Ep. 30 – Gespräch mit Ulrike Garde
Shownotes
Was bedeutet es, Sprachen zu lehren und was bedeutet es, Sprachen zu lernen? In dieser Episode spricht Simon Frisch mit Ulrike Garde, der Leiterin des Sprachenzentrums der Bauhaus-Universität Weimar, über Mehrsprachigkeit als Haltung, über Diversität als Wert an sich – und über Sprachunterricht als Einladung zum Perspektivwechsel. Garde beschreibt das Sprachenlernen nicht nur als Schlüssel zur Verständigung, sondern als Möglichkeit, neue Welten, Denkweisen und Klänge zu erschließen. Im Gespräch geht es um die Rolle von Sprachenzentren in der heutigen Universitätslandschaft, um Curricula, die kulturelles Lernen stärker integrieren sollten, und um Sprachen als Werkzeug einer offenen Gesellschaft. Und was haben Theater, Archipele und Cafeterien mit all dem zu tun? Auch das wird klar – in einer Folge, die zeigt: Sprache ist mehr als Mittel zum Zweck. Sie ist ein Ort, an dem Menschen sich begegnen.
Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.
Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Transkript: Natalie Röhniß Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger
Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast
https://www.uni-weimar.de/de/universitaet/struktur/zentrale-einrichtungen/sprachenzentrum/
Transkript anzeigen
Ulrike Garde
Simon Frisch
Das Mikrofon ist aufgegangen und zwei Stimmen treten auf. Meine Stimme, die wir jetzt als erstes hören, ist Simon Frisch, Vizepräsident für Lehre und Lernen und ich stelle mich immer vor in dieser Funktion und noch in der zweiten Rolle und in mehr Rollen stehe ich hier eigentlich gar nicht. Also ich stehe hier nicht als Sohn meiner Eltern oder als Vater meiner Kinder oder als Freund von Freunden und so weiter und so weiter. Diese ganzen biografischen Sachen spielen keine so große Rolle, sondern nur die Anteile, die sich für Lehre und Lernen interessieren. Und die würde ich jetzt insbesondere in den Rollen Vizepräsident Lehre und Lernen und Dozent für Film und Medienwissenschaft.
Ich hab Ulrike Garde heute zu Gast. Also wer bist du denn heute alles gekommen?
Ulrike Garde
Ja, danke für die Einladung. Also ich komme hier als Leiterin des Sprachenzentrums Center for Language and Cultural learning und ich bin gespannt auf unser Gespräch und mag auch diesen ganzen theatralen Rahmen. Ich bin nämlich sehr theaterbegeistert und insofern freue ich mich ebenfalls auf unsere Unterhaltung.
Simon Frisch
Sehr schön. Das Sprachenzentrum, habe ich jetzt gleich als erstes rausgehört, ist zweisprachig im Titel, auf Deutsch und auf Englisch. Also das heißt, sagst du es nochmal?
Ulrike Garde
Sprachenzentrum und dann bin also gerader Strich, gerade Stich. Center for language and Cultural Learning. Und zwar haben wir uns ganz am Anfang als Team darüber auseinandergesetzt, wie sich das Sprachenzentrum definiert und auch orientiert. Und wir wollten in diesem zweisprachigen Titel spiegeln, dass was banal klingen mag, aber Sprachenlernen immer auch Türen zu neuen und anderen Kulturen öffnet. Und diese Türöffner, die können ganz aufregend und gewinnbringend sein, sie können aber auch Herausforderungen darstellen und wir wollten das alles einfangen und Leute neugierig machen.
Simon Frisch
Das sind jetzt gleich eine ganze Reihe von Perspektiven und Themen. Interessant. Vielleicht erst noch mal so ein bisschen Rand, seit wann bist du beim Sprachenzentrum oder seit wann bist du hier an der Bauhaus Uni?
Ulrike Garde
Seit Okt. 2023.
Simon Frisch
OK, und du hast das Profil des Sprachenzentrums in den letzten, jetzt sind es ja noch keine zwei Jahre, so ein bisschen neu profiliert, neu geprägt.
Ulrike Garde
Also es gab viel bestehendes, was auch weiterhin sehr, sehr gut läuft. Also wir freuen uns, dass wir ganz viele Sprachen anbieten können, dann einige je nach Nachfrage, also das ist z.B. der Fall bei Arabisch, Japanisch, Portugiesisch und Türkisch. Da müssen wir immer so nachjustieren und sehen, wie viele Personen interessieren sich in einem gegebenen Semester dafür. Und wir bekommen auch manchmal Anfragen nach weiteren Sprachen und versuchen das unter zu bringen, wenn wir können. Aber wir haben so ein Standardprogramm. Und dieses Standardprogramm umfasst halt eine ganze Reihe von Sprachen. Also wir machen ganz viel Deutsch als Fremdsprache da auch im Bereich des DAAD geförderten Programms, wo wir Fachkräfte versuchen dabei zu unterstützen, besser studieren und besser in den Arbeitsmarkt zu kommen.
Wir bieten Englischkurse an, einschließlich auch so Kurse für Beschäftigte im Arbeitsumfeld, also everyday english, da ist die Nachfrage auch ganz groß. Französisch, Italienisch, Spanisch, schwedisch. Und bei DAF sollte ich auch sagen, dass wir in diesem Semester zum ersten Mal auch Deutsch als Fremdsprache im Arbeitsalltag anbieten. Und das ist so ein Testballon, um auch diejenigen mitzunehmen, die an der Universität ach, ich möchte meine Deutschkenntnisse noch ein bisschen verbessern.
Simon Frisch
Das war gerade meine Frage, wer die Adressatinnen sind. Also Beschäftigte, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, bietet ihr an, ins Deutsche besser reinzukommen. Und Beschäftigte, deren Muttersprache nicht Englisch ist, bietet ihr an, ins Englische besser reinzukommen. Und das gehört dann alles so ein bisschen zu einer Internationalisierungsstrategie vielleicht auch.
Ulrike Garde
Ja. Und zu einem Versuch, die Universität insgesamt mehrsprachig aufzustellen. Uns ist dabei bewusst, dass die Studierenden natürlich eine ganz große Zielgruppe sind. Und das sind nicht nur die Studierenden der Bauhaus Universität Weimar, sondern auch der Hochschule für Musik Franz Liszt. Also die kommen auch zu uns. Und genauso richten sich die Angebote, die eher verstärkt an Beschäftigte gehen, sich auch an die Beschäftigten der HfM und der BUW.
Simon Frisch
Mehrsprachige Hochschule, also nicht englischsprachige Hochschule, sondern die Mehrsprachigkeit. Das ist was, was du immer besonders betonst.
