Ep. 31 – Gespräch mit Mona Mahall

Shownotes

Darstellung ist nie neutral. Das macht Mona Mahall gleich zu Beginn deutlich. In dieser Episode spricht die Professorin für Darstellungsmethodik im Entwerfen mit Simon Frisch über Architektur als kulturelle Praxis, über Perspektiven, die Machtverhältnisse einschreiben, und über Räume, die mehr sind als Bilder. Was bedeutet es, architektonisch zu lehren, ohne auf die große Geste zu setzen? Mahall erzählt von Seminaren, in denen Studierende multiperspektivisch denken und im Kollektiv reflektieren lernen – über Darstellung, Repräsentation, Verantwortung. Ob dekoloniale Science Fiction, Open Studios oder Prozesse, die sich über mehrere Semester entfalten: Im Zentrum steht immer das kritische Hinterfragen architektonischer Konventionen. Ein Gespräch über entleerte Tabula-rasa-Konzepte, über die politische Dimension von Entwurfsmethoden, über das Lehren abseits von Wettbewerbslogiken – und über die Universität als Möglichkeitsraum für solidarisches, gemeinsames Lernen.

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn, Moritz Wehrmann Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Transkript: Natalie Röhniß Produzentin: Nicole Baron Distribution: Ulfried Hermann, Jonas Rieger

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

Transkript anzeigen

Mona_Mahall

Simon Frisch

Das Mikrofon geht auf und zwei Stimmen treten auf. Die eine Stimme gehört, zu der gehören einige Rollen und ich will es heute mal ein bisschen abkürzen. Zwei Rollen, die zu dieser Stimme gehören, ist meine, die wir jetzt als erstes hören. Mein Name ist Simon Frisch, ich bin Vizepräsident für Lehre und Lernen und schon seit über 20 Jahren bin ich im Lehrgeschäft tätig, lehre an Universitäten und ich interessiere mich für Lehre und Lernen hier bei uns an der Bauhaus Universität. Und ich habe heute Mona Mahall als Gast. Und als wer bist du denn heute gekommen oder als wer wirst du mit mir sprechen?

Mona Mahall

Hallo Simon, vielen Dank für die Einladung. Ich komme gerade aus meiner Lehrveranstaltung. Ich arbeite als Professorin für Darstellungsmethodik im Entwerfen an der Architekturfakultät hier in Weimar und freue mich da zu sein und gerne auch lieber über die Sachen sprechen als über wer ich bin, weil man ist ja immer sehr viele selber. Also ich komme aus einer Lehrveranstaltung, in der wir uns mit dekolonialer Science Fiction beschäftigen, gerade eben Texte, Filme, Kunst anschauen, um eine andere Perspektive auf das Geschichtenerzählen in Räumen, mit Räumen über Räume zu haben. So würde ich gerne starten und und das wäre lieber hinten anstellen.

Simon Frisch

Ausgezeichnet. Nein, genau in der Rolle und an der Rolle. Dekoloniale Science Fiction, was genau schaut ihr da an? Genau, da würde ich gerne weitermachen. Finde ich ganz spannend, diese Lehrveranstaltung.

Mona Mahall

Wir schauen uns ganz viele verschiedene Filme an, aber auch Texte, Theorien, Kurzgeschichten. Eine Kurzgeschichte ist vielleicht gut zu erwähnen, Octavia Butler Bloodchild, die wir gelesen haben und die eben aus einer Perspektive marginalisierter Menschen an Zukünfte denkt, an Räume denkt, die anders sein könnten, als sie jetzt sind, die umkämpft sind unter Umständen aber auch natürlich kolonialisiert waren einfach. Da lesen wir vor allem auch mit der Intention, unsere eigenen Entwurfstätigkeiten und unsere eigenen kreativen Tätigkeiten eben zu erweitern und unsere eigenen blinden Flecke auch klarer zu sehen.

Simon Frisch

Und wie funktioniert das in der genau, du bist in der Architektur, du machst Darstellungsmethodik und sozusagen gleich diese Methodik, ich würde mal sagen, Perspektivenvielfalt und Diversifizierung der eigenen Ansätze und insbesondere Auflösung von Tradition, Pfadabhängigkeiten. So würde ich den Ansatz verstehen. Ist das richtig?

Mona Mahall

Ja genau. Ich übersetze diese deutsche Widmung gerne mit Practices and Politics of Representation, auch wenn es nicht offiziell ist und ich das eigentlich nicht darf, aber aus dem Grund, dass es eben nicht neutralisiert und nicht nur technisch daherkommt, wie der Name Darstellungsmethodik vielleicht unterstellen mag. Aber mir geht es darum, in der Lehre kritisch auf die Tools, auf die Methoden, auch auf die Praxen zu schauen, die wir unter Umständen auch ganz unbewusst oder quasi natürlich verwenden. Zum Beispiel die Perspektive, die für uns erstmal als etwas erscheint, das die Realität so abbildet, wie sie ist oder wie sie uns vor die Augen tritt. Wir wissen, dass das nicht so ist.

Es gibt seit dem 17. Jahrhundert dazu Theorien, Reflexionen und Kritiken, aber trotzdem in einem alltäglichen Prozess der Entwurfstätigkeit oder auch der Bildgenerierung, auch der Textgenerierung sind wir eben oft nicht so reflektiert und so kritisch mit unseren Tools und Medien, wie wir es eigentlich sein sollten. Und da sehe ich meine Aufgabe, also nicht nur der Zeichenlehrer oder die Zeichenlehrerin zu sein, sondern tatsächlich auch mit einer kritischen Distanz auf dieses Feld zu schauen, ohne dabei aus den Augen zu lassen, dass es natürlich auch um Machen geht.

Simon Frisch

Ah ja, also Methoden sind politisch, Darstellung ist politisch. Das wäre so der Ansatz?

