbel: Genau, also das empfinde ich als ganz grundlegend, dass man wirklich diese Grundlagen einfach können muss. Es geht ja schon los, wie bediene ich meinen Taschenrechner, um eine Matrize einzuprogrammieren beispielsweise. Das muss man einfach mal trainiert haben. Und auch einfach dieses Denken: Ist meine Lösung richtig? Ist die plausibel, kann das stimmen? Auch das lernt man durch diese Formate, denke ich, sehr gut. Plus natürlich die naturwissenschaftlichen Grundlagen, die man so dann mit der Zeit ein bisschen aus dem Effeff können muss. Also was bewirkt jetzt eine Kraft auf ein bestimmtes Tragwerk, so vom Gefühl her. Da geht es jetzt noch nicht ganz genau um Zahlenwerte, aber einfach, dass man so ein Gefühl entwickelt, was ist plausibel, was ist realistisch.
Frisch: Ach so, also man bildet nicht alles nur in Zahlen ab, sondern man entwickelt auch ein Verhältnis zu den unterschiedlichen Materialitäten und Kräfteverhältnissen, die da wirksam sind.
Göbel: Ganz genau.
Frisch: Und kann dann irgendwie einschätzen, Stahl, Ton, Stroh, Holz.
Göbel: Genau, genau. Das ist wichtig, wenn man jetzt dann später an die Baustelle denkt, da kann man jetzt nicht erst anfangen zu überlegen, ist jetzt Stahl ganz weich oder nicht? Und was ist jetzt vielleicht korrosionsbeständig oder nicht? Genau, deswegen werden wirklich die Grundlagen da gelegt. Und ich muss auch sagen, dass es vielleicht auch durchaus ein anstrengender Studienbeginn ist. Also da wird man schon ganz schön gefordert. Aber wenn man so diese ersten ein, zwei Jahre überstanden hat, ist zum einen ein Glücksgefühl da, weil man jetzt in der Lage ist, da irgendwie mitreden zu können und man erkennt auch sehr schnell die Perspektive, wofür man das dann braucht nach dieser Zeit.
Frisch: Und zwar? Genau, das hat mich jetzt interessiert, wofür, also was unterrichten sie danach, nach diesen ersten beiden Jahren?
Göbel: Ja, dann geht es, würde ich sagen, mehr so auf konkrete Anwendungsfälle. Ich kann jetzt natürlich nicht das ganze Ingenieurstudium abbilden, aber bei uns jetzt bei den Baustoffen. Dann geht es direkt in die einzelnen Materialien, was kennzeichnet die, was macht die aus? Es geht sehr viel in die Prüfungen, wie teste ich verschiedenste Baustoffe, wie analysiere ich die Mikrostruktur, die Zusammensetzung von verschiedenen Baustoffen? Wie sage ich vorher, ob ein Material über die geplante Lebensdauer sich verhält, ob es durchhält. Genau, diese ganzen Sachen werden dann behandelt.
Frisch: Wie kann ich mir das vorstellen, dass ich das vorhersage, wie lange ein Baustoff hält?
Göbel: Da gibt es verschiedene Methoden. Ich finde die Frage extrem spannend, weil das ist tatsächlich auch so der Kern bisschen meiner Forschungsarbeiten. Das eine sind natürlich Experimente, ganz klassisch. Da gibt es Klimakammern, Prüftruhen, in die man die Materialien hineinlegen kann und die dann verschiedene Wetter, sag ich mal, simulieren können. Also da gibt es dann verschiedene Temperaturrampen, man kann die Luftfeuchtigkeit einstellen, man kann die Materialien mit UV-Strahlung beaufschlagen, mit Salzwasser, wie sie halt auch im Winter ganz viel vorkommen. Das ist die eine Methode. Und komplementär dazu würde ich dann die computerbasierte Abschätzung sehen, mit Hilfe von Modellen und Simulation.
Frisch: Da können Sie mit dem Computer simulieren. Ich habe nämlich jetzt gerade gedacht, in der Kältekammer weiß man ja nicht, ob es zehn Jahre hält, da müsste die ja zehn Jahre darin liegen. Aber jetzt können sie die zehn Jahre natürlich mit dem Computer simulieren, abbilden und hochrechnen.
Göbel: Das ist richtig. Wobei diese Labortests auch so angedacht sind, dass die ein straffendes Verfahren darstellen. Also man ist dann schon in der Lage, die werden so eingestellt, dann vorherzusagen in gewisser Weise, indem man beispielsweise diese Wechsel von Frost zu wärmeren Temperaturen dann sehr schnell fährt. Zum Beispiel…
Frisch: Man strapaziert das Material dann ein bisschen stärker als draußen und guckt, ob es das Stärkere auch aushält und so weiter. Aber das ist tatsächlich richtig im Experiment. Man beobachtet das Material bei seinem Verhalten. Das ist Material, Verhaltenswissenschaft von Material irgendwie auf eine Art.
Göbel: Das stimmt, das ist ein spannender Vergleich. Ja, ich vergleiche auch gerne so die Baustoffwissenschaft mit der Medizin, weil wir genauso wie die Mediziner gucken, was fehlt einem Baustoff, der kaputt gegangen ist. Und witzigerweise gibt es auch ganz ähnliche Methoden. Also zum Beispiel die Computertomographie, die man so kennt, die haben wir auch. Also Magnetresonanzverfahren, hier MRT, sowas haben wir auch.