Ulrike Garde
Genau. Also z.B. stand ich vor zwei Tagen noch im Klassenzimmer und habe einen Kollegen in einem DAF Kurs, also in Deutsch als Fremdsprachekurs vertreten und habe dann die Studierenden gefragt wer ist denn hier überhaupt mehrsprachig? Und sie waren alle ganz erstaunt, dass ich die Frage überhaupt gestellt habe, weil sie natürlich alle mehrsprachig sind. Aber mir liegt daran, einfach diesen Wert der Mehrsprachigkeit zu vermitteln, weil damit auch eine Vielfalt an Perspektiven einhergeht.
Simon Frisch
Das wollte ich gerade dich bitten, ob du den Wert der Mehrsprachigkeit ein bisschen entfalten könntest für uns.
Ulrike Garde
Ja, also für mich. Also ich muss sagen, ich muss da ein bisschen ausholen. Das können wir ja schneiden, wenn es zu lang wird.
Simon Frisch
Aber natürlich. Aber wir schneiden eher nicht.
Ulrike Garde
Also ich komme ursprünglich auch aus einem Interesse an Bertolt Brecht und an dem Perspektivwechsel, den er über die Verfremdung mitgebracht hat. Das heißt, wir erkennen sozusagen einen Gegenstand nicht als vertraut, sondern neu als fremd. Also wir sehen ihn in einem anderen Licht sozusagen. Man könnte auch jetzt salopp wir sehen über den Tellerrand hinaus und sprechen auch darüber. Und das als Wert zu erkennen. Das heißt, wenn ich mehrere Sprachen spreche, habe ich einen anderen Zugang zu Dingen, andere Sichtweisen, und die vermittle ich dann sprachlich. Die könnte ich auch anders vermitteln, durch andere Kunst oder durch Mimik und so weiter.
Aber wir arbeiten nun mal mit der Sprache. Das heißt, das ist ein ganz großer Wert. Und ich glaube, der wird manchmal halt unterschätzt.
Simon Frisch
Weil die Sprachigkeit eigentlich immer als Verständigungsmittel dann in dieser Funktion reduziert wahrgenommen wird. Das wäre jetzt die Fortführung dieses Gedankens und zu sagen, also wenn ich eine neue Sprache lerne, lerne ich eigentlich eine neue Welt kennen. Also ich meine Weltsicht kann man natürlich auch sagen, aber eigentlich vielleicht auch eine neue Welt. Das ist ja wahrscheinlich eine Erfahrung von jedem von uns, jeder von uns, die eine fremde Sprache lernt, dass man auf einmal Wald und Forêt und auf einmal hat man aber in der Forêt, das war immer so ein klassisches Beispiel aus meiner Jugend noch, als ich Französisch gelernt habe, der Forêt ist ein Behälter von lauter Lebewesen und Pflanzen, die man essen kann. Wohingegen der Wald ist etwas, wo sich der Geist hineinspaziert und so weiter. Das Assoziations-, Konnotationsfeld ist ein anderes.
Und diese Gegenstände und Pflanzen und Tiere, die sich darin bewegen, wissen beide nichts davon. Aber ich habe plötzlich zwei Wälder vor mir stehen.
Ulrike Garde
Genau, ja. Und um weiter so in diesen Metaphern zu denken, daraus entwickeln sich ja auch unterschiedliche Möglichkeiten und unterschiedliche Herangehensweisen, z.B. an Probleme, die wir lösen wollen. Also wenn ich jetzt einfach mal sage, im Deutschen sagt man um die Ecke gedacht, das ist die Metapher dafür. Im Englischen sagt man thinking outside the box oder im Französischen spricht man von ausgetretenen Pfaden. Da gibt es die Parallele mit Sentier und so weiter. Und ich glaube, das ist ganz wichtig als einfache Bereicherung, aber dann auch, weil wir uns als Gesellschaft, glaube ich, zunehmend auch mit sogenannten wicked problems auseinandersetzen, also mit hochkomplexen Problemen wie z.B. Klimawandel, Armut und so weiter, für die es keine einfache Lösung gibt. Und da ist wissenschaftlich erwiesen, dass vielseitige Teams, also im Sinne von diverse Teams, einfacher an Lösungen herankommen und Lösungsmöglichkeiten identifizieren als z.B. sehr homogene Teams.
Simon Frisch
Und da ist die Sprachigkeit eine der Vielfältigkeiten, die dann in diesen Teams eine Rolle spielen kann. Also nicht nur die Herkunft, die Disziplin, in der die Leute tätig sind und so weiter und so weiter. Sitzen lauter Deutsche zusammen Ingenieure, Ingenieurinnen, Künstler, Künstlerinnen und dann vielleicht auch noch Geisteswissenschaftlerinnen. Und dann hat ist doch schon Vielfalt. Würdest du sagen, nehmt mal noch ein paar Sprachen dazu, vielleicht am besten noch außereuropäischer? Das passt ganz gut dazu, dass mein Philosophieprofessor an der Uni, an der ich studiert habe, sagte, er will auf jeden Fall eine außereuropäische, asiatische Sprache lernen während seines Studiums, damit er breiter philosophieren kann. Er hat dann japanisch gewählt, weil er wollte das Denken über das Europäische hinaus entgrenzen.
Und es war ihm klar, dass die Sprache letztlich dann ein Bahnensystem oder ein Routensystem vorgibt und dass andere Sprachen andere Routen aufmachen. Das ist jetzt natürlich sehr spannend dann ist das Sprachenzentrum, ist es an allen Universitäten so?
Wie siehst du das? Ich habe das Sprachenzentrum früher immer als es versorgt einen mit der Sprachigkeit und dann kann ich mit mehr Menschen sprechen wahrgenommen. Also eigentlich relativ flach.
Ulrike Garde
Ja, ich meine, das muss es natürlich auch. Das ist ganz wichtig, die alltägliche Kommunikation, die abzusichern ist, also auch nicht zu unterschätzen. Das ist auch eine wichtige Funktion. Aber ich glaube, es gibt eine Tendenz an einigen deutschen Sprachenzentren, die Vielfalt der Aufgaben auch im Namen auszudrücken. Also einige haben sich auch umbenannt in Kompetenzzentren, aber es ist jetzt nicht, glaube ich, durch die Bank so, dass es. Das kann ich auch schlecht einschätzen, muss ich sagen. Also da müsste ich erst mal eine Umfrage starten.
Simon Frisch
Das wäre ja was, was man ausgehen kann. Wenn man das jetzt hört, kann man ah ja, interessiert mich, schaue ich mal, wie das eigentlich ist. Diese Frage lassen wir jetzt einfach mal offen. Ne, ich stelle die eben vor allem auch deswegen, weil da glaube ich schon in deinem Ansatz, den du hier betreibst, auch in dem wir den Namen jetzt erweitert habt, in Hinsicht auf kulturelle Kompetenzen, dass es schon was besonderes ist und dass das auch in Hinsicht auf globalisierte Welt und so weiter und so weiter, Vielfalt an Problemen, dass das auch darin reagiert. Und ich frage mich, wie und da sind wir ja bei der Perspektive unseres Podcasts, wie kann man das in die Lehre einbringen, wie kann man das bekannt machen? Und wie kann das eigentlich zum Alltag unserer Lehre werden, wenn man so sagt, in nahezu allen Bereichen, die es betrifft?
