Ep. 27 – Gespräch mit Lucia Kempkes
Shownotes
Ein Kurs als Infektion – so beschreibt Lucia Kempkes ihre Lehre zum Teppichknüpfen am Bauhaus. Gemeinsam mit Simon Frisch spricht die Künstlerin und Gastprofessorin über textile Praxis, über Fäden, die sich zu Flächen verweben, über Materialien, die nicht nur Stoffe, sondern auch Ideen tragen. Im Zentrum: ein selbst gebauter marokkanischer Webstuhl, der nicht nur Werkzeug, sondern auch Denkraum ist. Was als experimentelles Zeichenstudio begann, wurde zur Werkstatt für kollektives Lernen. Die Studierenden lernten nicht nur das Handwerk, sondern entwickelten eigene textile Kunstwerke – von hängenden Skulpturen bis hin zu gewebten Reliefs. Es geht um Materialkunde, um Geduld, um das Verhältnis von Zeit zu Zentimetern. Und um Verantwortung in der Lehre: Wann hält eine Idee, wann bricht sie auseinander? Ein Gespräch über das Loslassen und das Begleiten, über Rahmenbedingungen – im doppelten Sinn – und darüber, wie Lehre zur Bewegung werden kann, die sich weiterspinnt.
Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.
Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Fotografie: Hélène Dal Farra Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Transkript: Laura Khachab Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger
Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast
https://luciakempkes.com www.instagram.com/luciakempkes
Transkript anzeigen
Lucia_Kempkes
Simon Frisch
Das Mikrofon ist aufgegangen und zwei Stimmen treten auf. Die eine Stimme gehört mir, Simon Frisch. Und wir sind ja immer sehr viele Personen und immer wieder ist die als wer rede ich eigentlich gerade? Lohnt sich darüber nachzudenken.
Ich bin hier in diesem Podcast als zwei Personen, die sich mit Lehre befassen und sich für Lehre interessieren. Vizepräsident für Lehre lernen und Dozent für Film und Medienwissenschaft. Und da lerne und lehre ich Lehre und lerne beides seit 1999 und interessiere mich immer noch und eigentlich immer ungebrochen mehr als je vielleicht für die Lehre und habe heute Lucia zu Gast.
Als wer bist du denn gekommen?
Lucia Kempkes
Hallo, ich bin hier als Künstlerin und als Dozentin, die immer mal wieder am Bauhaus einen Kurs gibt und als Gastprofessorin der UdK.
Simon Frisch
Sehr schön, herzlich willkommen. Mich interessiert oder wir sind ja aufeinander aufmerksam geworden in einer Ausstellung, die war zur Webkunst oder zur Weberei. Webkunst Weberei. Erzähl mir doch mal was zu dieser Ausstellung.
Lucia Kempkes
Also erstmal danke für die Einladung. Ich bin sehr, sehr gerne hier und rede da sehr gerne drüber, weil das war ein ganz besonderer Kurs auch für mich letztes Wintersemester hier am Bauhaus. Und zwar war das die Endausstellung des Kurses Teppich knüpfen als zeichnerische Praxis im Rahmen des experimentellen Zeichenstudios der Klasse von Professorin Gunstheimer, also der Malereiklasse der freien Kunst. Der Kurs begann eigentlich mit der Frage wie können wir wieder weben am Bauhaus? Also wie schaffen wir es wieder textile Kunst am Bauhaus zu produzieren? Und manchmal gibt es ja so glückliche Zufälle und ich habe selber das Teppichknüpfen und Weben in Marokko gelernt, einem marokkanischen Webstuhl, der sehr, sehr simpel zu bauen ist. Und deswegen haben Professorin Gunstheimer und ich entschieden, 10 marokkanische Webstühle mit der tollen Unterstützung von Andreas Riese in der Holzwerkstatt zu bauen und dann das Weben als eine Art von Zeichnung und Malerei erstmal zu begreifen.
Und dann habe ich den Kurs gegeben und die Ergebnisse hast du gesehen mit mir zusammen.
Simon Frisch
Ja. Das Faszinierende an den Ergebnissen war, dass jedes dieser Exemplare einen eigenen Zugang hatte, eine eigene Ästhetik hatte, eine eigene Umgangsweise mit diesem Material. Ich nenne es jetzt mal mit diesem Materialwald. Ich will jetzt nicht gleich Weberei sagen, weil du Zeichnung und Malerei verwendet hast und Zeichnung und Malerei hier mit Materialien aus dem Webhandwerk realisiert worden ist. So habe ich es jetzt verstanden. Und ich dachte damals, es sei kuratiert damit, dass ihr möglichst unterschiedliche Positionen gemacht habt, aber es waren alle gezeigt, die in dem Kurs entstanden sind.
Lucia Kempkes
Ja, genau. So haben insgesamt 20 Studierende teilgenommen. Ein bisschen ausholen muss ich die also mit dem Weben oder dem Teppich weben kann man ganz, ganz toll Reihe für Reihe eigentlich Bilder aufbauen. Und deswegen war der ursprüngliche Ansatz alle Studierende im Kurs werden eine eigene Art Bildweberei herstellen in Teppichmassen, also so einer Breite von eins, zwei bis 1,50 bis hoch zu zwei Metern. Das war mir wichtig, weil das einfach auch mal großformatiges Arbeiten zulässt. Es ist zwar viel Arbeit, aber am Ende hat man eben auch eine fertige großformatige Arbeit, was auch mal ein schönes Gefühl ist, glaube ich, für Studierende, sowas geschafft zu haben. Es ist aber eine Technik, die auch skulpturalen Umgang zulässt, ungewöhnliche Materialien und das habe ich auch von Anfang an den Studierenden immer wieder vermittelt, dass sie alles Mögliche verweben können, dass sie auch dreidimensionaler denken können, dass die Arbeiten hinter freiem Raum hängen können, dass sie auf dem Boden liegen können, an der Wand Löcher haben können oder wie auch immer, dass andere Objekte reingewebt werden können. Und ich glaube, das ist eine sehr dankbare Technik.
Das Weben an sich ist sehr simpel. Also wenn man es einmal verstanden hat und das versteht man, glaube ich so, wenn man kreativ ist in 10 Minuten, kann man sehr, sehr schnell anfangen, von eigenen Kunstwerken zu träumen. Und ich hatte einfach viel Vergnügen damit, alle 20 Studierenden einfach auf dem eigenen Weg zu begleiten. Und deswegen sind die Ergebnisse alle so unterschiedlich gewesen, weil dadurch, dass der Rahmen so klar jeder macht eine Arbeit über vier Block, ne, drei Blockseminare haben wir gemacht. Dazwischen haben die immer selbstständig weitergearbeitet. Da gab es einfach sehr viel Raum, den eigenen Interessen nachzugehen, den eigenen Ästhetiken irgendwie nachzugehen und eigene Fragestellungen an die eigene Arbeit zu entwickeln.
Simon Frisch
Wie wurde diese selbstständige Arbeit denn organisiert?
Lucia Kempkes
Ich bin ein Riesenfan in meiner Lehre, den Studierenden sehr viel zuzutrauen und sehr viel ihnen selbst zu überlassen, sie nicht damit alleine zu lassen, sondern einfach selber arbeiten zu lassen. Das heißt, ich habe den Kurs von Anfang an so konzipiert, dass wir uns einmal für vier Tage treffen, um die Grundlagen zu lernen. Wie baut man den Webrahmen zusammen, wie shared man eine Kette?
Simon Frisch
Ihr habt den selber zusammengebaut?
Lucia Kempkes
Ja, wir haben alle 10 Webstühle zusammengebaut, die Kette aufgezogen, dann habe ich ihnen vier verschiedene Web Arten und knüpfen, also textiles Knüpfen beigebracht, Beispiele gezeigt, was andere Künstlerinnen damit machen, was wo die Rahmen, also wo sind die Grenzen dieser Technik und ihnen irgendwie gezeigt, in diesen Rahmen könnt ihr euch komplett bewegen. Und zum nächsten Treffen mussten 10, weil wir haben ja nur 10 Webrahmen, 10 der Studierenden einen eigenen Entwurf mitgebracht haben, den ich dann mit allen noch besprochen habe. Auf die Schwierigkeiten ist es möglich, wie müssen wir es anpassen?