Mona Mahall

Politisch insofern, als dass sie geschichtlich konstruiert sind, in einem kulturellen Kontext auch entstanden und natürlich institutionalisiert in unseren Universitäten, aber auch zum Beispiel in unseren Kammern, wenn wir denken, dass die Architektur ja noch immer eine Kammerdisziplin ist und da eben sehr viele Standardisierungen, Normen, Protokolle existieren, die natürlich nur eine gewisse Perspektive auf die Welt erlauben und sehr viel ausschließen, sehr viel unsichtbar machen, während sie auch viel sichtbar machen. Aber genau darum, finde ich, geht es in einer heutigen emanzipatorischen Lehre und darum bemühe ich, ich mich sehr.

Simon Frisch

Emanzipatorische Lehre finde ich ein schönes Konzept oder einen schönen Ansatz. Das ist dein Ansatz. Emanzipatorische Lehre, so könnte man den Ansatz beschreiben. Wenn du Perspektive beschreibst, leuchtet mir sofort ein.

Die Perspektive als symbolische Form. Also die Kunsttheorie hat sich darum im 20. Jahrhundert dann auch Gedanken gemacht, wo es ja einfach auch darum geht und wir heute sieht realistisch aus oder mal es doch mal so ab, wie du siehst und so weiter. Dein Einwand wäre dann ein gelerntes Sehen und es ist auch eine gelernte Realität, die über Darstellung uns zurückspiegelt. Kann ich das so reflektieren, dass man so wie wir darstellen, lernen wir, dass Realität ist und entsprechend verhalten wir uns. Das wäre das Politische daran.

Mona Mahall

Ja, das Politische daran ist auch, dass es natürlich, und das zeigt sich im englischen Titel Repräsentation Representation auch darum geht, wer überhaupt auftaucht, was auftaucht in solchen Bildern. Das ist mal das eine. Also es motiviert in einer Art politisch, aber es ist natürlich auch von der Methodik her politisch, dass wir sozusagen davon ausgehen, wenn wir die Fluchtpunktperspektive, die von einem Subjektpunkt ausgeht, von einem Blickpunkt ausgeht, uns in den Kopf holen, dann ist das multiperspektivische Wahrnehmen, auch das Wahrnehmen in der Zeit vollkommen ausgeblendet. Dass wir wahrnehmen als ganze Körper mit mehreren Sinnen und nicht nur mit den Augen, ist daran nicht enthalten. Und was wir im Bild sehen, natürlich auch immer nur als einen Ausschnitt aus einem Zeitraum, Zusammenhang wahrnehmen. All das ist in der Perspektive in allen Bildern. Es ist auch eine ganz generelle Bildkritik nicht enthalten und das macht ja auch nichts.

Aber ich finde es wichtig, es zu reflektieren und auf dem Schirm zu behalten, was eben verloren geht, auch unter Umständen dabei, bzw. Was gewonnen und verloren wird, So muss man es vielleicht auch sagen. In der Architektur sind natürlich Visualisierungen auch immer in einem Zusammenhang der Rhetorik zu sehen, Also dass wir mit unseren Bildern überzeugen wollen, unter Umständen geldintensive Projekte damit lancieren möchten, Also diesen Zusammenhang, dass es eingebunden ist in Ökonomien, auch Ökonomien der Aufmerksamkeit, zirkuläre Internetzusammenhänge, all diese Sachen gehören natürlich auch zur Bildproduktion und Distribution heute. Und, und da finde ich, haben wir als Universität auch den Auftrag, kritisch und reflektiert umzugehen.

Simon Frisch

Ja, ausgezeichnet. Ich wollte dich gerade fragen und das alles in der Architektur. Jetzt hast du schon die Brücke gebaut. Also bisher habe ich gedacht, wir sind so im medientheoretischen Diskurs unterwegs, bildanalytischen Diskurs, aber jetzt hast du schon die Brücke gebaut, warum du das in der Architektur machst und was das in der Architektur für eine Rolle spielt, eben genau in Hinsicht auf Räume. Du hast schon die Multisensorik angesprochen, also die vielen Sinne, die über das Auge hinausgehen und dann eben gleich noch gesagt und gleichzeitig muss Architektur sich in irgendeiner Bildrhetorik um Ressourcen kümmern, weil das die Sprache ist, in der eben Ressourcenökonomien irgendwie beschafft werden. Also sind oft Bilder, in denen Architektur zirkuliert. Und da geht ganz schön was verloren, wenn wir sagen, es ist Multiperspektive, mehrere Sinne, weil Räume ja keine Bilder sind.

Mona Mahall

Ja, ist ein alter Vorwurf auch besonders an moderne Architektur, dass sozusagen mehr nach Bildern, seit es die Fotografie gibt, mehr für Bilder, mehr nach Bildern entworfen und auch gebaut wird und wurde, als an die räumlichen Praktiken, die Nutzungen und auch die anderen Sinne zu denken. Das ist etwas, was in der Architektur schon lange verhandelt und diskutiert wird, aber sicherlich auch jetzt noch mal eine Dringlichkeit erfährt mit der Vernetzung, mit der Allgegenwart von Bildern und den Strömen, denen wir tatsächlich ausgesetzt sind. Klar ist es auch, dass Bilder genauso wie die natürliche Sprache natürlich allgemeine Medien sind, die über eine Fachkundigkeit oder eine Expertise einer Disziplin hinaus ausreicht und damit auch Kommunikationsmedien sind. Und das ist ihr großes Potenzial und auch ihre Kraft, aber eben auch die Verantwortung, die damit einhergeht, dass die Bilder unter Umständen Verkaufsmedien, Werbebilder sind oder werden. Und da finde ich, müssen wir als Architektinnen und als Architekten eben auch umsichtig umgehen mit diesen so wirkmächtigen Medien.

Simon Frisch

Diese Umsicht, verstehe ich das richtig, wenn ich jetzt sagen würde, die Umsicht besteht darin, die Qualität von Räumen gegenüber denen von Bildern zu differenzieren. Also Bilder können gut zirkulieren, Räume können vielleicht was anderes gut, aber eigentlich nicht zirkulieren.