Ulrike Garde
Ja, ich glaube, ich gehe erstmal vom Sprachenzentrum aus, dass sich diese Fragestellung ganz natürlich im Sprach- und Kulturunterricht sozusagen ergibt. Also ein Beispiel aus dem Kurs vor zwei Tagen, da ging es um Jahreszeiten und eine Person hat dann nachgefragt, wie es in Thailand ist und wie man dann die Regenzeit nennt und so weiter und so fort. Also da kommen schon, da kommt ein ganz kurzer Austausch darüber, zustande, welche Lebenserfahrungen die Personen mit bringen sozusagen. Und ich glaube dann insgesamt in Fächern, die jetzt nicht unbedingt zum Sprachenzentrum gehören, zählt dazu vielleicht auch, dass wir versuchen diese Brücken zu bauen. Also es gibt Kolleginnen und Kollegen, die jetzt auch in Bauhausmodulen sich engagieren und z.B. ist das im Englischbereich, da geht es um und da müsste ich den Titel einmal kurz lesen, ich glaube Eco Responsibility, Moment, das ist mein Punkt, den ich jetzt nicht finde und Wellbeing in the cities.
Und zwar ist das ein Projekt, das macht eine Kollegin Elizabeth Watts zusammen mit Kolleginnen und Kollegen an der Université Lyon Deux. Und da ist Englisch sozusagen die lingua franca, also die Sprache, wo die Studierenden erstmal zusätzliches Sprachwissen entwickeln sollen. Aber das Ganze ist eingebettet in Diskussionen und in Projektvorstellungen zu Städten auf der ganzen Welt. Die treffen sich dann auch in einem sogenannten blended intensive program jetzt im Mai in Lyon. Das heißt, man versucht halt die Sprachen oder Sprachkurse nicht zu isolieren, sondern sie einzubetten in andere Kontexte. Das ist jetzt nur ein Beispiel. Also eine Kollegin in französisch Hélène Dal Farra, die macht sehr, sehr viel in dem Bereich, hat auch z.B. schon im Bereich Demokratie stärken sich eingebracht, da Projekte angedockt, die auch ganz vielfältige Ausdrucksformen hatten. Also da ging es um Fotografie und die Fotografien wurden dann zweisprachig auf Französisch und Deutsch beschrieben. Da gab es Diskussionen, es gibt ganz viel Zusammenarbeit mit dem Institut français, wo es dann über Filme auch in breitere Diskussionen geht. Also das sind so Dinge, wo wir sozusagen uns Angebote machen, die halt auch nicht nur sich auf die Sprache allein konzentrieren, aber die Sprache ganz wichtig ins Zentrum stellen. Und ich glaube, übertragbar wäre das auf ganz andere Lehrveranstaltungen, indem man einfach eine Offenheit dafür zeigt, dass ganz viele Studierende da sitzen, die vielleicht wie wir alle nicht perfekt Deutsch und nicht perfekt Englisch oder eine andere Sprache sprechen und trotzdem aufgrund ihrer anderen Perspektiven wertvolle Beiträge leisten können. Also das heißt vielleicht eine gewisse Offenheit, eine kleine Tür zu öffnen zum dem, was nicht ganz perfekt ist.
Simon Frisch
Ja, das ist interessant. Also es sind jetzt zwei Sachen genau dazu und dann wollte ich zu dem Bauhaus Modul noch mal eine Frage stellen. Also vorhin, als wir über die Mehrsprachigkeit gesprochen haben, jede Sprache eröffnete Welt, ist mir ein Zitat, ich glaube von Engells eingefallen, dass jede neue Sprache eine neue Seele ist, die man hinzugewinnt. Also wäre es nochmal eine Welt, das passt ja auch zusammen. Diversität wäre dann auch eine Seelen Diversität, die dann dabei entsteht. Und du hast in der Vorbereitung den Satz Diversität als Wert an sich. Das finde ich eine interessante was ist dieses an sich?
Also noch mit dem Zusatz ohne ökonomische Verknüpfung, also nicht im Sinn von ich kann mit Geschäftsleuten in China auch noch sprechen, sondern jetzt haben wir das mit der Seele schon gehabt, vielleicht ist das der Wert an sich. Aber mich würde trotzdem interessieren, weil das ist ja irgendwie, das ist ja ein Kern auch an der universitären Praxis. Gerade die Universität, vielleicht noch mal anders als die Fachhochschulen, drängen ja immer wieder zu diesem zunächst mal Wert an sich. Das soll ein Ort sein, wo die Dinge erstmal für sich passieren und nicht für was weiß ich, wo man dann schon weiß nutzt oder Nützlichkeit oder so. Was wäre dieser Wert an sich? Wie würdest du es ausfüllen?
Ulrike Garde
Also ich verstehe diese Vielfalt als eine Bereicherung und sehe es auch so, dass wir im Sprachenzentrum glaube ich auch versuchen, es gibt ja auch, es ist ja nicht immer alles nur positiv, Vielfalt zu feiern und als Wert an sich sozusagen aufzunehmen und dazu einzuladen, andere Sichtweisen, auch andere Klänge über die Sprache z.B. mit hineinzubringen und das einfach mal so wie man z.B. ein gutes Theaterstück und eine gute Inszenierung oder ein gutes Konzert erlebt, das einfach mal zu genießen. Ich sehe andererseits, dass es in gewissen gesellschaftlichen Kontexten natürlich wichtig ist, den Zweck der Diversität zu betonen. Und es gibt z.B. vor kurzem wurde eine DAAD Studie veröffentlicht, die sagt, welchen ökonomischen Wert Zuwanderung nach Deutschland hat und wie letztendlich Fachkräfte in den Arbeitsmarkt der deutschen Gesellschaft dienen. Das ist ein Aspekt, der ist wichtig in gewissen Kontexten, aber ich finde es weiterhin wichtig, dass man nicht nur in diesen Argumentationslinien verbleibt.
