Ep. 05 – Gespräch mit Luise Nerlich

Shownotes

Luise Nerlich teilt in dieser Episode mit Simon Frisch ihre Erfahrungen mit dem Lehren und Lernen des Entwerfens in der Architektur und angrenzenden Bereichen. Sie sprechen zum Beispiel über den Rhythmus von Elementen, darüber, wie Entwürfe als Kompositionen betrachtet werden können und wie verschiedene Notationsformen es ermöglichen, Räume aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Um gute Lehre – auch außerhalb der Universität – zu machen, wechselt Luise Nehrlich die Perspektive und wird selbst zur Lernenden.

Unser Host: Dr. Simon Frisch ist Vizepräsident für Lehre und Lernen an der Bauhaus-Universität Weimar und er leitet die Dozentur für Film- und Medienwissenschaft. Er interessiert sich besonders für die spezifische Praxis der Theorie und für die ostasiatischen Wegkünste sowie die Spaziergangswissenschaft als Perspektive und Methode in Lehre und Forschung.

Mitwirkende: Host: Simon Frisch Sound-Design und Schnitt: Jonas Rieger, Laura Khachab, Moritz Wehrmann Musik: Sebastian Lederle Artwork: Andreas Wolter Ton und Technik: Steven Mehlhorn Marketing und Social Media: Claudia Weinreich, Marit Haferkamp Juristische Beratung: Laura Kister Digitale Barrierefreiheit: Christiane Hempel Transkript: Laura Khachab Produktion: Nicole Baron Distribution: Jonas Rieger, Ulfried Hermann

Weiterführende Links: www.uni-weimar.de https://www.uni-weimar.de/de/universitaet/lehre/

Folgenwebsite: www.uni-weimar.de/lehre-podcast

Allgemein https://www.uni-weimar.de/de/architektur-und-urbanistik/professuren/bauformenlehre/interim/

Einführungskurs https://www.wbv.de/shop/Performative-Architektonik-6006384w

Entwerfen https://www.wbv.de/shop/detail/c1642c4447893c728ea9c42019831172

Seminar poly.chrom https://www.uni-weimar.de/de/architektur-und-urbanistik/professuren/bauformenlehre/lehre-bachelor/seminar-farbe/

Seminar zu Bühnenraum https://www.wbv.de/shop/un.usual-grounds-I74511

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Ep. 05 – Gespräch mit Luise Nerlich

Luise Nerlich – LN Simon Frisch – SF

SF: Das Mikrofon ist aufgegangen wie der Vorhang auf der Bühne, aber da wir ja nur sprechen, ist es nur das Mikrofon, weil zu sehen ist ja nichts, selbst wenn 'n Vorhang aufgehen würde. Das Mikrofon ist also aufgegangen. Wir beginnen mit der Vorstellung der Figuren, die gleich auftreten, mit ihren Stimmen hier. Und: Wer sind wir überhaupt? Also vor allem als wer sind wir gekommen, als wer sprechen wir hier? Das müssen wir ja immer ein bisschen eingrenzen, denken wir viel zu wenig drüber nach, dass wir eigentlich sehr vielfältige Personen sind. Und ich selber bin als Vizepräsident hier, der sich für Lehre und Lernen interessiert und als Dozent, Inhaber der Dozentur für Film- und Medienwissenschaft, der sich für Lehre und Lernen interessiert. Und seit fünfundzwanzig Jahren, ich hab mal nachgerechnet, schon in universitären Kontexten lehrt und immer noch nicht genau weiß, was das eigentlich ist. Hier an der Bauhaus Universität bin ich seit zehn Jahren. Ich interessier mich sehr für Lehre. Ich lerne gern lehren. Also wer bist Du denn hierhergekommen, liebe Luise, als wer wirst Du mit mir sprechen?

LN: Ja, schönen guten Morgen in den Montagmorgen. Ich bin heute hier eingeladen worden, weil ich auch lehre an der Bauhaus Universität. Mein Name ist Luise Nehrlich und ich bin seit 94 Semestern Lernende und Lehrende auf der Welt.

SF: Seit 94.

LN: Das sind immer hin – 94, sind ungefähr 47 Jahre, so alt bin ich und seitdem lehre und lerne ich [Beide lachen] Und, wie du schon erwähnt hast, tatsächlich doch auch in sehr unterschiedlichen Situationen. Und zwar bin ich hauptberuflich hier an der Bauhaus-Universität im Moment wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Bauformlehre. Das heißt, also im Prinzip schon meine Professur hat die Lehre im Wort, ich bin also eine Bauform-Lehrerin. Mehr oder weniger. Ich hab seit 'nem halben Jahr jetzt die kommissarische Leitung dieser Professur inne und lehre unwahrscheinlich gerne.

SF: Sehr schön, Bauformenlehre. Also im Bauhaus gab's die Werkmeister und die Formmeister. Du lernst entwerfen lehren oder Du lernst Formen lehren. Und das – ich freu mich auf das Gespräch wirklich ganz besonders. Wie lehrt man Formen und Entwerfen lehren?

LN: Das ist `ne super Frage, die mich auch schon sehr lange umtreibt. SF: Ausgezeichnet.

LN: Denn… also tatsächlich beruht es so `n klein wenig auf der Idee der Formmeister und der Werkmeister. Das war ja so `ne Trennung im Bauchhaus damals gewesen, dass es quasi immer einen gab, der sich sehr gut auskannte in der Gestaltung und einer aber auch, der den handwerklichen Aspekt… Also einer, der die Magie vermittelt hat und der andere, der das Handwerk vermittelt hat.

SF: Da haben wir’s schon. Ja. Das Handwerk, was gehörte zum Handwerk dazu? Oder wo kann man jetzt, wenn man jetzt sagt, man teilt…?

LN: Ja, ganz hart trennen würde ich es tatsächlich gar nicht, weil das eine immer das andere bedingt, aber es ist gut, wenn man auf beiden Gebieten fit ist. Das heißt also, wenn ich sowohl handwerklich mein Metier beherrsche als auch gestalterisch, ich glaube, dann hab ich gute Chancen und das ist das, was wir ja hier in der Lehre unseren Studierenden mitgeben sollten, dass sie sowohl im Handwerk präzise arbeiten, was bei uns jetzt in der Architektur bedeutet, dass sie quasi wissen, wie sie ihre Pläne zeichnen, wie sie Modelle bauen, zu den Entwürfen, die sie entwickeln. Aber auch, wie sie Regeln anwenden. Architektur ist ja doch 'n recht regelbasiertes Fach und ist ganz günstig, wenn man die Regeln kennt, nach denen man arbeiten soll und die auch anwenden kann. Und das Ganze aber immer im Hintergrund eine gestalterische Absicht zu verfolgen, das sollte also immer irgendwie auch einem ästhetischen Anspruch genügen, was ich da entwickle.

SF: Das finde ich ganz interessant. Ich will jetzt gar nicht zu sehr ins Philosophische gehen, aber tatsächlich berühren wir jetzt ja auch diese beiden Begriffe Magie und Handwerk und sind wir Magier oder Handwerker. Ist Handwerk die Kenntnis – also, du sagst gerade Regeln, aber es ist auch des Materials und wie sich das verhält irgendwie die Werkzeuge und was mit was geht usw. Ist zum Teil Erfahrungswissen, aber auch 'n Wissen, was man wirklich, wo man sagt, da nimmst Du die Säge, hier nimmst Du das Messer, da nimmst Du den Bohrer, dafür nimmst Du was Plastisches, hier nimmst Du was Festes, das hält die Kraft aus, das jenes kann man zum Teil auch berechnen usw. Und Magie ist dann irgendwie das andere. [Lacht] Oder…?