Simon Frisch
Das hast du vor allen mit allen besprochen, sodass von jeder Besprechung alle alles mitkriegen?
Lucia Kempkes
Es gab immer Arbeitsschritte, die die anderen im Hintergrund machen können. Wir haben das quasi eingeteilt in okay, ich fange, ich muss vielleicht ein bisschen besser ordnen, damit man es versteht. Also sehr gern. Das erste Blockseminar war einfach nur kennenlernen des Webrahmens, einrichten, zum ersten Mal Webtechniken lernen. Jetzt ist alles offen, jetzt kann ich alles machen. Im nächsten Treffen waren schon 10 bestimmt, die jetzt die Künstlerinnen sind, die auf den 10 Webrahmen ihre Arbeiten anfangen. Und die anderen waren Assistentinnen.
Das heißt, die haben immer die anderen 10 begleitet, was sehr praktisch war, weil man lernt ja trotzdem. Es musste der Webrahmen wieder eingerichtet werden, man musste wieder weben, man konnte mal den Anleitungen eines anderen folgen, versuchen die Zeichnungen zu interpretieren, also das Handwerk einfach vertiefen. Und im dritten dann, dazwischen war wieder ein Monat Zeit. In der Zeit haben die Künstlerinnen ihre Weberei fertig gemacht und dann haben wir im nächsten Kurs mit den anderen 10 als Künstlerin angefangen und die anderen 10 waren Assistentin.
Simon Frisch
Ach, verstehe.
Lucia Kempkes
Dadurch hatte ich mir erhofft, dass sich die Technik einfach richtig ins Blut geht, weil man beim Weben sehr schnell Schritte vergisst. Wir haben auch mit dem Handy mitgefilmt, wir haben versucht, Tutorials zu filmen, weil mein Ziel war, dass alle danach Expertinnen am marokkanischen Webstuhl sind, damit diese 10 Maschinen, die jetzt hier existieren, sich verselbstständigen können und in den Ateliers der Studierenden weiter genutzt werden. Dafür habe ich aber auch als Feedback der Studierenden den Rahmen eines Seminars definitiv gesprengt. Es war sehr viel Arbeit, sehr viel Eigeninitiative. Ich glaube, man darf auch als Lehrende sagen, dass man sehr stolz auf die Arbeit der Studierenden ist, die sich da wirklich engagiert haben und wirklich so toll gearbeitet haben. Deswegen waren wir, glaube ich, auch alle von den Ergebnissen so beeindruckt.
Simon Frisch
Also alle haben mehr gemacht als in so einem normalen Seminar, höre ich jetzt. Aber gleichzeitig hat man in sehr kurzer Zeit, also das hört sich für mich sehr ambitioniert an, in so einer kurzen Zeit von einem Seminar ExpertInnen für für marokkanische Webtechnik zu werden. Gleichzeitig, wie du es schilderst, stelle ich mir das aber doch ziemlich geschickt vor, wie da so eine Gegenseitigkeit Perspektivwechsel, Handwerk, Entwurf und so weiter, also von verschiedenen Ebenen sich das verfestigen kann. Es geht sehr viel um Übung und Routine, stelle ich mir vor. Also weben muss irgendwie was sein. Du hast auch ins Blut gehen gesagt. Weben ist irgendwie was, was man dann routiniert irgendwie macht oder Haufen Handschritte, wo man immer was vergisst.
Kannst du ein paar aufzählen, was da so Fallstricke sind? Was heißt eigentlich Kette aufziehen? Das wollte ich noch nachholen.
Lucia Kempkes
Das ist genau der Schritt.
Simon Frisch
Ja, exakt.
Lucia Kempkes
Also um noch mal ganz kurz so einen kleinen Webnerd Exkurs zu machen.
Simon Frisch
Unbedingt, ja.
Lucia Kempkes
Ja, es gibt den europäischen Webstuhl, der hat einen totalen Fokus auf die Kette. Die Kette sind die Fäden, die auf einem Webrahmen oder Webstuhl aufgezogen sind, wo zwischengewebt wird. Das heißt, das ist das Skelett, zwischen das wir quasi Stoffe oder Wolle oder auch wie einer der Studierenden Stroh schieben, um dann eine textile Fläche oder eine Oberfläche zu erzeugen. Europäische Webstühle, aber auch in Asien, im asiatischen Raum vor allem, wurden entwickelt mit dem absoluten Fokus auf die Kette. Das heißt, Schäfte nennt man das und Fächer. Also man spricht ja auf dem ältesten Computer der Welt, das ist so ein ganz bekanntes Denken, wenn man sagt, ein Fach ist quasi null, das andere ist eins. Und man kann quasi pro Reihe programmieren oder pro Reihe etwas entwerfen.
Und in Europa, am europäischen Webstuhl, hat man auf einmal Maschinen entwickelt, die sehr komplex sind, mit vier Fächern, mit acht, zwei und dreißig ist, glaube ich, das, oder 64. Der digitale Webstuhl, da geht es darum, dass die Kette ein Muster entwirft. Das heißt, die meisten Stoffe, die wir anhaben, hoch bis zur Jacquard Weberei, auch für Textile, die so Muster in sich haben oder ein Schimmern in sich haben, sind eigentlich auf solchen Webstühlen gemacht. Der marokkanische Webrahmen ist deswegen so praktisch, weil er hat nur zwei Fächer und man entwirft keine Muster in der Kette, sondern Bilder in dem, was man durchschiebt. Das heißt, man malt oder baut eine Skulptur Schritt für Schritt auf, wie eine Mauer, und kann aber in jedem cm oder mm entscheiden, welche Farbe auftaucht.
Simon Frisch
Also Reihe für Reihe hast du es gerade genannt. Genau, und man kann es aber, das heißt, man kann einfach ein Stück weiter in der Kette, nennt man das so, ein Stück später dann was blaues reinmachen, dann ein Stück Stroh und so weiter. Und so baut man dann diese Reihe.
Lucia Kempkes
Und dann legt man auf die nächste Reihe. Aber man kann daran nicht in der Kette extreme Muster anlegen, wie am europäischen Webstuhl. Der Vorteil ist aber, man kann relativ schnell lernen, den immer wieder zusammenzubauen und die Kette aufzuziehen, weil die Kette simpler ist bzw. Die Verarbeitung der Kette ist simpler.
Simon Frisch
Jetzt kann man sich schon vorstellen.
Lucia Kempkes
Trotzdem ist es was. Je öfter man einen Webstuhl zusammengebaut hat oder diesen Webrahmen, den marokkanischen, desto besser geht es von der Hand. In der ersten Woche haben die Studierenden zwei Tage dafür gebraucht, beim letzten Mal ein Tag. Das heißt, es ging sehr, sehr viel schneller. Die Schritte waren simpler, inklusive Kette zwei Tage und dann auf einmal nur noch einer. Und wir haben eben, also es war mir wichtig, dass wir es dreimal machen in diesem Kurs. Jede Woche, wenn wir uns treffen, fangen wir wieder mit diesem Schritt an.
Und ich glaube, dadurch kann jetzt autark damit gearbeitet werden. Allerdings werde ich den Kurs wahrscheinlich im Wintersemester in einer anderen Form oder ähnlichen Form hoffentlich noch mal geben dürfen. Und da muss ich auf das Feedback der Studierenden eingeben. Ich habe natürlich überhaupt nicht an den Rahmen gedacht, der, glaube ich, ein Fachseminar war und dementsprechend diesen zeitlichen Rahmen komplett gesprengt hat. Was mir aber egal ist auf eine Art, weil ich jetzt einfach weiß, dass hier 20 Menschen an dieser Uni ihren Freunden gerade Weben beibringen können. Und ich weiß auch von einigen Studierenden, die damit jetzt gerade weiterarbeiten. Und das war eben mein Fokus.