Simon Frisch
Gut, verstehe ich gut. Immer wenn man über an sich spricht, kommt man zu den letzten Fragen. Also eben geboren werden, leben und sterben. Also eigentlich ist sehr schnell in diesem Verlauf und das ökonomische wird dann immer ein Jahr, damit man, damit man eben Dach und so weiter, also die Lebensbedürfnisse hat und dann kann man wieder umgekehrt. Aber wofür lohnt sich's denn dann, diese ganzen Schutz zu nehmen und sein Leben zu erhalten? Und da kommen dann eben wieder die anderen, die Sinnlichkeiten und Theater und da kommt dann der kulturelle Bereich ins Spiel und eigentlich kann man das eine nicht durchs andere ausspielen. Und tatsächlich erinnert mich, was du gerade sagst, andere Klänge und so weiter, erinnert mich an eine Tagung, an der sich der Veranstalter, ein befreundeter Kollege, Philosophieprofessor, dafür entschieden hat, er hatte chinesische Vortragende aus dem japanischen Raum, welche englischsprachige und auch deutschsprachige und so war auch das Publikum zusammengesetzt und er hat gesagt wir übersetzen jetzt nicht einfach alles. Diejenigen, die es nicht verstehen, hören dann eben 20 Minuten eine Sprache, die sie noch nie gehört haben oder die sie eben mögen oder nicht mögen. Und sie haben dann eben das sinnliche Ereignis. Und er hat dann also sozusagen die sinnliche Komponente bewusst an der Stelle in die Tagung integriert. Und was daran ganz interessant war, war, was ich oft bei Filmen auch erlebe, wenn die Filme keinen Untertitel haben und ich kann die Sprache vielleicht gar nicht und ich gucke mir aus irgendeinem Grunde trotzdem an, dass ich den Klang der Sprache natürlich dann höre und ihn auch besser höre und ihn auch bewusster wahrnehme. Und auf einmal verlagert sich so ein bisschen die Komponente darauf und ich kriege nicht mehr den Sinn so in den Vordergrund gezogen, weil wenn ich die Untertitel lese, höre ich eigentlich gar nicht mehr, wie die Sprache klingt, sondern ich kriege nur noch das Semantische mit. Das heißt, das ist ein bisschen über die semantische Ebene hinaus in andere Bereiche der Ästhetik.
Also darum geht es so ein bisschen, das Kulturelle an der Sprache als Welthaltigkeit bewusst zu machen und auch wahrzunehmen. Dann wäre die babylonische Sprachverwirrung eigentlich für dich keine Strafe?
Ulrike Garde
Oh, das ist jetzt eine schwierige Frage. Jein. Also ich glaube, da muss man auch zielgruppenspezifisch argumentieren, denn andererseits ist, glaube ich, das, was wir am Anfang so als die banale Aufgabe von Sprachenzentren bezeichnet haben, auch ganz, ganz wichtig. Also man muss natürlich auch den Personen, die diese andere Herangehensweise nicht aushalten können, auch Möglichkeiten geben. Und ich glaube, es wäre jetzt völlig, also es wäre Augenwischerei zu sagen, wir gehen jetzt weiter in diese Richtung und Studierende, die am Ende ihres Studiums nicht gut, ich nehme jetzt noch mal DAF Deutsch als Fremdsprache sich nicht gut verständigen können, denen jetzt zu raten, in den Arbeitsmarkt zu gehen. Also gerade vielleicht auf dem Land, wo Personen, das ist jetzt auch ein Vorurteil, wo viele Personen vielleicht nicht so sehr den verschiedenen Sprachen vorausgesetzt waren oder verschiedenen Akzenten ausgesetzt waren, vielleicht sollte ich auch einfach auf mich eingehen. Also z.B. finde ich es sehr viel schwerer, Personen mit einem starken Akzent zu verstehen, wo ich mit dem Akzent noch nicht viel Erfahrung hatte und dem noch nicht ausgesetzt war. Also ein Beispiel als ich am Anfang nach Australien kam, war es für mich sehr schwierig, mit Personen asiatischen Hintergrunds auf Englisch zu kommunizieren, weil wir beide einen Akzent haben und wir uns nicht in der Mitte finden konnten. Also das hat halt auch was damit zu tun. Also nochmal zurück zu dem Ausgangspunkt. Ich glaube, es ist genauso wichtig, in bestimmten Situationen Personen zu ermöglichen, so klar wie möglich zu kommunizieren.
Simon Frisch
Wie ist denn das Sprachenzentrum aufgebaut? Wie viele Lehrende habt ihr? Wie organisiert ihr das? Wie kriegt ihr eure Lehrkräfte? Wie kriegt ihr eure Studierende? Wie erfahren Studierende, Mitarbeitende und so weiter und so weiter von den Kursen?
Bisschen strukturelle Fragen.
Ulrike Garde
Wir haben festen Stamm von festangestellten Lehrkräften, das sind insgesamt 13, mit denen ich zusammenarbeite, also direkt. Und die haben auch nicht alle eine volle Stelle. Das heißt, einige arbeiten halt 100 % am Sprachenzentrum, andere in Teilzeit. Und dann haben wir noch ganz viele Lehrbeauftragte, die jeweils dazukommen. Das ist bei uns vor allem der Fall, wenn wir Intensivkurse oder Kompaktkurse im März und September anbieten, damit Studierende, die aus dem Ausland kommen, also da sind auch ganz viele Austauschstudierende mit dabei, anfangen, die deutsche Sprache zu lernen bzw. Ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Dann arbeiten wir noch zusätzlich ganz eng mit der WBA zusammen, der Weiterbildungsakademie, und zwar um Intensivkurse während des ganzen Semesters anbieten zu können.
Und gemeinsam bieten wir dann die DSH an, die eine Berechtigung ist, um an deutschen Hochschulen zu studieren. Also das ist so das Paket. Die Sprachen habe ich vorhin schon genannt. Wir haben das große Glück, dass wir in der Coudraystraße 13A sind. Das heißt, wir haben da Räume vor Ort und das ist wirklich schön, weil man da auch ein gewisses Gemeinschaftsgefühl herstellen kann, sich Studierende oder auch Beschäftigte in den Pausen sehen. Das ist für uns also ein ganz guter Standortvorteil.
Simon Frisch
Wie geht das mit den Kursen? Wenn ich hier eingeschrieben bin, dann darf ich einfach Kurse machen am Sprachenzentrum oder bezahle ich die? Wie finanziert sich das?
Ulrike Garde
Das ist etwas kompliziert. Das Sprachenzentrum ist vor einigen Jahren wohl dazu gezwungen worden, Gebühren zu nehmen und die sind relativ gering. Also es handelt sich also man bekommt drei ECTS für einen Sprachkurs, für einen regulären semesterbegleitenden Sprachkurs, das heißt, der umfasst 90 Minuten in der Regel. Ich habe also Präsenzunterricht und dazu eine Selbstlernkomponente in Moodle und diese Gebühr bezahle ich, es sei denn, der Sprachkurs ist halt fest im Studiengang verankert. Wenn der Studiengang also vorschreibt, dass ich z.B. so und so viel schwedisch lernen muss, um dann anschließend in den Austausch zu gehen an einer schwedischen Universität, dann bekomme ich die Kursgebühren im Nachhinein erlassen. Wenn ich also den Studiengang abgeschlossen hab, kommt man wieder zu uns und dann zahlen wir die Gebühren zurück.
Das ist so das System grob erklärt. Austauschstudierende haben auch einen Sprachkurs umsonst, damit sie sich halt gut hier auch an der Universität einfinden können. Das heißt, die machen meistens einen Intensivkurs, der dem Semester vorgeschaltet ist.
Simon Frisch
Und die können sich die Sprache auswählen oder haben die einen Deutsch als Fremdsprache Sprachkurs als im Angebot umsonst, also Gutschein oder ich nenne es jetzt mal so.