Frisch: Ins Material reinschauen oder so. Ja, ja, verstehe. Werkstoff. Also ich entsinne mich, als ich angefangen habe zu studieren, gab es das Fach Werkstoffwissenschaft. Ist das das, also wenn das jetzt Baustoffingenieurwissenschaft ist, vielleicht das gleiche oder gibt es den Begriff noch Werkstoffwissenschaft?
Göbel: Den Studiengang Werkstoffwissenschaft, der war als Diplomstudiengang angelegt, den gibt es schon viele Jahre und als dann begonnen habe, 2009 zu studieren, wurde er dann durch dieses Bachelor-Master-Studiengang Baustoffingenieurwissenschaft abgelöst, würde ich sagen. Genau.
Frisch: In diesem Baustoffingenieurwissenschaft habe ich erfahren, haben Sie ein Modul kreiert, das sie auf besondere Weise angelegt haben. Wollen Sie mir davon oder uns allen Hörerinnen und Hörern davon erzählen?
Göbel: Ja, das Modul heißt „Smarte und funktionale Materialien im Bauwesen“. Ja, da kann ich sehr viel erzählen.
Ich überlege, wo ich anfange. Vielleicht fange ich damit an, dass ich selber sehr forschungsaffin bin und mein Leben lang in der Forschung verbracht habe und da auch für brenne. Und irgendwie habe ich gedacht, ich möchte dieses Feuer an die Studierenden weitergeben und ihnen direkt die allerneuesten Erkenntnisse und vielleicht auch bisschen abgefahrene Trends aus der Forschung beibringen. Und da habe ich gedacht, das wäre doch ganz spannend, so ein Format zu kreieren. Weg von dem, was tatsächlich wirklich schon umgesetzt ist, sondern einfach dahin, was ist möglich, was haben sich Menschen schon mal ausgedacht? Die zweite Motivation war, ein Modul zu erschaffen, was möglichst viele Studierende interessieren könnte. Deswegen haben wir es auch als geöffnete Lehrveranstaltung im Rahmen dieser Bauhausmodule angeboten und das war tatsächlich ein voller Erfolg.
In diesem Modul haben sich Architekt:innen, Urbanist:innen, Bauingenieur:innen eingetragen, sowohl im Bachelor als auch Master. Also wir hatten da ein wunderbar heterogenes Publikum, was wir so in unseren Lehrveranstaltungen, zumindest wie ich es bisher kannte, nicht so häufig haben. Genau, und dann haben wir überlegt, wie können wir dieses Publikum mit diesen bisschen speziellen Themen gut zusammenbringen und haben uns dann für eine Kombination aus Vorlesungen, der Einladung von Gastwissenschaftler:innen entschieden und dass die Studierenden selber auch einen Beitrag leisten müssen. Dafür haben wir zu Beginn der Vorlesung eine Liste mit Themen angefertigt, die auch von den Studierenden erweitert wurden zu bestimmten Themen, die nicht Gegenstand der Vorlesung waren, weil sie vielleicht dann doch zu speziell waren oder wir sie bis dato nicht auf dem Schirm hatten. Genau, und dann konnten die Studierenden im Laufe des Semesters eine Präsentation erarbeiten, die sie dann zu bestimmten Zeitpunkten im Semester vorgestellt haben.
Frisch: Aha, also sehr selbstständiges Forschen war da zum Teil eben dabei. Das ist ein Masterstudiengang, allerdings muss man dazu sagen, oder?
Göbel: Ne, auch geöffnet für Bachelorstudiengang tatsächlich.
Frisch: Wie hieß denn dieses Bauhausmodul? Was hat das für einen Titel?
Göbel: Smarte und funktionale Materialien und Bauwesen.
Frisch: Smarte und funktionale Materialien im Bauwesen.
Göbel: Genau.
Frisch: Was war da die Erfahrung? Jetzt fehlt ja diesen Leuten im Grunde genau das, was wir vorhin im ersten Teil erarbeitet haben und am Anfang diese ganzen Grundlagen. Wie gehen sie damit um? Was haben sie da für Erfahrungen gemacht?
Göbel: Also ich finde, die haben das alle ganz toll gemacht. Also es gab durchweg gute und sehr gute Präsentationen. Einige, also die haben, das muss ich vielleicht dazu sagen, immer in Zweier- oder Dreierteams machen dürfen. Ich denke, das war auch gut, dass man auch sich dann am Ende nicht alleine vor so einer neuen Gruppe stellt, gefühlt. Und einige Studierende waren da wirklich ganz aktiv, haben sogar selber Experimente im Labor geplant oder haben versucht, eigene Anschauungsmaterialien mitzubringen. Das konnten aus dem Alltag Gegenstände sein und es war wirklich gut. Und die Studierenden hatten am Ende nicht mehr als einen Titel, den sie irgendwie füllen mussten. Sie haben da auch von uns kaum Feedback bekommen zu dem eigentlichen Thema. Da haben sie sich sehr gut geschlagen.