LN: Ist 'n charmanter Versuch, das so zu umschreiben, habe ich so selber und jetzt noch nicht für mich definiert. Ich glaube ja, das Magische, dieses Zauberhafte, was ja in Magie irgendwie drinsteckt, hat schon was damit zu tun, dass es eher intuitiv ist, dass etwas spontan passiert, was vielleicht gar nicht so sehr beschreibbar ist, sondern eher aus 'ner Erfahrung heraus entwickelt wird. Und das Handwerkliche ist in meinen Augen ja eher etwas, was so einem Prozess unterliegt. Das ist was, was man tatsächlich ganz gut erklären kann. Also welche Pappe sich zum Beispiel für welche Modellbauart eignet, dass man Pappe nicht unbedingt mit Wasser verbinden sollte, weil sie sich sonst wellert, dass man Kugeln sehr schlecht aus Pappe bauen kann. Das sind natürlich alles Sachen, die man sehr gut vermitteln kann. Ich kann das zum einen natürlich erläutern.

Ich kann diese Impulse erklären und zeigen, so, passt auf, nehmt mal lieber die Pappe nicht für dieses und dieses Projekt. Aber viel besser ist es eigentlich, der Studierende macht selber diese Erfahrung und merkt: Mensch, ich muss eine Kugel bauen, Pappe ist wirklich un…- welche Materialien kann ich arbeite stattdessen verwenden? Und da kommt dann, glaub ich, schon auch wieder 'n bisschen das magische Bewusstsein, diese Magie.

SF: Und das ist jetzt natürlich interessant, also weil entwerfen, gestalten, da sprichst Du von Intuition, Spontanität und Erfahrung, hab ich jetzt gehört. Jetzt kommen Studierende hierher und haben keine Erfahrung; Intuition möglicherweise, wer weiß. Aber es kommen ja einfach Leute her, die sagen „Ich möchte jetzt Architektur studieren“. Und bei Dir lernen sie jetzt Entwerfen und Bauformenlehre. Wie sehen denn Deine Seminare konkret aus? Um das sozusagen so ein bisschen zu befördern und zu induzieren, denn die Erfahrung kannst Du ja nicht einfach – ja, man versucht’s ja 'n bisschen abzukürzen oder zu… ich weiß nicht, wie man's beschreibt. Also wie sehen da wie sehen Deine Seminare konkret aus? Vielleicht kannst Du Beispiele nennen.

LN: Ja, sehr gern. Simon, ich glaube, die Studierenden kommen nicht ohne Erfahrung. Ich bin mir ganz sicher, die haben sehr viele Erfahrungen. Die haben Erfahrungen im Wohnen, die haben Erfahrungen im Lernen, die haben Erfahrungen mit eigenen Räumen gemacht und tatsächlich eine meiner ersten Fragen im Seminar, wenn ich mit den Studierenden neu zusammensitze, ist tatsächlich, was habt ihr für Erfahrungen mit Räumen gemacht? Welche Räume haben euch beeindruckt? Das müssen jetzt nicht unbedingt großartige Solitärbauten sein, es kann manchmal auch die Küche der Oma gewesen sein. Aber es gibt auf jeden Fall Raumerfahrung, die die Studierenden in sich tragen und mitbringen. Und mein Job ist es, glaub ich, so `ne Art Erfahrungssortierung vielleicht vorzunehmen, so `n Bildgedächtnis aufzubauen. Mein alter Chef Professor Rudolf, der hat das als Bildgedächtnis beschrieben und hat gesagt, wir müssen versuchen, über die Vorlesungsreihen und viele Anekdoten und Bilder bestimmte Prozesse in den Gehirnen wachrufen und erklären, was meinen wir, wenn wir Struktur meinen? Was für Bilder haben wir im Kopf, wenn wir über Struktur reden? Oder was für Bilder haben wir im Kopf, wenn wir über Objekte reden?

SF: Verstehe.

LN: Und das Objekthafte kann man verabreden. Man kann also sagen, wenn das und das und das eintritt, dann ist das vielleicht eher ein strukturelles Phänomen und wenn das und das eintritt, ist es eher 'n Solitär. Und dann kann man überlegen, wo passt welche Sache hin? Wo passt die Struktur besser in den Kontext und wo passt vielleicht auch 'n Solitär ganz gut? Und deshalb ist es, glaube ich, wirklich wichtig, auf die Erfahrung der Studierenden einzugehen, weil die haben die definitiv, die bringen die mit. Und die Erfahrungen müssen aber irgendwie, ich möchte sagen, katalogisiert oder systematisiert werden. Dass wir irgendwie auf eine Sprache kommen. Dass wir uns in einer Sprache

LN: verständigen können. Von der ich z.B. auch als Lehrende total viel lernen kann. Weil die kommen natürlich mit Erfahrungen, die ich nicht gemacht hab. Sei es kulturelle Erfahrung, sei – also, meistens kommen die ja, wenn sie hier anfangen, aus irgendwelchen aufregenden Praxissemestern, wo sie entweder in Büros gewesen sind oder in der Welt irgendwelche Berufe erfahren haben, von denen ich hier in Weimar grad nur träumen kann [lacht]

SF: Ja, ja. Und jetzt 'n konkretes Seminar, wie baust Du das denn dann?

LN: Ja. Na ja, ich mach ja verschiedene Unterrichtsformate. Das Seminar ist eins von denen und die Seminare laufen bei uns tatsächlich so ab, dass ich einen großen Raum bespielen darf, und zwar im Hauptgebäude, den meistens den 203, das ist ganz oben im Westen der. Und in diesem Raum ist es so, dass jeder Student 'n Arbeitsplatz hat. Das heißt, der hat so `ne eigene Adresse, so `nen eigenen Ort, an dem er zu Hause ist, sich sicher fühlt.

SF: Das ganze Semester, das ist so eingerichtet?

LN: Das ganze Semester über, das ist 'n totaler Luxus, definitiv. Also den Arbeitsplatz, an dem er seine Sachen auch liegen lassen kann, an dem er sich irgendwie, eine Schneidematte oder seinen Rechner oder… also es ist so seins. Und ich komme quasi als Externe in diesen Raum dazu, in dem die die ganze Woche im Idealfall natürlich irgendwie zusammen sind. Und das ist schon erst mal 'n anderes System, als wenn ich, glaub ich, vor eine Klasse trete. Also ich trete da in so `n Gefüge von Strukturen, was schon länger in diesem Raum existiert.

SF: Verstehe, wie geht das los? Also Du hast nicht unbedingt Erstsemester*innen, oder? LN: Doch, doch.

SF: Okay, gut. Genau. Also das heißt, die kommen schon alle irgendwann zu Beginn ihres Studiums zum ersten Mal in diesen Raum rein. Bist Du da schon da oder trittst Du erst in der zweiten Woche hinzu? Wie stelle ich mir das vor?

LN: Tatsächlich gehe ich meistens zusammen mit denen zusammen, also gemeinsam in diesem Raum und ich liebe dieses „Ah!“ oder „Oh!“. Dieses „Yeah, ich bin jetzt in so `nem Raum Gefühl“.

SF: Kann ich mir vorstellen.

LN: Das macht total viel aus, weil man muss sich auch kurz in die Situation dieser Erstsemester reinversetzen. Die haben 'n ziemlich hartes Castingsystem überstanden. Die sind ja in mehreren Stufen in der Architektur quasi im Eignungsfeststellungsverfahren aussortiert worden. Ich sag's jetzt

LN: mal so böse, weil es ist tatsächlich eine ziemlich schwere Prüfung, die die vorab, bevor die überhaupt starten bei uns, schon hinter sich haben.