Simon Frisch
Okay, du hast so eine Art Infektion hier organisiert. Wunderbar.
Lucia Kempkes
Ja, ich meine, das Ganze ging natürlich nur, weil Professorin Gunstheimer das auch mir den Raum wieder gegeben hat, das experimentelle Zeichenstudio und auch ein Budget für das Holz, dass wir diese 10 Maschinen bauen durften. Aber es ist auch die simpelste Art, Grossformatik Weberei ans Bauhaus zu bringen, eben mit dem Schwerpunkt, dass man Bilder und Skulpturen herstellen kann. Aber ich glaube auch Produktdesigner, Architekten können damit tolle, eher so, ich sage mal Teppiche, Vorhänge oder Sofastoffe entwickeln, aber eben nicht extreme Muster. Das geht leider. Also Muster im Sinne von Kettmuster, das kann man mal googeln, wer sich jetzt dafür interessiert. Jacquard Weberei einmal eingeben, dann weiß glaube ich, jeder.
Simon Frisch
Wie geht man das ein? Mit J?
Lucia Kempkes
Ich weiß wirklich nicht genau. J und dann mit qu Weberei. Das entstehen diese schillernden wasseroberflächenartige Muster und Baumrinde oder bauen querschnittartigen Muster in Stoffen aus Seide und ganz feine Stoffe.
Simon Frisch
Ach so, natürlich. Man kann natürlich diese Kette. Also man kann ja auch die Stärke der Fäden variieren und so weiter. Also im Grunde hast du jetzt so ein Tor geöffnet und jetzt kann jeder von dort aus und jede weiterrechnen. Was ist eigentlich, wenn ich die Kette so, was ist eigentlich, wenn die Materialien so. Und das war ja in der Ausstellung auch schon zu sehen, dass da sehr, sehr viel Lust und Interesse am Experiment und am materialen Experiment vor allem ist. Was ist, wenn ich was dünneres, was dickeres, wenn ich Papier knüll, wenn ich Papier und so weiter.
Also ganz andere Materialien, die aus dem klassischen Textilmaterial oder dass man zuerst assoziiert auch rausgehen. Papiere, Kunststoffe, Naturmaterialien und so weiter. Auch Materialien, die sich verwandeln. Also sowas wie Naturmaterialien welken. Ja, oder nochmal trocken oder irgendwas in dieser Art und Weise. Und dann kann man natürlich was ist eigentlich, wenn ich mehr Fächer hätte, wenn ich andere Formen hätte? Schiffchen spielen hier aber keine Rolle.
Hattet ihr da sowas auch mit reingenommen? Das kenne ich noch aus der Schule.
Lucia Kempkes
Ehrlicherweise war das jetzt, dadurch, dass die so breit sind und man quasi seine ganze Armspannweite dafür benötigt, waren die eher unpraktisch. Man kann einfach immer so reingreifen, es weiterziehen, ist dann schneller. Aber theoretisch kann man das da durchschieben mit der Hand. Man könnte auch Schiffchen nehmen, aber ja, wir haben auch immer darauf geachtet, was wäre, wenn man z.B. Angel Schnur aufwickelt oder Draht oder man könnte auch Metallstangen dadurch weben. Ja, ich habe jetzt extra am Anfang gesagt, ein Grundkonzept mir überlegt. Wir nehmen die dickste Teppich, das dickste Teppich Cat Gun, was nicht reißen kann und wir gehen auf vier Fäden pro cm, was ein sehr standardmäßiger Ansatz ist.
Es gibt auch noch eine tolle Möglichkeit, man kann auch schon auf die Kette malen, dann verschwindet die Malerei so ein bisschen im Gewebten. Das ist auch ein ganz toller Effekt, den hast du auch bei manchen Teppichen da gesehen. Und deswegen, ich liebe die Technik dafür, dass sie so vielseitig ist. Man kann wirklich auch. Ich würde sehr, sehr gerne noch mal so einen Expertenkurs geben, wo man irgendwie sagt, okay, man stellt mehrere Häute da her, die vielleicht noch zusammenhängen, wo man dann große Skulpturen noch rausnähen kann. Also quasi textile Häute, die dann noch weiterverwertet werden.
Simon Frisch
Also das, was du vorhin Teppich genannt hast, nennst du jetzt Häute?
Lucia Kempkes
Naja, wenn man z.B. ins Skulpturale geht und Soft Sculpture, dann könnte man wie bei einem Würfel auch einen Würfelgrundriss oder eine Außenhaut von einem Kubus oder irgendwas herstellen. Häute ist das falsche Wort eigentlich, aber. Also textile Flächen werden es am Anfang immer, aber du erinnerst dich vielleicht auch an die eine Arbeit einer Studierenden von Lilly, die schon eine sehr, sehr skulptural cocoon artige Arbeit mitten im Raum hatte. Das ist ja das, was ich meine, dieses Weiterverarbeiten einer erst flachen Oberfläche, dann wird die ja vom Webrahmen irgendwann abgenommen und dann kann man eben sowas dann auch rausformen oder es weiter vernähen und.
Simon Frisch
Dann wird das eine Haut, weil sie irgendwie einen Raum oder einen Körper umschließt und da ist kein Teppich mehr. Völlig, ja, ja, jetzt kann ich es nachvollziehen. Das heißt, jetzt lerne ich so ein bisschen. Also was man da ja auch lernt, ist ja nicht einfach nur eine Webtechnik und dann sagt man, ich habe jetzt weben gelernt, sondern ich lerne was über Materialien, über Eigenschaften von Materialien. Du hast gerade gesagt Eisenstangen, also Flexibilitäten, Biegsamkeiten, Stabilitäten und so weiter und so weiter. Das ist eine Art Materialkunde in gewisser Hinsicht. Ich lerne was über Kräfte, Haltbarkeit, Dauer, solche Dinge.
Ich lerne auch was über meine eigene Motorik und Fingerfertigkeit und solche Sachen. Das heißt, da sind wir eigentlich schon so auf einer Ebene von Lernen und Lehren, die gar nicht mehr ein spezifisches Handwerk mit einem bestimmten Sinn hat, sondern ich mache keine Teppiche mehr, ich mache auch Häute, ich mache auch Räume, ich mache nicht nur Flächen und so weiter. Dann komme ich in die Dimension der Weltverhältnis. Also den Computer hast du auch schon kurz aufgerufen und dann hast du so viel von Rahmen gesprochen, da will ich jetzt gerade den Bogen nämlich hinbiegen, dass du immer sagtest, du hättest den Rahmen der Lehrveranstaltung oder des Lehrveranstaltungsformats mehrfach gesprengt. Und was ich so schön finde, ist natürlich, dass wir den Rahmen haben und den Rahmen haben. Also die Lehrveranstaltung selber hat einen Rahmen und da wird mir auf einmal die Weberei zur Metapher für die Lehre irgendwie.
Lucia Kempkes
Ja, also mir war das auch bewusst, dass ich sehr viel verlange, aber ich war einfach. Es hat sich aber trotzdem so oft auch das Feedback boah, das war viel. War am Ende doch der Stolz da auf all diese tollen Arbeiten, auch von den Studierenden selbst. Ich glaube auch das Selbstbewusstsein, wirklich was von Anfang bis Ende gelernt zu haben und jetzt frei damit weitergehen zu können, ist einfach sehr viel wert. Also ich glaube, wenn ich sowas geben kann, dann gebe ich auch gerne viel als Lehrende, weil mir der Aufwand das wert ist. Also von meiner Seite. Das war ja auch für mich sehr fordernd, weil ich 20 Studierende dabei begleitet hab, eigene Kunstwerke in diesem Rahmen zwar umzusetzen, aber mit ihren eigenen Materialien, ihren eigenen Dimensionen, ihren eigenen Vorstellungen, eigenen Herausforderungen.