Frisch: Haben Sie darauf geachtet, wie die Teams sich zusammensetzen, dass da immer Leute dabei sind, die bestimmte Kompetenzen mitbringen, die man dann braucht? Oder hat sich das ergeben?
Göbel: Tatsächlich hat sich das einfach ergeben. Wir haben erstmal die Studierenden frei wählen lassen. Ich finde aber den Gedanken ganz spannend, dass man das vielleicht nächstes Jahr tatsächlich auch ein bisschen bewusst zusammenstellt, um dann die verschiedenen Kompetenzen zu vereinen. Also dieses Modul wurde jetzt das erste Mal angeboten und da haben wir natürlich jetzt viel Spielraum, das über die Jahre zu optimieren.
Frisch: Ah ja, jetzt kann man es evaluieren.
Göbel: Und das wäre ja ein Punkt.
Frisch: Ja, hochinteressant. Genau. Gastwissenschaftler spielen da auch eine Rolle, haben Sie gesagt, welche?
Göbel: Ja, das sind Forschende aus europäischen Ländern, würde ich jetzt mal sagen, die ich im Laufe meiner Zeit in anderen Forschungseinrichtungen kennengelernt habe oder auf Konferenzen und die dann mal für neunzig Minuten eine Vorlesung halten. Für die ausländischen Gastwissenschaftler:innen haben wir das dann per Zoom online gemacht. Wir haben aber auch Forschende aus anderen Fakultäten beispielsweise eingeladen, die auch einfach mal ihre aktuellen Forschungsthemen präsentieren können.
Frisch: Und das Ganze war auf Deutsch, oder?
Göbel: Genau, das war auf Deutsch, ja.
Frisch: Und das ist ja, also wenn sie mit Zoom und so arbeiten, hybrid stelle ich mir das vor, oder wie haben Sie das gemacht. Genau, also man konnte in Präsenz in der Vorlesung sein, aber eben auch ausländisch dann woanders sitzen.
Göbel: Wobei, tatsächlich waren immer alle dann im Vorlesungsraum.
Frisch: Waren immer alle da. Also das klingt ja wie ein es hat eine hohe Attraktion gehabt.
Göbel: Total. Also bei uns normalerweise Wahlmodule, ja, die werden, ich kann das jetzt schlecht sagen, in meinem Falle von zwei bis maximal zehn Studierenden besucht. Und hier hat man jetzt eine Resonanz von dreißig Studierenden.
Frisch: Dreißig?!
Göbel: Das hat uns natürlich wahnsinnig gefreut. Also vielleicht auch noch so als Nebeninformation, die Sache mit der Anzahl der Studierenden ist bei uns im Bereich immer ein Thema. Gerade der Studiengang Baustoffingenieurwissenschaft ist ein sehr, sehr kleiner Studiengang. Da haben wir teilweise so zwischen zwei, auch bis zehn Immatrikulationen pro Jahr oder pro Semester. Und entsprechend klein sind dann die Lehrveranstaltungen. Und wenn man dann auch noch Wahlmodule anbietet, wo die sich dann wieder verteilen kann, kann es sein, dass sie teilweise gar nicht stattfinden können, weil wir zu wenig Studierende haben.
Frisch: Aber mit so einem Format, verstehe ich das richtig, zieht man jetzt auf einmal Interessierte in den Studiengang ein und macht vor allem eine Perspektive auf, die ich ja eigentlich ziemlich spannend finde und ich eigentlich auch nicht genau verstehe, warum der Studiengang so wenige Interessenten hat. Er ist wahrscheinlich anspruchsvoll und natürlich schwer zu studieren. Also weil man sehr viel Mathematik und sehr viel Grundlagen macht, stelle ich mir vor, wenn man Baustoffingenieurwissenschaft, gleichzeitig ist das doch ein Thema der Gegenwart mindestens, wenn nicht der Zukunft. Das ist ja das Aktuelle. Sie haben es ja gerade selber auch, finde ich interessant, die Gesundheit der Materie im Grunde zu untersuchen und auch damit zu arbeiten. Also Verhaltenswissenschaft von Materie oder aber eben auch eine Biologie auf eine Art von Materie und Materialien, vielleicht sogar selber Materialien herstellen oder erfinden. Das machen Sie wahrscheinlich auch.
Göbel: Genau, das machen wir auch.
Frisch: Wenn ich mir das vorstelle, man würde den Studiengang erfinden, würde ich denken, danach müssen wir gucken, dass wir genügend Lehrpersonal finden. Weil das ist die Frage, die sozusagen in jeder Talkshow eigentlich mehr oder weniger bewegt wird. Wo kriegen wir unsere Ressourcen her? Wo kommt die Energie her? Wie lange hält das alles noch? Und so weiter und so weiter.
Göbel: Das ist total richtig. Also jeder, der diesen Studiengang hier studiert, der ist total begeistert, wenn er einmal hier ist. Wir haben tatsächlich das Problem, die Leute erstmal hierher zu bekommen. Und da lief in der Vergangenheit schon ganz, ganz viel. Da war Professor Osburg ganz aktiv. Die hat beispielsweise Radiokampagnen gefahren, ganz tolle Flyer, Plakate entwickelt. Wir sind in die Schulen gegangen, um dann direkt dort anzusprechen.