Mona Mahall

Ja, da würde ich dir sofort recht geben. Und es macht, glaube ich, auch sozusagen eine Diskrepanz aus zwischen den Bildern und den tatsächlichen Räumen, dass Bilder nun mal Transportmittel sind auch, also transportfähig und Räume sind zumindest so, wie wir sie jetzt gemeinhin definieren, wenn wir an gebaute Räume denken. Wir können natürlich über Raum auch noch mal in ganz anderen Dimensionen sprechen.

Simon Frisch

Na gut, aber vielleicht bleiben wir erstmal da, weil ich glaube, es ist komplex genug immer noch.

Mona Mahall

Ja, Räume sind lokalisiert, auch wenn wir sie als White Cube imaginiert haben, zum Beispiel im Museum oder als modernistische Entwürfe, die quasi universal einsetzbar sind oder realisierbar sind, sind Räume nur an bestimmten Orten vorstellbar und umsetzbar. Und dementsprechend auch müssen wir sie kontextualisieren und das ist ein Punkt, der natürlich mit viel Arbeit und mit viel Forschung und mit viel Fragen und auch mit Auseinandersetzung und Gesprächen am besten funktioniert oder sogar sonst gar nicht funktioniert. Und das haben wir in der modernen Architektur auch als ein Versagen festgestellt, in der modernen internationalen Architektur, die sich sozusagen jenseits allerdings kultureller und auch geografischer, politischer, sozialer Eigenheiten als ein Modell dargestellt hat.

Simon Frisch

Ich finde das total spannend. Also wie jetzt hier, also es ist eine moderne Kritik im Namen der Moderne vielleicht oder was auch immer, vielleicht im Namen von was völlig Neuem. Vielleicht kann man auch mal die Vokabel Post weglassen und nicht einfach nur Postmoderne sagen, wobei es ja schon die Post Postmoderne ist, die sich hier artikuliert. Und vielleicht findet man ja einen affirmativen Begriff oder einen positiven Begriff, anstatt das, was hinter einem liegt, immer noch mit aufzurufen. Die Kategorie des Ortes wird gerade ganz stark, also die Örtlichkeit und dann das konkret hier und jetzt gebaute. Ganz merkwürdigerweise gibt es diesen Benjamin Aufsatz, der sagt, es wird alles zertrümmert und das ist aber dann letztlich nie verloren gegangen in der Kategorie des Raums als Raum, also in seiner ganz primären, konkreten Bedeutung. Ort finde ich ziemlich spannendes Konzept, weil Ort ja eigentlich jeweils ein Zentrum hat, aber der nächste Ort hat wieder eins.

Das ist also quasi eine Multizentralität und die Moderne, die wollte immer das Universum und das Universale und der Ort ist das Gegenkonzept und das macht es schwierig. Wie gehst du da in der Lehre ran? Und die Studierenden kommen ja eigentlich mehr oder weniger aus Schulen und haben gerade die Dezentrierung nicht unbedingt und die Multiperspektive nicht unbedingt so gelernt und eingeübt.

Mona Mahall

Ja, ich habe die Erfahrung oder ich mache die Erfahrung, weil ich ja auch stark im ersten Semester mit meiner Lehre selber verortet bin, dass die jungen Studierenden natürlich auch noch mit einer Offenheit und einer Uneingegleist kommen, dass manche Themen und manche Fragestellungen fast einfacher aufzuwerfen sind, als mit schon älteren Studierenden, die schon sehr viel an Disziplinierung erfahren haben. Also jedes Mal unterschiedlich einfach. Und Verortung ist daher wichtig, glaube ich, um einerseits auch den Fokus zu finden in Projekten zum Beispiel und in den Arbeiten, die wir da erledigen, seien die theoretischer Natur, textlicher Natur oder eben auch Entwurfsprojekte oder Filmprojekte, ist die Verortung deswegen wichtig, weil sie uns selbst auch in Beziehung setzt, also uns selbst als Körper mit verkörpertem Wissen, aber auch mit Biografien, mit kultureller und sozialer Örtlichkeit. Also so würde ich jetzt den Ort verstehen oder das, was man auch Locality nennt oder so in der Theorie. Und ich finde, dass besonders in der modernen Architektur diese Verortung auf der Autorinnenseite etwas in den Hintergrund geraten war.

Simon Frisch

Wie meinst du die Verortung auf der Autorinnenseite.

Mona Mahall

Dass die Architektinnen und Architekten, besonders die Architekten natürlich, weil diese die Disziplin nach wie vor dominieren, quasi hinter ihren Arbeiten verschwinden, sich unsichtbar machen, also ihre eigene Agency oder ihre eigene Handlungsmacht verunklären oder tarnen, hinter Argumenten, hinter Methoden, hinter Bedarf, hinter auch natürlich ökonomischen Erwägungen. Also auf der einen Seite ist es eigentlich die Illusion, tatsächlich etwas bestimmen zu können und wirksam zu sein. Auf der anderen Seite aber auch ist es eine Selbstvergessenheit, finde ich, die da zusammenspielt. Und für mich ist es wichtig, beides zu adressieren. Einfach auf der einen Seite eine Lokalität, die jeder mitbringt, auch auf der anderen Seite aber auch die Vorstellung davon, dass nur in bestimmten Lokalitäten agiert wird und dass da immer schon Akteurinnen, Umwelten, gewisse Geschichten und Politiken wirksam sind. Und da finde ich, haben wir auch mit dem Begriff zum Beispiel der Tabula rasa, der in der modernen Architektur schon eine gewisse Art auf der grünen Wiese entwerfen, die Vorstellung davon, dass etwas leer ist, ein Ort leer wäre, finde ich, haben wir schon eine ganze Zeit lang agiert.

Simon Frisch

Also der Tabula Rasa würdest du eben entgegensetzen oder dein Ansatz wäre nein, wir schauen, was da ist, um am Ort zu entwickeln mit dem, wer wir sind.

Mona Mahall

Ja, zumindest ich glaube, es ist noch gewalttätiger als das. Jede Vorstellung von Tabula rasa hat etwas mit der Gewalt zu tun, dass man sich einen Ort, der noch nie leer war, als leer vorstellt oder ihn sogar entleert. Und dann sind, sind wir schnell in kolonialen bzw. Dekolonialen Diskursen die Vorstellung, dass man irgendwo hinkommt und da gäbe es nichts und man könnte sich das nehmen einfach.