Manche haben zweiseitige Arbeiten gemacht, andere. Das Experiment mit Stroh hat mir auch natürlich sehr viel Gedanken bereitet, weil ich natürlich nicht wollte, dass es nicht funktioniert. Das heißt, da sitzt man dann nach dem Zug auf dem Weg auch noch mal und geht jedes Projekt durch und fiebert so ein bisschen mit. Also mir macht es wahnsinnig viel Spaß, aber es ist schon sehr einnehmend.
Simon Frisch
Das ist gerade ein ganz schöner Punkt, der hier aufscheint. Also die Verantwortung fürs Gelingen, um die Leute dabei zu halten, im Lernprozess zu halten, dass wir da als Lehrperson immer wie kann das weitergehen, damit es weitergehen kann, dass ich sozusagen die Lernenden nicht verliere, dass die nicht aus dem Prozess ausfallen. Das ist ein sehr schöner Gedanke. Die Materialien, die die Leute. Also die Kette war gestellt, der Rahmen war gestellt und dann hast du und ihr bringt jetzt.
Wie heißt das Gegenstück zur Kette? Ihr bringt jetzt die.
Lucia Kempkes
Meistens spricht man dann von Wolle, aber in unserem Fall.
Simon Frisch
Ich bringe jetzt die Wolle mit, also im sehr weiten Sinn.
Lucia Kempkes
Ich habe aber auch von Anfang an kommuniziert, dass Wolle sehr teuer ist und deswegen von Anfang an auch Altkleidung als klassisches Material für die Weberei angezeigt. Und dann auch gesagt, ihr könnt alles ausprobieren. Bringt Mitte mit, wenn ihr Ketten dazwischen legen wollt, wenn ihr Holz. Aber hab auch immer gesagt, das wird schwieriger, das wird komplizierter, da könnt ihr nicht so viel malerisch schaffen. Also immer wieder versucht, alle Möglichkeiten. Ich benutze gerne diese Hand, diesen Tacho quasi. Da kannst du hingehen, du kannst dahin gehen und dazwischen kannst du alles machen.
Also so ein Fächer der Möglichkeiten, den aufzuzeigen, um dann die Studierenden wieder damit alleine zu lassen, sich selber zu entscheiden, wo es langgeht. Ich bin sehr gerne in der positiven Bestärkung, aber auch immer im Realismus. Also in dem Moment, wo irgendwas nicht funktionieren wird, der Plan, irgendwas von acht Fäden von der Decke zu hängen, dann sage ich das wird zu schwer, das wird nicht halten, das wird die Form nicht halten. Dann gehe ich gerne mit meiner Expertise auch in eine Art Kritik oder sage das glaube ich wird nichts oder ich glaube, du könntest. Denk noch mal drüber nach, ob das rüberkommt oder so. Aber erstmal versuche ich alle zu motivieren, einfach mal richtig frei loszulassen und es zu machen. Erstmal zu machen, danach zu bewerten, die Arbeit irgendwie zu investieren und dann reden wir übers Fertige und ich könnte das tun, ich könnte das tun.
Sondern erstmal entscheiden, loslegen, weiter.
Simon Frisch
Das ist interessant, dass das im Handwerk tatsächlich immer wieder. Also immer wenn ich im klassischen Sinn handwerklich orientierten Person spreche, dann kommen wir immer wieder an diesen Punkt ja, aber so geht es halt nicht. Jetzt hast das ist genau der Gedanke jetzt gerade, dass etwas an acht Fäden nicht hält und so weiter. Das wissen vielleicht auch andere Leute, aber du bringst natürlich eine Expertise mit, die noch weit darüber hinausgeht, nämlich die das Weben selber betrifft. Wo hast du und wie hast du deine Kompetenzen, wo hast du das alles gelernt?
Lucia Kempkes
Ich hab an der Uni Lisle, also ich habe freie Kunst studiert an der UdK und habe da auch keinen Zugang zum Weben gefunden, hatte auch noch gar kein Interesse daran. Ich habe dann 2017 meine ersten Arbeiten gemacht, wo ich Bergreliefs in Ikea Teppiche rasiert hab, als so eine Form von Zeichnung und hab dann schnell gemerkt, dass ich wissen will, ich muss wissen, wie man Teppiche macht, damit ich nicht einfach nur immer Teppiche kaufen oder auf ebay Kleinanzeigen finden. Ich musste wissen, wie dieses Objekt entsteht und habe in Deutschland erstmal niemanden gefunden, der mir das beibringen wollte. Die großen Firmen, habe ich dann verstanden, produzieren im Ausland oder sind sehr technisch unterwegs. Und ich bin dann, ich habe eine Kuratorin in Italien kennengelernt, die in Marokko lebt, in Marrakesch und sie komm vorbei, du lernst es bei uns. Das machen ja alle. Und dann war ich tatsächlich einen Monat im Atlas und habe da an diesem marokkanischen Webrahmen das Weben und Knüpfen gelernt und auch in Marokko meine erste Serie von Teppicharbeiten realisiert.
Da habe ich aus Paraglidern, aus Extremsport Equipment Teppiche gewebt. Also diese Transformation vom Abenteuer zur Sicherheit war irgendwie da konzeptuell mein Thema. Und jetzt habe ich einen großen Teppich Webstuhl, aber mit 2,10 m Breite und auch sehr viel angenehmer. Also der hat dreißig m laufende Kette obendrauf und ich kann da wirklich toll dran arbeiten, auch zu zweit im Atelier in Berlin und arbeite immer noch mit der Technik sehr viel, aber ich zeichne auch viel Bauskulpturen. Es ist ein Teil meiner künstlerischen Arbeit. Aber ja, also ich habe am Bauhaus angefangen, eigentlich als Leitung der Grundlehre der freien Kunst und habe auch im experimentellen Zeichenstudium erstmal meine konzeptuellere Art, also klassisch zu zeichnen, gelehrt ein Semester und kam da im Gespräch mit Professorin Gunstheimer vor allem auf dieses ach, wir brauchen irgendwie mehr textile Lehre und wir haben tolle Weberei zu haben. Und wie gesagt, europäische Webstühle sind sehr komplex, da braucht man viel Fachwissen.
Es ist nicht so, da geht auch mal schnell was kaputt. Es ist nicht so, ist ein bisschen wie Automechanik versus Fahrradmechanik und wir haben jetzt hier quasi die Fahrräder des Webens an der Uni und die kann man selber reparieren, da kann man was austauschen, das ist simpel zu verstehen und zu warten. Und ja, dann ist es manchmal eine schöne Fügung und ein schöner glücklicher Zufall, dass ich gerade diese Webrahmen kenne und habe dann Zeichnungen gemacht dafür, wie man die hier technisch bauen kann. Andreas hat mich ganz toll beraten, welches Holz, wie wir das am besten machen.
Simon Frisch
Ach, sehr gut, da greifen dann die Gewerke ineinander.
Lucia Kempkes
Das ist so toll an dieser Uni. Es ist wirklich einmalig. Also ich weiß nicht, ob das an anderen Unis so simpel zu machen wäre. Also ich glaube, da schreibt man sonst ein paar mehr e-Mails.
Simon Frisch
Sehr schön. Wenn man jetzt sagt, ja, wir wollen jetzt einen kleinen Textilbereich an der Hochschule haben, was müssten wir da mindestens reinbringen? Jetzt mal über die marokkanischen Webstühle, also über diese Infektion, das ist ja schon mal sehr schön. Wahrscheinlich ist da schon Anfang, aber wenn man jetzt ne, jetzt richten wir hier das ein. Also wenn da auch die Professur das sagt, was brauchen wir da mindestens? Wie baut man sowas auf aus deiner Sicht? Was würdest du sagen?
Lucia Kempkes
Naja, es gibt so viele textile Arbeitsweisen. Ich weiß, dass es hier schon eine studierendengeführte Textilwerkstatt gibt und da wird auch schon sehr viel in Eigeninitiative sich beigebracht. Die haben auch ein paar Maschinen, ich glaube, die haben Nähmaschinen. Und mit sowas muss man natürlich anfangen. Man braucht ein paar Nähmaschinen, vielleicht eine Industrie Nähmaschine für härtere Gewebe. Toll wären natürlich auch so zwei, drei Webstühle mit mehr Fächern. Da denke ich vor allem an die Designer, die Architekten, die vielleicht auch Spaß daran hätten, ihre eigenen Stoffe für andere, also nicht nur künstlerische wilde Projekte, die mal auch zerfallen können, sondern wenn jemand wirklich Interesse hätte, einen eigenen Sofastoff zu entwickeln, wäre das bestimmt toll.