Aber tatsächlich sind die Zahlen seit 2011 so konstant auf diesem geringen Niveau. Das ist wirklich schade. Also falls es da noch Vorschläge gibt, wie wir das noch gut bewerben könnten, da sind wir sehr offen. Ich denke auch, vielleicht muss man es tatsächlich so ein bisschen mehr allgemein auch beschreiben, dass wir diese Verhaltenswissenschaft von Materialien studieren, dass wir Neues kreieren, vielleicht auch so ein bisschen dann tatsächlich allgemeiner, philosophischer beschreiben.
Frisch: Sodass man eben Leute, die noch nicht damit befasst sind, in Hinsicht abholt, was das alles werden kann und warum das alles mit meiner unmittelbaren Gegenwart zu tun hat. Also das, das ist schon ziemlich interessant. Baustoffingenieurwissenschaft klingt jetzt für mich, ich bin letztlich Geisteswissenschaftler, doch irgendwie alltagsferner, als ich beim zweiten Nachdenken dann nochmal überlege. Und jetzt finde ich auch interessant, wenn Sie dann ein Bauhausmodul machen und das öffnen, wie viele Leute dann doch verstanden haben, wie interessant das sein kann und dass es sogar möglich ist, das interdisziplinär aufzumachen. Das finde ich ja hochinteressant, weil ich hatte gedacht, bei der Vorbereitung auf das Gespräch, dass wir wahrscheinlich nicht so stark ins Interdisziplinäre kommen, weil das hat ja der Anfang unseres Gesprächs auch gezeigt, Ingenieurwissenschaften stelle ich mir im Wesentlichen sehr voraussetzungsvoll vor. Aber jetzt finde ich spannend, ist es vielleicht ein Vorurteil nach Ihrer Erfahrung jetzt?
Göbel: Also ich denke, um direkt als Baustoffingenieur zu arbeiten, muss man schon auf diese Voraussetzungen zurückblicken können, zumindest auf einem bestimmten Grundstock. Nichtsdestotrotz heißt ja nicht voraussetzungsvoll, das bezieht sich nicht nur auf Mathe, Physik und Chemie, sondern auch auf andere Perspektiven, die dann vielleicht Studierende der Architektur. und Urbanistikstudiengänge oder der Geisteswissenschaften einbringen können. Ein Baustoff zu entwickeln oder einzusetzen bedeutet so viel mehr. Eine große Frage ist die Gesundheit, die Hygiene von Baustoffen.
Was passiert mit der Raumluft? Was können wir einsetzen, ohne dass jetzt irgendwelche Gase beispielsweise ausdampfen? Das kennen wir ja aus verschiedenen Bereichen, wenn man Lacke zum Beispiel verwendet, die da nicht entsprechend geprüft wurden. Ein anderer Aspekt ist aber auch die Berücksichtigung dessen, was die Gesellschaft vielleicht erwartet oder fordert von Baustoffen. Also auch die Verwendung verschiedener Baustoffe unterliegt ja dann doch einem gewissen Wandel. Also beispielsweise waren vor zwanzig Jahren war Beton unantastbar, der Baustoff Nr.1. Jetzt hat sich ja gezeigt, dass dessen Produktion relativ viel CO2 freisetzt.
Und ja, das ist natürlich eine ganz große Triebfeder, zum einen für die Forschung, aber auch für die Art und Weise, wie gebaut wird. Also sehr aktuell und in sind entsprechend Gebäude aus Holz. Auch da wird sehr viel gemacht, was vor vielen Jahren undenkbar war. Ich will mich jetzt nicht so sehr in die konstruktiven Fächer reinbegeben, weil ich da nicht konstruktiv unterwegs bin, aber es gibt jetzt einige mehrgeschossige Bauten, Hochhäuser aus Holz und das ist auch ganz spannend. Also insofern ist das doch wirklich eine interdisziplinäre Sache, die durch viele Perspektiven mitgedacht werden muss.
Frisch: Das glaube ich auch. Ich habe auch mit Nathalie Singer vom experimentellen Radio gesprochen und Baustoffe haben ja nicht nur Gift oder nicht giftige Qualitäten, sondern wir sind ja hier in diesem Studio umgeben von „hallt, hallt nicht“. Wie ist eigentlich die Raumqualität in Hinsicht auf Klang, auf Ton? Wie fühlt sich das überhaupt an? Wie ist es mit Feuchtigkeit und so weiter und so weiter. Das sind Baustoffe ja unendlich vielfältig. Nur dass sie nicht giftig sind, reicht noch nicht, um zu sagen, der ist geeignet für diesen Raum oder nicht.
Deswegen finde ich Ihr Thema so spannend, tatsächliches Lehrgebiet und Forschungsgebiet insbesondere. Und jetzt ist, sie haben jetzt ein Stichwort geliefert, Beton. Beton hat eine Tradition an der Bauhaus-Universität, ich glaube auch letztlich durch das Finger-Institut. Also da gibt es eine lange Tradition, am Beton wird geforscht, Beton ist der Baustoff der Moderne und so weiter und so weiter. Und jetzt könnte man sagen, huch CO2, schade, jetzt müssen wir alles schließen. Aber es ist ja das Gegenteil der Fall. Dadurch, dass hier so viel Erfahrung mit Beton existiert, wenn ich das richtig weiß, können sie genau daran ansetzen und über Beton neu nachdenken in Hinsicht auf CO2, ob es da nicht Verfahren gibt, die nicht den Beton ersetzen, sondern den Beton anders machen. Ist das richtig? Beschreibe ich das so in etwa richtig?