Simon Frisch

Das ist ganz spannend. Ich habe mit Dorothee Rummel über Nachverdichtung gesprochen und sie hatte gesagt, dass sie bei ihrer Doktorarbeit auf der Suche nach Räumen waren, die leer sind. Und sie ist nur auf Räume gestoßen, an denen schon überall was war. Und sie hat sich plötzlich dafür interessiert, was alles an diesen Räumen ist, die wir im Konzept der Nachverdichtung für leer halten. Das passt für mich jetzt ein bisschen zusammen. Die Tabula rasa, die grüne Wiese, ist also das Gegenkonzept des Ortes, vielleicht auch weil der Ort nie leer ist. Der Ort hat immer schon was dabei und die Autorschaft, das fand ich interessant, die Autorschaft des Architekten, ich darf es jetzt mal so gendern, die sich hinter Notwendigkeit, Funktion und so weiter im Namen der Tabula rasa dann artikuliert und in dieser Artikulation gleichzeitig, wie hattest du genannt, versteckt, ne, tarnt.

Die Notwendigkeit wird zur Autorschaft und die Autorschaft wird getarnt in der Notwendigkeit, weil vorher die Feststellung da hier ist alles leer, hier muss was hin.

Mona Mahall

Ja, ich glaube, es ist schon leer, es muss was hin. Hat etwas mit der der Ablehnung der Moderne von Vergangenheit. Also es ist eben ein Diskurs, der da auch sozusagen erschaffen wurde, also mit den wichtigen Gestalten, Le Corbusier, der das mittelalterliche Paris abreißen wollte, um es mit Punkthochhäusern zu ersetzen. Also die Ablehnung einer Historie gewachsenen, zu vielen Teilen auch mittelalterlichen Stadt, die da bei vielen und sehr einflussreichen modernen Architekten als ein Ziel ausgerufen wurde, hat diese Tabula rasa imaginiert, um auf einer Ablehnung von historischen Strukturen eben die eigene neue Moderne errichten zu können.

Simon Frisch

Ich glaube, ich höre das ganz gut raus. Also es ist eine Wiederkehr der Geschichte auch und auch eine Wertschätzung des Gewordenen, aber auch des Werdenden und des sich Wandelnden. Das wäre der Ansatz, dass man hier ein Ort, der sich aber verändert und an dem wir uns verändern. Also Räume sind sozusagen eigentlich Wandelort. Also du hast vorhin auch die Zeit erwähnt, die für dich eine große Rolle spielt. Wenn die Zeit in der Architektur eine große Rolle spielt, dann ist sie ja nicht nur eine, gegen die wir durch Restauration oder Renovierung oder so anarbeiten oder durch Erhaltung, sondern das wäre dann für dich ein anderes Konzept.

Kannst du das beschreiben?

Mona Mahall

Ich denke, dass so sehr die moderne Architektur eben auch die Geschichte als eine negative Folie irgendwie zur Grundlage hatte und die Postmoderne, die du vorher schon erwähnt hast, dann mit ganz anderen Argumenten eine Kontinuität, besonders eine urbane Kontinuität wieder ins Spiel gebracht hat, ganz stark die europäische Stadt. So ist heute der Diskurs viel mehr mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit. Aber ich glaube, dass wir uns sozusagen von einer sehr modernistischen Idee des Entleerten auf jeden Fall entfernt haben, mit anderen Argumentationslinien heute als noch vor 30 Jahren. Aber ich denke, dass es jetzt tatsächlich darum geht, viel mehr an gewisse Zeiten oder an gewisse Räume anzuknüpfen und diese weiterzuentwickeln und weniger mit großer Geste. Die große Geste war immer Teil der modernistischen Architektur und sicherlich gab es da auch immer differenziertere Stimmen. Also wir verallgemeinern auch, wenn wir jetzt die ganze Moderne als die Tabula rasa Moderne bezeichnen, weil es immer auch Gegenbewegungen gab, aber sehr, sehr einflussreiche Akteure haben den Diskurs des Neumachens und Neubauens und des Großprojektes, glaube ich, auch sehr stark weitergetragen. Es ist das, wie unsere Geschichte auch funktioniert einfach.

Wir schauen immer noch auf diese großen Gestalten. Erst langsam nehmen wir wahr, dass wir diese Geschichte auch anders erzählen können und dass wir die auch anders memorieren müssen, um vollständig zu sein. Bisher ist sie natürlich auch sehr selektiv.

Simon Frisch

Und jetzt frage ich Wie arbeitest du da mit den Studierenden ganz konkret? Vielleicht kannst du ein paar Beispiele aus deinen Lehrpraktiken erzählen, richtig beschreiben?

Mona Mahall

Gerne. Also wir haben vorher erwähnt, das ist ein Entwurfsstudio, das wir dieses Semester gemeinsam machen mit Arishit Batakaria, bei dem es jetzt zunächst mal vor allem um ein diskursives Format geht. Und es spielt immer einen großen oder es hat einen großen Anteil. In all den Kursen, die ich organisiere und konzipiere und mitmache, ist ein großes Gewicht auf Diskurs und auf kollektive Gespräche, auf Strukturen, die wir als Hilfskonstruktionen einführen, sodass Studierende sich auch wirklich aktiv beteiligen, zum Beispiel an Gesprächen über andere Entwurfsprojekte, also nicht mal ihre eigenen, sondern Kolleginnen und Kollegen und sozusagen sich selber in unterschiedlichsten Rollen wiederfinden. Das spielt in allen Kursen eine Rolle. Und dann haben wir eben Entwurfsstudios, die sich entweder Fragestellungen widmen, wie dieses Semester dekolonialer Science Fiction oder aber wir laden ein zu Open Studios, in die die Studierenden kommen und ihre eigenen Themen bringen, was in der Architektur jetzt im Gegensatz zur Kunst nicht so selbstverständlich ist, weil oft gibt es Briefs oder Bauaufgaben, Entwurfsaufgaben oder zumindest Thematiken. Ich finde es aber wichtig, dass man Studierenden auch die Möglichkeit gibt, eigene Anliegen, eigene Interessen, auch eigene Spinnereien mitzubringen und die zu verhandeln auf eine seriöse Art und Weise.