Aber das ginge eigentlich auch, weil man es auf jeden Fall so organisieren könnte, dass einmal im Jahr eine ausgebildete Weberin oder Weber, die wartet, viel Kette draufzieht. Da muss es verwaltet werden. Aber es ist dann, glaube ich, mit Kursen möglich, dass man eben hey, wir bilden jetzt die ersten 10 Expertinnen für diese Maschine aus und ihr müsst Alarm schlagen, wenn da irgendwas nicht funktioniert, wie in anderen Werkstätten auch. Also ich glaube, das ist sehr, sehr viel ungefährlicher, als irgendwelche Sägen oder Laser zu benutzen. Da muss jetzt keiner daneben stehen.
Simon Frisch
Also man braucht einen Raum. Was meinst du mit sehr viel Kette aufziehen?
Lucia Kempkes
Also generell kann man auf Webstühlen erstmal man kann dreißig m Kette aufziehen und dann kann man dreißig m Textil weben. Das kann man einmal einrichten und dann könnten z.B. und dann kann man immer wieder abschneiden, wieder neu dranbinden. Und wenn man da dann Verantwortliche für hat, und damit meine ich die Studierenden, die das können, die das wissen, und dann sagt man okay, wenn die Kette leer ist, muss eine Weberin Weber kommen und eine neue Kette anbringen. Das ist alles möglich. Das machen sehr viele Leute, die mit Webstühlen arbeiten. Das ist ein Service, den Weberinnen auch anbieten, weil ehrlicherweise ist es auf jeden Fall eine Ausbildung, so viele Fäden in die Luft zu schmeißen und da kommt kein Knoten bei raus.
Also ich bin da auch nicht so.
Simon Frisch
Ach so, was macht man denn da? Wieso schmeißt man in die Luft?
Lucia Kempkes
Das ist also das ist kompliziert. Da kann man sich mal YouTube Videos anschauen. Also so ein Scherbaum, dreißig m Faden, 800 Fäden nebeneinander, ohne dass die sich vertüdeln. Da braucht man ein paar gelernte Handgriffe und es lohnt sich einfach, da eine Expertin, glaube ich, zu haben. Aber es gibt natürlich auch digitale Techniken. Es gibt ganz tolle digitale Stickmaschinen, die sind gar nicht so teuer. Auch da könnte man mit einem Kurs die ersten Expertinnen ausbilden, die dann damit weiterarbeiten dürfen.
Also vielleicht einfach den Access erstmal zu regulieren. Wenn es keine klassische Werkstatt geben kann, dann sagt man okay, wer den Kurs gemacht hat, hat Zugang zu diesen Geräten. Und dann muss es halt diese Kurse einfach öfter geben. Und irgendwann gibt es 50 Menschen, die damit arbeiten können, die das auch ihren Freundinnen, Freunden zeigen können. Kann schiefgehen, kann natürlich was kaputtgehen, kann aber sehr gut funktionieren.
Simon Frisch
Also man baut einen Raum oder man stellt einen Raum zur Verfügung, wo man Maschinen reinstellen kann, wo man dann anfängt, Experten, Expertinnen auszubilden, die dann immer mehr werden, über die dann die Zugänglichkeit zu dem Raum sich organisiert. Das klingt eigentlich sehr schön. Also da hat man dann nicht gleich die ganze Struktur, sondern man baut das Personal sozusagen.
Lucia Kempkes
Nach und nach kann man es aufbauen.
Simon Frisch
Noch was ist interessant, das Organische. Jetzt haben wir von den Stickmaschinen gehört, jetzt wird die Materialität noch mal wieder interessant. Was beim Weben, also wir haben ja schon von Eisenstangen gehört oder von Holz und Stroh, aber die Kette selbst besteht ja auch wiederum aus Fäden und diese sind wiederum aus Fasern oder aus irgendwas gewonnen, sodass also vom Spinnen über den Faden zur Fläche, also sozusagen man hat irgendwie Gewöll oder Gewusel, was sich irgendwie binden lässt, eine Linie und dann aus der Linie wird wieder eine Fläche. Ja, exakt. Hat er das nicht auch hier geschrieben in diesem Textil? Natürlich. In diesem Textil steckt sehr viel.
Du hast auch schon gerade die beiden Wege aufgemacht, ins experimentell, kreativ, künstlerisch verrückte oder eben ins konventionell, vielleicht auch kommerzielle zu gehen, wo man wir machen jetzt hier Stoffe und da hat das ja wirklich ein Potenzial in die beiden Richtungen, eben Kunst und Industrie, Kunst und Handwerk. Das sind ja auch die beiden Oppositionsschlagwörter, dieses klassische des staatlichen Bauhaus hatte erstmal Kunst und Handwerk eine Einheit und danach Kunst und Industrie eine Einheit. Wir haben das für unsere Bauhaus Universität Weimar, diese Trias Bauhaus Universität und Weimar haben wir nicht zwei, haben wir nicht mehr Kunst und. Und gleichzeitig ist eben schon immer die Kunst enthalten. Und gerade wo wir so sprechen, es ist von der Weberei her auf allen Stufen, wenn wir wirklich sagen, wir gehen erstmal vom Stoff zum Faden und dann in die Fläche, haben wir immer den, wie nenne ich das, also eigentlich den Anteil der Kunst auf jeder Ebene immer enthalten, weil es muss immer was, es muss immer auch was geschöpft werden und es muss immer im Material auch was rausgefunden werden, ohne die Funktion selber wirklich schon festgelegt zu haben. Nicht immer festgelegt zu haben, ja.
Lucia Kempkes
Wie gesagt, ich finde textiles künstlerisches Arbeiten ist genauso versatil wie Zeichnung, Malerei, Skulptur. Man kann immer wieder Grenzen aufbrechen, erweitern. Und ich glaube aber auch, also ich hatte jetzt im Kurs auch nicht nur Studierende in der freien Kunst, auch der Architektur, des Masters Produktdesign, es war eigentlich alles mit dabei. Mein Anspruch an den Kurs jeder macht hier ein Kunstwerk. Wir machen hier nicht den Teppich fürs Schlafzimmer.
Simon Frisch
Okay, das war eine Vorgabe.
Lucia Kempkes
Das war eine Vorgabe, weil ich wollte, dass einmal über die Grenze hinausgegangen wird, was sie danach machen. Aber von da aus, wenn man einmal so groß gedacht hat, kann man ja schon so viel. Also es lohnt sich einfach so sehr. Aber ich glaube auch, dass es für alle Studiengänge hier an der Uni sehr, sehr spannend wäre, eigene Textilien herstellen zu können. Das ist so was Simples. Also ich web momentan meine eigenen Leinwände und es entstehen so eigentlich Malereien. Es sind sehr viele Gedankenspiele möglich.
Man kann auch künstlerische Installationen machen, wo man die eigenen ganz klassischen Vorhänge eigentlich gewebt hat. Aber es ist ein Kunstwerk. Oder man kann Teppiche, wie gesagt, da haben wir schon genug drüber gesprochen, aber es ist grenzenlos. Und ich glaube, natürlich wäre es ein Traum, hier wie die Holzwerkstatt, so eine Weberei stehen zu haben mit zwei Web Expertinnen, ausgebildeten Meisterinnen, Meistern, die das leiten würden. Aber man kann da auch, ich glaube auch die Holzwerkstatt ist dahin gewachsen, wo sie jetzt ist, als Beispiel für alle diese tollen Werkstätten, die es hier gibt. Und ich glaube auch die Textilwerkstatt könnte dahin wachsen, wenn man einfach mit ein paar Webstühlen, Nähmaschinen, Stickmaschinen, Strickmaschinen, es gibt so viele Maschinen, die man auch ganz toll auf ebay Kleinanzeigen für Appel und Ei sich anschaffen kann. Deswegen bin ich immer so ein Fan, manchmal von klein nach groß denken, und schauen.