Ulrike Garde
Viele haben Deutsch als Fremdsprache, aber das kommt auch auf ihr Learning agreement ab an, dass sie mit ihrer Universität im Heimatland sozusagen abgeschlossen haben und mit der Bauhaus Universität. Und in einigen Fällen, wenn sie z.B. sehr gute Deutschkenntnisse haben, suchen sie sich stattdessen eine andere Sprache aus.
Simon Frisch
Also jede Erasmus Student kann hier einen Sprachkurs machen. Könnte auch japanisch machen, ja, genau. Ja, ja, okay, verstehe.
Ulrike Garde
Also es sei denn, im Learning agreement steht.
Simon Frisch
Also kann man verabreden, aber wenn die jetzt z.B. Japanologie studieren wollen, hier ein bisschen Medienwissenschaft noch machen, wäre jetzt unser geisteswissenschaftlicher Pendant, sagen, dann mache ich doch noch japanisch nebenher, dann komme ich da auch noch einen Schritt weiter. Verlesen ihren Kopf oder weiß ich nicht, was auch immer schön. Unterrichtsformen, Lehrformen.
Wie lehrt man Sprache? Also welche Medien setzt ihr ein? Welche Ansätze gibt es da bei euch? Was ist dein Blick auf die Lehrmethoden, Lernen und Lehren von Sprachen oder eben kultureller Vielfalt, Diversität in diesem Bereich?
Ulrike Garde
Ja, das ist also ganz verschieden. Also die Kolleginnen und Kollegen arbeiten ganz frei und dann hängt es auch davon ab, welche persönlichen Vorlieben man hat. Aber es gibt den gesamten Einsatz von, weiß ich nicht, Vokabellisten erstellen, schreiben. Also es gibt sowieso die vier Fertigkeiten für diejenigen, die noch nie eine Sprache, eine Fremdsprache gelernt haben. Also da geht es dann ums Sprechen und Hören, ums Schreiben und lesen und dann meistens im deutschsprachigen Bereich wird auch die sprachliche Interaktion mitbewertet über den ganzen Bereich Film. Wir arbeiten ganz viel auch mit Quellen aus dem Internet und so weiter, bis zu Werkzeugen oder Tools, die jetzt in den letzten Jahren sehr stark in den Vordergrund getreten sind, die halt auf den sogenannten large language Models beruhen.
Also die meisten Leute kennen ChatGPT als Beispiel.
Simon Frisch
Ja, das wäre jetzt also large language Model. Sind es neue Herausforderungen, sind es tolle Tools? Also ich weiß, dass wir in vielen Bereichen in der Lehre, im Lernen jetzt skills, aber auch Prüfungsformate bedroht sehen. Das Gespräch ist da gerade sehr breit. Wie ist es aus eurer Sicht auf diese Dinge?
Ulrike Garde
Also wir haben besondere Kurse z.B. angeboten, auch im Rahmen des DAAD geförderten sogenannten Fit-Programms, wo Fachkräfte in den Arbeitsmarkt kommen. Und da haben wir mit den Studierenden gemeinsam erprobt, welche Tools nützlich sind, wann sie nützlich sind, wie man sie eventuell einsetzen könnte. Die große Herausforderung, die ich beim Sprachenlernen sehe, die es aber auch in vielen anderen Bereichen gibt, wie ermöglicht man den Nutzerinnen und Nutzern, kompetent zu sein und kritisch mit diesen Dingen umgehen zu können? Und dazu braucht man halt einen langen Vorlauf. Sprachenlernen wird normalerweise im europäischen Referenzrahmen auf Buchstabenlevels sozusagen verordnet. Das heißt, als Anfänger macht man A1, dann A2, dann B1, dann B2 und so weiter.
Ich würde sagen, man braucht mindestens ein gutes B1 oder B2, also so im mittleren Bereich, um überhaupt einordnen zu können, was bietet mir denn diese Anwendung und wo muss ich nochmal nachbessern? Das heißt, wenn ich diese Tools als, sagen wir mal, als Azubi einsetze, der die schnell zuarbeitet, aber natürlich noch nicht alles perfekt kann, da muss ich selbst diese Kompetenz haben, um das einordnen zu können. Und ich glaube, das wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein, dass Teilnehmende zu uns kommen, die warum soll ich jetzt erst mal zwei Jahre die Sprache lernen, um dann diese Tools beurteilen zu können? Und vielleicht sind sie ja gut genug.
Simon Frisch
Ja, das ist spannend. Ich bin seit einiger Zeit, zwei Jahren oder sowas, mit einem Kalligraphie Künstler aus Taiwan im Gespräch und wir übersetzen uns immer gegenseitig. Er kann nicht besonders gut Englisch, ich kann gar kein Chinesisch. Und wir übersetzen uns immer unsere Korrespondenz in verschiedenen Tools, also weiß ich nicht, DeepL, Google oder was immer da gibt. Und dann kriegen wir einen relativ breiten Deutungshorizont uns gegenseitig da immer zugespielt. Also ich weiß immer nicht, was dann daraus geworden ist. Und gleichzeitig aber gibt es da doch ein Gespräch und das ist ganz interessant, weil es auf merkwürdige Art und Weise auch zu den chinesischen Schriftzeichen passt oder auch zur chinesischen Sprache wiederum passt, bei der die Vieldeutigkeit auch immer schon enthalten ist, gerade was die Schrift bedingt und wie die dann ausgesprochen wird und was in welchem Kontext steht und so weiter und so weiter, sodass ich dann schon das Gefühl hatte, dass ich jetzt hier nicht nur mit einem Behelfstool, sondern mit einem Medium eigenen rechts und eigener Art auf einmal nochmal fast wie eine zusätzliche Sprache entwickelt habe oder sich entwickeln lässt.
Ulrike Garde
Ja, und das ist das Wunderbare an diesen Tools. Das heißt, ich glaube, dass wir irgendwann so weit sind, dass wir diese Tools sozusagen integrieren und gleichzeitig das die Einsicht sozusagen vermitteln können, dass das allein auch nicht genügt. Das heißt, es wäre ja eigentlich recht schön, wenn ihr euch dann irgendwann seht. Dein Kollege und du, wenn ihr halt ein paar Worte auch wechseln könntet, ohne sozusagen aufs Handy gucken zu müssen. Und ich weiß, es gibt weitere Entwicklungen, man kann sich mittlerweile in Ear irgendwas reinsetzen und dann wird live übersetzt und so weiter und man kann mithören. Aber ich glaube, wenn man das in einen Kontext stellt, wo man gleichzeitig dann auch diese Präsenz ist wichtig. Das heißt, dass ich ganz da bin für die andere Person und dass das Lernen in Präsenz, und das Erkennen Studierende auch mehr und mehr, wirklich auch eine ganz wichtige Erfahrung ist.