Göbel: Genau, das ist ganz richtig. Also die Baustoffwissenschaften, die haben hier in Weimar eine ganz ausgeprägte Tradition. Es gab früher eine ganze Fakultät nur für Baustoffwissenschaften, Baustoffverfahrenstechnik hieß die damals. Und der Herr Finger, der das Finger-Institut oder nachdem das Finger Institut benannt wurde, hat auch als einer der ersten Wissenschaftler tatsächlich probiert, das, was einen Baustoff ausmacht, in der Mikrostruktur zu verändern, um dann ein besseres Verhalten am Ende zu bekommen. Auf diesen Spuren, Fußspuren wandeln wir und sind da auch international sehr renommiert. Und da gibt es ganz tolle Ansätze, wie bestimmte Bestandteile des Betons, die hauptsächlich verursächlich sind für diesen großen CO2-Ausstoß, ersetzt werden können. Also da gibt es beispielsweise sogar Betone, die komplett ohne Zement funktionieren.
Das sind sogenannte alkali-aktivierte Materialien. Da werden verschiedene Reststoffe aus unterschiedlichsten Industriezweigen verwendet und dann mit bestimmten Lösungen versetzt. Das gibt es… Also es gibt da, bzw. die Suche verläuft so, dass überall geschaut wird, wo entstehen große Mengen an Materialien, die anderweitig nicht verwendet werden? Das können beispielsweise sogar die Aschen von Hausmüll sein, von dem verbrannten Hausmüll.
Da wird zum Beispiel untersucht, können wir das so aktivieren, dass wenn man das irgendwie mit einer Flüssigkeit zusammen verrührt, dass das eine standfeste Maße ergibt, die dann auch die ganzen anderen Anforderungen erfüllt.
Frisch: Also so verstehe ich das. Da gibt es die Mikrostrukturen in diesen Baustoffen und Sie versuchen die so zum reagieren zu bringen, dass was dabei rauskommt, was sie äquivalent verwenden können zu Stoffen, die CO2-intensiv sind.
Göbel: Genau, so kann man das beschreiben.
Frisch: Und Beton ist aber der Baustoff der Wahl nach wie vor. Frage ich Sie jetzt als Betonexpertin.
Göbel: Ja, die Vorteile sind einfach zu groß.
Frisch: Genau. Erzählen Sie mal, was sind die Vorteile des Betons?
Göbel: Jetzt fragen Sie mich ganz schön mein Grundlagenwissen aus dem Bachelorstudium ab und ich muss gucken, dass ich alles beisammen kriege. Also zum einen ist natürlich die Formgebung bei Beton unangefochten. Also in jede mögliche Schalung, die ich mir ausdenke, kann ich das Material gießen und es passt sich dieser Form an. Plus die sehr aktuelle Möglichkeit des 3D-Drucks von Beton, wo ich natürlich noch eine ganz flexible Formgebung habe. Dann ist natürlich die Standsicherheit des Betons das Hauptmerkmal, die Dauerhaftigkeit, dass kaum ein anderes Material so langlebig, so korrosionsbeständig ist. Dann ergänzt es sich in Bauwerken ganz wunderbar mit Stahl, der ja diese ganzen Zugkräfte aufnehmen kann, während Beton die Druckkräfte aufnehmen kann. Und man muss auch trotz dieser ganzen Nachhaltigkeitsdebatte sagen, dass über die Lebensdauer gerechnet, Beton da einfach trotz allem große Vorteile bringt, weil es halt so langlebig ist.
Frisch: Das ist interessant, das habe ich über Holz auch mal gehört. Also man muss immer auch rechnen, wie lange das Ding hält, bis man es wieder neu herrichten muss. Und da ist Nachhaltigkeit, dann kriegt man plötzlich eine andere Rechnung über den Zeitraum. Das macht Sinn. Ich entsinne mich, dass ich irgendwann mal, aber das war in der Abizeit, da habe ich mich mal im Bereich Architektur umgeguckt, oder viele Freunde haben da Architektur und da habe ich die Geschichte gehört, die Anekdote, dass Le Corbusier ein Gebäude gemacht hat, irgendwie mit einem Vorsprung, mit ganz dünnen Säulen. Und das war erstmal ästhetisch schwer zu akzeptieren, weil man nicht verstanden hat, dass Säulen, die so dünn aussehen, aus Beton eben, es war noch in der Anfangszeit des Betons, dass die das halten. Also man hat vom Aussehen her die Stabilität dem Beton lange nicht geglaubt, sozusagen. Das passt ja dann zu dem.