Simon Frisch
Also mit dem Interesse an den Praktiken wächst dann auch der nächste Schritt oder sowas in der Richtung. So höre ich das.
Lucia Kempkes
Es gibt auch das digitale Weben. Im Endeffekt würde man das, da hat man ein Computerprogramm und entwirft Bilder am Computer und legt auch Garne fest. Die Maschine selber hat eine ganz gewisse Garnrange von allen Farben. Das ist wie so eine Wand dahinter mit so ganz vielen Konen, von denen dann automatisch das richtige Garn runtergespult wird. Da hat man mit den Händen nichts mehr zu tun. So eine Maschine gibt es in manchen Unis haben das, ich glaube die Burg hat sowas und in den Niederlanden, die haben das auf jeden Fall auch. Ich glaube in Kassel steht so eine Maschine, bin mir aber nicht ganz sicher.
Ich will jetzt hier nicht Kolleginnen nennen, die vielleicht doch nicht so eine Maschine zur Verfügung haben. Aber da denke ich z.B. man könnte auch digitale Webereien besuchen, da einen Kurs machen oder eine Führung, eine Einführung zu bekommen.
Simon Frisch
Wie stelle ich mir das vor? Digital, so ähnlich wie ein 3D-Drucker oder sowas?
Lucia Kempkes
Photoshop im Sinne von, man arbeitet selber einfach am Computer in einem gewissen neuen Programm. Das muss man lernen. Und man kann auch einfach, also wenn man es jetzt in Auftrag gibt, dann gibt man jemandem mit einer digitalen Weberei ein Foto z.B. und sagt, dieses Foto hätte ich gerne als Strandhandtuch, keine Ahnung, oder als Decke. Und die machen das dann einfach. Die übersetzen das auch teilweise für einen. Oder künstlerischer gedacht, legt man die Datei selber an und gibt sie dann an die Weberei.
Und es ist immer noch ein Webstuhl, aber der ist komplett digitalisiert.
Simon Frisch
Also ich kann sogar programmieren. Also ich könnte sogar den Webstuhl programmieren.
Lucia Kempkes
Also das wäre die Aufgabe des Experten. Das könnte ich jetzt z.B. auch nicht. Ich weiß, dass es einfacher ist. Man könnte Studierenden das Computerprogramm beibringen und die könnten die Webereien in Auftrag geben. Vielleicht kann man da eine Kollaboration erschaffen mit einer digitalen Weberei, die Studentenrabatt, wir drucken das jetzt aus, um jetzt mal im Drucken zu bleiben, also als Referenz. Aber es gibt viele digitale Praktiken. Weavepoint z.b. ist auch ein Programm für simplere digitalisierte Webstühle. Da kann man dann auch einfach Muster auf dem Computer entwerfen und der Webstuhl weiß dann schon, welcher Faden hochgehen muss. Da muss man nicht mehr mitdenken. Und davon gibt es tausend Abstufungen. Und sowas könnte man eben auch. Also da brauchen dann Leute die Programme auf dem Computer und gar nicht mal jede Maschine. Die könnte man in der Peripherie vielleicht auch finden.
Also so könnte man auch ein bisschen mehr netzwerkartig.
Simon Frisch
Aha, dann ist die Maschine gar nicht mehr im Haus. Aber z.b. Informatikerinnen und Informatiker arbeiten gemeinsam mit Produkten Designern, Textildesignern und dann würden die einen am Programm und die anderen an dem Design arbeiten. Und so könnte man, so ist es ja bei Games z.b. die einen machen das Visual und die anderen rechnen es oder so weiter.
Lucia Kempkes
Ja, in dem Fall könnte man jemanden, Experten der digitalen Weberei einladen, einen Kurs zu geben, um das Computerprogramm zu lernen und am Computer die ersten Bilder zu entwerfen. Und am Ende des Kurses kann sich jeder entscheiden, ob er es ausausgewebt haben möchte, so ungefähr. Aber dafür muss man, es ist jetzt ja nur so ein Gedanke, so könnte man diese Technik schon erlernen.
Simon Frisch
Der Webstuhl steht woanders. Ja, verstehe. Genau. Jetzt haben wir so geschwärmt von deinem Kurs. Gab es Schwierigkeiten und wie bist du damit umgegangen? Also gab es Motivationsschwächen oder welche Hürden hatte dieses ganze Projekt auch möglicherweise?
Lucia Kempkes
Also meine größte Sorge war, dass wir die Webstühle nicht richtig zusammengebaut bekommen. Auch ich mache das nicht täglich. Das heißt, ich hab selber. Da war ich nervös und war sehr begeistert, wie gut die Studierenden mitgearbeitet haben und wie schnell die das verstanden haben. Also das war meine Sorge, dass irgendwie ein Fehler auftaucht, den ich mir auch nicht erklären kann. Also dass die Kette doch nicht funktioniert und der Mechanismus, den ich da gelernt habe, wie man das zusammenknotet, doch nicht mehr funktioniert. Da hatte ich Sorge und war sehr entspannt, als das vorbei war.
Ich glaube, eine Schwierigkeit war, dass es eben drei Blockseminare waren und ich dazwischen die Studierenden immer wieder alleine gelassen habe, auch mit viel Arbeit. Gleichzeitig war das aber auch, glaube ich, genau richtig, dass sie alleine im Atelier, die Webstühle kannte man ja, mitnehmen oder in dem Raum arbeiten.
Simon Frisch
Wie haben die das denn gemacht? Also hast du da eine Beobachtung oder weißt du das? Haben die zu Hause eher gearbeitet?
Lucia Kempkes
Ne, im Atelier oder in dem Raum. Also konnten immer in dem Raum arbeiten oder eben. Also in der 207 hier oder die haben den mit ins Atelier genommen.
Simon Frisch
Du hast. Genau, in ihrem Atelier.
Lucia Kempkes
Also. Genau, oder wo auch immer sie arbeiten konnten damit. Aber die sind natürlich auf dem Campus geblieben, also sind nicht weggewandert. Und ich glaube, es war auch gut, kannte jeder entscheiden, wann gearbeitet wurde. Aber natürlich haben die auch sehr viel anderes Programm, da waren Exkursionen und deswegen. Die Schwierigkeit für alle war, glaube ich, im Rahmen ihres Projektes logisch oder ich sage mal realistisch zu bleiben. Ich habe immer wieder gesagt, wer Altkleidung nimmt, macht pro Reihe 1 cm.
Wer ganz dünne Wolle nimmt, braucht für einen cm 20 Minuten. Also entscheidet euch für ein gutes Material, für je mehr Farben, desto länger. Also Zeit beim Weben steigt sehr schnell, exponentiell mit dem Aufwand des Bildes. Je simpler das Design ist oder je simpler das Konzept, desto einfacher die Umsetzung.
Simon Frisch
Das heißt, du hast da sehr vorausschauend moderiert, sodass eigentlich niemand da war mit 10 cm, während die anderen schon bei einem halben M oder sowas war, weil du das schon alles moderiert hattest. Sehr rechtzeitig.
Lucia Kempkes
Wir haben in dem ersten Kurs, wo wir nur ausprobiert haben, die Techniken gelernt haben, habe ich schaut mal, der Webstuhl hat nur mit Wolle gearbeitet, das sind erst 7 cm. Hier haben Leute mit dicken Baumwollstreifen gearbeitet, die sind schon bei 40 cm. Just saying. Dass man halt immer wieder so zeigt, Ah, guck mal, so sieht es aus, wenn da ein Loch drin ist. Ist auch cool. Eine ästhetische Entscheidung. Also immer Möglichkeiten und Grenzen aufweisen, ist glaube ich meine Herangehensweise.
Und dazwischen alles selber entscheiden lassen.