SF: Ja, interessant.

LN: Und für die ist es, glaub ich, echt 'n total schönes Gefühl zu merken, sie sind jetzt dabei. Sie sind jetzt und dürfen jetzt in diesen tollen Räumen und es hat Aura. Das hat natürlich einfach ein Flair, wenn ich diese Van der Velde Wendeltreppe hochlaufe und dann komme ich in diesen Saal. Die Fenster gehen über die Decke bis fast runter zum Boden. Na, nicht ganz, wir haben eine Brüstungshöhe von 90cm. Aber es ist ein erhabenes Gefühl und ich freue mich total, wenn ich mit denen da reinkomme und diese Stimmung spüre, weil ich merke, das macht was mit denen. Der Raum macht was mit den Menschen. Und die sind natürlich voller Erwartung und auch das ist das, was ich am ersten Semester so gerne hab, dass die offen sind wie Schwämme. Und quasi alles aufsaugen. Man kann ihnen sehr viel mitgeben und das wird dankbar aufgenommen. Das ändert sich mit der Zeit, je erfahrener der Studierende wird. Desto…

SF: Die Dankbarkeit ändert sich?

LN: Das würde ich vielleicht nicht so beschreiben, aber sie sind natürlich nicht mehr so wahnsinnig euphorisch, möchte ich mal benennen. Und das liebe ich tatsächlich, diese Magie dieser allerersten Wochen. Deswegen ist auch der Einführungskurs für mich so wahnsinnig wichtig.

SF: Der ist davor, ne. Also die dann da reinkommen, diese Gruppe, die hat den Einführungskurs schon gemacht oder wie ist das?

LN: Die sind gerade mit mir im Einführungskurs, wenn sie da oben ankommen. SF: Ah, verstehe.

LN: Und sie lernen sich untereinander kennen. Teilweise kennen sie sich schon durch WGs oder durch die Studierendeneinführungswoche, also die, sagen wir mal, Stadtrallye und so, die sind passiert. Die üblichen Verdächtigen haben sich schon so in etwa gruppiert. Aber die Systematik der Seminargruppe ist da so das erste Mal am Tragen. Und das ist, glaube ich, schon ein toller Moment, wenn die dann so alle erklären…

SF: Das ist im Zuge des Einführungskurses noch, also dieses, wir nennen das ja auch immer noch Vorkurs, in Anlehnung an die Tradition.

LN: Genau. Also dieser allererste Erstkontakt ist im Einführungskurs mit mir, genau.

SF: Und da geht ihr schon in diesem Raum.

LN: Und da sind wir schon in diesem Raum. So ist es.

SF: Und dann beziehen die da ihre Plätze. Und dann? Woher wissen die, was sie da machen sollen?

LN: Ja, also jetzt muss man tatsächlich differenzieren. Der Einführungskurs, der findet natürlich an verschiedenen Stellen in der Stadt statt. Wir gehen also tatsächlich dann auch schnell wieder raus. Das echte Seminar, also das, was dann tatsächlich da vor Ort stattfindet, auf das Du mich eigentlich ja angesprochen hattest, ist dann eins, was vor Ort stattfindet. Und das ist in der Regel so ein bisschen gesplittet in Input. Das heißt, ich erkläre, sagen wir mal, Begrifflichkeiten z.B. eben zum Modellbau, welcher Maßstab fordert welche Detaillierung, welche Materialien eignen sich? Wie schneide ich Pappe? Wie krieg ich 'n Cutter scharf? Also mal so handfeste, sagen wir mal, das Handwerk. Ja. Oder was ist Struktur, was ist objekthaft? Und dann im zweiten Schritt gibt es quasi Übungen zur Anwendung. Das heißt also, wir haben eine ganze Reihe von Übungen anhand derer die Studierenden das, was sie theoretisch von mir hören, so die erste Stufe der Erkenntnis, das „Ich hab's mal gehört“. Ich könnte also nachschlagen und weiß, wo's steht. Die zweite Sache ist dann, ich werde mit einem Problem konfrontiert und muss es lösen.

SF: Also ich lerne jetzt, wie sich's anfühlt oder ich lerne…

LN: Ja. Ich begreife. Also ich habe tatsächlich was in der Hand und muss was damit machen. Also das kann der Bleistift und das lange Lineal sein oder meine Tastatur, weil ich jetzt eine Perspektive konstruiere oder weil ich 'n Grundriss zeichne und jetzt plötzlich irgendwie eine Qualität finden muss für eine Fläche, die geschnitten ist oder nur in der Ansicht.

SF: „Eine Qualität finden muss für eine Fläche“, was bedeutet das? [Beide lachen]

LN: Also wie, ja, sehr schöne Frage. Also wie stelle ich etwas da, ist da, glaube ich, eigentlich so die große Frage. Also wie unterscheide ich zwischen z.B. Sichten, wo ich auf was draufguck. Oder wo ich in etwas reinguck? Die beiden Szenen müssen wir ja irgendwie als Architekten bedienen. Und das muss ich irgendwie unterschiedlich darstellen, sonst ist es nur ein Gewusel von vielen Linien. Und da gibt's Erfahrungswerte, aber auch immer wieder neue kreative Prozesse, wie man so was darstellen kann. Und das ist eigentlich das Spannende für mich in der Lehre, dass sich das auch ändert.

SF: Und zwar?

LN: Na, als ich noch studiert hab, haben wir zum Beispiel wirklich mit langen Linearen und Bleistiften und Rapidographen da oben in diesem Raum 203 gesessen und haben gezeichnet und haben uns verzeichnet. Dann haben wir eine Rasierklinge genommen und haben das wieder weggekratzt.

SF: Ach so, dieses spezielle Papier, von dem man das kratzen kann oder habt ihr das von jeder Art von Papier gekratzt?

LN: Nee, das muss das muss ein Transparent sein, was möglichst sehr hoch in der Grammatur ist, also sehr dick. Und dann kann ich das so wie beim Palimpsest bei den alten Urkunden das Papier sparen und kann quasi wieder wegradieren. Das ist eine Kunst gewesen, weil man hat ganz schnell Löcher reingekriegt in so `n Papier und man hat sich dreimal gekniffen, wenn's daneben gegangen ist. Das ist ja 'n Prozess, den's heute gar nicht mehr gibt. Heute mach ich 'n Fehler, mache Apfel-Z und weg ist es.

SF: Ja, ja, genau. Das heißt, da habt ihr viel Zeit damit verbracht, überhaupt dieses Verhalten des Papiers beim Verzeichnen und Korrigieren kennenzulernen. Kann ich mir das so vorstellen irgendwie?

LN: Kann man so charmant ausdrücken, ja. [Beide lachen] SF: Ja. Ja, ja, genau.

LN: Ja, also es hat sich da ziemlich viel verändert und auch in der Darstellung selber, also nicht nur die Technik, sondern auch einfach die grafischen Mittel sind ganz andere geworden. Kein Mensch macht mehr Airbrush um vielleicht verschiedene Flächen anzulegen. Was total schade ist, weil es auch eine tolle Technik ist.