Göbel: Ja, da gibt es auch heute ganz tolle Entwicklungen. Also da sind beispielsweise Dresden und Aachen auch ganz groß darin, Alternativen für unsere klassische Stahlbewehrung zu entwickeln. Da werden ganz dünne Carbonfasern eingelegt und dadurch ist es möglich, ganz dünne Schalen zu entwickeln, die dann auch tragend sind. Also da gibt es wirklich tolle Sachen und Sie sehen, es gibt an verschiedenen Ecken und Enden da die Möglichkeiten, wirklich Einfluss zu nehmen auf die Art, mit was wir bauen.
Frisch: Es hat auch eine hohe Gestaltungsfähigkeit. Ich weiß, dass es inzwischen also richtige Wand oder Flächengestalter gibt, dass der Beton also Strukturen oder Farben oder Färbungen, Verläufe und so weiter bekommt und dann da eine malerische Schönheit schon fast entwickelt. Das kannte ich auch lange Zeit noch nicht. Also so, dass auch ästhetisch Beton auf einmal ein Gestaltungsmittel wird, was noch vielfältiger ist, als sich das das 20. Jahrhundert lange vorstellen konnte. Sie merken, Sie faszinieren mich gerade für den Karton. Karton sage ich schon, Beton. Werkstoffmechanik ist Ihre Professur? Werkstoff und Mechanik. Können sie das ein bisschen für uns und unsere Hörerinnen und Hörer erläutern?
Göbel: Genau, also im Kern geht es tatsächlich darum, abzubilden, wie beeinflusst die Mikrostruktur von verschiedenen Materialien dessen Verhalten? Insbesondere natürlich ist hier das mechanische Verhalten adressiert. Also wie verhält es sich, wenn ich Kräfte aufbringe, wenn ich es unter Zug setze. Jede Materialklasse, sei es Holz, Asphalt, Kunststoffe, hat eine ganz eigene Zusammensetzung und das sieht man natürlich auch, wie sich das Material entsprechend verhält.
Frisch: Bei Mechanik geht es um die Wirkung von Kräften und das Material wird in Hinsicht auf Wirkung von Kräften gestaltet. Das ist dann die Mechanik im Werkstoff.
Göbel: Genau, das ist dann. Natürlich kann man das nie entkoppeln von anderen Größen, die uns interessieren, also bauphysikalische Größen oder halt, wie ich schon sagte, so die Dauerhaftigkeit. Aber das ist jetzt erstmal so mein primäres Forschungsfeld. Und auch hier kommen dann experimentelle Methoden und computergestützte Methoden zum Einsatz. Und das betone ich, weil das schon eher was Besonderes ist, dass eine Professur beide Arten vereint. Also wir haben ganz oft, ganz klassisch die experimentellen Personen, die da super unterwegs sind und sich das feinste mit allen Maschinen auskennen und auf der anderen Seite die Personen, die sich nur mit Simulationen beschäftigen. Und ich versuche beides mitzudenken und zu vereinen und quasi eine Brücke zu bilden.
Frisch: Das finde ich interessant. Das heißt, Sie sind da eigentlich, also so würde ich ein Handwerk verstehen. Es ist eigentlich fast handwerklich orientiert, weil Sie immer wieder dem Verhalten direkt experimentell, also aus der Erfahrung zugucken.
Göbel: Genau. Also in meinen Augen kann man kaum ein Material nur computerbasiert beschreiben.
Frisch: Weil?
Göbel: Widerspreche ich jetzt einem ganz bekannten Kollegen. Vielleicht kann man das dann auch…
Frisch: Sehr gut, sehr gut. Wir setzen eigene Profile.
Göbel: Professor Rapczok, der vertritt immer die Auffassung, dass Materialien auch nur computerbasiert dargestellt werden können. Ich denke aber, man braucht trotzdem so als Benchmark mal ein Experiment, dass man weiß, Material verhält sich wirklich so.
Frisch: Das würde unterstellen, dass man sagt, in der Simulation hat man vielleicht nicht alles mit reingerechnet.
Göbel: Das kommt immer darauf an, wie gut derjenige ist, der das Informationsmodell erstellt…
Frisch: Da wollte ich nicht –
Göbel: Aber ja, es ist natürlich auch eine Frage der Computerleistung. Es ist nicht immer möglich, jedes Detail, jeden Umwelteinfluss explizit zu simulieren. Kommt auch immer darauf an natürlich, was man machen will.
Frisch: Das ist spannend. Und wie verhalten sich dann die Studierenden in Hinsicht auf diese Spannung? Da müssen die ja ganz schön breit und ganz schön viel in letztlich doch kurzer Zeit an Kompetenz erwerben. Beobachtung und Rechnen und Computerleistung und so weiter.
Göbel: Ja, das ist eine ganz tolle Frage, weil ich hab diese Juniorprofessur letztes Jahr gestartet, kommend von meinem Euphorismus aus der Forschung und ich dachte, ich kann den Studierenden jetzt zack zack in meine Welt einführen und zeigen, dass man beides immer verbinden muss. Bin ich ehrlich gesagt ganz schön auf die Nase gefallen.
Frisch: Ach, erzählen sie mal.
Göbel: Weil die Treppe dahin ist dann doch relativ beinhaltet sehr viele Stufen, ist steil und man kann jetzt nicht erwarten, dass Studierende, die bislang sehr viel experimentell ausgebildet wurden, sofort auch diese Blickweise haben, dass sie merken, oh ja, wir brauchen auch Computer, um etwas zu rechnen.