Und das machen wir auch. Dazu haben wir eine Struktur entwickelt, die die Studierende einlädt, ihre Arbeit im Prozess, immer im Prozess vorzustellen. Und dann ziehen wir uns als kleinere Gruppen zurück und diskutieren diese Arbeit, um dann nochmal unterschiedliche Perspektiven reagieren zu sehen. Also wir geben dann Feedback aus diesen kleineren Gruppen heraus, damit der Student, die Studentin, die ihre Arbeit vorstellt, auch tatsächlich vielstimmig über ihr Projekt hört und nicht nur eine Professorenstimme oder eine Professorinnenstimme. Es dient auch dem, Hierarchien abzubauen und Lehre und Lernen als eine kollektive Anstrengung. Und es ist auch anstrengend natürlich für uns alle zu verstehen, aber das machen wir auch jedes Semester.

Simon Frisch

Da kann ich wirklich viel damit anfangen. Also die Vielstimmigkeit dieses Wir ist sozusagen das ganze Seminar, die ganze Seminargruppe. Und darin spielt natürlich, ich meine, wir spielen als Lehrpersonen immer so ein bisschen eine besondere Rolle. Das heißt, man muss den Leuten eigentlich auch beibringen, das Zuhören irgendwie zu modifizieren oder aktiv zu gestalten und da nicht Priorisierungen oder mehr Gewicht auf die eine oder auf die andere Stimme zu nehmen, sondern zu lernen zu Damit kann ich was anfangen, damit kann ich nichts anfangen erstmal, egal von wem es kommt oder damit möchte ich mich gern verbinden oder möchte ich mich nicht verbinden. Das ist ja auch zulässig, dass man Ich möchte gerne jetzt mich an einer Lehrperson orientieren oder an der Kommilitonin, dem Kommilitonen, weil ich da irgendwas höre, was mir was Das bringt mich weiter und so weiter. Das heißt, ich verstehe da sowas. Ich organisiere mehr oder weniger auch selbst meine Aufmerksamkeit in Hinsicht darauf, was ich lernen will und was ich für wichtig halte.

Mona Mahall

Ja, genau. Und auch, dass ich mich selbst in einer Verantwortungsposition fühle, auch in anderen Projekten eine Haltung zu entwickeln oder Feedback zu geben oder Input Ideen oder einfach auf die Frage antworten zu können Was fehlt mir hier noch, um es zu verstehen? Oder welche Perspektive ist hier nicht berücksichtigt worden? Und welche Stimmen könnten denn für so ein Thema von Bedeutung sein? Das kann man ja nicht als eine Person, als einen Lehrer, als eine Lehrerin bewerkstelligen. Dazu ist es ja notwendig, dass unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichsten Blickwinkeln auf eine Sache, auf einen Prozess schauen. Genau davon denke ich, können wir alle auch profitieren und ich lerne viel und die Studierenden lernen viel.

Sicherlich bleibt die Hierarchie bestehen. Also ich bin auch nicht naiv in dem Maße, dass ich denke, dass wir alle sozusagen strukturell gleichgestellt wären an der Universität, weil es stimmt einfach nicht. Aber es macht es sozusagen in gewissen Momenten möglich, auch solche Hierarchien anzusprechen und auch gewisse Nachteile solcher Hierarchien auch zu kompensieren. Erstmal nämlich, dass sich Studenten eben sehr stark auf Professorinnen konzentrieren und die Meinungen oder die Kritik besonders wichtig nehmen. Das ist das eine. Und das andere ist auch eine gewisse Wettbewerbsstimmung innerhalb der Studentenschaft zumindest auch zu adressieren oder auch abbauen zu helfen. Also ich habe das zumindest letzten mit der Gruppe besprochen, mit der wir gerade eben arbeiten, dass es in vielen Entwürfen schon sehr kompetitiv zugeht in der Architektur, die Architektur, die ja auch im wirklichen Leben über Wettbewerbe noch immer stark geprägt ist.

Ich halte aber erstmal in einer Universität den Wettbewerb nicht für die beste Ausgangslage, um sich gut zu entwickeln, um auch seinen eigenen Weg zu finden und um auch mit einer gewissen kritischen Distanz zu dem oder so zu arbeiten, dass auch die Selbstkritik möglich wird. Und das finde ich das Allerwichtigste für eine emanzipatorische Universität oder für eine Lehre, die ich als emanzipatorisch empfinde, dass ich in der Lage bin, Selbstkritik zu üben. Und je mehr Wettbewerb natürlich herrscht, umso mehr verdeckt sich das, weil man dann immer nur auf den anderen guckt oder so. Und genau solche Dynamiken, auch die kann man wahrscheinlich nicht hundertprozentig loswerden, aber die würde ich viel lieber loswerden und auf ein gemeinsames Agieren und Handeln hinzielen.

Simon Frisch

Genau das finde ich interessant, weil ich dich gerade fragen wollte, welche Rolle die Universität dann deiner Ansicht nach noch spielt eigentlich gibst du gerade die Antwort auf den Wettbewerb im Entwurf, also in der Praxis den Entwurf machen könnte man ja. Naja, hast du auch selber gesagt, das bereitet dir auf das Berufsleben vor, weil es später so ist und dein Einwand ist. Aber wir sind an der Universität und die Universität hat nicht nur die Aufgabe, aufs Berufsleben vorzubereiten. So kann man da eine Antwort daraus machen, was die Universität eigentlich zu leisten hat. Das ist nicht einfach nur Berufsausbildungsstätte, sondern es ist ein Ort, an dem man in viele Richtungen lernen, in viele Richtungen denken lernen soll und kann. Und dafür finden wir oder suchen wir idealerweise in der Lehre Methoden und nicht nur darauf zu später, wenn du hier draußen bist, kommst du da draußen besser zurecht, sondern es geht darum, hier einen Ort zu schaffen, an dem wir hier an der Universität zurechtkommen und auch einen Ort finden, den wir dadurch würdigen, indem wir das, was an ihm möglich ist, leisten und tun.