Simon Frisch
Also das lässt sich wirklich übertragen. Da geht es nämlich eigentlich um Themenstellung. Was nehme ich mir vor und was kann ich in welcher Zeit bearbeiten? Also ich komme jetzt aus einer theoretischen Wissenschaft. Genau das Problem habe ich eigentlich auch immer. Und das ist sehr schön. Bei der Weberei kann man cm und Zeiträume also wirklich offenbar sehr exakt korrelieren.
Das können wir ja nicht immer. Also wenn jemand sagt, die Bedeutung des Friedens für die Welt der Zukunft, da will ich jetzt meine Hausarbeit drüber schreiben, da weiß man nicht, wie viel cm und wie viel Minuten das dauert. Aber man kann sich vorstellen, dass es ein fast rahmenloses Thema ist. Aber eigentlich ist das immer die Herausforderung, einen Rahmen zu finden, wo man Zeit und Material miteinander in Verhältnis bringen kann. Und auch die Aufgabe, eben das Thema, was ich da wähle. Wie konkret waren denn eigentlich die Vorhaben, die du da vorgestellt bekommen hast?
Lucia Kempkes
Also ich finde, alle haben eigentlich sehr schnell ein Thema gefunden oder ein Material. Hatten natürlich auch vom ersten Input Workshop, sage ich mal, von den ersten vier Tagen bis zum nächsten Mal, glaube ich, noch mal zwei Wochen Zeit, das sacken zu lassen. Wir haben die Webstühle stehen lassen mit den Ketten. Die konnten also auch noch mal was ausprobieren alleine, bevor sie dann ihr eigenes Stück angefangen haben. Das heißt, man konnte dann auch noch mal schauen, was passiert denn, wenn ich da jetzt Metall, ich sage immer Metall, weil es das absurdeste ist, weil es wirklich so gar nicht dehnbar ist. Oder was passiert denn, wenn ich das versuche oder wenn ich auf die Kette, das aufmale, kommt es raus. Und das haben auch viele gemacht.
Und ja, ich glaube, da bin ich dann sehr strikt. Da bin ich dann auch mal ein bisschen strenger, dass ich ne, jetzt fangen 10 an, was sind eure Ideen, los geht's. Und das funktioniert aber auch, weil ich finde, manchmal muss man auch mal ein bisschen was fordern, was eigentlich immer sehr positiv, bei mir zumindest, aufgenommen wird, weil ich denen das zutraue. Ich fordere nichts, was ich niemandem zutraue. Ich bin immer sehr darauf bedacht, dass ich einen sicheren Rahmen gebe und dass mir die Studierenden vertrauen können, dass ich schon weiß, dass es möglich ist. Aber ja, die Arbeit muss selber gemacht werden. Und ich fand, sie haben das alle toll gemacht.
Also ich hatte das Gefühl, alle hatten einen Plan, gute Zeichnungen, hatten sich schon Gedanken gemacht, wo Schwierigkeiten sind. Bei manchen muss ich sagen, ich glaube, das ist nicht möglich. Ich glaube, es wäre besser, wenn du es so machen würdest, technisch. Das ist auch das Tolle, wenn man mit so einem technischen Kurs gibt, also bei den freien Kunstklassen, die ich jetzt auch an der UdK z.B. begleite, da ist man ja nicht immer auf so einem technischen. Da kann man es nicht immer drauf zurückführen. Dann kann man nicht ich glaube, du fängst besser so an, dann hält der besser oder dann ist die Statik des Teppichs besser.
Das sind natürlich auch Probleme, die leichter zu klären sind, als zu sagen ich glaube, inhaltlich ist das nicht so klar. Genau, das sind natürlich andere Gespräche, die mir auch sehr viel Spaß mal gemacht haben, einfach ein bisschen im Technischen zu bleiben.
Simon Frisch
Die Metapher von das hält oder das hält nicht, die kann man auf einer sehr breiten Ebene nachvollziehen. Also wir sagen, hier hören wir, wir haben ja Bauingenieure, Bauingenieure noch bauingenieurwissenschaftliche Studiengänge auch und Baukonstruktion. Da wird dann immer die Brücke ins Feld geführt, die halten muss, wenn man drüber geht. Aber diese Metapher sehe ich eigentlich und jetzt auch aus meinem Amt heraus, eigentlich für alle Fakultäten oder alle Lehrgebiete gegeben. Es muss halten. Also was ich da mach, muss aushalten, muss in der Welt halten, muss haltbar sein. Und das gilt eigentlich auch für den Gedanken.
Also der hat keine Schrauben, der besteht aus anderen Materialien, aber muss irgendwie haltbar sein, sonst bricht er zusammen. Und das hat man bei der Technik. Und ja, da braucht man dann wahrscheinlich einfach eine andere Kompetenz. Ich höre schon immer raus, dass du einfach eine Expertise hast und eine Erfahrung im Weben und das gibt dir dann auch die Autorität und letztlich auch die Glaubwürdigkeit, dass du als Lehrperson diesen Kurs gestalten kannst.
Wie viel Vorwissen hatten die Leute? Das habe ich mich jetzt auch schon immer die ganze Zeit gefragt.
Lucia Kempkes
Eine Studierende hatte vorher schon Textildesign, glaube ich, studiert, aber ich glaube Modedesign, wenn ich mich richtig erinnere, die meisten hatten null Vorwissen.
Simon Frisch
Was heißt aber Modedesign? Das heißt, da ist man gar nicht auf der Ebene der Weben?
Lucia Kempkes
Ich glaube nicht, dass sie vorher weben gelernt hat. Also die Karte war auch im Kurs, um weben zu lernen. Ich meine, ich glaube, wenn man lange künstlerisch arbeitet, in verschiedenen Techniken, dann wird man eben auch zu Materialexperten und Technikexperten. Ich könnte auch in der Zeichnung auf Papier Leute irgendwie, glaube ich, sehr gut begleiten, welche Stifte oder Pastell oder wie man es technisch am besten umsetzt, dass das Papier sich nicht wellt und und und. Aber da ist man dann schnell eben auf der inhaltlichen Ebene. Es ist einfach weniger komplex, sage ich jetzt mal. Ich meine, klar, beim Papier kann man auch sehr, sehr viel falsch machen, aber dann auch nicht so viel wie jetzt.
Einfach beim Weben entsteht halt auch eine Masse. Also es ist sehr schnell eine Skulptur ist ein Objekt, auch wenn man sagt, da ist eine Bildung Ebene, da ist eine Zeichnung oder eine Malerei drauf. Es ist ein schweres Objekt. Man ist manchmal, gerade wenn man mit Altkleidung arbeitet und dann, ich sag jetzt mal im hochflorigen Bereich, also man hat geknüpft, dann wiegen die locker mal 20, dreißig Kilo. Und das ist manchmal auch überraschend, dass man mit Statik arbeitet, mit skulpturalem Denken, was mir sehr viel Freude bereitet. Und ich glaube, die Studierenden fanden es auch cool, so fachsimpeln zu können. Irgendwann hat man so ein Fachjargon, vielleicht muss ich da das und das machen oder der Mechanismus muss noch mal angepasst werden.
Wir hatten so eine eigene Sprache. Wir haben den Kurs auf Englisch gemacht, weil wir auch ein paar Exchange Students dabei hatten. Das war dann auch noch mal so eine witzige Art, wie wir alle zusammen für manche Dinge Wörter finden mussten und uns dann entschieden haben, irgendwas so und so zu nennen, weil ich selbst nicht wusste, wie man das jetzt nennt. Oder.
Simon Frisch
Achso, ihr habt richtig eine eigene Sprache entwickelt. Dadurch ist die Gruppe noch mal zu einer ganz eigenen...
Lucia Kempkes
Ja, ja, doch, das war hinter. Es war schon eine richtige Gang. Das hat mir sehr gut gefallen, wie die alle zusammengearbeitet haben, sich unterstützt haben.