SF: Wie ist das, Airbrush, verschiedene Technik-, Flächen anzulegen? Was meinst Du damit? Hier sitzt wirklich ein Fachfremder [Beide lachen]

LN: Schön! Na, Airbrush wär z.B. eine Methode gewesen, wenn ich Flächen nicht schraffieren möchte. Also, ich kann ja Flächen, ich sag jetzt mal in Anführungsstrichen „ausmalen“, dann habe ich eine Fläche angelegt. Also wir malen ja nicht, wir zeichnen ja. Und wir legen quasi dann Flächen an in verschiedenen Techniken. Und je größer die Flächen sind, wenn ich jetzt Lagepläne machen muss oder so, desto mehr Zeit braucht das natürlich. Und man kommt relativ schnell auf die Idee, sich da irgendwie Hilfe zu suchen, um größere Flächen schneller anzulegen.

SF: Flächen flächig bespielen und nicht schraffierend bespielen. Das spart Zeit usw. LN: Man könnte z.B. über Klebefolien Flächen anlegen. Man könnte so Rasterfolien –

SF: Das kenne ich noch von früher, Letraset hieß der? LN: Richtig, genau! [Lacht]

SF: Jawohl.

LN: Oh ja. Hoch tolle Dinge. Also ich sehe da z.B. auch wieder viel Potenzial in der Jetztzeit, weil quasi diese alten Techniken ja auch eine gewisse Ästhetik in sich trugen. Und diese in der Darstellung durchaus auch wieder auf die Papiere kommen können. Sollen.

SF: Das heißt, es ist schon auch eine Darstellungsqualität des Entwerfens, das auf die Zeichnung selber abzielt und mich immer nur auf die dann zu konstruierende Gebäudeformation oder so was. Ich gestalte schon auch die Zeichnung.

LN: Na klar, das ist ja hauptsächlich das, was wir an der Uni hier machen. Vielleicht muss ich mal 'n Schwank in das wahre Leben eines Architekten geben. Wir haben ja in der Architektur mehrere Leistungsphasen, um ein Gebäude zu entwickeln. Und diese Leistungsphasen beschreiben so verschiedene Zustände von der Idee, wie so `ne Skizze aufs Papier kommt, bis hin, dass ich alle Regeln eingehalten habe und den Bauantrag positiv zurückbekomme. Dann muss ich das Gebäude irgendwie beschreiben. Das heißt, es gibt meistens dann einen Katalog an ganz, ganz vielen Worten.

SF: Worte, also auch Worte.

LN: Interessanterweise Worte, genau, indem ich das Produkt, was ich da also bei uns „Haus“ im Prinzip so genau beschreibe, bis zur Türklinke.

SF: Achso? In Worten?

LN: Bis zur Tür, Blatt, ja, ja. In Worten, das sind viele, viele Seiten und das ist das sogenannte Leistungsverzeichnis. Und danach wird quasi dann ein Produkt ausgesucht, gekauft, auf die Baustelle gebracht.

SF: Also ist die Gestalt dieser Worte verzeichnisförmig. Also es ist gar nicht eine Prosa, die so wie bei Homer…

LN: Oh, das kann man schon auch so ein bisschen so lesen! [Lacht] Manche – es kommt vielleicht auch so `n bisschen auf die Beschreibung des Objektes an, aber eigentlich dient es dazu, dass man möglichst eine produktneutrale Empfehlung oder was man gerne einsetzen möchte. Also soll die Tür blau, grün, gelb sein? Wie groß soll die sein? Wie dick soll die sein? Hat die eine absenkbare

LN: Bodendichtung? Welche Türklinke? Welche Oberflächen usw. Und das ist alles beschrieben. Und das machen wir in der Uni gar nicht.

SF: Das macht ihr in der Uni gar nicht. LN: Das machen wir gar nicht.

SF: Diese Wortarbeit.

LN: Ja. Und da ist jetzt noch nicht das Haus fertig, ne. Nach der Wortarbeit ist dann erst mal die Baustelle, Bauüberwachung und dann ist irgendwann in Leistungsphasen neun das Gebäude fertig und übergeben. Und was wir an der Uni hier quasi mit den Studierenden trainieren, ist, wenn ich das so sagen darf, maximal bis Leistungsphase vier.

SF: Das ist gleich nochmal welche?

LN: Das ist diese Phase, wo ich die Baugenehmigung bekomme. Oder wo ich die Pläne dafür einreiche. Das ist also so `ne Phase, wo der Entwurf aufm Papier existiert, wo die Pläne so gezeichnet sind, dass andere sie verstehen und danach bauen.

SF: Okay, also kannst Du noch mal die Leistungsphasen aufzählen? Ich glaub, da haben wir, glaub ich, jetzt nicht alle mitgezählt.

LN: Große Defizite. Jetzt ist er hier. SF: Also nur so grob, aber...

LN: Also von der eins bis zur vier, das ist so die Entwurfsplanung, die Grundlagenermittlung, was will eigentlich der Bauherr oder die Bauherrin? Ganz wichtig ist ja eigentlich noch in meinen Augen die Leistungsphase null, das ist die, die noch davor liegt.

SF: Ja, welche ist die?

LN: Die noch davor liegt, die quasi erörtert: Was brauchen die Nutzer, die Nutzenden von solchen Gebäuden? Also ist es sinnvoll, ein vielleicht Bestandsgebäude abzureißen oder ist es besser, das vielleicht zu erhalten und mit bestimmten Qualitäten neu zu versehen? Was ist der Bedarf? Diese ganzen partizipativen Prozesse im Bauwesen, die finden eigentlich alle vor der Auftragsvergabe statt, also in der sogenannten Null, die gerade irgendwie sich zu etablieren scheint.

SF: Ist das das Feld, in dem Du vor allem unterrichtest? Also wenn Du gerade mit der Anfängerphase und so und so. Gut, jetzt hatten wir diese Seminare. Ich gehe, führe uns jetzt mal wieder zurück, weil es so schön ist.

LN: Holst du uns wieder zurück!

SF: Na ja, weil das ist ja der Horizont, da soll's eines Tages hingehen und ist ja auch gut, wenn man das man weiß. Und gleichzeitig sollen die Studierenden ja auch, so hab ich das jetzt verstanden, da erst mal nicht an das alles gleich denken, sondern sie sollen überhaupt in die Lage versetzen, diese Intuition, Spontanität und Erfahrung mehr oder weniger mit 'nem Fachwissen zu versehen, Dinge unterscheiden lernen, Materialien unterscheiden lernen, Werkzeuge unterscheiden lernen und das auf mehreren Ebenen. Darf ich das mal auch so zusammenfassen? Also die müssen die Werkzeuge des Entwerfens und Zeichnens genauso kennen wie die des Bauens.

LN: Wie gesagt, wir sind an der Uni eher in der Zeichnung unterwegs. Und wir sind eher im Modellbau unterwegs. Also wir bilden quasi die Idee ab.

SF: Ah ja, sehr gut.

SF: Und dann geht der Architekt oder der zukünftige Architekt in die Praxis, muss mindestens zwei Jahre bauen in 'nem Büro und dann kann man sich, glaub ich, erst eintragen.

SF: Also die Frage, bleiben wir mal bei dem Produkt Haus, Architekt macht ja viele Dinge, Architektin, aber bleiben wir mal bei dem Produkt Haus. Die Frage „Wie sieht eigentlich ein Haus aus?“ wird kreativ beantwortet?

LN: Ja, und zwar im gleich zu Beginn.

SF: Und wie lern ich diese Kreativität? Ich entsinne mich in der Schule. Meinem Sohn wurde sehr früh in der Grundschule eine Zeichnung zurückgegeben. Der hat eben die Häuser gemalt, die in der Siedlung hier rum waren. Das waren also diese Flachdachhäuser oben in Bauhaussiedlung oder da ums Haus am Horn hinten. Was da oben. Und so sieht kein Haus aus. Normalerweise malt man als Kinder in dieser Phase und dann kam eben das Spitz, das Giebeldachhaus. Und so sieht eigentlich ein Haus aus. Daraus, aus der Erfahrung heraus habe ich mir das gemerkt, wie sieht eigentlich ein Haus aus. Und dann habe ich mir vorgestellt, wie sieht eigentlich ein Haus aus? Und dann hab ich mir vorgestellt, wenn man jetzt Entwerfen und Planen unterrichtet, wie normativ –

LN: Ja, ja.