Also es gibt diese neuen offline Gruppen und ich sage dann witzelnd wir bieten diese offline Gruppen an, kommst du zu uns? Das gibt es als zusätzlichen Mehrwert, wenn sie zu uns kommen und zusätzlich zur Sprache. Also ich glaube, dieses gemeinsame Lernen wird mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Und beim Sprachenlernen ist das Schöne ja auch, wenn und das ist bei uns der Fall, wenn das auch gleichzeitig ein safe space ist, wo man halt dieses Ähm, was am Anfang der Post Podcast Einleitung steht, wenn man das halt akzeptiert und eine Fehlerkultur hat, dann lernt man darüber auch andere Dinge. Dann lernt es kann okay sein, nach Worten zu suchen, es kann okay sein, Fehler zu machen. Ich kann auch so mit den Fehlern anderer Personen umgehen. Und das heißt, man lernt viele zusätzliche Skills, die man als Soft skills oder Future skills bezeichnen könnte.
Und in dem Bereich glaube ich, also über das gemeinsame Erleben und dass es Spaß macht. Also Spaß steht auch mit auf unserer Postkarte, die wir neu entworfen haben. Und dieses Gemeinsame, die Freundschaften, die sich entwickeln und so weiter, dass das etwas ist, was Personen dazu anregt, einen Sprachkurs zu machen und gar nicht nur in Anführungsstrichen die die Fähigkeiten, die sprachlichen Fähigkeiten, die am Ende stehen.
Simon Frisch
Also das ist, da erinnere ich mich an den Film Cobra Kai, wo der kleine Junge bei diesem Hausmeister, der aber eigentlich ein Kung fu Meister ist, ihn dann auf diesen Autohof schickt und der soll dann diese ganzen Autos waschen. Und er sagt ihm, wie er sie waschen muss. Er muss die immer mit so einer Wischbewegung nach links und rechts außen waschen. Und dabei lernt er aber nicht Autowaschen, sondern eine für den Kung Fu sehr wichtige Bewegung, die er nachher im Kampf sehr gut einsetzen kann. Also das wäre jetzt so eine Übertragung, die mir dazu einfällt. Das heißt, wir lernen gar nicht die Sprachen, sondern wir lernen sprechen, denken, Gemeinschaft organisieren, Fehlerkultur, Ähm Ähm Ähms, suchen, stottern, herstellen, adäquate Versprachlichungen. Und das kann man eigentlich zurückführen.
Das hat nicht nur mit Fremdsprachen zu tun. Und deswegen nochmal diese Präzision dann letztlich auch im Namen des Sprachenzentrums, die ihr euch da gegeben habt und dann eben auch gleichzeitig zweisprachig, fällt sofort auf, das sind ja zwei Sprachen.
Okay, jetzt verstehe ich das. Es gibt jetzt bei mir so ein Bild, ich wollte noch darauf zu sprechen kommen, auf dieses Prinzip der Opazité oder Opacité von Édouard Glisson, weil davon hatte ich noch nie gehört. Wir haben im Vorgespräch, dazu hattest du mir einen Hinweis gegeben.
Ulrike Garde
Ja, und zwar geht das nochmal auf unseren Austausch vorhin zurück, dass wir gesagt haben, dass es eigentlich grob gesprochen so zwei Gleise im Sprachenzentrum gibt. Also einmal die klare Kommunikation als Ziel, das ist ganz wichtig, dass das für gewisse Zielgruppen zur Verfügung gestellt wird. Und dann andererseits diese Offenheit gegenüber dem, was nicht klar ist, was nicht transparent ist. Und Glisson kommt halt aus dem Bereich, also er denkt in Archipels und so weiter und so fort. Und für ihn ist es ganz wichtig, dass man halt das Fremde nicht vereinnahmt.
Simon Frisch
Er denkt in Archipels, was meinst du?
Ulrike Garde
Also sozusagen in Inseln anstatt in linearen Verknüpfungen und so weiter. Und ich will nicht ganz weit ausholen, aber ich glaube, das Wichtige ist dabei, dass man das Fremde halt nicht assimiliert, sondern ihm die Möglichkeit gibt, bestehen zu bleiben und damit leben kann. Dass es immer einen gewissen Grad an Fremdheit gibt. Also selbst wenn wir beide jetzt hier aus diesem Raum herausgehen, haben wir beide ein bisschen mehr verstanden, wie wir mit Lehre und Lernen umgehen wollen, aber die letztendliche Klarheit gibt es nicht. Es bleibt immer etwas im Raum stehen. Und auch wenn wir noch 3 Stunden weitersprechen würden, würden wir das nicht klären. Das heißt, es ist eine Illusion, dass es das absolute Verstehen gibt.
Und mit dieser Illusion leben zu können und mit der Ambiguität, es gibt dieses schöne Wort Ambiguitätstoleranz, die aufzubauen, das ist halt wichtiger denn je, glaube ich, im Moment.
Simon Frisch
Also wir haben bei der Ambiguitätstoleranz die Forderung oder eigentlich die Herausforderung, dass wir unauflösliche Widersprüche aushalten und deswegen tolerare heißt ja ertragen oder tragen, dass wir sie tragen können. Dafür müssen wir Kräfte haben, um was zu tragen. Also da kann man eigentlich sogar dann so weit gehen. Also wir halten aus, dass es Widersprüche gibt, weil es die einheitliche Einheit, also was die Welt im Innersten zusammenhält, diese faustische Frage, die ja letztlich dann in der Tragödie, das ist ja auch eine Tragödie, endet, wo Faust dann und da stirbt eine Frau und ein Kind wird umgebracht und so weiter. Also kann man ja mal sehen, wohin das führt. Wenn man Ambiguität nicht aushält. Das heißt, es ist also eine sehr tief und sehr weitgehend gesellschaftlich demokratisch demokratisch gesellschaftlicher Ansatz, mit dem wir mit diesem Jahr heißt es ja auch Transkulturalität, also das Fremde, das vielleicht gar nicht das Fremde, sondern eben nur eine andere Insel ist und so weiter und so weiter.
Diese offline Gruppen, da wollte ich noch mal nachfragen, kannst du die ein bisschen genauer beschreiben? Die haben mich neugierig gemacht.
Ulrike Garde
Also ich habe selbst da noch nicht sehr viel recherchiert, habe aber letztens in einem Beitrag, ich glaube im rbb Kulturradio gehört, dass diese Gruppen halt stark an Zulauf gewinnen. Das heißt, das sind Gruppen, die wir treffen uns, ohne digitale Dinge mitzubringen. Ihr schaltet euch halt völlig offline und wir spielen, weiß ich nicht, Gesellschaftsspiele oder weiß ich was, also alles mögliche. Und da wird in den Vordergrund gestellt, dass es eine Gemeinschaft gibt, die verbindend ist, dass man halt live in Präsenz miteinander umgeht und dass man nicht über die Medien miteinander kommuniziert. Und das könnte man ganz einfach auch im Sprachenzentrum haben. Wie gesagt, wir nutzen Medien, aber wir setzen sie ganz gezielt zu gewissen Phasen im Unterricht ein. Und dazwischen gibt es halt ganz, ganz viel einfach das direkte Gespräch miteinander oder den Austausch innerhalb von Übungen, die wir machen, um gewisse Fertigkeiten zu entwickeln.