Simon Frisch
Sehr schönes Format, also sozusagen den Lernverband als Bande oder als Gang oder sowas zu betreiben und auch zu begreifen und das irgendwie dann aufzubauen. Weil tatsächlich ist das etwas, was ich interessanterweise gerade sehr aktuell ganz oft denke, dass ich und auch immer wieder zu den Studierenden sagt, dass ich wir sind also wir Lehrenden, darauf sollen wir eigentlich gar nicht so sehr ausrichten, oder darauf sollt ihr euch gar nicht so sehr ausrichten, sondern bringt euch das gegenseitig bei, schaut aufeinander zu. Wir sind hier eine große Gruppe, ich bringe so ein paar Impulse ein. Aber viel interessanter ist, dass hier ganz, ganz viele Leute sind, mit denen wir jetzt so gemeinsam so eine Expertise aufbauen. Also eigentlich genau das, was du am Anfang auch hergestellt hast, wodurch dann eine Infektion entsteht, die hoffentlich in der Universität sich ausbreitet.
Lucia Kempkes
Ja, was, glaube ich, auch nicht so gut geklappt hat, ist diese. Das hatte ich noch mal mehr versucht mit diesem. Gerade als wir Assistenz und Künstler diese Phase hatten, dass jemand mitfilmt, denkt daran zu filmen, denkt daran, die schwierigen Schritte, die man in zwei Jahren wieder vergessen hat, auch ich, wo man sich noch mal ah, wie war das noch mal diese Schritte, mach Videos, sprecht da rein, so, und jetzt den Faden nach unten und dann nach oben und dann hat man diesen Knoten oder das und das erreicht. Da hätte ich, glaube ich, ein bisschen hinterher sein müssen. Aber da ich immer 20 Studierende auch mit eigenen Fragen fürs eigene Projekt. Also ich bin da schon immer rumgegangen, ich hatte da jetzt nicht so viel Luft, um immer wieder darauf hinzuweisen, wir müssen diese Videos machen. Ich habe gesagt, lass uns die im Moodle hochladen, dass alle danach diese Tutorials quasi haben.
Erst hatte ich auch überlegt, wollen wir einen Instagram Kanal machen, aber dachte, es ist auch irgendwie bescheuert. Dann haben wir da unsere. Da wäre so viel Arbeit und Energie reingeflossen, noch mal diese Festhalten der Technik irgendwie künstlich zu erzeugen, dass ich danach dachte, okay, alle werden irgendwie Videos haben, die haben alle toll zusammengearbeitet, die werden sich anrufen, die haben eine WhatsApp oder eine Telegram Gruppe, wo sie eh schon alles besprochen haben. Ich hoffe, die wissen, wen sie fragen können. Wir wussten auch, am Ende gab es so Expertinnen für den einen Arbeitsschritt und andere waren besser in dem anderen. Und dann wurden die ja eh schon immer konsultiert. Deswegen hoffe ich einfach, dass sie sich ansprechen werden.
Also die haben sich jetzt auch, glaube ich, schon getroffen, um wieder Kette aufzuspannen in einer kleinen Gruppe, die weiterarbeiten wollen, weil du brauchst für eine Kette drei Leute. Das heißt, man muss auch teilweise zusammenarbeiten.
Simon Frisch
Das ist das mit der Weberei. Es ist eigentlich gar keine individuelle Geschichte. Es hat immer etwas Gemeinschaftliches.
Lucia Kempkes
Sobald die Kette steht, ist man individuell unterwegs, wenn man möchte. Aber man kann eben auch die Skizzen so anlegen, dass man mit mehreren arbeitet. Das heißt, deswegen auch die Assistenz war teilweise sehr praktisch, weil man dann eben auch doppelte Geschwindigkeit hat. Aber ich glaube, ich hoffe, dass es sich verselbstständigt hat.
Simon Frisch
Also da ist die Weberei dann auch eigentlich ein Feld, in dem man Teamarbeit lernen kann.
Lucia Kempkes
Total. Wenn man möchte, ja.
Und dadurch, dass du hast ja auch gesehen, alle waren komplett unterschiedlich. Man kann sich da auch irgendwie nicht so viel in die Quere kommen oder abgucken, weil es so viele Möglichkeiten gibt. Ich glaube, alle hatten andere Ansätze, was sie von dem Kurs wollten, was sie von ihrer Weberei wollten. Manche waren wirklich da, nur um die Technik mal so richtig zu lernen. Manche hatten das Bedürfnis, einfach von Anfang bis Ende mal irgendwas zu lernen, waren gar nicht mal so interessiert am Weben an sich. Andere waren wahnsinnig versessen. Ich will was mit Wolle machen können, ich will endlich Texte arbeiten können.
Andere hatten total tolle Konzepte, die schon an vorherige Arbeiten angeschlossen hatten und haben einfach Skulpturen oder Webereien umgesetzt, die schon längst im Kopf waren. Es war toll, es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, muss ich ehrlich zugeben.
Simon Frisch
Da hast du also noch dazu Leute von ganz verschiedenen wo abgeholt und im Grunde hast du sie noch nicht mal abgeholt, sondern eigentlich auf ihren verschiedenen Pfaden halten können. Also mit der Weberei alles im selben Kurs. Wirklich ein faszinierendes Projekt, das auf ganz vielen Ebenen auch Lehre noch mal reflektiert, also ganz viele Facetten hat, was mit universitärem, studentischem Lehren zusammenhängt. Und ein Gedanke war jetzt auch, was bleibt davon? Genau so einen Gedanken hatte ich. Gibt es eine Seite, wo die ganzen Videos sind und so und so. Ich finde das gerade ganz schön, wie du es selber schon abgeräumt hattest, in Hinsicht, nein, das ist jetzt beim Untereinander.
Und was davon bleibt, ist eine weberische Betriebsamkeit. Also es bleibt, wir haben keine Dokumentation in dem Sinn. Und das finde ich eigentlich gerade sehr charmant, weil es dem Weben wahrscheinlich auch gemäß ist und gerecht ist, nicht ins Foto zu wandern, sondern in die Weberei als Vorgang oder in diese Betriebsamkeit, die diese Infektion eigentlich eher dann vielleicht an der Stelle war.
Lucia Kempkes
Ich glaube, ich habe zum ersten Mal auch einen Kurs gemacht, wo sich in, wo sich die Struktur des Kurses quasi immer wieder erholt hat. Das habe ich auch noch nie gemacht. Also jede Woche von diesen drei Wochen fing gleich an und das hat mir auch den Freiraum gegeben. Also ich habe natürlich einmal noch mehr Input gegeben oder irgendwas angesprochen, aber eigentlich haben wir immer, wenn wir das das erste Mal gesehen haben, wieder diese Webstühle zusammengebaut, die Kette gemacht, neue Projekte angefangen, zwei Tage lang die ersten 20 cm dieses Projektes realisiert, letzte Fragen besprochen und ich war wieder weg. Und dadurch habe ich, das habe ich vorher auch nicht so mir vorstellen können, habe aber mir auch so einen sicheren Rahmen gegeben, dass ich da, glaube ich, auch so individuell die ganze Kraft irgendwie auf alle Studierenden verteilen konnte und gar nicht mal so über meine Struktur nachdenken musste, weil manchmal in Kursen, die, sage ich mal, flexibler sind, muss man ja immer wieder alle ins Boot holen. Heute machen wir, da musste ich nicht mehr hin und das war echt gut. Aber ich glaube, das bietet sich vor allem für technische Kurse an, wo man sowas vermittelt, aber nicht so sehr für jetzt so eine freie Kunstklasse.
Muss die Arbeitsbesprechung der einzelnen Studierenden im Vordergrund stehen oder Exkursionen oder das muss irgendwie immer auch eine Veränderung haben, es muss einen anderen Fluss haben. Aber es hat mir gut gefallen, also dass ich da nicht drüber nachdenken musste, so dumm das klingt.
Simon Frisch
Fantastisch. Die Kette unserer Zeit ist ausgelaufen. Liebe Lucia, vielen Dank für das schöne Gespräch.
Lucia Kempkes
Danke dir. Danke dir nochmal für die Einladung.
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