Könnte man das so zuspitzen?

Mona Mahall

Unbedingt. Ich meine, da bin ich bestimmt auch im Konflikt mit einigen meiner Kolleginnen oder zumindest wären wir uns da nicht so schnell einig. Aber ich glaube nicht, dass es an der Universität geht, Architektinnen auszubilden. Ich glaube, es geht hier darum, Architektur zu studieren und es ist ein Unterschied für mich viel mehr als Leute zu trainieren. Für einen Alltag, der so oder so diverser ist und auch sich anders darstellt, als wir es an der Universität auch nur annähernd simulieren könnten, finde ich es wichtig, Architektur eben auch als eine kulturelle, eine intellektuelle und eine kritische Disziplin. Ein Feld vielleicht, weil der Disziplinbegriff ja selber auch ein problematischer ist, als ein Feld zu verstehen, auf dem wir aushandeln, was sagbar ist, was nicht sagbar ist, was sichtbar wird, was bisher unsichtbar geblieben ist. Das verstehe ich unter Universität und so interessiert mich die Universität auch und macht es eine extrem wichtige Institution.

Simon Frisch

Ich kann mir vorstellen, dass also ich bin da ganz bei dir und ich kann mir auch vorstellen, dass das die Zukunft der Universität ist und eben nicht die Professionalisierung in Hinsicht. Es gibt gerade sehr viele Gespräche, ob die Fachhochschulen und die Universitäten sich nicht angleichen und so weiter. Und das ist ja jetzt erstmal unbenommen. Aber der Ort, der die Universität sein kann gegenüber einer Fachkräfteausbildungsstätte, kann auch meiner Ansicht nach und das ist eigentlich auch Anliegen dieses Podcasts, herauszufinden, was Lehren und Lernen eben sein kann, darüber hinaus, dass es irgendwie Ausbildung und Befähigung für Berlin, für Berufe ist. Ich glaube, dass wir als Lehrpersonen eigentlich alle in diesem Feld arbeiten und dass wir genau in diesem Feld eben Kompetenzen entwickeln, weil wir sehr, sehr viel darüber nachdenken müssen, weil unser Alltag besteht daraus. Also Lehre ist für mich ein Beziehungskomplex. Diesen Beziehungskomplex zu organisieren und zu gestalten und den unter den Bedingungen der Universität zu gestalten und damit aber auch Bedingungen der Universität letztlich zu realisieren oder auch zu fordern und letztlich auch in die Wirklichkeit zu heben, die dann dem entsprechen, was eine Universität sein kann.

Mona Mahall

Genau, nämlich eine unbedingte oder wenn man mit Derrida sprechen möchte, eine, die natürlich immer unter sozialen, politischen, ökonomischen Konditionen, ich will nicht zu leiden hat sagen, aber existiert.

Simon Frisch

Existiert ist, glaube ich, wirklich der Begriff, weil man sie dann auch profiliert beschreiben kann.

Mona Mahall

Aber sie es als Institution auch zu verteidigen gegen alle Ökonomisierungs- und Komodifizierungsprozesse, die Wissen als Ware verstehen und als Ressource, das sozusagen einerseits produziert und dann aber auch wieder extrahiert wird. Ich glaube, dass es wichtig ist und besonders in einem Land, in dem es staatliche Hochschulen vor allem gibt, einfach, dass wir die Universität als einen Ort des Gemeingutes wahrnehmen und gleichzeitig eben auch als ein Ort, an dem wir zukünftige Fragen gemeinsam behandeln, erarbeiten, vielleicht auch ansatzweise lösen werden können, eben auch, weil wir mit einer gewissen Unabhängigkeit von wirtschaftlichen, von politischen und auch tagespolitischen Zusammenhängen agieren können.

Simon Frisch

Also und da folge ich dann auch Derrida wieder nicht, weil er die Bedingungslosigkeit natürlich negativ auf eine existierende oder auf eine Gefahr oder auf was Drohendes oder auf das, was du leiden genannt hast. Aber wenn man sagt, die Existenz der Universität besteht darin, dass man Bedingungen schafft, unter denen sie eben zu einem solchen Ort werden kann. Also das ist eigentlich die Bedingung der Universität. Insofern, ich hab Derridas Diktum in einer Zeit gesehen, in der man von Bedingungslosigkeit sprechen kann, weil man diese Bedingungen auch benennen kann. Aber es geht, glaube ich, darum, Bedingungen zu schaffen für einen Ort, der dann Universität ist und sein kann.

Mona Mahall

Ich glaube, bei Derrida war es auch so, dass er selber sehr gelitten hat und auch sehr aktiv war, eigene Institutionen zu gründen und immer wieder neu zu denken und auch zu verstehen, welche Verkrustungen und welche strukturellen Probleme mit jeder Form der Institutionalisierung auftreten und wie die wieder zu lösen sind. Ich glaube, er hat tatsächlich auch persönlich irgendwie darunter gelitten. Insofern war das die unbedingte Universität auch eine Fantasie wahrscheinlich oder zumindest etwas, was er da als ein Gedankenexperiment versucht hat. Einfach Wir wissen, dass es nicht so ist.

Simon Frisch

Siehst du denn die Bauhaus-Universität als einen Ort, an dem du deine Lehre gut realisieren kannst oder auch sich verbinden lässt mit anderen oder arbeitest du da eher solitär? Wie würdest du deine Position hier einschätzen?