SF: Ne, wie geht man daran, wie unterrichte ich Kreativität, ist eigentlich meine Frage.

LN: Das ist irgendwie so n magischer Aspekt, glaube ich. Hat wiederum viel mit dem Bildgedächtnis zu tun, was ich mir aufgebaut hab. Wenn ich in der Gegend groß werde, wo es überhaupt keine Flachdächer gibt, dann ist für mich natürlich 'n Flachdach irgendwie 'n Sonderding. Und wenn ich aber in Gegenden aufwachse, wo es keine geneigten Dächer gibt, sondern nur Flachdächer, dann kommt mir das andere irgendwie wahrscheinlich erst mal ungewohnt vor.

SF: Ausgezeichnet.

LN: Und ich muss, glaube ich, schauen, für welchen Ort, für welchen Kontext ich plane, um zu schauen, was ist auch konstruktiv sinnvoll? Weil so `ne Dachneigung hat ja 'n Sinn.

SF: Ja, welchen?

LN: Zum Beispiel, wenn Wasser runterkommt in Form von Regen, dann läuft das besser ab als auf so

LN: `nem Flachdach. Ja. Flachdächer können auch mit Wasser umgehen, müssen aber einfach anders konstruiert werden.

LN: Und das ist, glaub ich, schon eine Erfahrung, die man irgendwie auch erleben kann oder erfahren kann. Wenn ich in 'nem Wohngebiet wie am Horn oben groß werde als Kind und das dann zeichne als Haus, dann ist das total in Ordnung, weil das ist genau das, was ich als Haus erlebe, zumal man auch unter Flachdächern viel besser stehen kann als unter geneigten Dächern, wenn man im Dachboden z.B.

SF: Da merkt man’s!

LN: Hat natürlich auch, sagen wir mal, räumliche Vorteile von innen, aber es ist tatsächlich einfach auch 'n Erfahrungswert. Es gibt da nicht das Schlechte oder das Gute. Es gibt nicht nur gute Flachdächer und es gibt auch nicht nur gute geneigte Dächer.

SF: Also „so sieht ein Haus eigentlich aus“, während nicht der Satz, den Du lernst. LN: Das wäre Quatsch. Das wäre so wie: So sieht der Mensch aus.

SF: Ja, interessant. Genau. Jetzt wird's ja dann schwieriger. Also ich stell mir das leicht vor, wenn man einen Satz hat an Lehrsätzen und Meinungen und so und Regeln, die bringt man den Leuten bei, an die sollen sich dann halten, gut ist. Jetzt hat das Bauhaus ja die Tradition auch, würd ich mal sagen oder die Bauhaus-Universität, wenn sie sich auf Bauhaus beruft, beruft sie sich ja auf eine Tradition, die muss man ja dann irgendwie beschreiben und ich hab das mal so versucht zu fassen, dass die Bauhauslehre die Herausforderung angenommen hat, kann man ja sagen, zu sagen, was bisher galt, gilt nicht mehr. Wir wollen jetzt die Zukunft in die Moderne, das heißt, wir wollen die

Tradition hinter uns lassen. In die Bücher, die wir gucken, radieren wir alles raus und dann sind sie leer. Also unsere Lehrbücher sind eigentlich leer. Wie kann ich Lehre entwickeln, wenn ich keine Lehrsätze mehr hab, sondern wenn ich die alle rausschmeiße, wenn ich auf die Zukunft hin orientiere? Und dann, wenn man sich natürlich dieses [unv. 25: 37] anschaut, dann sieht man ja, es reduziert sich. Du hast es, glaube ich, auch schon so `n bisschen so beschrieben, so hab ich's zumindest auch gehört. Man geht dann eben auf die Materialien, auf die Werkzeuge und lernt, was man damit machen kann. Man lernt die Kräfte und die Kräfteverhältnisse kennen.

Tradition hinter uns lassen. In die Bücher, die wir gucken, radieren wir alles raus und dann sind sie leer. Also unsere Lehrbücher sind eigentlich leer. Wie kann ich Lehre entwickeln, wenn ich keine Lehrsätze mehr hab, sondern wenn ich die alle rausschmeiße, wenn ich auf die Zukunft hin orientiere? Und dann, wenn man sich natürlich dieses [unv. 25: Und darin und daraus bildet sich irgendwie eine Art von Erfahrung, so hab ich dich bisher auch verstanden. In die dann Spontanität und Intuition und das bisherige Bildgedächtnis, also eigentlich eine Kultur, in der man aufwächst, sich eintragen kann und gleichzeitig zerlegt man sie in, das Bauhaus hat das ja dann in Stoffe und Materialien zerlegt und letztlich irgendwie auf eine Art auch in Vorgänge oder Prozesse. Aber auf jeden Fall gab's nicht mehr die Skulptur, dann das Gemälde. Und es gab auch schon gar nicht mehr die Landschaft, das Porträt, die Küche, das Rathaus, wo man dann den Katalogen nachschauen kann, wie das aussieht. Und deswegen, wenn wir sagen, in der Tradition und so versteh ich das jetzt eigentlich auch, wie sieht, was mach ich denn als Studierende? Wie finde ich die Form meines Hauses? Was kannst Du da als Unterrichtende tun, da nach einem Semester zu sagen, jetzt habt ihr kreative Vorgangsweisen. Wie geht, wie find ich meine Form?

LN: Mhm. Also im Prinzip beschreibt das ja irgendwie so `n bisschen, wie geh ich mit dem leeren Blatt um.

SF: Richtig.

LN: Also, wie kann ich mein Blatt füllen? Wie ist der erste Strich? Das ist natürlich eine total schwierige Frage, die ich zum einen, ich muss jetzt doch wieder das Bildgedächtnis zitieren, also aus Erfahrungswerten heraus, glaube ich, ganz gut lösen kann oder ich kann mich auch auf andere Disziplinen beziehen. Ich kann nämlich z.B. sagen, ich versuche mich in der Wissenschaft oder in der Musik umzuschauen, um zu gucken, ob's da irgendwie was gibt, was vielleicht strukturelle Parameter für Form ergibt. Und da gibt es meistens irgendwie Strukturen, die mathematisch beschrieben werden können, die ich in der Physik wiederfinde, die ich aber auch in der Musik wiederfinde, weil's zum Beispiel Schallwellen sind. Die ich in farbigen Phänomen wiederfinden kann. Und da ist, glaube ich, die große Kunst, sich inspirieren zu lassen, dass man sich also quasi irgendwie etwas auswählt oder für etwas eine bestimmte Sympathie hat und das dann aus den Augen eines Architekten betrachtet. Und das ist in meiner in meiner Arbeit eigentlich diese interdisziplinäre Idee in der Architektur, dass ich nicht schaue, wie sind hundert Kirchen gewesen. Sondern vielleicht eher über Raumatmosphären, über Raumeindrücke, aber auch über physikalische Parameter oder Phänomene, über, ja, physikalisch ist, glaube ich, mathematisch physikalisch sind viele Sachen, ich sag mal goldener Schnitt oder die Fibonacci Reihe. Das sind ja so, glaub ich, bekannte Elemente in dieser

LN: Entwurfsgrammatik. Und jetzt ist es nicht so, dass ich mich hinsetze und dann einfach die Fibonacci Reihe aufzeichne und dann habe ich 'n Haus, aber ich habe 'n Schneckenhaus, ne. Also da steckt ja im Prinzip diese Idee des Wachsenden drin. Und dann gibt es 'n Haufen Phänomene, die da auch wieder eine große Rolle spielen, das Fraktale, also dieses Selbstbeschreibende der Struktur. Wenn ich mich in was ganz nah reinzoome, habe ich ganz ähnliche Situationen, wie als wenn ich von was ganz weit wegkomme. Und wenn ich so was, wenn neugierig beobachte, solche Strukturen erkenne ich vielleicht plötzlich Strukturen, die mir ein Gefüge ergeben und ich baulich irgendwas errichten kann. Die tragbar sind.