Frisch: Ah ja. Und wie gehen sie dann damit um?
Göbel: Tatsächlich war ich erst mal wirklich niedergeschlagen und musste komplett erstmal neu denken. Also dieses Modul, was ich im vergangenen Sommersemester konzipiert hatte, das habe ich dann erstmal über den Haufen geworfen und werde mir da jetzt im kommenden Sommersemester da noch ein bisschen einen breiteren Einstieg überlegen.
Frisch: Das finde ich total spannend. Also Sie fangen ja mehr oder weniger, sie sind noch jung, sie stehen am Semester am Anfang ihrer Karriere, Sie fangen an, die Lehre für sich zu gestalten und sie haben ein Modul konzipiert und es funktioniert nicht, ich tue es weg. Sie gehen eigentlich im Grunde damit genauso um wie mit ihren Werkstoffen. [Beide lachen] Wenn es nicht trägt, dann wird es was anderes, dann wird noch mal geguckt, was dann funktioniert. Darf ich fragen, wie war das Modul gemacht, was hat nicht funktioniert? Weil das sind ja die ganzen Dinge, die wir dauernd erfahren und dann trauen wir uns nicht darüber zu sprechen, aber eigentlich müssen wir darüber reden.
Göbel: Das ist ganz richtig und gerade für jemanden wie mich, der da jetzt auch neu in diesem ganzen Business ist, ist das glaube ich sehr wertvoll. Also es waren verschiedene Sachen. Ich hatte zum einen ein Modul angeboten, was das einzige in dem Studiengang auf Englisch komplett ist und ich dachte, das ist doch cool und die heutigen Absolvent:innen, die haben super gutes Englisch. Das ist bestimmt durch die neuen Lehrkräfte ganz anders als bei mir, aber tatsächlich ist das nicht der Fall. Da hatte ich mich schon mal überschätzt, dass so eine rein englischsprachige Vorlesung, wenn sie dann vielleicht so auch im ersten Mastersemester angeboten wird, dann sehr herausfordernd für die Studierenden ist. Dann der nächste Punkt ist, dass ich einen Block hatte von drei Stunden, also diese Vorlesungszeit von 9.15 Uhr bis 12.30 Uhr und das ist unheimlich lang. Und wenn dann vorne jemand auf Englisch die ganze Zeit redet, was man vielleicht nicht ganz so gewohnt ist, das ist einfach auch ehrlich gesagt ermüdend.
Dann muss man, glaube ich, viel mehr Zeit darauf investieren, auf mögliche Befürchtungen von Studierenden einzugehen. Also ich könnte mir vorstellen, wenn ich jetzt gleich sage: Oh, wir schaffen es am Ende des Semesters Modellierung auf verschiedenen Skalen zu programmieren, dann ist sicherlich die Angst da: Oh, das schaffe ich nicht. Da würde ich mit dem heutigen Blickwinkel nach einem Jahr später dann einfach da ganz viel sanfter reingehen und vielleicht auch bestimmte Begriffe erst im Laufe des Semesters erwähnen. Das sind sicherlich so die wichtigsten Kennpunkte. Ich denke, grundsätzlich ist es wichtig in der Lehre den Studierenden deutlich zu machen, wofür sie dies brauchen und vielleicht auch, wie sich das Modul entwickelt über den Semesterzeitraum. Dass sie halt nicht Angst haben am Anfang, ich kann das, was am Ende rauskommen soll, nie leisten, sondern dass sie wirklich verstehen können, wie wir schrittweise uns dem Ganzen nähern. Und da war ich sicherlich zu ambitioniert.
Frisch: Also zu viel gewollt oder wie verstehe ich das in kurzer Zeit? Da werden wir, also der Podcast heißt ja „Zwischen Magie und Handwerk“, da werden wir im Bereich Handwerks. Also Sie machen ein Modul, Sie bauen das, sie überlegen sich, dann stecken Sie es zusammen, dann machen Sie es so, Sie entscheiden sich für eine Sprache, Sie entscheiden sich für eine Zeit, für einen Verlauf, Sie entscheiden sich oder vielleicht entscheiden Sie sich nicht, weil Sie es nicht im Blick haben, bestimmte Begriffe, wann Sie was bringen. Und jetzt fangen Sie an zu sagen: Okay, das war vielleicht ein Prototyp, klingt gerade so, finde ich interessant, also das so zu denken und jetzt nehmen Sie den und eigentlich habe ich das jetzt auch so verstanden an der Stelle bauen Sie das noch ein. Da haben Sie gemerkt, darauf müssen Sie achten. Sehr experimentell eigentlich. Das finde ich schön, dass die Herangehensweise so sehr zu Ihrem Metier passt und auch zu Ihrer Disziplin.
Und jetzt bessern Sie nach. Wie gehen sie jetzt mit dem Englisch um? Das ist ja nun ein bisschen eine enttäuschende Erfahrung, weil wir alle immer denken, das kommt total gut an. Also jedenfalls wird es immer so erzählt.