Mona Mahall

Das ist eine gute und heikle Frage, auf die ich jetzt ganz diplomatisch antworte. Ich komme selber wirklich auch aus vielen Erfahrungen an anderen Hochschulen. Ich habe auch ein Jahr in den USA an der Cornell University unterrichtet, aber auch an Kunstakademien. Und ich finde, dass ich hier schon insulär arbeite, mehr als ich es gewöhnt war bis dahin und dass ich das Gefühl habe, dass ich zumindest an der Architekturfakultät sehr stark als eine Randfigur wahrgenommen werde. Ich bin auch selber keine bauende Architektin, also ich arbeite in meiner eigenen Praxis eher zwischen Kunst und Architektur, würde ich sagen, was natürlich wenig klärt, aber nicht im gebauten Medium, sondern viel eher in Ausstellungen und in Video und in Installationen. So kann ich es, glaube ich, plastisch sagen. Das heißt aber, dass natürlich diese Randständigkeit, in der ich mich da befinde, auch einen kritischeren Blick auf die Disziplin zulässt und ich auch durch eine stark feministische oder eben kritische Linse auf unsere Lehre schaue und ich glaube, dass es eben eine Art ist, mit der Architektur umzugehen und eine andere ist sozusagen die Lehre irgendwie als das weiter zu betreiben, als dass sie schon seit Jahren oder Jahrzehnten betrieben wurde.

Und ganz sind wir da nicht einig, glaube ich einfach. Was aber auch wichtig ist.

Simon Frisch

Ich wollte gerade sagen, das hat ja immer was Produktives auch.

Mona Mahall

Genau, also ich fühle mich auch ganz wohl dabei, von einer Randposition zu schauen und auch die anzubieten, anbieten zu dürfen, was ich kann, weil ich merke, dass auch während bestimmt viele Studierende sich auch selber später als bauende Architektinnen wahrnehmen und auch ganz zielstrebig dahin arbeiten, gibt es einige, die eben sich selbst gar nicht im Architekturbüro wahrnehmen können, wollen und die andere Wege einschlagen möchten. Und ich glaube, für die bin ich eine gute Adresse. Und es ist eben wichtig, dass beides vorhanden ist, dass sowohl eben die klassische bauende Architektur ihren festen hat, sie natürlich auch steht überhaupt nicht zur Debatte, ihren festen Ort hat, aber dass auch Architektur anders betrieben werden kann und in anderen Feldern auch ein Wissen, das man nur so in einem Architekturstudium produziert, auch von Nutzen sein kann. Und das ist hier möglich für mich. Und insofern bin ich ganz glücklich.

Simon Frisch

Tatsächlich in den vielen Gesprächen, die ich führe, nehme ich viele junge Positionen wahr, ganz unabhängig, also ich nenne es mal jung, also welche, die nicht in den traditionellen Pfaden verhaftet sind, aber die sind völlig unabhängig davon, wie alt die Leute sind. Einige davon sind auch schon Anfang, Mitte 60 gewesen, mit denen ich gesprochen habe. Aber diese jungen Positionen, die dazu passen, Universität ständig an dieser Unbedingtheit zu halten, also eben auch in der Lehre, in den Methoden, aber auch in den Ansätzen inhaltlicher Art, in ihrer eigenen Disziplin. Oder ich finde eigentlich, dass den Begriff Feld tatsächlich noch mal schöner in ihrem eigenen Feld da Bewegung vielleicht auch reinzubringen. Das wäre ja dann das, wo man sagt, man ist nicht einig, aber deswegen bewegt man sich ja und Impulse reinzubringen und wie ich die Studierendenschaft wahrnehme, ist das auch was, was interessiert. Also es gibt eine große Nachfrage danach, nicht mehr weiterzumachen wie bisher, ohne aber Tabula rasa. Das finde ich gerade, das fand ich sehr schön, dass wir in unserem Gespräch so stark auch auf diese Frage, dass man auf die Frage, wie kann man, wie kann man, also wir können nicht mehr weitermachen wie bisher, aber jetzt gibt man nicht die alte Antwort der Moderne, wo man jetzt sagt, dann brauchen wir jetzt einen Schlussstrich und alles neu und jetzt kommt eben da was rein.

Und ich höre das auch methodisch, habe ich das in dem Gespräch jetzt auch erfahren, dass der Ansatz dann der ist, mit dem, was da ist, weiterzuarbeiten und jetzt da nicht nur so eine, also nicht so eine Gewalttätigkeit von vor 100 Jahren zu wiederholen.

Mona Mahall

Also ich glaube, dass, also man nennt es jetzt Repair oder also es gibt viele auch sehr modische Begriffe, irgendwie weiterbauen, umbauen, dass wir uns da alle einig sind. Also da sind wir tatsächlich über, nicht nur, ich glaube nicht nur in der Architektur, sondern über Grenzen, Fachgrenzen hinaus einig, dass wir da eben eine geistige und konzeptionelle Neuorientierung oder Umorientierung brauchen einfach. Und dadurch, dass die Architektur ja sehr ressourcenaufwendig ist und auch sehr emissionsintensiv, ist es natürlich in diesem Feld noch viel, viel, viel dringlicher darüber nachzudenken. Aber es gibt, glaube ich, kaum Menschen, die davon nicht überzeugt sind. Also diesen Turn möchte ich jetzt mal sagen, auch wenn das gefährlich ist, weil dann steht der Nächste ja schon wieder vor der Tür. Aber diese Wende, die ist, finde ich, sehr deutlich und auch notwendig, aber bringt natürlich mit sich, dass manche Aufgaben auch komplexer werden und mehr Zeit in Anspruch nehmen. Ich habe das Entwurfsstudio in diesem Semester genannt zu Science Fiction.

Da hat gerade eben eine Studierende sie ist jetzt hier ganz glücklich und ganz froh, aber sie merkt auch, wie viel Zeit man eigentlich braucht, um auch sozusagen Komplexitäten, die mit einer multiperspektivischen Arbeit verbunden sind, wie viel Zeit das in Anspruch braucht, um die alle zu verstehen oder zumindest mal kennenzulernen. Und es hat auch was mit forschenden Praxen zu tun, mit der Auseinandersetzung an einem bestimmten Ort, mit Gesprächen, mit mehr Teilhabe von denen, für die wir da projektieren, was auch immer wir tun, ob es jetzt bauend ist, umbauend oder in anderen Arten, scheint alles mehr Zeit in Anspruch zu nehmen. Ich finde, dass wir auch in unseren universitären Strukturen darauf Rücksicht nehmen müssen in Zukunft.