SF: Verstehe, Du erregst Neugier, also Du musst Neugier nähren, Du musst Interesse wecken, das sind so deine Aufgaben als Lehrperson, Intuition fördern oder so was, ne?

LN: Ja! Das ist das Tolle an unseren Studierenden, die kommen relativ breit ausgebildet. Das muss man echt sagen. Also ich würde sagen, ich interessier mich sehr für die Verbindung von Musik und Architektur und auch von Bewegung im Raum und es gibt ganz viele Studierende, die sich ja eigentlich primär für Architektur einschreiben, die aber auch eine musikalische Ausbildung mitbringen. Und da kann man total gut drauf bauen bei sehr, sehr vielen Leuten, dass die irgendwie quasi auch eine Idee von räumlichen Strukturen in der Musik z.B. auch haben und mitbringen. Und dass man da relativ schnell ja, mit denen Entwurfsparameter entwickeln kann, die man zusammensetzen kann, von denen ich auch immer wieder lerne. Das ist total toll.

SF: Du arbeitest viel mit Musik, mit Tanz auch, also weil das Bewegungen im Raum sind, das leuchtet mir ein. Zum Beispiel, erzähl mal 'n Beispiel. Du hast mal erzählt, das hat mich sehr fasziniert, diese Form, die entstanden ist durch die, wie soll ich sagen, durch die Aufnahme oder durch das Zeichnen im Hauptgebäude in diesem Flur. Willst du das beschreiben? Das fand ich so schön!

LN: Ja, das war tatsächlich eine Übung, die sich auf den Rhythmus von Elementen fokussiert hat und da ist es so, dass wir tatsächlich in der Wahrnehmung als Erstes gebeten haben, dass die Studierenden sich wirklich mit dem auseinandersetzen, was sie umgibt. So banal, wie das klingt. Also mit Lichtschalter, mit Rollos, mit Türblättern, mit wirklich allem, was sie sehen, was sie wahrnehmen können. Und das war – würde im Prinzip in einer Art und Weise mutiert und aufgeschrieben werden, da sind wir wieder beim Wort. Das gab irgendwie eine Beschreibung, einen Code dafür. Dieser Code wurde dann in Form transformiert, also lange…

SF: Aber auch beim Notieren im Sinne einer Notation, also das ist auch eine… LN: Ganz genau.

SF: Interessant, ja. Erzähl weiter, Entschuldigung.

LN: Ich find das das einen spannenden Aspekt übrigens. Ich geh mal in die Schleife mit. Die Notation oder die Partitur in der Musik ist ja auch nicht das klingende Werk. Das ist so ähnlich wie die Zeichnung der Architekten. Das ist eine Kunstform an sich, aber es ist eigentlich nicht das, worauf's hinauswill. Der Architekt will ja eigentlich schlussendlich das Gebäude fertig haben, der Komponist den Raum lang und trotzdem hat die Partitur oder die Notation eine extreme Ästhetik. Und so ähnlich seh ich das, glaub ich, auch in den Plänen von Architekten, die auch eine extreme Ästhetik in sich tragen und die wir hier natürlich total fördern.

SF: Kompositionslehre könnte man Deinen Bereich auch nennen. LN: Durchaus. Ja.

SF: Interessant, wirklich. Also mein ich ganz, ja. Verstehe ich richtig, die Enge und die Verwandtschaft. Erzähl weiter von dem Flur, wunderschön.

LN: Das kann man übrigens nicht nur Fluren machen, kann man auch in Straßen machen oder in seinem eigenen Zimmer.

SF: In der Tat!

LN: Wichtig ist, dass man tatsächlich alles extrem ernst nimmt. Das ist, glaube ich, eine wesentliche Voraussetzung, dass man sich auf diese Aufgaben einlässt und wirklich diese Banalitäten versucht zu benennen, daraus dann irgendwie Form zu entwickeln. Und dann habe ich wie eine Partitur, was ich ja immer spannend finde ist, dass so in Abhängigkeit der Zeit zu zeigen. Weil Architektur ist ja per se erst mal so `n statisches Ding. Das ist so `n Gebäude und das ist da und das ist nicht wie einen Film, wo es 'n Anfang mitten und 'n Ende gibt, sondern Architektur ist so `n Raum, Raumkunst. Und trotzdem ändert sich die Raumkunst auch in Abhängigkeit ihrer Nutzung, schon in im Tagesablauf, ob ich Sonne drin hab oder nicht in so `nem Raum, ob's kalt oder warm ist in so `nem Raum, ändert sich ändern sich auch Raumparameter.

SF: Aha, Architektur gestaltet Raum und Zeit. LN: Jo.

SF: Ja, okay.

LN: Und ich nehme Architektur auch im Laufe der Zeit wahr. Und genau das versucht diese Übung irgendwie so zu thematisieren, dass es auch da 'n Anfang und 'n Ende gibt, obwohl ich alles gleichzeitig auch wahrnehmen kann. Und dann versucht man im Prinzip aus diesen einzelnen grafischen Elementen, die für bestimmte Parameter oder Aspekte stehen, Formen zu finden und die

LN: dann wiederum in ein Modell zu transformieren, was haptisch, also analog gebaut ist, nicht irgendwie im Raum, 3D, sondern tatsächlich mit Kleber, Pappe und Cutter entsteht und das aber so konstruiert sein muss, dass es keine, sagen wir mal, Schokoladenseite hat. Also es muss von allen Seiten irgendwie ansprechend wirken. Weil es nämlich der Vorteil von Modellen, dass ich die quasi wirklich drehen kann, wenden kann und alle Raumparameter von allen Seiten einsehen kann.

SF: Aber jetzt – nur, dass ich das richtig verstehe. Auch die Hörerinnen und Hörer, die Partitur dieses Raums ist nicht dazu da, dann den Raum im Modell abzubilden, sondern die Partitur bildet den Ausgangspunkt für einen Modellentwurf, der eine eigene Gestalt wieder aus der Partitur aufführt.

LN: Für mich sind deine beiden Aspekte eigentlich beide zielführend. Also die ist sozusagen wirklich das Grundgerüst, nachdem einzelne Phänomene beobachtet worden sind, werden die dann verräumlicht dargestellt. Also ich versuch, die wirklich in drei Dimensionen irgendwie…

SF: Wie sieht so was aus? Kannst Du das beschreiben? Ich kann's…

LN: Das ist gar nicht so komplex, wie es jetzt klingt wahrscheinlich, aber es sind im Prinzip Flächen, die erzeugt werden. Weil wenn wir Modelle bauen, in Pappe z.B., sind einfach 'n paar Formen sinnvoller als andere. Das liegt jetzt aber auch an der Materialität. Würde ich das mit anderen Materialien oder eben sogar am Rechner mit irgendwie parametrischen Elementen entwickeln lassen, würden da wahrscheinlich auch wieder andere Formen entstehen. Und das ist ja das Spannende in dem, was ich unterrichte. Also die Abhängigkeit von meinem Werkzeug und der Form. Also: Bedingt das Werkzeug die Form, lasse ich mich von meinem Werkzeug leiten, eine Form zu finden oder ist es nicht eher so, dass ich die Form im Kopf habe und das passende Werkzeug dafür finden muss, um das zu visualisieren?