Simon Frisch
Wie baut ihr die online Gruppen? Also du hast vorhin auch Moodle erwähnt. Sind es Selbstlernkurse, zu denen man Zugang bekommt, oder wie stelle ich mir die vor?
Ulrike Garde
Ja, also jede Person, die bei uns einen Sprachkurs belegt, bekommt zusätzlich Zugang zu einer eigenen Moodle Plattform, die für diesen Kurs entwickelt wurde. Und auf dieser Plattform findet man zunächst einmal alle möglichen Informationen, die man vielleicht noch mal nachsehen möchte zum Kurs oder Hinweise darauf, wie man mit besonderen Bedarfen umgehen kann und so weiter. Und dann gibt es einfach zusätzliche Übungen und zusätzliches Material. Es gibt verschiedene Formen, auch sich da auszutauschen, Umfragen, Diskussionsforen und so weiter, aber auch ganz einfach, sagen wir mal, Grammatikübungen oder zusätzliche Hörverstehensdateien, um diese Fähigkeiten weiter zu trainieren. Das heißt, das kann ich flexibel in meiner eigenen Zeit machen und es ergänzt den Unterricht in Präsenz. Das heißt, wir müssen auch die Studierenden nicht bitten, sozusagen zweimal in der Woche zu uns zu kommen, sondern sie kommen einmal in der Woche und sollen dann im Rest der Woche daran weiterarbeiten, weil es mit der einmaligen Begegnung sozusagen nicht reicht. Man muss halt weiter daran arbeiten.
Es ist so ein bisschen wie ein Instrument zu lernen oder wie Sport zu treiben im Fitnessstudio.
Simon Frisch
Die Sprache ist ein Instrument, das ist eine ganz schöne Metapher, weil tatsächlich ist es das. Ich meine, dann wären wir auch bei Diversität als Wert an sich und so weiter. Viele Freunde von mir spielen z.B. Gitarre, treten aber nie auf, sind auch nicht in der Band und trotzdem gehen sie dann runter in was weiß ich, oder gehen in ihr Zimmer und dann spielen sie da Gitarre, studieren Stücke ein und so weiter und so weiter. Und das wird ein Wert an sich, die Zeit mit seiner Gitarre zu verbringen. Und so könnte man auch die Zeit mit seiner Sprache verbringen. Also man liest dann vielleicht Bücher in französischer Sprache oder man lernt einfach eine Sprache.
Ich weiß es von mir aus, dass ich Sprachenlernen immer als sehr beglückend empfunden habe, schon in der schon in der Schule. Ich mochte das. Also Latein. Dann hatten wir plötzlich auch noch griechisch und dann war die da könnte man ja sagen. Und dann auch noch eine alte Schrift und das ist ja alles ganz furchtbar. Und gleichzeitig war das sehr schön, über drei Wochen auf einmal neue Kringel und Krakel in Hinsicht auf Semantiken entschlüsseln zu können und die mit Klängen und Artikulation. Also ich musste ja dann auch lernen, andere Formen mit Zunge und Zähne zu machen, als wenn ich es im Deutschen mache.
Und dann muss ich auf einmal griechisch sprechen. Altgriechisch noch dazu, was keiner mehr spricht, aber eben doch. Kretzisten eben doch. Und das sind eigentlich Instrumente irgendwie, in denen man dann eine eigene Präsenz Praxis entwickeln kann. Also so kommt man aus der Sprache, ist halt ein Medium, damit Leute sich verstehen, noch mal in ganz andere Dimensionen und Bereiche, die sehr viel mit Kultur zu tun haben. Also Literatur ist ja auch so, Musik hat man schon mit Instrument. Wenn ich mir einen Film anschau, habe ich mir den Film angeschaut. Also sich damit zu befassen. Da kommen wir also eigentlich fast schon ans Mysterium des Lebens selbst.
Also das sind ja dann plötzlich Weisheitsübungen oder was sind. Ja, jetzt fragen wir schon wieder nach Zweck.
Ulrike Garde
Lassen wir es.
Simon Frisch
Lassen wir es, ja. Was ist dir noch wichtig, was wir unbedingt wissen wollen, bevor ich noch eine Frage stelle, die mir auch noch auf.
Ulrike Garde
Dem stell deine Frage ruhig und dann überlege ich, was mir noch wichtig ist.
Simon Frisch
Das ideale Sprachenzentrum. Ich spreche jetzt trotzdem mal vom Sprachenzentrum. Wie sähe das für dich aus? Was braucht es noch? Was würdest du gerne noch realisieren, wenn du sagst, das wäre die Vision, das würdest du gerne herstellen, dann wäre es noch mal schöner.
Ulrike Garde
Zwei ganz große Ziele. Wir sprechen jetzt mal von Utopien hier.
Simon Frisch
Utopien genau.
Ulrike Garde
Das eine wäre, dass das Sprachen und kulturelle Lernen noch viel stärker in Curricula an Universitäten und ich spreche jetzt nicht nur von der Bauhaus Universität verankert wäre, dass es also kein Nachgedanke, kein Afterthought ist, sondern dass man von vornherein davon ausgeht, dass unsere Welt weiterhin, also weiterhin darauf ausgerichtet sein wird, dass dass wir über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg miteinander kooperieren und dass man das erkennt und sagt, von Anfang an wird dieser Studiengang mit einer, also lernt man während dieses Studiengangs mindestens eine weitere Sprache. Das andere wäre etwas ganz Handfestes, was Ausstattungen von Sprachenzentren angeht. Und da kommt so mein Hintergrund mit hinein. Ich habe also lange in Australien auch gelebt und gearbeitet und da gab es halt einfach in den Gebäuden sehr viel mehr Begegnungsräume und ich weiß, dass denen Grenzen gesetzt sind, auch aufgrund von Baumaßnahmen. Und hier haben wir sehr viel mehr auch geschützte Bauwerke und so weiter, die unter Denkmalschutz stehen und so weiter. Aber was da sehr schön war, war, dass sich Studierende noch viel mehr zwischen Unterrichtsstunden, Nachunterrichtsstunden und davor irgendwo begegnen konnten und dass es kleine Nischen gab, wo man sich zusammensetzen konnte und gemeinsam sprechen oder einen Kaffee trinken und so weiter. Das wäre sehr schön, weil mir sehr am Herzen liegt, dass das Sprachenzentrum ein Begegnungsort wird und bleibt.
Und das lädt man dadurch halt auch ein.