Simon Frisch

Also es sind Kategorien auf einmal nicht mehr hohe Zahlen und schnelle Abschlüsse, sondern Hinwendung, Zuwendung, Langsamkeit, weniger intensiver, so höre ich da raus, vielfältiger.

Mona Mahall

Ja intensiv, aber auf eine andere Art nicht so sehr an Produkten und Produktion orientiert, sondern an Auseinandersetzung und Reflexion und auch diese sehr strengen Zeitstundenplan Vorgaben, Seminare, die ein Semester gehen, obwohl sie eigentlich vier brauchen. Solche Fragen, glaube ich, würde ich sagen. Also ganz struktureller Art einfach, würde ich.

Simon Frisch

Hast du solche Ansätze? Also hast du schon mal ausprobiert, ein Seminar über mehrere Semester zu ziehen in irgendeiner Weise?

Mona Mahall

Ja, das mache ich eben auch mit den Open Studios oder den Open Seminars, wie auch immer wir die nennen Open Cases manchmal. Da gibt es tatsächlich viele Studierende, die kommen einfach weiterhin und die arbeiten entweder an einem Projekt weiter oder kommen aber auch mit einem anderen Projekt, also sozusagen selbstbestimmt und auch selbst beurteilt, ob ein Prozess abgeschlossen ist und ein nächster anfangen kann, wie die zusammenhängen oder ob ein ganz neuer Prozess, ein ganz neues Thema, eine ganz neue Frage jetzt tatsächlich wirklich wichtiger oder auch notwendig ist.

Simon Frisch

Also konkret stelle ich mir vor, du machst im nächsten Semester eine Anschlussveranstaltung, zu der dann neue und fortsetzende kommen.

Mona Mahall

Genau, das ist so eine Mischung aus einer gewissen kontinuierlichen Besetzung und dann Leuten, die kommen, aber manchmal gehen die auch und es ist bestimmt auch ein Nachteil. An manchen Stellen wünsche ich mir auch mehr Verbindlichkeit und mehr Durchhaltevermögen, die aber in so längeren Zeiträumen natürlich manchmal verloren geht.

Simon Frisch

Wir haben in anderen Kontexten gerade, das fällt mir genau dazu ein, darüber nachgedacht, da ging es auch um Räume, interessanterweise die Universität letztlich auch als Möglichkeitsraum von Räumen. Also die Universität hat ja Gebäude und darin sind Räume und da haben wir darüber nachgedacht, dass wir im Gespräch hat sich ergeben, wir gehen davon aus, es sind Räume für Lehrveranstaltungen und dazwischen können die, wenn man bucht und sich bemüht, auch noch für andere Dinge genutzt werden. Nur haben, also in verschiedenen Projekten gab es Evaluationen und dann gab es, wo die mal sich die Räume angeguckt hat, hat man gemerkt, dass diese Räume, dass viele Räume sehr oft leer sind. Ob man das Konzept nicht um, also da knüpfe ich jetzt eben an dieses Angebot, ob die Universität nicht einfach auch ein Komplex von Räumen ist, in dem alle studieren und manchmal kommen Lehrpersonen mit Seminaren dazu, also dass man einfach die Sichtweise und die Nutzungsweise der Räume, wofür sie geschaffen sind, umdreht. Das sind Arbeitsräume, in denen Studierende studieren und dann kommen ab und zu Lehrpersonen in diese Räume mit anderen Leuten oder wie auch immer. Aber jedenfalls die Perspektive, das Paradigma der Universität dreht sich dann um, aber eigentlich zu sich selbst hin, das ist ja eigentlich die Universität.

Mona Mahall

Das ist glaube ich ein gutes und tragfähiges Konzept, würde ich auf jeden Fall befürworten. Ich habe in Cornell, als ich dort war, eine ähnliche Situation auch schon erfahren, da waren die Entwurfsstudios schon stark in Semester unterteilt, das ist in der Architektur ein bisschen Stundenplan fixiert, also auch in den USA. Aber diese Kurse hatten ihre kontinuierlichen Räume und die hat man besucht sozusagen. Also man war als Professorin oder als Lehrende der Gast mehr oder minder und nicht umgekehrt. Also diese, was auch zu einer Dehierarchisierung, finde ich, beiträgt, da wäre sowas, ich glaube, das wäre toll und es würde auch den Studierenden eine gewisse Option geben, über den Wettbewerb oder das Gefühl von Wettbewerb nachzudenken, weil ich glaube, dass plötzlich solche Räume eben auch mit Sozialitäten oder mit Gemeinschaften verknüpft werden, wo Solidarität oder zumindest sowas wie Mitgefühl im ganz positiven Sinne irgendwie möglich, besser möglich ist, als wenn man sich sozusagen nur kurz in einem Seminarraum für zweieinhalb Stunden trifft und dann wieder nach Hause geht oder wo auch immer hin und sich wieder so trennt. Also ich glaube, das wäre toll und würde auch ein kontinuierlicheres Arbeiten im Sinne von mehreren Semestern vielleicht auch sogar ermöglichen. Also würde ganz viele Fragen aufwerfen, die für mich interessant wären.

Aber ich denke, das ist ein super Konzept, würde ich unbedingt ausprobieren wollen.

Simon Frisch

Ja, jetzt gerade, wo wir so reden und du sagst, sie gehen zum Arbeiten und könnte auch sogar sich auf das Wohnraumproblem, also dann braucht man nur noch ein Zimmer, in dem man dann schläft und vielleicht isst, weil man arbeitet ja an der Uni und so weiter. Es könnte wirklich ein sehr umfassendes Konzept werden.

Das ist doch schön. Vielleicht können wir bei Gelegenheit darüber mal weiterreden. Unsere Zeit ist leider schon rum. Ich fand es sehr schön. Vielen Dank für das schöne Gespräch, liebe Mona.

Mona Mahall

Vielen Dank für die Einladung. Ich habe auch viel Spaß und habe auch viel mitgenommen. Danke.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.