SF: Ausgezeichnet.

LN: Ganz schwierige Frage.

SF: Ich bewege mich die ganze Zeit. Also der Ausgangspunkt kann sich dauernd bewegen auch. Ich kann den dauernd wechseln.

LN: Ja, ja. Ist 'n total spannendes Feld. Und auch in der Entwicklung, ja, also dadurch, dass ich jetzt Methoden habe, wie ich dreidimensional und auch in Abhängigkeit der Zeit entwerfen kann, entstehen ja ganz andere räumliche Konfigurationen auch.

SF: Zeit, Zeit! Ich hab vergessen, meine Uhr hinzulegen. Hast Du eine zur Hand? LN: Ich hab auch nicht, ne. Dann müssen wir mal bewegte Pause machen.

SF: Das macht nichts. Das bauen wir einfach ein. Passiert ja auch im Unterricht.

LN: Sollte, ja, dass mal einer auf die Uhr guckt. Wobei es schön ist, wenn man nicht auf die Uhr guckt im Unterricht, find ich immer [lacht]

SF: Das ist richtig, ja. Das ist wirklich richtig. Ich mag das auch gern, aber leider überzieh ich dann meistens, wenn ich nicht auf die Uhr guck. Gut, wir haben jetzt, glaube ich, Entschuldigung, fast schon vierzig Minuten, wenn ich das richtig weiß. Oder fünfunddreißig, d.h. wir haben noch zehn Minuten. Ist mir neulich schon mal passiert und dann haben wir auch zehn Minuten vor der Zeit. Vielleicht hab ich doch eine Art innere Uhr! [Beide lachen]

LN: Ist bestimmt auch eine Art Training. Wenn man so seine vierzehn durchhat.

SF: Das stimmt! Gut, dann haben wir noch zehn Minuten und sind noch ganz am Anfang. LN: Wo war denn das Ziel?

SF: Richtig, gibt es das? Gibt es den Anfang ohne Ziel? Nee, also 'n Ziel hat 'n Anfang, aber einfach nur 'n Anfang…

LN: Ich würde sagen, kreative Prozesse müssen nicht unbedingt immer ergebnisorientiert laufen. Das ist auch ganz toll, wenn man einfach mal loslegen kann, ohne zu wissen, worauf's hinausläuft.

SF: Arbeitest Du so auch in deinen Seminaren?

LN: Auch. Aber ich muss ehrlich sagen, dass es oft ergebnisorientierte Arbeiten sind, weil wir natürlich irgendwie ein Produkt oder einen Entwurf, eine Abgabe am Ende des Semesters irgendwie erwarten.

SF: Und kommt das dann dabei raus oder was hast Du da für Erfahrungen? Wie arbeitest Du lieber? Ergebnisoffen oder ergebnisorientiert?

LN: Oh, das ist eine total schwierige Frage, weil ich glaube, beide Aspekte sind extrem wichtig. Um die Kreativität anzukurbeln, ist natürlich auf jeden Fall das Methodenoffene wichtig. Aber nicht immer kann man das zum Schluss dann fassen, in 'ner Bewertung. Und das ist, glaube ich, das Dilemma, dass wir hier in 'nem Schulsystem sind, was irgendwie auf eine Bewertung aus ist.

SF: Liegt es nur am Schulsystem, weil jetzt wäre ja meine Frage auch gewesen, die mir grad durch den Kopf ging, wie leitest Du das an, dass man nicht in der Vielfalt der Möglichkeiten verloren geht?

LN: Ich glaube, es sortiert sich schon im Seminar, was bei uns zumindest in der Architektur irgendwie bewertet werden muss. Und 'ne Übung, die in der Werkstatt oder so stattfinden kann, was nur bestanden sein muss. Das ist, glaube ich, so der Schlüssel, dass Projekte, die tatsächlich kreativ frei sind, also ergebnisoffen sind, eher in diese Module versuche unterzubringen, wo es nicht auf eine Note ankommt, sondern tatsächlich nur einfach das Testat. Und das ist dann bei mir auch nicht, war achtzig Prozent der zwei da, sondern eher „hat sich intensiv mit dieser Sache auseinandergesetzt“. Und das muss man beobachten. Da muss man einfach als Lehrender da auch irgendwie Teil der Szene sein und kann nicht einfach sagen: „Mach das mal zu Hause und bring mal mit, was Du mitbringst“.

SF: Super Punkt. Genau danach hab ich gefragt, wie wir man als Lehrperson Teil der Szene?

LN: Also… vielleicht hol ich da 'n kleinen Moment aus. Ich habe ganz viel übers Lernen von meinem Vater gelernt, der Professor in Erfurt an der Fachhochschule gewesen ist, auch für Architektur. Und bei ihm hab ich auch so meine ersten Jobs gehabt in der FH als Lehraufträge und dort hab ich, glaub ich, oder mit ihm und durch ihn hab ich das Lehren gelernt. Das kann man ja auch nicht irgendwie plötzlich, ne. Und ich habe beobachtet, ich hab ganz viel beobachtet, wie er mit seinen Studierenden umgegangen ist. Ich habe beobachtet, wie er auf Aughöhe immer mit denen gearbeitet hat und ich habe mir auch abgeguckt, dass er immer mitgemacht hat. Mein Vater hat im Unterricht immer mitgemacht. Wenn der Zeichenkurse gegeben hat, hat er mitgezeichnet.

SF: Auch gezeichnet, ganz spannende Frage!

LN: Wenn er entworfen hat, er hat also nicht quasi dozentiert, hat gesagt: „So, macht mal das, macht mal das“, sondern er hat immer mitgemacht. Er war Teil dessen, dass sie Studierenden auch gesehen haben, der redet nicht nur drüber, der kann das auch. Und das habe ich mir ein Stück weit abgeguckt [lacht] Und mache auch mit.

SF: Müssen Lehrende, Lehrmeister in allen Bereichen, die sie unterrichten, sein? Das ist ja dann so immer so `ne Frage, müssen Sie die Besten sein und sagen Sie: „Jetzt bist Du besser als ich.“ Oder wie, ja?

LN: Das ist 'n total guter Aspekt gewesen. Also ich hab ja auch Architektur hier in Weimar studiert und das auch ganz erfolgreich gemacht und hatte natürlich so `ne Trickkiste, so mein magisches Bewusstsein, meine Magie. Und als Lehrender bist Du ja dann möglich, dann damit konfrontiert, dass deine Studierenden das hinkriegen und dann fängst Du an und überlegst, teilst Du jetzt deine Tricks? Und ich kann mich an den Anfang extrem erinnern, wo ich dachte, oh, muss ich jetzt diesen coolen Trick. Ja, aber sonst wird das ja nix. Und dann fängt man an, so sein Geheimwissen zu teilen.

LN: Und wenn das dann fruchtet und funktioniert, dann sind das so Sternstunden der Lehrer, wenn man so merkt, dass die eigenen Tricks nicht kopiert, aber irgendwie angewendet und weiterentwickelt werden, das war ein sehr sehr tolles Lehrerlebnis.

SF: Das ist interessant. Magier teilen ja nur untereinander, ihre Tricks. LN: Eben [lacht] Aber ich will ja neue Magier erzeugen.