Simon Frisch
Also das leuchtet mir sehr ein. Das gilt ja für die ganze Universität tatsächlich, diese Orte zum Verweilen. Weimar ist ja eine Stadt, die sehr viele Plätze hat, sagen mir vor allem immer Besucher, Besucherinnen, wenn die kommen, dann sagen die Weimar hat so wahnsinnig viele Plätze, an denen man also die Straßen führen zu Plätzen. Und wenn ich das jetzt richtig verstehe, so wäre die Universität eigentlich auch schön, dass man, und ich verstehe es total gut, man geht eben nicht weiter, sondern verweilt. Und weil man nun da miteinander ist, fängt man an sich zu verspinnen und dann entsteht da was.
Ulrike Garde
Ja, also es war interessant. Wir hatten in Sydney ein Arzt Center, da wurde ein Gebäude neu renoviert, aber grundsätzlich nur die Grundmauern blieben stehen. Und Ein wichtiger, wichtiger Bestandteil des Neuaufbaus war, dass unten eine Cafeteria mit hineinkam, die sich nach außen geöffnet hat. Ist natürlich beim Wetter da anders, man konnte da auch draußen auf der Terrasse sitzen sozusagen. Und da konnte man ganz informell, hat man immer eine Person in der Cafeteria getroffen, die man eigentlich schon lange sprechen wollte, hat das dann ganz kurz bei der Kaffeebestellung in der Schlange besprochen oder hat sich noch zusammengesetzt. Und es war ständig, also waren alle Tische besetzt von Personen, auch Personen, die einfach mal vorbeigekommen sind, die in der Gegend waren und sich einen Kaffee geholt haben.
Simon Frisch
Total interessant. Also Anreize oder Anlässe oder Möglichkeiten zu Begegnungen, zum Verweilen, zum Aufeinandertreffen schaffen. Ich glaube auch eine agile Universität würde davon sehr profitieren, dass man also unkalkulierte Inhalt Begegnungsaufeinandertreffräume organisiert. Wenn wir uns die Kulturgeschichte anschauen, ich habe mich sehr viel mit den Avantgarden beschäftigt zu Beginn des 20. Jahrhunderts und habe mich immer wie entsteht eigentlich das, dass man plötzlich so machen wir jetzt nicht mehr, wir machen das jetzt anders. Da braucht man ja irgendwie in sich nur so eine Ermächtigung wo kam die eigentlich her? Nouvelle vague, promoviert, hab gedacht, die haben Filme gedreht, wo jeder die Schnitte stimmen nicht, die Beleuchtung stimmt nicht, du filmst die Menschen von hinten, mach das noch mal neu.
Da brauche ich eine Kraft, um zu so wollte ich das aber machen. Und diese ganzen Bewegungen, also alle Kunstbewegungen sind daraus entstanden, dass über eine bestimmte Zeit lang Menschen sehr viel miteinander gesprochen haben. Und die haben sich nicht dauernd verabreden müssen und so weiter. Das ist extrem labil, sondern sie sind sich dauernd begegnet, weil möglicherweise die Wohnungen waren zu kalt, also war es im Kino geheizt, dann saßen sie da. Irgendwann fangen sie an, miteinander zu sprechen, weil man nach der dritten Woche sagt Hallo, was machst du hier eigentlich? Den Film eigentlich da und da? Und dann kommt man so ins Gespräch.
Also diese Gemeinsamkeiten an Themen, die haben wir ja an der Uni. Wenn wir dann noch Räume haben, wo wir beieinander verweilen, fangen wir an, uns zu verknüpfen.
Ulrike Garde
Ja, also das ist auch das Prinzip der Serendipity. Durch diesen Zufall dann halt, der eigentlich dann auch kein Zufall ist, da so Gedankengänge entstehen.
Simon Frisch
Angebote von Gelegenheiten, die man dann. Also das sind ja auch kalkulierte Trägheiten. Also diese ganze Präsenzgeschichte lebt ja auch von der Trägheit. Also bei Online Veranstaltungen habe ich immer so so haben wir alles gesagt, OK, klick mit dem Finger, ist wieder vorbei. Wenn ich gemeinsam mit jemandem im Raum sitze oder beim Café, wir haben uns verabredet, sitzen im Café und dann sagen bereden wir eben alles, haben wir alles besprochen, aber dann sitzen wir trotzdem noch da. Und da sind dann oft, da wird es manchmal ziemlich interessant. Der Kaffee ist noch nicht ausgetrunken oder so.
Oder Kellnerin kommt nicht, Kellner zum Zahlen oder was auch immer. Und dann sitzt man halt noch da. Und aus dieser Trägheit entsteht dann manchmal so was naja, schweigend will man jetzt nicht sitzen. Dann fängt man noch was an zu sprechen, auf einmal entdeckt man irgendein Thema, von dem man gar nicht wusste, dass man darüber schon längst hätte ins Gespräch kommen können.
Ulrike Garde
Ja, und ähnlich wäre es dann halt auch, wenn man sowas im Sprachenzentrum hätte, dass sich auch Personen begegnen, die jetzt nicht nur in einen Kurs gehen, sondern darüber auch Personen kennenlernen, die eine andere Sprache kennenlernen und so weiter. Also dass sich das viel mehr auch noch vermischt. Das wäre eine schöne Sache.
Simon Frisch
Arbeitest du daran, Räume zu finden, in denen solche kalkulierten Trägheiten genutzt werden können?
Ulrike Garde
Ja, im Moment ist das schwierig, weil dem halt aufgrund der baulichen Vorschriften Grenzen gesetzt werden. Die Studierenden haben nachgefragt, ob man die Cafeteria unten im Gebäude wiederbeleben könnte, aber da ist noch sehr viel Luft nach oben, um daraus wirklich einen Begegnungsort zu machen. Da steht im Moment sozusagen Getränkeautomat und man kann sich Kleinigkeiten ziehen, aber das lädt nicht zum Verweilen ein. Wir versuchen das eher über andere Dinge, also z.B. über die Filmprojekte. Wir planen wieder eine Reihe mit dem Institut Français gemeinsam und wir sind in der glücklichen Lage, über die deutsch französische Hochschule Gelder bekommen zu haben für den europäischen Medienkulturkurs, der zusammen mit der Université Lyon Deux angeboten wird. Und darüber versuchen wir dann halt auch kulturelle Events zu kreieren, an denen Personen teilnehmen können. Das konzentriert sich jetzt hier auf diejenigen, die französisch, also frankophil sind sozusagen im weitesten Sinne. Aber das lässt sich natürlich auch in anderen Bereichen machen.
Simon Frisch
OK. Hast du noch was ganz Wichtiges, was wir vergessen haben?
Ulrike Garde
Nein, außer der Nachricht oder der Einladung an alle, die diesen Podcast hören, bei uns vorbeizuschauen und sich für eine Sprache und Kultur zu interessieren, mit uns ins Gespräch zu kommen und vorbeizuschauen.
Simon Frisch
Gut. Vielen Dank, liebe Ulrike, für dieses schöne Gespräch.
Ulrike Garde
Danke dir auch. Vielen Dank.
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