Göbel: Genau, da bin ich gerade noch so ein bisschen am Überlegen. Ich denke, dass ich so mache, dass es vielleicht eine zweisprachige Veranstaltung wird, dass man vielleicht so die ersten fünf Vorlesungen komplett auf Deutsch macht und immer mal die englischsprachigen Fachbegriffe herausarbeitet und dann vielleicht sogar im Laufe der Vorlesung stückweise auf Englisch umswitcht, könnte ich mir vorstellen, dass das vielleicht so ein ganz sanfter Weg ist.
Frisch: Das ist also quasi die Adressierung ist aber schon an deutschsprachige Studierende, die sie dann aber ins Internationale holen wollen, weil ja dann schließlich die Arbeitswelt an vielen Stellen wahrscheinlich englischsprachig wird.
Göbel: Genau, die Forschungswelt auf jeden Fall und ich denke die Arbeitswelt zunehmend auch.
Frisch: Was stellen Sie sich vor, wenn Sie Ihre Studierenden ausbilden? Bringen Sie denen bei, wie die dann später in der Forschung zurechtkommen oder wen adressieren Sie eigentlich künftig? Also als Künftige.
Göbel: Das ist vielleicht auch noch etwas, wo ich dann noch ein kleines bisschen vielleicht deutlicher werden muss, indem… ich sag… Ja, also tatsächlich bin ich auch, da ich so aus der Forschungsperspektive komme, auch mit dem Gedanken daran gegangen, dass ich gerne neue Forscher:innen trainieren möchte. In gewisser Art und Weise, ihnen so ein bisschen zeigen, worauf kommt es an in der Forschung, wie muss ich denken, welches Handwerk könnte ich gebrauchen. Genau, aber ich denke, auch da habe ich aus dem vergangenen Semester gelernt, dass das auf gar keinen Fall zu einseitig sein darf, sondern es gibt natürlich wahrscheinlich sogar den Großteil der Studierenden, die relativ schnell auch nach ihrem Studium einfach in die Praxis gehen wollen und da nicht immer an den fancy Methoden interessiert sind, sondern ganz einfach am Handwerklichen. Was kann ich wirklich gebrauchen in meinem Beruf? Und da ist sicherlich eine Herausforderung, das beides zu vereinen. Ob man das jetzt in einem Modul immer vereinen kann, weiß ich nicht. Dafür habe ich ja auch dieses Bauhausmodul, wo wir beispielsweise die Forschung ins Blickfeld rücken. Aber so bei den normalen Modulen, auch bei den Pflichtmodulen, da müsste man sicherlich diese Praxisseite deutlich mehr berücksichtigen.
Frisch: Das heißt, die Leute landen nicht alle in Ihrer Vorstellung in Forschungsinstituten oder in Universitäten, sondern wo noch?
Göbel: Ganz klassisch im Ingenieurbüro, in der Planung, aber gerade bei uns im Baustoffbereich auch sehr viel in produzierenden Unternehmen, in Forschungs- und Entwicklungsunternehmen. Also, sind ja auch viele so bekannt, Heidelberg Materials, also diese ganzen Zementhersteller, aber auch einfach alle Arten von Bauprodukten bis hin, das haben wir jetzt auch vermehrt, Mitarbeit in Behörden, also diese ganzen Baubehörden und so weiter.
Frisch: Ach ja, also der Bedarf klingt ja enorm.
Göbel: Der Bedarf ist enorm. Also ich glaube, wir haben kaum einen Absolventen, eine Absolventin, die nicht innerhalb kürzester Zeit einen Job hätte finden können. Also, oft ist es sogar so, dass Masterarbeiten auch schon mit Betrieben zusammengeschrieben werden und auch Themen von Unternehmen an uns herangetragen werden, in denen die Studierenden ihre Abschlussarbeiten schreiben können und dann direkt in den Unternehmen anfangen können.
Frisch: Erzählen Sie mir doch noch von Glücksmomenten in der Lehre.
Göbel: Glücksmomente habe ich immer dann, wenn ich ein Leuchten in den Studierenden sehe, weil sie unerwarteterweise eine Aufgabe lösen konnten, die sie vielleicht zu Beginn der Lehrveranstaltung nicht hätten lösen können, indem man so für einen Aha-Moment sorgt und auch, wenn man solche Sachen erlebt, dass die Studierenden am Ende einer Veranstaltungsreihe etwas aufgreifen, was man am Anfang gesagt hat und was sie vielleicht, wo man merkt, das hat sie jetzt nachhaltig beeindruckt.
Frisch: Angekommen oder haben es gehört oder „ach, tatsächlich, die haben was mitgenommen“ oder sowas. Ich bin irgendwie wirksam als Lehrperson. Das ist schön. Worauf freuen Sie sich am Abend, wenn Sie an den nächsten Tag denken? In der Universität meine ich.
Göbel: Ich freue mich auf meinen ganzen Beruf. Also, das beinhaltet die Lehre und Forschung, aber auch das Führen eines Teams, das Wirken als Gruppenleiterin. Ja, also ich liebe alles an meinem Beruf.
Frisch: Fantastisch. Vielen Dank, Frau Göbel, für das schöne Gespräch.
Göbel: Danke schön auch. Danke.
Neuer Kommentar