SF: Genau, es sind ja Zauberlehrlinge! Ja, richtig, interessant. LN: Kann man das vielleicht auch benennen.

SF: Magier sollen sehr glückliche Menschen sein, hab ich neulich, da gab's im Zeit Magazin einen eigenen Artikel.

LN: Das hab ich auch gelesen, stimmt! Ja. Ja. [Lacht] SF: Sind Lehrende auch sehr glückliche Menschen?

LN: Also ich glaube, hier spreche ich für mich. Ich bin absolut glücklich mit meinem Beruf. Ich hab genau das Richtige, ich mach das unwahrscheinlich gerne. Ich ziehe eine große Kraft aus der Arbeit mit den Studierenden, für mich selber auch. Und ich bin aber auch auf der anderen Seite selber Lernende. Also ich begebe mich auch in diese Situation, dass ich unterrichtet werde. Also ich hab z.B. jetzt angefangen zu weben und habe mich mit dem Medium des Fadens und der Farbe und der Linie, die zur Fläche wird, handwerklich tatsächlich beschäftigt. Und das ist total toll zu sehen, mit welchen Tricks und Methoden das vermittelt wird.

SF: Das ist ja schön…

LN: Oder ich spiele in 'ner Big Band mit, wo ich sehr aufmerksam unseren Big Band Leiter immer beobachte, wie der so mit so `ner Masse an 'ner großen Band und so eine Big Band ist ja schon… sind viele Leute. Wie der, die manchmal ja, ich würd fast sagen, so als Dompteur bearbeitet und mit welchen Tricks er dann niederschwellig arbeitet und daraus ziehe ich auch ziemlich viel Kraft, um zu schauen, wie lehren andere, das so auf meine eigene auch wieder mal abzugleichen, anzupassen.

SF: Und gerade in diesem Interdisziplinären, das finde ich tatsächlich sehr, sehr schön, diese Beispiele. Ich hab vor zwei Jahren angefangen, Keramik zu machen. Also jetzt so mit fünfzig nochmal Keramik. Und zwar mit dem Interesse für das, Du hast es gerade das Weben ganz ähnlich beschrieben, mit 'nem ähnlichen Interesse mache ich da auch dieses mit der Keramik. Also mir geht's nicht darum, unseren Tellerbestand irgendwie auszustatten oder Weihnachtsgeschenke zu finden

SF: oder auf irgendwelchen Märkten aufzutreten, sondern dieses forschende Interesse am Material und Verhalten usw. Und tatsächlich habe ich irgendwann mal festgestellt, das ist ja, es hat ja ganz vielen Dingen zu tun, ich hatte gedacht, ich mach mal was anderes, aber dann ist es doch wieder was, was ich sowieso mach. [Beide lachen] Aber das ist ja dann, holt sich wieder ein, die ich so mache. Also ich hab plötzlich die Prozesse des Schreibens, ich bin ja eher 'n theoretisch, also 'ne verbal artikulierende Praxis. Und da hab ich festgestellt, dass das sehr viel damit zu tun hat mit Aufbauen, wieder wegnehmen, wieder Aufbauen, wieder wegnehmen, brennen, dann ist’s fertig, also wenn's gedruckt ist, ist es draußen. Dann muss der Text allein zurechtkommen. Jetzt kann ich da nichts mehr dran machen usw.. Plötzlich hab ich wirklich übertragen können.

SF: Wie diese Prozesse sind. Ist was anderes, Keramik, also Plastizieren ist was anderes als Skulptur, wo man ja eigentlich nur weghämmert. Da wär der Text ja schon da. Aber ich bau ihn wirklich regelrecht auf und komischerweise hätte mich Skulptur auch weniger interessiert. Und Weben finde ich tatsächlich sehr spannend, weil da weil man da so viele Aspekte hat. Das würde mich auch mal interessieren. Wie entstehen Farben, was sind Farben eigentlich? Farben verlaufen ja da, selbe Farben mit der einmal eingefärbten Situation, durchläuft ja dann in dem Gewebe, durch die Kontexte dauernd neue Farbigkeiten usw.

LN: Das ist total überraschend. Und für mich im Moment absolut nicht vorhersehbar. Das finde ich wirklich faszinierend. Ich kann mir vorstellen, dass man auch das lernen kann, aber im Moment ist das ganz viel probieren bei mir.

SF: Und da lernst Du viel über die Lehre auch wiederum, wenn ich das richtig verstehe

LN: Ja, dadurch, dass ich das selber auch ja mir erlerne, merke ich, was sind Tipps und Tricks, die gut funktionieren, was sind theoretische Dinge. Also 'n Aspekt, den wir jetzt auch noch nicht angesprochen haben, ist das Tutorial im Internet. Das finde ich ist auch so zwischen Handwerk und Magie. Also wie kann ich mir eigentlich auch Wissen aus dem Internet – kann ja alles irgendwie –

SF: Was hast Du da für Erfahrungen?

LN: Genau und das reicht eben nicht, das Tutorial anzugucken, sondern das ist gut, wenn man mit einer Frage und 'ner echten Person auch in Kontakt kommt und sich austauschen kann. Und ich glaube, das ist auch nochmal 'n ganz wesentlicher Aspekt, warum es doch auch den individuellen Unterricht braucht. Auch wenn ich mir viel ausm Netz über Handlungsanweisungen holen kann und auch vielleicht die ein oder andere Klippe umschiffen kann, mit Erfahrungswerten anderer, ist doch so `n persönlicher direkter Austausch im Unterricht meines Erachtens unschlagbar.

SF: Du hast ja gerade gesagt, dass – bisschen zu der Frage, wie lernt man eigentlich lehren, hast Du ganz viele Antworten gegeben. Da hab ich gehört viel von, Du hast beobachtet und Du schaust anderen beim Lehren zu. Es hat was Beobachtendes, Wahrnehmendes, es hat was Nachahmendes, Ausprobieren. Ich probier das jetzt auch mal. Und das ist ja eigentlich 'n Lernvorgang, wie Kinder auch lernen. Das ist, vielleicht sind wir so glücklich, weil wir eigentlich die ganze Zeit auch so ein kindliches Verhältnis, also das ist ein weltoffenes Verhältnis eigentlich.

LN: Ein neugieriges.

SF: Ja, Neugier. Ich nehme das schon so wahr als Lehrperson, dass ich eigentlich immer dazu aufgefordert bin, dauernd offen zu bleiben.

LN: Definitiv.

SF: Das ist natürlich sehr schön, weil plötzlich in dieser Offenheit die ganze Welt eigentlich begegnet. Nachher, wenn ich aus dem Seminarraum rausgehe, dann sehe ich auch den Baum mit derselben Offenheit und den Vogel, der vorbeifliegt.

LN: So ist das.

SF: Und auch das Pflaster, ich hab eine, ich nehm schon wahr, dass ich irgendwie aufgefordert bin, die Welt intensiv wahrzunehmen, weil ich ja den Studierenden auch so genau zuhören muss oder zuschauen muss, was machen die jetzt undso. Man muss da dauernd im Austausch sein und das ist eigentlich 'n schönes in der Welt sein. Vielleicht kann man's so beschreiben.

LN: Vielleicht ist es das Glück, was wir haben. So ist es! [Beide lachen] SF: Jetzt weiß ich nicht, ob wir mit der Zeit schon –

LN: Klingt eigentlich nach 'nem sehr schönen Schlusswort.

SF: Eigentlich ein schönes Schlusswort. Vielen Dank, liebe Luise. LN: Ich danke dir auch sehr, Simon.

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